Pierre Broué

1956: Die ungarische Revolution der Arbeiterräte


II. Freiheitskämpfer und Arbeiterräte


Während in der Nacht vom 23. zum 24.Oktober die bewaffneten Revolutionäre überall die Avos angreifen, berät das ZK der KP. Wir wissen nichts Genaues über seine Debatten, außer, dass sich zwei Tendenzen gegenüberstanden, bezüglich der besten Methode, die Ordnung herzustellen: vermittels brutaler Gewalt oder mittels einiger Konzessionen. Wir kennen nur die letztliche Entscheidung, die die Handschrift Gerös und seiner Moskauer Herren trägt. Ob sie das Ergebnis einer telefonischen Unterredung mit Chruschtschow war oder nicht, ist unerheblich: Sicher ist, dass die Entscheidung, russische Truppen gegen den Aufstand einzusetzen, nur mit Einverständnis Moskaus geschehen konnte.
 

Die List der GPU: Nagy verantwortet die russische Intervention

In dem Moment, wo die kommunistischen Aktivisten Budapests gegen die Avos feuern, wo allein die Avos gegen die revolutionäre Jugend kämpft, um das verhasste Gerö-Regime und die Strohmänner des Kremls zu verteidigen, da bleibt das ZK der ungarischen KP ein treues Werkzeug in den Händen der GPU. Während die bewaffneten Massen sich gegen Polizisten und Bürokraten erheben, da zeigt das Verhalten des „leitenden“ Organs der Partei, welchen Illusionen diejenigen sich hingeben, die glauben, dass die vorzeitige Zusammenkunft des ZK zu irgendeinem „politischen Wechsel“ oder zu einem „Wechsel der Führung“ führen könnte.

Die große Entscheidung dieser Nacht, nach der Fahnenflucht von Armee und gewöhnlicher Polizei, war in der Tat der Ruf an die russischen Truppen zur „Aufrechterhaltung der Ordnung“ und die Verkündung des Kriegsrechts. Die Kremlbürokraten und ihre Gefolgsleute im ungarischen Apparat sind entschlossen, um jeden Preis die Kontrolle über die Lage zu behalten und dafür die aufkeimende Revolution im Blut zu ertränken.

Von 4:30 an rollen russische Panzer Richtung Budapest, dessen Ausfallstraßen gesperrt sind. Die russischen Soldaten wurden gewarnt, dass sie gegen „von westlichen Truppen unterstützte konterrevolutionäre Faschisten“ kämpfen. (19) Die Avos erhalten Unterstützung: Panzer, Artillerie, und gegen die aufständische Hauptstadt brandende Infanterie.

Doch einige Stunden vorher beschloss das ZK Imre Nagy zu rufen, damit er eine neue Regierung bilde. Mit Géza Losonczy, Ferenc Donáth, Georg Lukács, Zotán Szántó, alles Nagy-Anhänger, treten die bekanntesten Oppositionellen in das ZK ein. Donáth, Nagy, Szántó werden Mitglieder des neuen Polit-Büros von 11 Mitgliedern, von dem einige notorische Stalinisten ausgeschlossen werden. Im Kern ist nichts geändert: Gerö bleibt Generalsekretär der Partei, deren Apparat er weiter kontrolliert. Die oppositionellen Kommunisten sind nichts als Geiseln innerhalb der neuen Leitung. Imre Nagy ist nur das Feigenblatt hinter dem Gerö als Chef des Apparats, die Politik des Apparates und der Kremlbürokraten fortführt. Schlimmer noch: Die Ausrufung des Kriegsrechts und der Hilferuf an die russischen Truppen haben den Anschein, von der neuen Regierung unter Nagy zu stammen. Dieser sind die Hände gebunden, und zwar gebunden mit dem Blut der Arbeiter. In seinem Namen werden die Avos und die russischen Truppen das Maschinengewehrfeuer auf die Aufständischen eröffnen, die „Nagy an die Macht“ forderten und immer noch fordern. Das Schicksal der „Reformer“ ist, dass die Bürokratie sich ihrer Popularität bedient, um die Revolutionäre zu desorientieren und moralisch zu entwaffnen. Als Geiseln des Apparates müssen sie mit ihm die Verantwortung für diese Verbrechen tragen.
 

Nagy spricht

Am Morgen des 23. Oktober hatte sich Nagy geweigert, sich an die Spitze der Demonstranten zu stellen, am Abend hatte er sich trotz der dringenden Intervention seines Freundes Géza Losonczy geweigert, das Wort zu ergreifen, aber dieses Mal wird er von den Führern selbst gebeten. Auf Bitten des Polit-Büros versucht er spät am Abend eine feierliche Ansprache vor dem Parlamentsgebäude zu halten. Danach begab er sich in das schon von russischen Panzern umstellte Gebäude des Zentralkomitees. Dort erfährt er von den ihn betreffenden Entscheidungen. Während mehrerer Tage verlässt er dieses Gebäude nicht. Dadurch ist er nicht nur von der Realität abgeschnitten, sondern auch von der sich ausbreitenden revolutionären Bewegung, von der Repression, die auf diese in seinem Namen niedergeht, aber auch isoliert von seinen Freunden, denen es tagelang nicht gelingt, mit ihm in Kontakt zu kommen, außer wenn sie sich heimlich in Arbeiterdelegationen mischen, die zu empfangen ihm möglich ist.

Jedoch in der Nacht, einen Tag nach seiner „Ernennung“, wendet er sich an das ungarische Volk:

„Auf Weisung des Zentralkomitees bin ich Präsident des Ministerrates geworden. Ungarn, Freunde und Genossen, ich spreche zu Euch in einem schweren Augenblick…Ich kann euch garantieren, dass es mir möglich ist, mein politisches Programm zu verwirklichen, das auf dem ungarischen Volk gegründet und von der kommunistischen Partei geleitet ist … Ich bin Präsident des Ministerrates und werde bald Gelegenheit haben, die Demokratie im ganzen Land zu errichten. Ich bitte jeden Mann, jede Frau, jedes Kind, nicht den Kopf zu verlieren.“ (20)

Der Kampf geht weiter und vertieft sich unaufhörlich. Der Rundfunk sendet angsterfüllte Appelle an die Arbeiter, an die Studenten, die Jugend. Die Repräsentanten der Kirche defilieren am Radiomikrofon ebenso wie die Führer der alten Parteien wie Zotán Tildy von der Partei der kleinen Landwirte, Szakatis von der sozialdemokratischen Partei, Vertreter der Gewerkschaften. Die Verantwortlichen des Petöfi-Kreises erklären, dass sie dieses Blutbad nicht gewollt hatten und rufen die Jugend auf, die Waffen niederzulegen. Die Regierung verspricht eine vollständige Amnestie für alle, die ihre Waffen bis 14:00 niedergelegt haben. Dann gewährt sie spätere Termine, wechselt von Drohungen zu Versprechungen, veröffentlicht die Appelle von Müttern an ihre kämpfenden Kinder, ruft zum Öffnen der Fenster auf, damit die Aufständischen in den Straßen die Versprechungen hören, die die Regierung am Radio macht. Nichts passiert. Ganz Budapest kämpft.
 

Die Arbeiter kämpfen

Die Sendungen von Radio-Kossuth und Radio-Petöfi in Budapest sind aufschlußreich: Das Gros der Kämpfe findet nun um die Fabriken herum statt. Ihre Namen kommen in allen Appellen und Kommuniqués der Regierung vor: Csepel, das rote Csepel, die Fabriken von Ganz, Lang, „Klement-Gottwald“, “Jaques Duclos“, das Ujpest-Viertel, Angyaföld. Die Arbeiterhochburgen sind die Bastionen des Aufstands. So erklärt es einer der „Freiheitskämpfer“ dem Korrespondenten der Zeitung Observer nach der Flucht:

„Die Studenten haben angefangen, aber als sich die Kämpfe entwickelten, hatten sie nicht die nötige Anzahl und auch nicht die Fähigkeit, so hart zu kämpfen wie die jungen Arbeiter.“ (21)

Hier die Worte eines 21-Jährigen, der von den Ereignissen am Mittwoch in seinem Elektrizitätswerk in Ujpest berichtet:

„Am Mittwoch morgen (24.10.) begann die Revolte in unserer Fabrik. Sie war unorganisiert und spontan. Wenn sie organisiert gewesen wäre, hätte die AVH davon gewusst und hätte sie ausgelöscht, bevor sie überhaupt losbrach. Die jungen Arbeiter haben den Weg geöffnet und alle anderen sind ihnen gefolgt…Gewöhnlich beginnen wir um 7:00 morgens mit der Arbeit. Diejenigen von uns, die mit dem Zug aus weiter entfernten Vierteln kamen, warteten wie immer bis zur Ankunft der anderen Arbeiter. Kurz vor 7h kam ein Lastwagen voll mit jungen bewaffneten Arbeitern vor das Tor. Als einer von ihnen begann, auf den roten Stern in der Fahne zu schießen, die sich über unserer Fabrik befindet, hat jemand von der Werksleitung die Anweisung gegeben, die Tore zu schließen. Wir waren in zwei Gruppen geteilt: die innerhalb und die außerhalb. Wir von innerhalb haben die Türen der Räume der Mohosz eingerammt und nahmen die Karabiner. Die kommunistische Verantwortliche hat versucht uns zu stoppen, indem sie einen Posten vor die Waffen stellte. Das war nicht gut, weil alle, die Vorarbeiter eingeschlossen, einig waren. Mit den Gewehren sind wir aus der Fabrik heraus gegangen und in Richtung Stadt marschiert. Als wir anfingen, hatten wir zu niemandem Kontakt. Wir waren mit keiner anderen Fabrik in Verbindung. Aber als wir vorankamen, schlossen sich uns immer mehr Arbeiter an. Einige waren bewaffnet. An der Ecke Rakosi-Straße fing ein Student an, uns in kleine Gruppen einzuteilen und uns die Parolen zu erklären.“ (22)

So gestaltete sich auf der Straße die Vereinigung der jungen kämpfenden Revolutionäre. Zur selben Zeit vergrößerte sich das Komitee der revolutionären Studenten, das zum „revolutionären Komitee der bewaffneten Studenten“ wurde. Ein Kurier des Komitees erzählt:

„Anfangs wurde es von Studenten der Universität und der Hochschulen gebildet, aber dann traten junge Soldaten und Arbeiter ein. Ich denke, dass alle von Basiskomitees gewählt waren, die von den je eigenen Organisationen der Studenten, Arbeiter und Soldaten gewählt waren.“ (23)

Die Kossuth-Akademie, eine Militärschule, schloss sich in den ersten Vormittagsstunden mit ihren 800 Mann mit Waffen und Ausbildern dem Aufstand an. [1]
 

25.Oktober: Die Schüsse am Platz des Parlaments

Im Verlauf des Donnerstag ereignete sich die Schießerei am Platz des Parlaments. Diese zeigte auch den Arbeitern, die noch zögerten, klar und deutlich, dass es keine andere Lösung als den bewaffneten revolutionären Kampf gab, um ihre Forderungen zu erfüllen, und dass ein Niederlegen der Waffen reiner Selbstmord zugunsten Gerös wäre. Tausende unbewaffnete Arbeiter und Studenten begaben sich zu diesem Platz, um die Ablösung Gerös zu fordern, und für die Befreiung ihrer seit dem 23.Oktober verhafteten Führer und ein sofortiges Treffen mit Nagy zu demonstrieren. Auf dem Platz umringten sie die russischen Panzer und verbrüderten sich mit den Besatzungen. Die Avos auf dem Dach des Innenministeriums gegenüber dem Platz des Parlaments versteckt, eröffneten das Feuer. Die Panzer ihrerseits begannen zu schießen, so dass die Demonstranten zwischen zwei Feuer gerieten: Ungefähr 300 Tote blieben auf dem Platz. Das war der Augenblick, wo Nagy, der Chef der neuen Regierung, Nagy ohne Macht, als Geisel des Apparates, als Gefangener, seine Appelle per Radio vervielfachte, die Ruhe zu bewahren und die Waffen niederzulegen … Auf den Schultern die Leichen ihrer Kameraden tragend, die im Blut getränkten Fahnen schwenkend, verteilten sich die Entkommenen mit den Rufen über die ganze Stadt: „Sie ermorden Arbeiter“. (24) Von nun an war es nicht mehr möglich zu zweifeln: Für die jungen Revolutionäre von Budapest war es klar, dass Nagy machtlos war, Gefangener oder nicht, dass der wirkliche Chef hinter ihm Gerö war, und hinter diesem wiederum die Russen. Man musste gegen die Avos und gegen die Russen kämpfen, was immer Nagy auch sagte. In dem am Nachmittag nach dem Massaker verteilten Flugblatt, das unterzeichnet ist, mit „die revolutionären Arbeiter und Studenten“ wird besser als irgendwo sonst die Stimmung festgehalten:

„Wir rufen alle Ungarn zum Generalstreik auf. Solange die Regierung nicht unsere Forderungen erfüllt, solange die Mörder keine Rechenschaft ablegen müssen, solange werden wir der Regierung mit dem Generalstreik antworten. Es lebe die neue Regierung unter Leitung von Imre Nagy“ (25)

Zum gleichen Zeitpunkt meldete Radio-Kossuth, im Namen der Regierung Nagy, dass der Streik ein konterrevolutionärer Akt sei …

Im Namen des revolutionären Komitees der Studenten wurden 100.000 Flugblätter in russischer Sprache an die sowjetischen Soldaten verteilt. Diese Flugblätter sagten ihnen, dass man sie gegen Arbeiter, gegen junge ungarische Soldaten geschickt hat, und dass diese weder Reaktionäre, noch Konterrevolutionäre, noch Faschisten seien, sondern dass sie für einen demokratischen Sozialismus kämpfen: „Schießt nicht auf uns, schießt nicht auf eure Klassenbrüder“ endete das Flugblatt.
 

Neue Zugeständnisse

Angesichts der neu aufflammenden Wut, die durch das Massaker am Platz des Parlaments provoziert wurde, angesichts des bewaffneten Generalstreiks, der sich im ganzen Land ausbreitet, entschloß sich der Apparat zu neuen Zugeständnissen. Er entschloss sich nicht von selbst dazu, sondern im Gefolge harter Diskussionen mit zwei Gesandten der Moskauer Regierung, Michail Suslow und Anastas Mikoyan, die in aller Eile gekommen waren, um zu versuchen, eine Situation zu retten, die in ihren Augen durch Gerö verursacht war. Neue Termine für die Niederlegung der Waffen werden den Aufständischen genannt. Gerö wird „geopfert“. Er verliert seinen Posten als Generalsekretär und János Kádár rückt an seine Stelle. Doch sein Büro behält er noch wochenlang.

Kádár ist als alter Arbeiteraktivist populär. Während des Krieges hat er in Ungarn im Untergrund gekämpft, während Rákosi und Gerö in Moskau waren. Sicherlich, während Kádár Innenminister war, ist Rajk gefoltert und umgebracht worden, aber Kádár selbst wurde auch verhaftet und wegen Titoismus fürchterlich gefoltert. Kürzlich rehabilitiert, hat er selbst für eine „Wende“ in der Partei gekämpft, als er örtlicher Parteisekretär in einem Arbeiterviertel von Budapest war. Er hatte jedoch nach dem Sturz Rákosis akzeptiert, sich an einer Regierung Hegedüs zu beteiligen, und hatte auch Gerö nach Belgrad begleitet. Am Donnerstag, den 25.Oktober, spricht Kádár im Radio:

„Ich bin in einer sehr schwierigen Zeit nominiert worden, da alle möglichen Elemente gegen uns arbeiten. Regierung und Partei haben beschlossen, diese Elemente mit allen nur möglichen Mitteln zu besiegen…wir bitten die Arbeiter und Studenten unseren Standpunkt zu unterstützen.“ (26)

Das ist wenig überzeugend: „Konterrevolutionäre“, die sich gegen die „Macht der Arbeiterklasse“ erheben, “Provokateure die im Dunkeln arbeiten“, die „Alliierten und sowjetischen Brüder“ begrüßend, und „die Führung der Partei hat einstimmig die Notwendigkeit beschlossen, alle Mittel zu nutzen, um die bewaffnete Aggression gegen unsere Volksdemokratie zu bekämpfen“ ... Ohne eine einzige Forderung der Aufständischen zu erwähnen, so präsentiert sich Kádár seinen Hörern. Das ist eine kaum abgeschwächte Version der Drohungen Gerös, die den Aufstand ausgelöst haben. Imre Nagy dagegen scheint die Situation besser begriffen zu haben, als er über das Radio interveniert. Seine Rede vom 25.Oktober zeigt, dass er die Entschlossenheit der Kämpfenden und die Notwendigkeit politischer Zugeständnisse, um ein Ende der Kämpfe zu erreichen, begriffen hat:

„Ich erkläre, dass die ungarische Regierung in sehr kurzer Zeit Verhandlungen mit der sowjetischen Regierung einleiten wird, um

1. den Rückzug der in Ungarn befindlichen sowjetischen Truppen zu erreichen.

2. die ungarisch-sowjetischen Beziehungen auf den Prinzipien der Gleichheit und der nationalen Unabhängigkeit zu begründen … Wir versprechen unsere Großzügikeit allen denen – jungen Leuten, Zivilisten und Armeeangehörigen – die sofort mit den bewaffneten Kämpfen aufhören … Das Gesetz wird nur jene treffen, die immer noch kämpfen …“ (27)
 

Die Studenten kämpfen

Jeder weiß heute auf welche Art die jungen Ungarn die sowjetischen Panzer bekämpften. Das was es heute zu wissen gilt, ist welches die Haltung der jungen „Freiheitskämpfer“ (einen Namen, den sie sich in Anlehnung an die Revolution und den Unabhängigkeitskrieg von 1848 selbst gaben) gegenüber den offiziellen kommunistischen Organisationen war. Die „Freiheitskämpfer“ bildeten damals General Kossuths Armee, die „Honvédseg“, die „Armee der Vaterlandsverteidiger“, die 1848 der imperialistischen russischen Armee des Zaren gegenüber stand.

Zwei Studenten, Ferko und Pisto, haben während der Kämpfe von Budapest einem ungarisch sprechenden englischen Journalisten geantwortet:

„Die Freiheitskämpfer haben alle Avos verhaftet, die sie erwischen konnten. Zahlreiche Mitglieder der politischen Polizei sind dabei getötet worden, aber wenige aus Gründen der Vergeltung die Mehrzahl ist im Kampf gefallen. Der Parteiapparat war vom ersten Tage des Aufstandes an vollkommen auseinander gefallen, aber es hat kein Massaker an Parteikadern gegeben. Wir haben die Parteibüros überfallen, die Waffen beschlagnahmt und wir haben ihnen gesagt, sie sollen nach Hause gehen. Wir haben nur einige von ihnen verhaftet. Tatsächlich hat sich uns eine große Zahl von ihnen angeschlossen.“ (28)

Das „revolutionäre Komitee der bewaffneten Studenten“ mit seinem Präsidenten Ferenc Merey, hatte ein Treffen mit Nagy am Donnerstag. (29) Es stand fest zu dem Programm der Studenten vom Vorabend der Revolution und fügte einige neue Forderungen hinzu, um die Waffen niederzulegen: „Provisorische Regierung unter Einschluss ihrer eigenen Führer“, „sofortiger Rückzug aller russischen Truppen“, „öffentlicher Prozess gegen die Verantwortlichen des Blutbades“, „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, „Auflösung der AVH“ (30) Und Merey präzisiert:

„Wir haben uns nicht erhoben, um die Basis der ungarischen Republik zu ändern, aber wir wollen die Art von Sozialismus und Kommunismus, die dem entspricht, was Ungarn will. Darin sind wir uns alle einig.“ (31)
 

Die Armee kämpft

Vom Abend des 24.10. an gab es praktisch keine ungarische Armee-Einheit mehr, die noch der Regierung gehorchte. Es gab absolut keine Armeeeinheit, die an der Seite der Avos und der Russen die Aufständischen bekämpfte. Am 25.Oktober kämpfen zahlreiche Einheiten, die die revolutionären Komitees der Offiziere und Soldaten gebildet hatten, an der Seite der Aufständischen gegen die Avos. Eine dieser Einheiten eroberte das von der politischen Polizei besetzte Druckerei-Gebäude der Armeezeitung. Am Abend des 25. Oktober verteilten Armee-Lastwagen das folgende Flugblatt:

„Wir schwören vor den Leichen unserer Märtyrer, dass wir die Freiheit unseres Landes in diesen kritischen Stunden erobern werden. Die Führer von Partei und Regierung waren nur damit beschäftigt, ihre eigene Macht zu bewahren. Was ist das für eine Führung, die zögernde Maßnahmen nur unter dem Druck der Massen ergreift? Ihre willkürlichen Taten haben uns während der letzten zehn Jahre genügend Opfer gekostet. Jetzt haben sie die sowjetische Armee geholt, um das ungarische Volk niederzuwerfen. Bürger, wir fordern:

1. Eine neue provisorische revolutionäre Armee und eine neue provisorische revolutionäre Regierung, in welcher die Führer der aufständischen Jugend vertreten sind.

2. Sofortige Aufhebung des Kriegsrechtes.

3. Sofortige Annullierung des Warschauer Pakts, und sofortiger friedlicher Rückzug der sowjetischen Truppen aus unserem Vaterland.

4. Den Kopf derer, die wirklich verantwortlich für das Blutbad sind; Befreiung der Gefangenen und eine allgemeine Amnestie.

5. Eine wirklich demokratische Basis für den ungarischen Sozialismus; in der Zwischenzeit wird die ungarische Armee die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Entwaffnung der politischen Polizei (AVH) übernehmen.“

Dasselbe Flugblatt bestätigt, dass „die Genossen Imre Nagy und János Kádár Mitglieder der neuen revolutionären Regierung der Armee sein werden“. (32) So wird erneut bestätigt, wie die Revolutionäre versuchten, Imre Nagy vom Apparat zu trennen.
 

Generalstreik und Geburt der Arbeiterräte in der Provinz

In Budapest lag die Initiative in den Händen der studentischen Organisationen. Es war ihr revolutionäres Komitee, dem sich die Arbeiter anschlossen. In der Provinz dagegen hat der Aufstand mit dem Generalstreik begonnen, der sofort mit der Nachricht von der russischen Intervention ausgelöst wurde. Dieser hat sich augenblicklich in der Bildung von Arbeiterräten ausgedrückt, die überall die Macht übernahmen. So haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten die ungarischen Arbeiter in ihrem Kampf gegen die Bürokratie spontan die Formen der proletarischen Organisation und Macht wieder gefunden. Sie fanden die Tradition der Sowjets von 1905 und 1917 wieder, die der Arbeiterräte der ersten ungarischen Revolution von März 1919. Die von der Basis gewählten Räte mit ihren jederzeit abwählbaren und ihren Wählern rechenschaftspflichtigen Delegierten, sind die authentische praktische Verwirklichung der proletarischen Demokratie und der Macht der bewaffneten Arbeiter. Die ungarischen Räte hätten von sich genau das sagen können, was Trotzki 1905 vom Petrograder Sowjet schrieb:

„Der Sowjet ist die organisierte Macht der Massen selbst, die alle ihre Gruppen dominiert. Das ist die wahrhafte, nicht von zwei Kammern verfälschte Demokratie, die den Wählern das Recht bewahrt, ihre Abgeordneten dann durch neue zu ersetzen, wenn die Wähler es wollen. Der Sowjet führt mit seinen Mitgliedern, den von den Arbeitern gewählten Delegierten, den unmittelbaren Vorsitz bei allen sozialen Äußerungen des Proletariats in seiner Gesamtheit oder in seinen Gruppen, organisiert seine Aktionen und gibt ihnen die Losung und das Banner.“
 

Der Arbeiterrat von Miskolc

Miskolc ist eine 100.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Ungarns, in der Industrieregion von Borsod nahe den Kohlegruben und Stahlwerken im Herzen der Eisenhütten-Industrie gelegen und war die erste Stadt, die die Wahl eines Arbeiterrates bekannt gab.

In der Nacht vom 24. zum 25.Oktober geben die Aufständischen durch die in ihrer Hand befindliche Radiostation bekannt, dass sie die Macht übernommen haben und fordern eine „neue Regierung im Geiste Béla Kuns und László Rajks“. (33) Die Berufung auf diese beiden kommunistischen Führer, die alle beide von Stalin ermordet wurden (Béla Kun, im März 1919 Präsident der ungarischen Räterepublik, ist während der Moskauer Schauprozesse hingerichtet worden, Rajk wurde als „Titoist“ im Oktober 1949 gehängt), sagt viel aus über die politische Orientierung der Arbeiterräte-Bewegung von 1956. Am 25.Oktober wählten die Arbeiterräte der verschiedenen Fabriken einen Stadtsowjet, dessen Programm vom örtlichen Radiosender verbreitet wird:

„Wir verlangen, dass auf den wichtigsten Posten von Partei und Staat dem proletarischen Internationalismus ergebene Kommunisten sind, die in erster Linie Ungarn sind und unsere nationalen Traditionen und unsere tausendjährige Geschichte respektieren. Wir verlangen die Eröffnung einer Untersuchung gegen die AVH und die Beseitigung all jener, die als Führer und Funktionäre kompromittiert sind. Wir verlangen dass die Verbrechen von Farkas und seinen Helfershelfern in einem öffentlichen Prozess vor einem unabhängigen Gericht untersucht werden, selbst wenn ein solcher Prozess hochgestellte Persönlichkeiten in Frage stellen kann. Wir verlangen, dass die Schuldigen für die schlechte Leitung und Verwaltung sofort ersetzt werden. Wir verlangen, dass die tatsächlichen Löhne erhöht werden. Wir wollen die Gewähr erhalten, dass das Parlament nicht länger eine Zustimmungsmaschine ist.“ (34)

Am 25. übernehmen der „Arbeiterrat“ und das „Studenten-Parlament“ die Macht im Großraum Miskolc, und am folgenden Tag ist die Autorität des Arbeiterrates im gesamten Bezirk Borsod anerkannt.

Am 25. erklärt der Regional-Sekretär der ungarischen KP und Mitglied des Arbeiterrates, Rudolf Földvari, in Radio-Miskolc, dass die Regierung Nagy die Forderungen des Arbeiterrates akzeptiert. Er ruft die Arbeiter der gesamten Region auf, in allen Fabriken Arbeiterräte unabhängig von den politischen Verbindungen ihrer Mitglieder zu wählen. (35) Am selben Tag konstituiert sich, vermittelt über den Verband der örtlichen Räte, der Arbeiterrat des Bezirks Borsod, der die gesamte Region unter seiner Kontrolle hat. Seine Delegation in Budapest verlangt von Imre Nagy eine sofortige Erhöhung der Löhne, des Familien- und Kindergeldes, ein Ende der Preiserhöhungen, Abschaffung der Steuer für Haushalte ohne Kinder, die Verurteilung von Farkas und ein Parlament, das nicht eine Versammlung von „Ja-Sagern“ ist, den Rückzug der russischen Truppen und die Veröffentlichung des ungarisch-sowjetischen Handelsvertrages und die Korrektur von Planungs-„Irrtümern“. (36) Am Morgen des 28.Oktober verkündet das Radio, dass die Arbeiterräte alle kommunistischen Organisationen des Bezirks Borsod aufgelöst haben. Auf dem Land haben die zwangskollektivierten Bauern die Kolchosleiter verjagt und haben die Verteilung des Landes an die Bauern vorgenommen. Die Arbeiterräte unterstützen ihre Aktion. (37) Der erste Arbeiterrat, der von Miskolc, ist sich seiner Verantwortung bewusst. Das, was er auf Bezirksebene von Borsod geschaffen hat, die Macht der Arbeiterräte, will er auf das ganze Land ausdehnen. Am 28. „ersucht“ Radio-Miskolc „alle Arbeiterräte der einzelnen Städte des Bezirks ihre Aktivitäten zu koordinieren, um eine einzige mächtige Bewegung zu schaffen“. (38) Als gemeinsame Basis schlägt er das folgende Programm vor:

„Schaffung eines freien, unabhängigen, souveränen demokratischen und sozialistischen Ungarn“

und

1. Ein Gesetz zur Verankerung des freien und allgemeinen Wahlrechts.

2. Sofortiger Abzug der sowjetischen Truppen.

3. Schaffung einer neuen Verfassung.

4. Abschaffung der AVH: Die Regierung soll sich nur auf zwei bewaffnete Kräfte stützen: die Armee und die normale Polizei.

5. Totale Amnestie für diejenigen, die zu den Waffen gegriffen haben und Bestrafung Gerös und seiner Komplizen.

6. Freie Wahlen innerhalb von zwei Monaten mit Beteiligung verschiedener Parteien. (39)

Die Räte der Region Györ und Transdanubiens sind die ersten, die auf diesen Appell antworten.
 

Der Arbeiterrat von Györ

Györ ist eine Stadt mit 100.000 Einwohnern. Es ist die Stadt, wo sich die gigantische Wagon- und Lokomotiv-Fabrik „Wilhelm Pieck“ (Györi-Mávag) befindet. Der Aufstand begann mit dem Generalstreik. Die russische Garnison akzeptierte, sich aus dem Kampf zurückzuziehen. Ein nationales Revolutionskomitee lenkte die Region. Es wurde in den Fabriken gewählt und wird unterstützt von einem Militär-Komitee, das ihm untersteht. Das Komitee besteht aus zwanzig Mitgliedern verschiedener politischer Richtungen. Sein Präsident ist der Metallarbeiter György Szabó, früher Verantwortlicher der sozialdemokratischen Partei. Die am meisten im Licht der Öffentlichkeit stehende Person ist der frühere Verantwortliche der nationalen Bauern-Partei (40), Abgeordneter und Freund Imre Nagys, Attila Szigeti. Im Komitee hat er es mit einer Opposition zu tun, die vom ehemaligen Bürgermeister Ludwig Pocsa angeführt wird, der von den Arbeitern, seiner Fabrik gewählt worden ist. (41) Bezüglich der unmittelbaren Forderungen ist das Komitee einig: Es fordert die Festlegung eines Datums von zwei bis drei Monaten für freie Wahlen und den Rückzug der russischen Streitkräfte aus Ungarn. (42) Die Delegierten der Bergarbeiter verlangen „die Garantie, dass die sowjetische Armee sofort das Land verlässt, und ebenso die Garantie freier Wahlen, bei denen alle Parteien teilnehmen können.“ (43) Radio-Györ erklärt am 28. feierlich:

„Es haben sich zu den Aufständischen zweifelhafte Elemente mit konterrevolutionären und faschistischen Tendenzen gemischt. Wir wollen nicht die Wiederkehr des alten kapitalistischen Systems; wir wollen ein freies und unabhängiges Ungarn.“ (44)
 

Der Arbeiterrat von Sopron

In der kleinen Industriestadt Sopron in Westungarn wurde der Arbeiterrat in geheimer Wahl in den Fabriken und in der Forstschule gewählt. Der österreichische Sozialdemokrat Peter Strasser hat an seinen Versammlungen teilgenommen und versichert: „Sie sind absolut gegen die Wiederherstellung des alten Horthy-Regimes.“ (45) Der Rat hat die Aufrechterhaltung der Ordnung mittels Patrouillen organisiert, die aus je einem Arbeiter, einem Soldaten und einem Studenten bestehen. (46) Er hat zwei Delegationen junger Kommunisten nach Österreich geschickt, um die internationale Arbeiterbewegung zu wachzurufen. (47)
 

Der Arbeiterrat von Magyarovar

Der Rat von Magyarovar, wurde ebenfalls in geheimer Wahl gewählt. Er umfasste 26 Mitglieder, vier Kommunisten, Parteilose und Repräsentanten der alten reformistischen Parteien: Sozialdemokraten, nationale Bauernpartei und Partei der kleinen Landwirte. Sein Präsident war der kommunistische Arbeiter Gera. Er erklärte:

„Es gibt nur zwei große Probleme: Die Russen müssen verschwinden und es muss demokratische Wahlen geben.“

Dem amerikanischen Journalisten gegenüber, der daraufhin stutzte, präzisierte er:

„Die Kommunisten im Rat sind anständige Leute. Sie unterdrücken niemanden und das ungarische Volk weiß das.“ (48)

Das Programm des Rates von Magyarovor verlangt freie und demokratische Wahlen unter UNO-Kontrolle, Freiheit der demokratische Parteien, Presse- und Versammlungsfreiheit, Unabhängigkeit der Gewerkschaften, Befreiung der Gefangenen, Auflösung der AVH, Abzug der Russen, Auflösung der Kolchosen, die durch Zwang entstanden sind, Abschaffung der Klassenunterschiede. (49)
 

Das Programm der Räte

Es ist unmöglich diese Aufzählung weiter fortzuführen. In allen Industriestädten Ungarns wurden Arbeiterräte errichtet: Von Dunapentele, dem alten Stalinváros, der „Perle“ der Industrie unter Rákosi. In Szolnok, dem großen Eisenbahnknotenpunkt des Landes, in Pécs, in den Bergwerken im Südwesten, in Debrecen, in Szeged. Vor dem 1. November sind im ganzen Land, in allen Orten Arbeiterräte entstanden, die für den Erhalt der sozialistischen Errungenschaften sorgen und die Versorgung der kämpfenden Hauptstadt mit Lebensmitteln sichern. Alle haben die selben Charakteristika: Von den Arbeitern im Feuer des bewaffneten Generalstreiks gewählt, sorgen sie für die Aufrechterhaltung der Ordnung und den Kampf gegen die Russen und die Avos durch bewaffnete Milizen aus Arbeitern und Studenten; sie haben die Organisationen der kommunistischen Partei aufgelöst, sie haben die Verwaltungen gesäubert und ihrer eigenen Autorität untergeordnet. Sie sind der Ausdruck der Macht der bewaffneten Arbeiter. Hier ein Beispiel unter tausend von der Geisteshaltung der Bevölkerung, deren Willen sie ausdrücken. Am 29.Oktober um 10 Uhr 20 erklärt das freie Radio-Györ:

Wir teilen die folgende Botschaft der Frauen des Dorfes Gyirmot an das freie Radio-Györ mit:

„Die Bäuerinnen von Gyirmot appellieren an die Frauen der Umgebung von Györ. Im Laufe des gestrigen Tages haben wir von einer der Unsrigen, die vom Markt zurückgekommen ist, von einer schändlichen Sache gehört, die uns alle empört. Angesichts der übermäßigen Nachfrage haben einige Bäuerinnen des Marktes Milch, die zur regulären Sammlung gehört, für 6 Forint statt für 3 Forint verkauft. Sie haben also nicht nur ihre Verpflichtung nicht erfüllt, so dass es weniger Milch für die Györer Arbeiter gibt, sondern sie haben darüber hinaus auch noch Profit gemacht. Wir sind ebenso empört über die Preiserhöhung bei Enten, die von einer Bäuerin zu 30 Forint das Kilo verkauft wurden … Eine solche Frau ist keine Ungarin!

Frauen, erlaubt nicht, dass solche Sachen sich wiederholen können!

Vergesst nicht, dass der Käufer der Kämpfer ist, der für unsere Zukunft kämpft!“

Die Programme der Räte sind trotz unterschiedlicher Formulierungen bemerkenswert kohärent: Alle verlangen den sofortigen Abzug der Russen, die Auflösung der AVH, Freiheit für die demokratischen Parteien, Unabhängigkeit der Gewerkschaften, Streikrecht, Presse- und Versammlungsfreiheit, die Korrektur des Planes und Lohnerhöhungen, Freiheit von Kunst und Kultur. Alle fordern, allein schon durch ihre Existenz, das Recht der ungarischen Arbeiter, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Alle fordern eine provisorische Regierung, die auch Vertreter der Aufständischen einschließt. Durch ihr Beispiel und durch ihre Aktivität sind sie eine tödliche Gefahr für die Bürokratie wie für den Imperialismus. Im Augenblick sind sie in erster Linie verantwortlich für die antibürokratischen Revolten, die sich in der russischen Armee entwickeln.
 

Die russische Armee schmilzt im Feuer der Revolution

Die russischen Soldaten, die gegen die ungarische Revolution eingesetzt wurden, waren alarmiert worden, dass sie gegen „konterrevolutionäre, von westlichen Truppen unterstützte Faschisten“ kämpfen würden. Doch, schon seit mehreren Monaten im Lande stationiert, haben sie sich schnell Rechenschaft darüber abgelegt, welche Arbeit von ihnen verlangt wird. Sie haben keine westlichen Truppen, keine Faschisten und keine Konterrevolutionäre gesehen, sondern ein ganzes Volk, das sich erhob: Arbeiter, Soldaten und Studenten. Vom zweiten Tag der Erhebung an, berichtet ein englischer Korrespondent, haben Panzerbesatzungen von ihren Fahnen das sowjetische Emblem herausgerissen und haben, unter der roten Fahne des Kommunismus auf der Seite der Aufständischen gekämpft. (50) Ein anderer Augenzeuge erklärte einem Journalisten, dass er russische Panzer gesehen hat, die sich den Aufständischen anschließen:

„Im allgemeinen fällt eine Panzerbesatzung ihre Entscheidungen gemeinsam; die Soldaten entfernten das sowjetische Emblem und hissten an seiner Stelle die ungarische Fahne. Die Ungarn bedeckten sie mit Blumen.“ (51)

Am 28.Oktober proklamierte die Zeitung der ungarischen Gewerkschaften, Népszava, das Recht auf Asyl für die russischen Soldaten, die auf die Seite der Revolutionäre übergewechselt sind. Woanders sind zahlreiche Einheiten neutral geblieben, wie in Györ … Ein englischer Augenzeuge hat in einer Budapester Vorstadt gesehen, wie Aufständische Milch in das russische Quartier gebracht haben: „Milch für die russischen Babys“ erklärten sie. „Sie haben ein Abkommen getroffen. An jedem Tag bringen die Patrioten 50 Liter Milch für die russischen Kinder“ (52)

Jedes Mal wenn es möglich ist, umringen die Revolutionäre die russischen Soldaten und zeigen ihre schwieligen Arbeiterhände. „Sieh’ meine Hände an, Genosse … das sind Arbeiterhände. Ich habe gegen eure Panzer gekämpft. Habe ich Faschisten-Hände?“ (53)

Unter diesen Umständen, und dem wütenden Widerstand der ungarischen Revolutionäre, wurde der Gebrauch der russischen Armee zu Repressionszwecken zunehmend schwieriger. Die Repression benötigte neue, sichere, Truppen. Die Russen brauchten einen Waffenstillstand. Nur dies erklärt die Wendung vom 28.Oktober, von wo an es klar ist, dass Imre Nagy seine Handlungsfreiheit wieder gewonnen hat und er nicht weiter eine Geisel in den Händen der Russen ist. Während der folgenden Tage wird eine politische Klärung erreicht und die Anhänger Nagys bestätigen, dass er vom Aufstieg zur „Macht“ an, in den Händen der Russen war.

Am 27. empfängt Imre Nagy eine Arbeiterdelegation aus Angyaföld, zu der sich einige seiner politischen Freunde gesellten, Miklós Gimes und József Szilágyi, und Nagy versichert ihr, dass er die russischen Truppen nicht geholt hat, obwohl Gerö versucht hatte, ihn zur Unterzeichnung eines solchen Dokumentes zu veranlassen. Nagy verspricht ebenfalls am kommenden Tage, dem 28.Oktober, eine Erklärung über den Sinn der Revolution im Radio abzugeben: „Demokratisch, national und nicht konterrevolutionär“, die Ankündigung des sowjetischen Truppenabzugs aus Budapest und andere wichtige Maßnahmen.


Fußnote

1. Insgesamt liefen 2.000 von 180.000 Mann der Streitkräfte zu den Aufständischen über. Siehe Fetjö, a.a.O.



Anmerkungen

19. Daily Telegraph, 29. Oktober 1956

20. United Press, 24. Oktober

21. Zitiert durch Demain, 1. November

22. The Observer, 1. November

23. Ibidem

24. Ibidem

25. New York Times, 27 Oktober

26. Radio-Kossuth und Petöfi 25. Oktober, 15:18: Die Genossen János Kádár und Imre Nagy vor dem Mikrofon.

27. Ibidem

28. United Press, 25. Oktober

29. The Observer, 25. November 1956

30. Coutts in Daily Worker, 26. November

31. New York Times, 28. Oktober

32. The Times, 27. Oktober

33. New York Herald Tribune, 27. Oktober

34. United Press, 26. Oktober

35. Ibidem

36. Times, 27. Oktober

37. Le Monde, 29. Oktober

38. Ibidem, 30. Oktober

39. Franc-Tireur, 29. Oktober

40. Die nationale Bauernpartei entstand 1939 unter der Leitung „populistischer“ Schriftsteller. Sie vereinigte Landarbeiter, arme Bauern, Intellektuelle und Dorflehrer. Sie sprach sich von 1939 an für eine Landreform aus. Sie war an der provisorischen Regierung von Dezember 1944 an der Seite der KP, der PSP und der Partei der kleinen Landwirte beteiligt. Sie war Initiatorin eines Programms einer radikalen Agrarreform und war an der Koalitionsregierung von 1945 bis 1948 beteiligt. Sie wurde am 31. Oktober wieder gegründet.

41. New York Times, 29. Oktober

42. Ibidem

43. Le Monde, 30. Oktober

44. Franc-Tireur, 30. Oktober

45. Demain, 1. November

46. New York Times, 2. November

47. Demain, 1. November

48. New York Times, 31. Oktober

49. Franc-Tireur, 30. Oktober

50. Daily Mail, 26. Oktober

51. Dépêche Reuter, 27. Oktober

52. Daily Telegraph, Bericht von Rhodes, 24. November

53. Gordey, in France-Soir, 12. November


Zuletzt aktualisiert am 6.7.2011