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Der Kampf, Jahrgang 2 1. Heft, 1, Oktober 1908, S. 17–22.
Transkription u. HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.
Die Tatsache, die die ganze Entwicklung der auswärtigen Politik aller europäischen Staaten in den letzten Jahren am stärksten beeinflusst hat, ist der Gegensatz zwischen Grossbritannien und dem Deutschen Reich. Die kraftvolle Entwicklung der reichsdeutschen Industrie wird England zunächst auf dem Warenmarkt fühlbar. Vom Jahre 1900 bis zum Jahre 1907 ist der Wert der deutschen Warenausfuhr von 4.611,4 auf 6.850,9 Millionen Mark, der Wert der ausgeführten Fabrikate von 2.982,4 auf 4.808,9 Millionen Mark gestiegen. Der englische Handel stösst nicht nur auf dem Weltmarkt auf den deutschen Wettbewerb, sondern auch in der eigenen Heimat. In den Jahren 1900 bis 1907 stieg die deutsche Ausfuhr nach Grossbritannien von 912,2 auf 1.060,4 Millionen Mark. Gleichzeitig steigt Deutschlands Export nach allen wichtigen Teilen des britischen Kolonialreiches:
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Wert der deutschen Ausfuhr |
|
1900 |
1907 |
|
Britisch-Ostafrika |
1,4 |
2,6 |
Britisch-Südafrika |
14,0 |
28,9 |
Britisch-Westafrika |
7,6 |
13,9 |
Aegypten |
15,7 |
39,5 |
Britisch-Indien |
56,3 |
104,7 |
Ceylon |
1,7 |
2,2 |
Hongkong |
3,5 |
5,0 |
Canada |
20,0 |
29,6 |
Uebriges Britisch-Amerika |
1,5 |
2,4 |
Britisch-Australien |
47,9 |
67,3 |
Dass viele britische Industrien diese Entwicklung des deutschen Aussenhandels mit wenig Wohlwollen betrachten, ist begreiflich. Die deutschen Waren werden zollfrei nach England eingeführt, während Deutschland die englische Einfuhr mit hohen Zöllen belastet. Hinter der Zollmauer geborgen, bauen die deutschen Industriellen mächtige Kartelle aus, die durch Ausfuhrprämien und durch die Praxis des Schleuderexportes („Dumping“) die Konkurrenzbedingungen auf dem Weltmarkt und in England selbst zum Nachteil der englischen Industrie verändern, die, nicht durch Zölle geschützt, solcher Kampfesmittel entbehrt. Die Agitation der Schutzzöllner in England lässt der Bevölkerung die deutsche Konkurrenz als unlauteren Wettbewerb erscheinen.
Aber auch auf dem Kapitalsmarkt, im Wettbewerb um neue Anlagesphären stosst England auf die deutsche Konkurrenz, seit die deutschen Banken, durch einen überaus schnellen Konzentrationsprozess erstarkt, den deutschen Kapitalsexport organisieren.
Im engen Zusammenhang mit dem Wettkampf um Absatzmärkte und Anlagesphären steht das Streben beider Staaten, überseeische Länder ihrem Kolonialbesitz anzugliedern. Deutschlands Kolonialpolitik hat kein festes Ziel; bald da, bald dort erweckt sie den Verdacht, dass Deutschland selbstsüchtige Pläne verfolge, und reizt die Eifersucht der grössten Kolonialmacht. Das deutsche Auswanderungsgesetz vom Jahre 1897 hat den Verdacht erweckt, dass Deutschland Südamerika planmässig seinem Einfluss unterwerfen wolle. Im mittleren Orient baut deutsches Kapital die Bagdadbahn. Deutschlands Verhältnis zur Türkei, seine Haltung in der Marokkofrage, die Reisen des deutschen Kaisers nach Jerusalem und Tanger zeugen von dem phantastischen Plan, die mohammedanische Welt am Mittelmeer der deutschen Einflusssphäre einzugliedern. Seit der Erwerbung Kiaotschaus und dem Hunnenfeldzug gilt das Reich auch im fernen Osten als gefährlicher Konkurrent. Endlich ist auch das unkluge Telegramm des deutschen Kaisers an den Präsidenten Krüger in England noch nicht vergessen worden; auch Deutschlands Politik in Afrika erscheint den englischen Imperialisten gefährlich. Gerade weil die deutsche Kolonialpolitik ihre Kraft nicht einem bestimmten Ziel zugewendet, sondern sich gleichzeitig in alle Fragen der Weltpolitik eingemengt hat, hat sie in England eine stetig wachsende Beunruhigung erzeugt.
Diese Besorgnis findet in der fortwährenden Vermehrung der deutschen Armee und Flotte neue Nahrung. Die englische Bevölkerung muss heute bereits die schwersten Opfer für die Wehrmacht bringen. Auf den Kopf der Bevölkerung entfallen an Ausgaben für Heer und Flotte in England 27,3, in Frankreich 21,3, in Deutschland 17,1 Mark. [1] Eine starke Strömung, die nicht nur von der Arbeiterpartei, sondern auch von einem grossen Teile der liberalen Wählerschaft getragen wird, fordert die Einschränkung der Rüstungen. Aber sie kann immer wieder wirkungsvoll mit dem Argument bekämpft werden, dass das Deutsche Reich seine Rüstung unablässig verstärkt und die englischen Abrüstungsvorschläge ablehnt.
Schliesslich stärkt auch die innere politische Entwicklung Deutschlands den britischen Imperialismus. Das deutsche Bürgertum hat jeden Widerstand gegen die Flotten- und Kolonialpolitik aufgegeben. Die ganze bürgerliche Presse ist an der Hetze gegen England beteiligt. Die Geschichte der Reichstagswahlen beweist, dass die Regierung jede Opposition, auch die mächtige Sozialdemokratie niederwerfen kann, wenn sie eine Frage der Militär- oder Kolonialpolitik zur Wahlparole macht. So erscheint die Hoffnungeitel, dass das deutsche Volk selbst den deutschen Imperialismus in naher Zeit bezwingen werde.
So stehen einander England und Deutschland misstrauisch gegenüber. Die proletarische und demokratische Opposition gegen den Imperialismus erscheint in beiden Staaten wirkungslos. Bundesgenossen gegen Deutschland zu suchen, scheint nun die natürliche Aufgabe der englischen Regierung zu sein. Die deutsche Marokkopolitik gibt ihr die Gelegenheit, sich mit Frankreich zu verständigen. Nun gilt es, Russland zu gewinnen, das seit dem Eintritt der rückläufigen Bewegung der Revolution wieder als ein wertvoller Bundesgenosse, wenn nicht für den Augenblick, so doch für die Zukunft erscheint. Das Eingreifen Oesterreich-Ungarns gibt den englischen Politikern dazu den erwünschten Anlass.
In der letzten Delegationssession bat der Minister des Aeussern den Bau der Sandschakbahn angekündigt, welche von Uvac, dem Endpunkt des bosnisch-herzegowinischen Eisenbahnnetzes, nach Mitrovica führen soll, das bereits mit Salonik durch eine Eisenbahn verbunden ist. Russland erklärte, dass durch dieses Eingreifen der österreichisch-ungarischen Regierung die Miirzsteger Konvention über das gemeinsame Vorgehen Russlands und der Donaumonarchie auf der Balkanhalbinsel aufgelöst sei. Die britische Regierung nützte sofort die günstige Situation aus. Russland und Grossbritannien legten der Türkei ein Reformprogramm für Mazedonien als ihre gemeinsame Forderung vor. Die englische und französische Presse unterstützte Russland im Kampfe gegen die österreichisch-ungarischen Eisenbahnpläne. So hat die Politik Aehrenthals dem britischen Imperialismus einen wertvollen Dienst geleistet. England unterstützt Russlands Politik auf der Balkanhalbinsel gegen Oesterreich-Ungarn und tauscht dafür den Anschluss Russlands an die gegen das Deutsche Reich gerichtete englisch-französische Koalition ein. Die „Einkreisung“ Deutschlands ist vollendet.
Der handelspolitische Wert der Sandschakbahn wird in Oesterreich überschätzt. Die neue Bahnlinie würde keineswegs unseren Weg nach Salonik verkürzen. Die Entfernung von Wien nach Salonik beträgt auf der bestehenden Eisenbahnlinie über Budapest, Belgrad und Uesküb 1.322 Kilometer; bei Benützung der bosnischen Bahn und der Sandschakbahn wird sie 1.490 Kilometer betragen. Eine Förderung unseres Warenverkehrs mit den Mittelmeerländern können wir also von der geplanten Bahnverbindung nicht erwarten. Ueberdies konnte die neue Linie für den internationalen Warenverkehr nur dann nutzbar gemacht werden, wenn die schmalspurigen bosnischen Bahnen in normalspurige umgebaut würden. Die handelspolitische Wirkung der neuen Eisenbahnlinie würde sich also wohl darauf beschränken, dass Sarajevo für das nördlich von Uesküb gelegene Gebiet ein Stapelplatz würde, der Salonik, das diese Gegenden heute mit Waren versorgt, allmählich verdrängen könnte; die jährliche Einfuhr dieser Gegenden an europäischen Waren beträgt aber nur 21.000 Tonnen. Auch dieser Vorteil wird uns aber sehr wesentlich geschmälert werden, wenn die Sandschakbahn nicht gebaut werden kann, ohne dass zugleich der Bau der serbischen Transversallinie Nisch-Antivari und der italienischen Linie Valona-Monastir zugestanden werden muss. In diesem Falle stossen wir einerseits in den durch die Sandschakbahn zu erschliessenden Gebieten auf vermehrte italienische Konkurrenz und schwächen andererseits unsere handelspolitische Machtstellung in Serbien, indem wir der serbischen Viehzucht den italienischen, der italienischen Industrie den serbischen Markt näher bringen. [2] Aus all dem geht hervor, dass der Bau der Sandschakbahn unserer Volkswirtschaft nur sehr kleinen Gewinn bringen wird – jedenfalls viel kleineren, als ihr gute Handelsverträge mit den Balkanstaaten bringen könnten.
Diesem geringfügigen Vorteil stehen aber gewichtige Nachteile gegenüber. Der Interessengegensatz zwischen Oesterreich-Ungarn und Russland auf der Balkanhalbinsel nimmt wieder einen bedrohlichen Charakter an. Da die englische Regierung Russland unterstützt, während die Monarchie auf der Seite des Deutschen Reiches steht, tritt die Balkanfrage in engen Zusammenhang mit den weltpolitischen Problemen, die der Streit' gegenstand in dem diplomatischen Kampfe zwischen dem deutschen und dem britischen Imperialismus sind. England gibt unsere Interessen auf dem Balkan dem russischen Verbündeten preis, um dadurch Deutschland zu treffen. Das Donaureich trifft der Schlag, der dem deutschen Imperialismus gilt. Jede weltpolitische Verwicklung, auch die durch Deutschlands Eintreten für Muley Hafid neuerlich gefährlicher gewordene Marokkofrage wird nun auch für uns zur Gefahr: ist es doch immer denkbar, dass zunächst auf dem Balkan der Brand entzündet wird, in dem der englische Imperialismus schliesslich den deutschen Nebenbuhler zu vernichten hofft.
Das Bündnis mit dem Deutschen Reiche gewinnt nun neuen Inhalt. Die Völker Oesterreichs werden es freilich gerade im jetzigen Augenblicke nicht lösen wollen. Da der Zarismus wieder erstarkt ist, brauchen wir Deutschlands Stütze; sonst würden wir in ein bedenkliches Abhängigkeitsverhältnis zu dem völkermordenden Zarenreich geraten und statt der Geschäfte des deutschen die des nicht minder volksfeindlichen britischen Imperialismus besorgen. Die Aufrollung der Balkanfrage berührt auch wieder die empfindlichste Stelle unserer äusseren Politik, unser Verhältnis zu Italien; wir können die an dieser Stelle immer drohenden Gefahren nicht noch durch die Auflösung des Dreibundes vergrössern. Aber wenn wir unser Bundesverhältnis zu Deutschland und Italien nicht auflösen können, so haben wir doch allen Grund, mit seiner inneren Entwicklung sehr unzufrieden zu sein. Der Bund wäre uns überaus wertvoll, wenn er die kulturellen Beziehungen der Völker enger knüpfen würde. Diese Aufgabe aber erfüllt er nicht. Obwohl unsere Machtstellung in dem Bundesverhältnis infolge der Einkreisung Deutschlands gewiss gestärkt wurde, war unsere Regierung nicht einmal imstande, die österreichischen Arbeiter im Reich gegen die schmachvollen Misshandlungen durch die preussische Regierung, gegen das Legitimationssystem der deutschen Feldarbeiterzentrale zu schützen, das österreichische Arbeiter den reichsdeutschen Unternehmern wehrlos ausliefert. Das Bündnis, das die österreichischen Staatsbürger im Reiche ihrer Freizügigkeit berauben lässt, macht uns aber von der abenteuerlichen Politik des deutschen Imperialismus, von allen Wechselfällen des deutsch-britischen Wettkampfes abhängig. Durch das britischrussische Abkommen sind wir die Prügelknaben des deutschen Imperialismus geworden.
Die geringen handelspolitischen Vorteile der Sandschakbahn wiegen diese Gefahren nicht auf. Es wäre ganz unverständlich, wenn Baron Aehrenthal unser wichtigstes Interesse, den Frieden, und unser wertvollstes Gut, die Unabhängigkeit von den Händeln der imperialistischen Weltmächte, gefährdet hätte, um nur den Handel mit den Dörfern im Amselfelde von Salonik nach Sarajevo abzulenken. Der Verdacht ist nicht abzuweisen, dass das Projekt der Sandschakbahn anderen Zwecken dient, dass es nach längerer Pause wieder den ersten Schritt auf der abschüssigen Bahn der alten Grossmachtpolitik, der Expansionspolitik auf der Balkanhalbinsel darstellt. Die Völker Oesterreichs werden daher der Regierung sehr energisch erklären müssen, dass sie jede Eroberungspolitik auf der Balkanhalbinsel ablehnen, dass sie nicht gewillt sind, gegen lächerlich geringen wirtschaftlichen Vorteil eine schwere Gefährdung des Friedens einzutauschen. Die Situation auf der Balkanhalbinsel gestattet uns schon darum keine gefährlichen Experimente, weil der gedankenlose militärische Absolutismus in Bosnien ernste Gefahren erzeugt hat. Mit Hochverratsprozessen werden wir sie nicht bannen. Eine demokratische Verfassung, die der Mehrheit der Bevölkerung auch die Mehrheit der Vertretung in einem gesetzgebenden Landtag geben würde, würde die ganze Aufmerksamkeit des Landes seinem grossen sozialen Problem, der Herstellung des bürgerlichen Eigentumsrechtes für die Bauern, zuwenden und der grossserbischen Bewegung allen Nährstoff entziehen. Fleute aber mahnen uns die Verhältnisse in den okkupierten Provinzen zu doppelter Vorsicht.
Zunächst hat allerdings ein unerwartetes Ereignis die drohende Gefahr verscheucht. Stärker noch als Oesterreich und Deutschland wurde die Türkei durch das britisch-russische Abkommen bedroht. Das mazedonische Reformprogramm sollte die Souveränität des osmanischen Reiches neuerlich einschränken. Alle gebildeten und von nationalem Selbstbewusstsein erfüllten Klassen des osmanischen Volkes – das Offizierskorps, die Beamtenschaft und der Klerus – sahen ein, dass nur durch eine vollständige Umwälzung ihres Staatswesens die Gefahr der schrittweisen Aushöhlung seiner staatlichen Selbständigkeit gebannt werden könnte. So ist auch die türkische Revolution mittelbar eine Folge des Kampfes zwischen dem deutschen und dem britischen Imperialismus. Die Jungtürken haben uns aus einer sehr schlimmen Situation befreit. Das britisch-russische Reformprogramm musste zurückgestellt werden, die Bandenkämpfe in Mazedonien haben aufgehört, kein Staat kann heute in die türkischen Verhältnisse einzugreifen wagen. Weder von Russlands noch von Italiens Seite droht uns heute unmittelbare Gefahr.
Aber damit sind die Gefahren keineswegs für immer geschwunden. Selbst im Falle des endgültigen Sieges der türkischen Revoution bleiben kriegerische Verwicklungen auf der Halbinsel möglich; die mazedonische Nationalitätenfrage wird nicht so bald gelöst werden und das Offizierskorps, das die Herrschaft in der Türkei an sich gerissen hat, wird nicht um jeden Preis eine friedliche Politik treiben. (Konflikt mit Bulgarien!) Schlimmer noch wäre es, wenn die jungtürkische Herrschaft von kurzer Dauer wäre; die Enttäuschung der Nationalitäten in Mazedonien würde dann folgenschwere Verwicklungen herbeiführen. Ist also die friedliche Entwicklung der Balkanvölker noch keineswegs gesichert, so scheint es uns doppelt notwendig, die österreichisch-ungarische Regierung vor jener gefahrvollen Balkanpolitik zu warnen, zu der das Projekt der Sandschakbahn der erste Schritt zu sein scheint.
Das Proletariat ist in allen Staaten der einzige wehrhafte Gegner des Imperialismus. Audi in Oesterreich muss die Arbeiterklasse jeder Eroberungspolitik und allem, was uns zu ihr führen kann, entgegentreten. Gewiss haben wir den Rumänen und Südslawen gegenüber grosse Aufgaben zu erfüllen. Wir müssen uns diese Völker kulturell näher bringen, indem wir ihren Volksgenossen in Oesterreich und Ungarn die nationale Selbstregierung erkämpfen und ihre kulturelle Entwicklung fördern, indem wir der Bevölkerung Bosniens eine demokratische Verfassung geben und sie aus den Fesseln des türkischen Feudalrechtes befreien. Wir müssen die agrarischen Tendenzen unserer Handelspolitik niederringen, um unsere wirtschaftlichen Beziehungen mit den Balkanvölkern zu verbessern. Aber es scheint uns sehr bedenklich, wenn auch Parteigenossen von einer geheimnisvollen „Mission“ Oesterreichs auf der Balkanhalbinsel, von unserem „Protektorat“ über die Balkanslawen reden, wie Genosse Schulz dies im letzten Hefte des Kampf getan hat.
Die österreichische Grossmachtpolitik kann sich nicht – wie der Imperialismus in national einheitlichen Staaten – als die Vertreterin eines nationalen Gesamtinteresses gebärden. Da sie uns aber zu den weltpolitischen Händeln in Beziehung setzt, leistet man ihr Vorschub, wenn man die imperialistischen Tendenzen der grossen kapitalistischen Staaten mit dem Streben der Nationen nach Freiheit, Einheit und Grösse vermengt. Wir sind darum verpflichtet, auch die österreichischen Arbeiter den Trug dieser Vermengung durchschauen zu lehren. Die deutsche Arbeiterschaft in Oesterreich fühlt sich gewiss als ein Teil des grossen deutschenVolkes; aber sie kann nichts mit dem reichsdeutschen Imperialismus zu schaffen haben, der der Todfeind ihrer Brüder im Reiche ist. Ebenso müssen die slawischen Arbeiter in Oesterreich dem verjüngten Panslavismus fernstehen, der keine andere Funktion hat als die, dem zarischen Imperialismus, der immer noch die grössten slawischen Nationen in ehernen Fesseln gefangen hält, die ideologische Verhüllung seiner Eroberungsgelüste zu liefern. Nur wenn wir die Arbeitermassen von jeder imperialistischen Ideologie völlig fernhalten, können wir ihre Kraft für jene Politik einsetzen, die uns von den Kämpfen der imperialistischen Weltmächte fernhält und uns den Frieden sichert.
Der internationale Kongress zu Stuttgart hat den Kampf gegen den ewig kriegslüsternen, völkerwürgenden Imperialismus den Proletariern aller Länder zur Pflicht gemacht. In diesem Kampfe hat auch die Arbeiterklasse aller Nationen Oesterreichs eine nicht unwichtige Aufgabe zu erfüllen. Indem wir der österreichischen Grossmachtpolitik entgegentreten, unterstützen wir auch unsere Genossen im Deutschen Reiche und in Frankreich, in Russland und England in ihrem schweren Kampfe gegen die imperialistischen Tendenzen der Regierungen und der Kapitalistenklasse ihrer Länder.
1. Rohrbach, Deutschland unter den Weltvölkern, 2. Auflage, Berlin 1908
2. Riedl, Sandschakbahn und Transversallinie, Wien 1908.
Leztztes Update: 6. April 2024