N. Bucharin

Die politische Ökonomie des Rentners

* * *

Einleitung

Die bürgerliche Nationalökonomie
nach Marx

Es sind bereits 30 Jahre verflossen, seit die flammenden Worte des großen Denkers des 19. Jahrhunderts, dessen Gedanken zum Hebel der proletarischen Bewegung in der ganzen Welt wurden, für immer verstummt sind; die ganze wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte – die tolle Konzentration und Zentralisation des Kapitals, die Verdrängung des Kleinbetriebes auch in den entlegensten Winkeln, das Auftreten der mit goldenen Kronen gekrönten mächtigen Industriekönige einerseits, das Anwachsen der proletarischen Armee, die, wie Marx sagt, durch den Mechanismus der kapitalistischen Produktion selbst geschult, vereinigt und organisiert ist, andererseits – das alles bestätigt die Richtigkeit des ökonomischen Systems von Marx voll und ganz, der sich zum Ziele setzte, das wirtschaftliche Gesetz der Bewegung der heutigen kapitalistischen Gesellschaft zu entdecken. Die Prognose, die zuerst im Kommunistischen Manifest und dann in vollständigerer und entwickelterer Form im Kapital gestellt worden ist, hat sich zu neun Zehnteln glänzend bestätigt. Einer der wichtigsten Teile dieser Prognose, die Theorie der Konzentration, ist nun Gemeingut und allgemein anerkannte Wahrheit der Wissenschaft geworden. Zwar wird sie gewöhnlich in einer anderen theoretischen Sauce gereicht, so daß sie ihre Einheitlichkeit, die für die Marxsche Theorie so charakteristisch ist, verliert. Aber die „ökonomische Romantik“, die in dieser Theorie nur eine Phantasie eines Utopisten sah, hatte jeden Boden verloren, als in der letzten Zeit die von Marx aufgedeckten und erklärten Tendenzen so schnell und in solch grandiosem Umfange hervorgetreten sind, daß nur noch Blinden das siegreiche Fortschreiten des Großbetriebes unbemerkt bleiben konnte. Wenn einzelne gutmütige Leute in den Aktiengesellschaften nur die „Demokratisierung des Kapitals“ sahen und in ihrer Sentimentalität diese für eine Garantie des sozialen Friedens und des allgemeinen Wohlstandes hielten (und solche Leute gab es leider auch in den Reihen der Arbeiterklasse), so zerstört die „ökonomische Wirklichkeit“ der Gegenwart dieses kleinbürgerliche Idyll in gröbster Weise. Denn das Aktienkapital ist zu einem mächtigen Mittel in den Händen eines Häufleins Usurpatoren geworden, um das Vorwärtsstreben des „vierten Standes“ schonungslos zu unterdrücken. Schon dies allein zeigt, was für ein wichtiges Erkenntnismittel die theoretische Konstruktion von Marx bildet. Aber auch die Erscheinungen der kapitalistischen Entwicklung, die erst jetzt aufgetreten sind, können nur mit Hilfe der Marxschen Analyse begriffen werden. [1] Die Bildung von mächtigen Unternehmerverbänden, von Syndikaten und Trusts, die Entstehung von nie dagewesenen Bankorganisationen, das Eindringen des Bankkapitals in die Industrie und die Hegemonie des Finanzkapitals im gesamten ökonomischen und politischen Leben der entwickelten kapitalistischen Länder – das alles bedeutet nur die weitere Entwicklung der von Marx schon konstatierten Tendenzen. Die Herrschaft des Finanzkapitals beschleunigt nur die Konzentrationsbewegung um das Vielfache und verwandelt die Produktion in eine gesellschaftliche Produktion, die reif ist, unter eine gesellschaftliche Kontrolle gestellt zu werden. Zwar haben die bürgerlichen Gelehrten unlängst erklärt, daß die Organisation der Unternehmer der Produktionsanarchie ein Ende machen und die Krisen beseitigen würde. Aber ach, der kapitalistische Organismus wird nach wie vor periodisch von Zuckungen heimgesucht, und nur ganz naive Leute glauben noch daran, daß der Kapitalismus mit Hilfe von reformistischer Flickarbeit geheilt werden könnte. Die historische Mission der Bourgeoisie ist bereits in der ganzen Welt erfüllt und geht ihrem Ende entgegen. Es tritt eine Periode der großen Aktionen des Proletariats ein, wobei der Kampf schon jetzt die nationalen Grenzen des Staates überschritten hat, immer mehr die Formen eines Massendruckes auf die herrschenden Klassen annimmt und sich dem Endziel stark nähert. Die Zeit ist nicht mehr fern, in der die Voraussagung von Marx in Erfüllung gehen wird, daß die letzte Stunde des kapitalistischen Eigentums schlagen werde. Wie überzeugend die Tatsachen auch die Richtigkeit der Marxschen Konzeption bekunden, so ist dennoch ihr Erfolg unter den offiziellen Gelehrten nicht nur nicht gestiegen, sondern eher noch gesunken. Wenn früher in den rückständigen Ländern, beispielsweise in Rußland und zum Teil in Italien, sogar Universitätsprofessoren zuweilen mit Marx liebäugelten, wobei sie allerdings ihre größeren und kleineren „Korrekturen“ einflochten, so führt nun die ganze soziale Entwicklung, die Zuspitzung der Klassengegensätze und die Konsolidierung aller Schattierungen der bürgerlichen Ideologie dazu, daß alle den Kampf gegen die Ideologie des Proletariats aufnehmen, indem die „Uebergangstypen“ ausgeschaltet werden und an ihre Stelle der „rein europäische“, „moderne“ Gelehrte im theoretischen Gewand nach der preußischen, österreichischen oder gar nach der neuesten anglo-amerikanischen Mode tritt. [2] Zwei Grundrichtungen in der Volkswirtschaftslehre konnte die Bourgeoisie dem ehernen Marxschen System entgegenstellen: die sogenannte „historische Schule“ (Roscher, Hildebrandt, Knies, Schmoller, K. Bücher u. a.) und die „österreichische Schule“ (Karl Menger, Böhm-Bawerk und Wieser), die in der letzten Zeit eine gewaltige Verbreitung gefunden hat. Beide Richtungen bedeuten indes den Bankrott der bürgerlichen politischen Oekonomie. Nur kommt dieser Bankrott in zwei völlig entgegengesetzten Formen zum Ausdruck. Während die erste Richtung der bürgerlichen Theorie Schiffbruch erlitt, indem sie eine negative Stellung gegenüber jeder abstrakten Theorie überhaupt einnahm, versuchte die andere Richtung eben bloß eine abstrakte Theorie zu konstruieren und kam dabei zu einer Reihe von sehr geschickt erdachten „scheinbaren Erklärungen“, die aber gerade dort sich als untauglich erwiesen, wo die Theorie Marx’ besonders stark ist, nämlich in den Fragen der Dynamik der heutigen kapitalistischen Gesellschaft. Die klassische Volkswirtschaftsschule suchte bekanntlich die allgemeinen, d. h. die „abstrakten“ Gesetze des Wirtschaftslebens zu formulieren, und ihr hervorragendster Vertreter, Ricardo, gab staunenswerte Beispiele für diese abstrakt-deduktive Forschung. Umgekehrt entstand die „historische Schule“ als eine Reaktion gegen diesen „Kosmopolitismus“ und „Perpetualismus“ der Klassiker. [3] Dieser Unterschied hat seine tiefen sozial-wirtschaftlichen Wurzeln. Die klassische Theorie mit ihrer Lehre vom Freihandel war trotz ihres „Kosmopolitismus“ sogar sehr „national“: sie war das notwendige theoretische Produkt der englischen Industrie. England, das infolge einer Reihe von Umständen die ausschließliche Herrschaft auf dem Weltmärkte erhielt, befürchtete keine Konkurrenz und hatte keine künstlichen, d. h. gesetzgebenden Maßnahmen nötig, um seinen Sieg über die Konkurrenten zu sichern. Deshalb hatte es die englische Industrie nicht nötig, sich auf die speziellen englischen Verhältnisse zu berufen, um irgendwelche Zollmauern zu rechtfertigen. Die Theoretiker der englischen Bourgeoise brauchten darum auch nicht ihre Aufmerksamkeit auf die spezifischen Besonderheiten des englischen Kapitalismus zu richten: obschon sie die Interessen des englischen Kapitals zum Ausdruck brachten, sprachen sie von den allgemeinen Gesetzen der wirtschaftlichen Entwicklung. Ein ganz anderes Bild stellte die wirtschaftliche Entwicklung des europäischen Kontinents und Amerikas dar. [4]

Deutschland, die Wiege der „historischen Schule“, war, im Vergleich zu England, rückständig und in der Hauptsache ein Agrarland. Die emporkommende deutsche Industrie litt ganz empfindlich unter der englischen Konkurrenz, insbesondere litt darunter die Schwerindustrie Deutschlands. Bedurfte auf diese Weise die englische Bourgeoisie keiner besonderen Betonung der nationalen Besonderheiten, so war es für die deutsche Bourgeoisie umgekehrt notwendig, doppelte Aufmerksamkeit eben der Eigenart und Selbständigkeit der deutschen Entwicklung zu widmen, mit ihnen theoretisch die Notwendigkeit der „Erziehungszölle“ zu beweisen. Das theoretische Interesse konzentrierte sich eben auf die Klarstellung des historisch Konkreten und national Beschränkten; in der Theorie vollzog sich die Auswahl und das Hervorheben gerade dieser Seiten des wirtschaftlichen Lebens. Vom soziologischen Standpunkt aus betrachtet, war die historische Schule der ideologische Ausdruck dieses Wachstumsprozesses der deutschen Bourgeoisie, die die englische Konkurrenz fürchtete, deshalb den Schutz der nationalen Industrie forderte und daher die nationalen und historischen Besonderheiten Deutschlands, und später – verallgemeinernd – auch die der anderen Länder, in den Vordergrund schob. Vom sozialgenetischen Standpunkt aus ist sowohl die klassische wie die historische Schule „national“, da die eine wie die andere Richtung Produkt einer historisch und territorial beschränkten Entwicklung ist; vom logischen Standpunkt aus aber sind die Klassiker „kosmopolitisch“, die Historiker „national“. So war die deutsche Schutzzollbewegung die Wiege der historischen Schule. In ihrer weiteren Entwicklung brachte sie eine ganze Reihe Schattierungen hervor, deren wichtigste Richtung, mit Gustav Schmoller an der Spitze (die sogenannte „jüngere historische“ oder „historischethische“ Schule), eine agrar-konservative Färbung annahm. Die Idealisierung der Uebergangsform in der Produktion, insbesondere der „patriarchalischen“ Verhältnisse zwischen den Agrariern und Landarbeitern, die Furcht vor der „Proletarier-Seuche“ und der „roten Gefahr“ stellen diese „objektiven“ Professoren ständig bloß und zeigen die sozialen Wurzeln ihrer „reinen Wissenschaft“. [5] Aus dieser soziologischen Charakteristik ergibt sich nun auch die entsprechende logische Charakteristik der historischen Schule.

Von der logischen Seite her sind die „Historiker“ vor allem durch ihre negative Stellung zur astrakten Theorie charakterisiert. Gegenüber derartigen Untersuchungen empfanden sie eine tiefe Abscheu; jede Möglichkeit, derartige Untersuchungen zu unternehmen, wurde ohne weiteres bezweifelt, mitunter überhaupt in Abrede gestellt; das Wort „abstrakt“ bedeutete im Munde dieser Gelehrten „unsinnig“; manche dieser Gelehrten verhielten sich skeptisch sogar gegenüber dem wichtigsten Begriff jeder Wissenschaft – nämlich dem des „Gesetzes“ – höchstens, daß sie nur die sogenannten „empirischen Gesetze“ anerkannten, die mit Hilfe historisch-wirtschaftlicher und statistischer Forschungen aufgestellt werden. [6]

Und so bildete sich ein enger Empirismus aus, der vor jeglicher Verallgemeinerung zurückschreckte. Die extremen Vertreter dieser Schule machten die Sammlung von konkret-historischem Material zu ihrer Losung und verschoben die verallgemeinernde theoretische Arbeit auf unbestimmte Zeit. So charakterisiert Schmoller, dieses anerkannte Haupt der historischen Schule, die „jüngere Generation“ wie folgt: „Der Unterschied der jüngeren historischen Schule von ihm (d. h. Roscher, N. B.) ist der, daß sie weniger rasch generalisieren will, daß sie ein viel stärkeres Bedürfnis empfindet, von der polyhistorischen Datensammlung zur Spezialuntersuchung der einzelnen Epochen, Völker und Wirtschaftszustände überzugehen. Sie verlangt zunächst wirtschaftliche Monographien. Sie will lieber zunächst den Werdegang der einzelnen Wirtschaftsinstitutionen als den der ganzen Volkswirtschaft und der universellen Weltwirtschaft erklären. Sie knüpft an die strenge Methode rechtsgeschichtlicher Forschung an, sucht aber durch Reisen und eigenes Befragen das Bücherwissen zu ergänzen, die philosophische und psychologische Forschung heranzuziehen.“ (G. Schmoller, Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1908, S. 119.) Diese prinzipiell feindselige Stellung gegenüber jeder abstrakten Methode ist auch jetzt noch in Deutschland tonangebend. Noch im Jahre 1908 erklärte derselbe Schmoller: „Wir stecken noch vielfach in der Vorbereitung und der Materialsammlung.“ [7]

Im Zusammenhang mit der Forderung nach Konkretem steht auch eine andere Besonderheit der „historischen“ Richtung: das sozial-wirtschaftliche Leben wird von ihr ganz und gar nicht von den anderen Seiten des Lebensprozesses getrennt, besonders nicht von Recht und Sitte, trotzdem eine derartige Trennung die Ziele der Erkenntnis durchaus notwendig machen. [8] Dieser Gesichtspunkt ist eben das Ergebnis der Abneigung gegen jede Abstraktion; – ist doch in der Tat der Lebensprozeß der Gesellschaft ein einheitlicher Strom, existiert doch in Wirklichkeit nur eine Geschichte und nicht etwa mehrere Geschichten der Wirtschaft, des Rechts, der Sitte usw. Erst die wissenschaftliche Abstraktion zerlegt das an sich einheitliche Leben in Teile, indem sie künstlich verschiedene Erscheinungsreihen hervorhebt und nach bestimmten Merkmalen gruppiert. Logischerweise müßte deshalb derjenige, der gegen die Abstraktion ist, auch gegen die Trennung der Wirtschaft von Recht und Sittlichkeit sein. Doch ein derartiger Standpunkt wäre natürlich vollkommen unhaltbar. Es ist richtig, daß das soziale Leben eine Einheit bildet: doch darf man nicht vergessen, daß ohne Abstraktion überhaupt keine Erkenntnis möglich ist: schon der Begriff als solcher ist eine Abstraktion vom „Konkreten“; ebenso setzt jede Beschreibung eine gewisse Auswahl von Erscheinungen nach Merkmalen, die man aus irgendeinem Grund für wichtig hält, voraus, und so ist die Abstraktion nur ein notwendiges Attribut der Erkenntnistätigkeit; sie wird erst dann, und nur dann unzulässig, wenn das Abstrahieren von konkreten Merkmalen die Abstraktion selbst völlig leer, d. h. für die Erkenntnis nutzlos macht.

Die Erkenntnis erfordert die Zergliederung des einheitlichen Lebensprozesses. Dieser ist an sich so kompliziert, daß er zu seiner Erforschung in mehrere einzelne Erscheinungsreihen zerlegt werden muß. Wohin würde auch die Erforschung der Wirtschaft führen, wenn man z. B. versucht hätte, gleichzeitig Elemente in diese Forschung aufzunehmen, die den Gegenstand der philologischen Wissenschaft bilden – unter Berufung darauf, daß die Wirtschaft eben von Menschen gestaltet wird, die doch durch die Sprache miteinander verbunden sind? Es ist doch klar, daß jede gegebene Wissenschaft die Ergebnisse einer anderen benutzen darf, insofern diese zur Erforschung des betreffenden Gegenstandes der Wissenschaft beitragen können; dabei können die fremden Elemente selbst nur vom Standpunkte der gegebenen Wissenschaft aus betrachtet werden und spielen nur die Rolle eines Hilfsmittels der Forschung, – und nichts mehr.

Und so führt das Anhäufen von verschiedenartigem Material eher zur Erschwerung als zur Erleichterung der Erkenntnis. Hinzu kommt noch, daß die „psychologisch-sittliche Betrachtung“ der „jüngeren Historiker“ die Form der moralischen Wertschätzungen und Belehrungen angenommen haben. In die Wissenschaft, deren Aufgabe es ist, die kausalen Beziehungen aufzudecken, wird das nicht zur Sache gehörende Element der ethischen Normen hineingebracht; daher der Name dieser Schule: „historisch-ethisch“. [9]

Als Ergebnis der Tätigkeit der historischen Schule erschien eine Anzahl von beschreibend-historischen Arbeiten: die Geschichte der Preise, des Arbeitslohns, des Kredits, des Geldes usw.; doch dadurch kam die Theorie des Preises und des Wertes, die Theorie des Arbeitslohnes, der Geldzirkulation auch nicht um einen Schritt weiter. Es muß aber doch für jeden klar sein, daß es sich hier um zwei gänzlich verschiedene Dinge handelt. „Eine andere Sache ist die Statistik der Preise auf den Märkten von Hamburg oder London während der letzten dreißig Jahre und wieder eine andere – eine allgemeine Wert- und Preistheorie, wie sie in den Arbeiten von Galiani, Condillac, Ricardo enthalten ist.“ [10]

Gerade die Negation der „allgemeinen Theorie“ bedeutet die Negation der politischen Oekonomie als einer selbständigen theoretischen Disziplin, deren Bankrotterklärung.

Die Wissenschaft im allgemeinen kann überhaupt zwei Ziele verfolgen: Entweder sie beschreibt das, was zu einer gewissen Zeit und an einem bestimmten Orte wirklich war, oder sie versucht, die Gesetze der Erscheinungen abzuleiten, die sich durch die Formel ausdrücken lassen: Wenn A, B, C da sind, muß auch D eintreten. Im ersten Fall weist die Wissenschaft einen idiographischen, im zweiten – einen nomographischen Charakter auf. [11]

Es ist klar, daß die Theorie der politischen Oekonomie zum zweiten Typus der Wissenschaften gehört; sie verfolgt vor allem nomographische Aufgaben der Erkenntnis. Da aber die historische Schule es verschmäht, allgemeine Gesetze abzuleiten, vernichtet sie im Grunde genommen die politische Oekonomie als Wissenschaft schlechthin und ersetzt sie durch „reine Beschreibung“ idiographischer Natur, sie läßt sie in der Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftsstatistik, dieser idiographischen Wissenschaft par excellence, aufgehen. Es war ihr versagt, ihre einzig richtige Idee, den Entwicklungsgedanken, in den Rahmen der theoretischen Forschung aufzunehmen, und so erwies sie sich, gleich dem biblischen Feigenbaum, unfruchtbar. Ihre positive Bedeutung besteht ausschließlich in der Materialsammlung für die theoretische Betrachtung, und in diesem Sinne bilden die Arbeiten der historischen Schule etwas sehr Wertvolles. Es genügt, hier nur auf die hervorragenden Arbeiten hinzuweisen, die der „Verein für Sozialpolitik“ über das Handwerk, den Kleinhandel, sowie über das landwirtschaftliche Proletariat veröffentlicht hat. [12]

Eine durchaus richtige Charakteristik der „Historiker“ gibt der Vater der österreichischen Schule, Karl Menger: „Die äußerliche Verbindung gediegenen historischen Wissens mit einem sorgfältigen, aber führerlosen Eklektizismus auf dem Gebiete unserer Wissenschaft (Menger versteht darunter die Theorie der politischen Oekonomie. N. B.) bildet den Ausgangspunkt, zugleich aber den Höhepunkt ihrer (der historischen Schule. N. B.) Entwicklung. [13]

Ein ganz anderes Bild bietet die österreichische Schule. Sie betrat die wissenschaftliche Bühne in scharfer Opposition gegen den Historismus. Im polemischen Wettkampf, der am schärfsten zwischen Karl Menger und Schmoller ausgefochten wurde, enthüllten die neuen Theoretiker der Bourgeoisie ziemlich vollständig die Grundfehler ihrer Vorgänger; sie forderten wiederum die Notwendigkeit der Erkenntnis der „typischen Erscheinungen“, der „allgemeinen Gesetze“ (der „exakten Gesetze“, nach der Bezeichnung von K. Menger). Nachdem die österreichische Schule eine Reihe von Siegen über die Historiker davongetragen hatte, überfiel sie in Person von Böhm-Bawerk den Marxismus und verkündete dessen gänzliche theoretische Unzulänglichkeit. Die Marxsche Theorie ist „nicht allein unrichtig, sondern nimmt sogar, wenn man auf ihren theoretischen Wert sieht, einen der letzten Plätze unter allen Zinstheorien ein ...“ [14] – so das Urteil Böhm-Bawerks.

Es ist nicht zu verwundern, daß der neue Versuch der bürgerlichen Ideologen [15] mit der Ideologie des Proletariats so scharf zusammenprallte. Die Schärfe dieses Konflikts ist notwendigerweise dadurch hervorgerufen, daß dieser neue Versuch der abstrakten Theorie formell dem Marxismus ähnelt, nämlich, soweit dieser die abstrakte Methode benutzt – dem Wesen nach aber einen völligen Gegensatz zum Marxismus bildet. Dies erklärt sich wiederum daraus, daß die neue Theorie das Kind der Bourgeoisie der letzten Formation ist, – einer Bourgeoisie, deren Lebenserfahrung und somit auch deren Ideologie weit entfernt von der Lebenserfahrung der Arbeiterklasse ist.

Von einer weiteren logischen Charakteristik der Oesterreicher wird an dieser Stelle abgesehen, da wir noch später darauf zurückkommen werden. Hier soll der Versuch gemacht werden, die grundlegenden Züge einer soziologischen Charakteristik der österreichischen Schule zu geben.

In seiner letzten Arbeit über den Ursprung des „kapitalistischen Geistes“ untersucht Werner Sombart die charakteristischen Züge des Unternehmergeistes [16], doch zeichnet er nur die eine aufsteigende Linie in der Entwicklung der Bourgeoisie; er sieht nicht und untersucht nicht die bürgerliche Psychologie in ihrem Niedergang. Trotzdem finden sich bei ihm interessante Beispiele für diese Psychologie, wenn auch diese nicht gerade der neuesten Zeit entnommen sind. So charakterisiert er die „Hautefinance“ in Frankreich und England während des 17. und 18. Jahrhunderts: „Das waren die ganz reichen Leute, meist bürgerlicher Herkunft, die sich als Steuerpächter oder Staatsgläubiger bereichert hatten und nun als Fettaugen auf der Suppe schwammen, dem Wirtschaftsleben aber fern standen. [17]

Im Zusammenhang mit dem Niedergang des „kapitalistischen Geistes“ in Holland im 18. Jahrhundert wird der „Bourgeois“ zwar nicht, wie in anderen Ländern, „feudalisiert“, aber – wie man es nennen könnte – er verfettet. Er lebt von seinen Revenuen. Das Interesse an kapitalistischen Unternehmungen irgendwelcher Art verringert sich immer mehr. [18]

Noch ein Beispiel: Ein englischer Schriftsteller der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Defoe, schildert den Prozeß der Ent Wickelung der Kaufleute zu Rentnern wie folgt: „Vorher mußte er (der Kaufmann. N. B.) allerdings, um sein Vermögen zu erwerben, fleißig und tätig sein; jetzt hat er aber nichts zu tun, als den Entschluß zu fassen, faul und untätig zu sein (to determine to be indolent and inactive). Staatsrenten und Landbesitz sind die einzig richtige Anlage für seine Ersparnisse.“ [19]

Man darf keineswegs denken, daß die Gegenwart eine derartige Psychologie nicht kennt; vielmehr ist gerade das Umgekehrte der Fall. Die kapitalistische Entwickelung der letzten Dezennien brachte gerade eine rapide Akkumulation von „Kapitalwerten“ mit sich. Infolge der Entwickelung der verschiedenen Formen von Kredit fließt der angesammelte Mehrwert Personen zu, die überhaupt in keiner Beziehung zur Produktion stehen; die Zahl dieser Personen steigt immer mehr und bildet eine ganze Gesellschaftsklasse – die Rentnerklasse. Freilich ist diese Gruppe der Bourgeoisie keine Gesellschaftsklasse im wahren Sinne des Wortes, vielmehr ist sie nur eine gewisse Gruppe innerhalb der Reihen der kapitalistischen Bourgeoisie; dennoch weist sie einige, für sie allein charakteristische Merkmale der „gesellschaftlichen Psychologie“ auf. Mit der Entwickelung der Aktiengesellschaften und Banken, mit der Entstehung eines ganz ungeheuren Handels in Wertpapieren erscheint und befestigt sich diese gesellschaftliche Gruppe. Das Gebiet ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ist vorzugsweise die Zirkulation, hauptsächlich die der Wertpapiere, die Fondsbörse. Bezeichnend ist, daß es auch innerhalb dieser Gruppe, die vom Einkommen aus Wertpapieren lebt, noch verschiedene Schattierungen gibt; den extremen Typus bildet die Schicht, die nicht nur außerhalb der Produktion, sondern sogar außerhalb des Zirkulationsprozesses steht. Dies sind vor allem die Eigentümer von festverzinslichen Wertpapieren: Staatsrenten, Obligationen verschiedener Art usw., ferner Personen, die ihr Vermögen in Grund und Boden angelegt haben und davon dauernde und sichere Renten beziehen. Diese Kategorien kennen nicht einmal die Unruhen des Börsenspiels; wenn die Eigentümer von Aktien, die mit den Unruhen der Spekulation eng verknüpft sind, jeden Tag alles verlieren oder umgekehrt rasch hochkommen können, wenn sie deshalb das Leben des Marktes leben, angefangen mit der aktiven Betätigung an der Börse und endend mit dem Lesen der Kurszettel und Handelszeitungen, so hört für die Gruppen mit Einkommen aus festverzinslichen Papieren dieses Band mit dem sozial-wirtschaftlichen Leben auf und sie treten aus der Zirkulationssphäre aus. Und wiederum: je entwickelter das Kreditsystem, je elastischer es ist, desto größer ist die Möglichkeit, zu „verfetten“ und „faul und untätig“ zu sein. Dies besorgt schon der kapitalistische Mechanismus selbst; da er die organisatorischen Funktionen einer bedeutenden Unternehmerzahl sozial überflüssig macht, verdrängt er diese „überflüssigen Elemente“ zugleich aus dem direkten Wirtschaftsleben; diese werden dann auf der Oberfläche des Wirtschaftslebens abgelagert, gleich „Fettaugen auf der Suppe“ – wie Sombart sich so drastisch ausdrückt.

Es sei dabei hervorgehoben, daß die Besitzer von festverzinslichen Wertpapieren nicht eine abnehmende Schicht der Rentnerbourgeoisie darstellen, sondern daß umgekehrt diese Schicht in ständigem Wachstum begriffen ist.

„Die Bourgeoisie wird in Rentner verwandelt, die zu den großen Finanzinstitutionen in ein ähnliches Verhältnis treten, wie zu dem Staat, dessen Schuldscheine sie erwerben: hier wie dort werden sie ausgezahlt und kümmern sich um nichts weiter. Infolgedessen muß der Drang der Bourgeoisie, ihr Vermögen dem Staat zu übertragen, sich offenbar erst recht steigern ... wobei ... der Staat den anerkann ten Vorzug der größeren Sicherheit aufzuweisen hat. Die Aktie gewährt allerdings Gewinnchancen, die das Staatspapier nicht kennt, dafür aber auch gewaltige Verlustmöglichkeiten. Es ist festzuhalten, daß die Bourgeoisie jährlich einen bedeutenden Kapitalüberschuß entstehen läßt; aber selbst zur Zeit der industriellen Hochkonjunktur wird nur ein geringer Teil davon von den Aktienemissionen absorbiert, der weitaus größte Teil findet in Staatsschulden, Kommunalschulden, Hypotheken und sonstig fest verzinslichen Werten Anlage.“ [20]

Diese Schicht der Bourgeoisie ist ausgesprochen parasitisch; sie entwickelt solche psychischen Züge, die sie dem verfallenden Adel am Ende des „alten Regimes“ und den Spitzen der Finanzaristokratie derselben Periode durchaus verwandt macht. [21] Der charakteristischste Zug dieser Schicht, der sie sowohl vom Proletariat als auch von der Bourgeoisie anderen Typs scharf trennt, ist, wie wir bereits sahen, ihre Entfremdung vom Wirtschaftsleben: sie nimmt weder an der Produktionstätigkeit noch am Handel unmittelbaren Anteil: ihre Vertreter schneiden oft sogar die Kupons nicht selbst ab. Man kann deshalb das „Gebiet der Tätigkeit“ solcher Rentner am allgemeinsten als die Sphäre des Verbrauchs bezeichnen. Der Verbrauch bildet die Grundlage des ganzen Lebens der Rentner und die Psychologie „des reinen Verbrauchs“ verleiht diesem Leben ihren besonderen „Stil“. Der konsumierende Rentner hat ausschließlich Reitpferde, Teppiche, duftende Zigarren, Tokaier Wein vor Augen. Wenn er einmal von Arbeit spricht, so meint er damit die „Arbeit“ des Blumenpflückens oder der Besorgung einer Theaterkarte. [22] Die Produktion, die Arbeit, die zur Erreichung von materiellen Gütern erforderlich ist, liegt außerhalb seines Gesichtsfeldes und ist demnach für ihn etwas Zufälliges. Von echter, aktiver Tätigkeit ist bei ihm keine Rede: seine ganze Psyche weist passive Farbentöne auf; die Philosophie, die Aesthetik dieser Rentner ist rein anschaulicher Art: es fehlen darin die für die Ideologie des Proletariats so typischen aktiven Elemente. Das Proletariat lebt nämlich in der Sphäre der Produktion, kommt in direkte Beziehung zur „Materie“, die sich für ihn in „Material“, in ein Objekt der Arbeit verwandelt. Es sieht unmittelbar das riesenhafte Wachstum der Produktionskräfte der kapitalistischen Gesellschaft, die neue, sich immer mehr entwickelnde Maschinentechnik, die es gestattet, immer größere Mengen von Waren auf den Markt zu schleudern, deren Preise desto mehr sinken, je weiter und tiefer der Prozeß der technischen Vervollkommnung vorwärts schreitet. Für den Proletarier ist somit die Psychologie des Produzenten charakteristisch. Umgekehrt ist für den Rentner die Psychologie des Konsumenten charakteristisch.

Ferner. Wir sahen bereits, daß die hier in Betracht kommende Gesellschaftsklasse ein Produkt des Niederganges der Bourgeoisie ist; dieser Niedergang steht im Zusammenhang damit, daß die Bourgeoisie ihre sozial-nützlichen Funktionen bereits eingebüßt hat. Diese eigenartige Stellung der Klasse innerhalb des Produktionsprozesses, oder, richtiger gesagt, außerhalb des Produktionsprozesses, führte zur Entstehung eines besonderen sozialen Typus, der sich sozusagen durch seine Asocialität auszeichnet. Ist die Bourgeoisie an sich schon von ihren Windeln an individualistisch, denn die Grundlage ihres Daseins bildet die wirtschaftliche Zelle, die in hartem Konkurrenzkampf für ihre selbständige Existenz mit anderen Zellen liegt, – so verschärft sich dieser Individualismus bei dem Rentner noch mehr. Der Rentner kennt überhaupt kein soziales Leben, – er steht abseits von ihm; die sozialen Bande zerfallen, sogar die allgemeinen Aufgaben der Klasse vermögen nicht die „sozialen Atome“ zusammenzuschweißen. Es verschwindet nicht nur das Interesse an den kapitalistischen Unternehmungen, sondern an allem „Sozialen“ schlechthin. Die Ideologie einer derartigen Schicht ist notgedrungen stark individualistisch; besonders scharf äußert sich dieser Individualismus in der Aesthetik dieser Klasse: jede Behandlung der sozialen Themen erscheint eo ipso als „unkünstlerisch“, „grob“, „tendenziös“.

Ganz anders entwickelt sich die Psychologie des Proletariats. Rasch wirft es die individualistische Schale jener Klassen von sich ab, denen es entstammt: des städtischen und ländlichen Kleinbürgertums. Eingesperrt in die steinernen Mauern der Großstädte, konzentriert an den Stätten der gemeinsamen Arbeit und des gemeinsamen Kampfes, entwickelt das Proletariat die Psychologie des Kollektivismus, des maximalen Empfindens der sozialen Bande; nur auf den allerfrühesten Entwicklungsstufen, solange das Proletariat sich noch nicht zu einer besonderen Klasse entwickelt hat, zeigen sich noch individualistische Tendenzen, – dann verschwinden sie aber spurlos. Und so entwickelt sich das Proletariat entgegengesetzt der Richtung, in der die Entwicklung der Rentnerbourgeoisie verläuft; während seine Psychologie kollektivistisch wird, ist die Entwicklung der individualistischen Richtungen eines der Grundmerkmale der Bourgeoisie. Der verschärfte Individualismus – das ist die zweite charakteristische Eigenschaft des Rentners.

Der dritte charakteristische Zug des Rentners, wie überhaupt eines jeden Bourgeois, ist endlich die Furcht vor dem Proletariat, die Furcht vor den bevorstehenden sozialen Katastrophen. Der Rentner ist nicht imstande vorwärtszusehen; seine „Lebensphilosophie“ kann auf die Losung: „Genieße den Augenblick“, „carpe diem“ zurückgeführt werden; sein Gesichtskreis erstreckt sich lediglich auf die Gegenwart; „denkt“ er an die Zukunft, so denkt er sie sich nur nach dem Muster der Gegenwart; er kann sich überhaupt nicht solche Zeiten vorstellen, in denen Personen seinesgleichen keine Einnahmen aus Wertpapieren haben werden; entsetzt schließt er die Augen vor einer derartigen Perspektive, versteckt sich vor dem Kommenden und bemüht sich, in der Gegenwart die Keime des Zukünftigen nicht zu sehen; sein Denken ist durchaus unhistorisch. Anders die Psychologie des Proletariats: sie hat nichts von diesem Konservatismus des Denkens an sich. Der sich entfachende Klassenkampf stellt das Proletariat vor die Aufgabe, das bestehende gesellschaftlich-wirtschaftliche System zu überwinden, das Proletariat ist nicht nu. a. der Erhaltung des sozialen Status quo nicht interessiert, sondern gerade umgekehrt, es ist an dessen Zerstörung interessiert; es lebt hauptsächlich in der Zukunft; sogar die Aufgaben der Gegenwart wertet es vom Standpunkte der Zukunft. Deshalb zeigt sein Denken schlechthin, besonders aber sein wissenschaftliches Denken, einen klar ausgeprägten dynamischen, historischen Charakter.

So die dritte Antithese der Psychologie der Rentner und der Proletarier.

Diese drei Züge des „sozialen Bewußtseins“ des Rentners, die unmittelbar aus seinem „gesellschaftlichen Sein“ entspringen, beeinflussen auch die höchsten Entwicklungsstufen seines Bewußtseins, sein wissenschaftliches Denken. Die Psychologie bildet stets die Grundlage für die Logik, die Gefühle und Stimmungen bestimmen die allgemeinen Gedankengänge, die Gesichtspunkte, von denen aus die Wirklichkeit betrachtet und logisch verarbeitet wird. Wenn es mitunter sogar bei sehr eingehender Analyse eines einzelnen isolierten Satzes irgendeiner Theorie nicht gelingt, seinen sozialen Unterbau aufzudecken, so tritt dieser Unterbau dagegen stets klar zutage, sobald die unterscheidenden Merkmale des gegebenen theoretischen Systems, dessen allgemeine Gesichtspunkte hervorgehoben werden; dann erhält jeder einzelne Satz einen neuen Sinn, er wird zu einem notwendigen Glied einer ganzen Kette, die die Lebenserfahrung einer gewissen Klasse, einer gewissen gesellschaftlichen Gruppe umfaßt.

Wenn wir uns nun der österreichischen Schule resp. ihrem hervorragendsten Vertreter, Böhm-Bawerk, zuwenden, so finden wir, daß die oben festgestellten psychologischen Eigenschaften der Rentner hier ihr logisches Aequivalent haben.

Vor allem wird hier zum erstenmal der Standpunkt des Konsums konsequent durchgeführt. Das Anfangsstadium der Entwicklung der bürgerlichen politischen Oekonomie, die während der Herrschaft des Handelskapitals (Merkantilismus) entstand, ist dadurch charakterisiert, daß es die wirtschaftlichen Erscheinungen vom Standpunkte des Tausches betrachtet. „Es entspricht übrigens dem bürgerlichen Horizont, – sagt Marx – wo das Geschäftchenmachen den ganzen Kopf einnimmt, nicht im Charakter der Produktionsweise die Grundlage der ihr entsprechenden Verkehrsweise zu sehen, sondern umgekehrt. [23]

Das folgende Stadium entsprach einer Epoche, in der das Kapital zum Organisator der Produktion wurde; der ideologische Ausdruck dieser Verhältnisse war die „klassische Schule“, die die Wirtschaftsprobleme eben vom Gesichtspunkte der Produktion (die „Arbeitstheorien“ von A. Smith und D. Ricardo) betrachtete und auf diese den Schwerpunkt der theoretischen Forschung verlegte. Diesen Standpunkt erbte die proletarische politische Oekonomie von den Klassikern. Umgekehrt sieht der Bourgeois-Rentner seine Aufgabe vor allem in der Lösung des Problems des Verbrauchs. Dieser Gesichtspunkt ist es auch, der die grundlegende, charakteristischste und neue theoretische Position der österreichischen Schule sowie der ihr nahestehenden Richtungen ausmacht. Wenn sich auch schon früher eine theoretische Richtung zeigte, deren Fortsetzung die österreichische Theorie ist, so hatten dennoch die Theorien, die den Verbrauch und Verbrauchswert der „Güter“ zur Grundlage ihrer Analyse machten, nie einen so allgemeinen Erfolg in der offiziellen Wissenschaft aufzuw’eisen wie gerade die österreichische Schule. Erst die neueste Entwicklung schuf für diese Theorien eine feste Grundlage in der Rentnerpsychologie des modernen Bourgeois. [24]

Der krasse Individualismus findet ebenfalls seine pünktliche Parallele in der „subjektivistisch-psychologischen“ Methode der neuen Richtung. Freilich nahmen auch früher schon die Theoretiker der Bourgeoisie eine individualistische Position ein; sie hatten immer die „Robinsonaden“ gerne. Sogar die Vertreter der „Arbeitswerttheorien“ begründeten ihre Position individualistisch: ihr Arbeitswert war nicht etwa das gesellschaftliche „objektive“ Preisgesetz, sondern die subjektive Schätzung des „Wirtschaftssubjekts“, welches das Gut verschieden einschätzt, je nachdem, ob der Arbeitsaufwand mit größeren und geringeren Unannehmlichkeiten verbunden ist (vgl. z. B. Adam Smith). Erst bei Marx nimmt der Arbeitswert den Charakter eines „Naturgesetzes“ an, das den Warentausch unabhängig vom Willen der Agenten der modernen Gesellschaftsordnung regelt. Trotzdem erhielt erst jetzt, nämlich in der Lehre der österreichischen Schule, der Psychologismus in der politischen Oekonomie, d. i. der ökonomische Individualismus, seine Begründung und seine vollständigste abgeschlossene Formulierung. [25]

Endlich drückt sich die Angst vor der Umwälzung bei den Vertretern der Grenznutzentheorie in dem stärksten Abscheu gegen alles Geschichtliche aus; ihre ökonomischen Kategorien sollen (nach der Meinung der Verfasser) für alle Zeiten und Epochen Geltung haben; von der Untersuchung der Entwicklungsgesetze der modernen kapitalistischen Produktion als einer spezifisch historischen Kategorie (der Marxsche Standpunkt) ist hier gar keine Rede. Umgekehrt werden solche Phänomene wie Profit, Kapitalzins usw. als ewiges Attribut der menschlichen Gesellschaft angesehen. Hier tritt bereits die Rechtfertigung der gegenwärtigen Verhältnisse ganz klar zutage. Je schwächer aber die Elemente der theoretischen Erkenntnis sind, desto lauter schallt die Stimme des Apologeten der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. „Im Wesen des Zinses (d. h. des Profits. N. B.) liegt nichts, was ihn an sich unbillig oder ungerecht erscheinen ließe“ [26], – dies ist das Endergebnis (und unseres Erachtens auch das Ziel) der umfassenden Böhm-Bawerkschen Untersuchung.

Wir betrachten die „österreichische“ Theorie als die Ideologie des Bourgeois, der aus dem Produktionsprozeß bereits hinausgedrängt ist, die Psychologie des degradierenden Bourgeois, der die Besonderheiten seiner verfallenden Psyche in seiner – wie wir später sehen werden – wissenschaftlich völlig unfruchtbaren Theorie verewigte. Dem widerspricht durchaus nicht der Umstand, daß die Grenznutzentheorie selbst, so, wie sie von den Oesterreichern auf gestellt ist, gegenwärtig von der noch mehr in Mode gekommenen „anglo-amerikanischen“ Schule, deren hervorragendster Vertreter Clark ist, verdrängt wird. Die gegenwärtige Periode der kapitalistischen Entwicklung bildet eine Epoche der letzten Anstrengung aller Kräfte der kapitalistischen Welt. Der ökonomische Prozeß der Verwandlung des Kapitals in das Finanzkapital [27] zieht von neuem einen Teil der Bourgeoisie in die Produktionssphäre hinein, der vorher abseits stand (sofern das Bankkapital in die Industrie hineingezogen und dadurch zum Organisator der Produktion wird), – so die Organisatoren und Leiter der Trusts, – dieser in hohem Maße aktive Typus, dessen politische Ideologie der kriegerische Imperialismus und dessen Philosophie der aktive Pragmatismus ist. Dieser Typus ist bedeutend weniger individualistisch, denn er ist in Unternehmerorganisationen großgezogen, die immerhin eine Gesamtheit darstellen, in dem der persönliche Wille bis zu einem gewissen Grade in den Hintergrund tritt. Dementsprechend unterscheidet sich auch die Ideologie dieses Typus von der eines Rentners: sie rechnet mit der Produktion, sie wendet sogar die „sozial-organische“ Forschungsmethode der gesamten gesellschaftlichen Wirtschaft an. [28] Die amerikanische Schule stellt das Produkt der progressierenden, keinesfalls aber der degradierenden Bourgeoisie dar; von den zwei gegenwärtig bestehenden Tendenzen – der des fortdauernden Aufstieges und der beginnenden Zersetzung – drückt sie nur die erstere aus; nicht umsonst ist diese Schule vom amerikanischen Geiste durchdrungen, von dem Geiste des Landes, von dem der Sänger des Kapitalismus, Sombart, sagt:

„Alles, was der kapitalistische Geist an Konsequenzen in sich trägt, ist heute am höchsten in den Vereinigten Staaten zur Entwicklung gelangt. Hier ist seine Stärke einstweilen auch noch nicht gebrochen. Hier ist einstweilen noch alles Sturm und Wirbel.“ [29]

Also, gerade der Rentnertypus ist der Grenztypus des Bourgeois und die Grenznutzentheorie – die Ideologie dieses Grenztypus. Vom psychologischen Gesichtspunkte aus ist sie deshalb bemerkenswert; ebenso vom logischen Gesichtspunkt aus, da es doch offensichtlich ist, daß die Amerikaner ihr gegenüber Eklektiker sind. Und gerade darum, weil die österreichische Schule die Ideologie des Grenztypus der Bourgeoisie ist, stellt sie die völlige Antithese zur Ideologie des Proletariats dar: der Objektivismus – der Subjektivismus, der historische Gesichtspunkt – der unhistorische Gesichtspunkt, der Gesichtspunkt der Produktion – der Gesichtspunkt der Konsumtion: dies ist der methodologische Unterschied zwischen Marx und Böhm-Bawerk. Die logische Analyse dieses methodologischen Unterschieds sowohl der Grundlagen der Theorie als auch der gesamten theoretischen Konstruktion Böhms bildet eben den Gegenstand unserer Darstellung.

Es sei noch mit einigen Worten der Vorgänger der Oesterreicher Erwähnung getan.

Wir finden bereits bei Condillac in seinem Werke Le commerce et le Gouvernement (1795) die Darstellung der grundlegenden Ideen der späteren Grenznutzentheorie. Condillac betont stark den „subjektiven“ Charakter des Wertes, der nach ihm nicht das gesellschaftliche Preisgesetz, sondern das individuelle Urteil ist, das einerseits auf die Nützlichkeit (utilité), andererseits auf die Seltenheit (rareté) fußt. Derselbe Verfasser kam der modernen Problemstellung so nahe, daß er sogar zwischen den „gegenwärtigen“ und „zukünftigen“ Bedürfnissen (besoin présent, besoin éloigné) [30] unterscheidet, – was, wie bekannt, auch beim Hauptvertreter der österreichischen Schule, Böhm-Bawerk, bei dem Uebergang von der Werttheorie zur Zinstheorie die Hauptrolle spielt.

Aehnliche Ideen finden wir etwa zur selben Zeit bei einem italienischen Oekonomen, dem Grafen Verri [31], der den Wert gleichfalls als die Verbindung von Nützlichkeit und Seltenheit betrachtet.

Im Jahre 1831 erschien das Buch von Auguste Walras, dem Vater des berühmten Léon Walras: De la nature de la richesse et de l‘origine de la valeur, worin der Verfasser den Wert von der Seltenheit der nützlichen Güter ableitet und diejenigen Oeko-nomisten zu widerlegen sucht, die ihr Augenmerk nur auf die Nützlichkeit der Güter richteten, aus denen der „Reichtum“ besteht. Der Klarheit seines Grundgedankens wegen verdiente das Werk eine größere Beachtung seitens der Vertreter der neuen Richtung, als es der Fall ist.

Im Jahre 1854 gab Hermann Gossen eine genaue und klare Begründung der Grenznutzentheorie, die er in seinem Werke Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und daraus fließenden Regeln für menschlisches Handeln mathematisch formulierte. Gossen forschte nicht nur nach „neuen Wegen“, sondern gab auch seiner Theorie eine recht durchdachte und abgeschlossene Form. Manche Thesen, die zumeist den Oesterreichern (K. Menger) zugeschrieben werden, finden sich bereits bei Gossen, und zwar völlig herausgearbeitet, so daß eben in ihm der Vater der Grenznutzentheorie gesehen werden müßte. Gossens Werk blieb ganz unbemerkt, der Verfasser würde der völligen Vergessenheit preisgegeben sein, wäre er nicht in den 70er Jahren von neuem entdeckt worden; dabei haben die späteren Vertreter der Ideen, die ähnlich den Gossenschen sind, ihn sofort als den Gründer der Schule anerkannt. (Gossen selbst schätzte sein Werk sehr hoch ein und nannte sich den Kopernikus der politischen Oekonomie.)

Annähernd zur selben Zeit ist in England, in der Schweiz und Oesterreich, durch die Arbeiten Stanley Jevons, Léon Walras’ und K. Mengers ein festes Fundament für die neue Richtung gelegt worden. Sie waren es auch, die das Werk ihres vergessenen Vorgängers wieder in Erinnerung brachten. [32] Welche Bedeutung Gossen hatte, ist am besten aus der Wertschätzung, die Jevons und Walras ihm zollen, zu ersehen. Nach einer Darstellung der Gossenschen Theorie schreibt Jevons:

„Aus dieser Darstellung folgt, daß Gossen mir sowohl in den allgemeinen Prinzipien als auch in der Methode der ökonomischen Theorie voranging. Soweit ich es beurteilen kann, ist seine Art, die Grundlagen der Theorie zu behandeln, sogar allgemeiner und tiefer als die meinige.“

Aehnlich ist auch das Urteil Walras’ [33]: „Es handelt sich – schreibt er – um einen Mann, der völlig unbeachtet vorüber ging und der einer der bedeutendsten der je existierenden Oekonomisten war.“ [34] Doch gelang es Gossen trotzdem nicht, eine neue Richtung zu schaffen. Diese entstand erst mit den Arbeiten der späteren Oekonomisten; erst mit Anfang der 70–80er Jahre des vorigen Jahrhunderts fand die Grenznutzentheorie eine genügende Stütze in der „gesellschaftlichen Meinung“ der herrschenden wissenschaftlichen Kreise und wurde rasch communis doctorum opinio. Die Schule Jevons, besonders aber Walras, die den mathematischen Charakter und die mathematische Methode in der politischen Oekonomie unterstreicht, arbeitete einen Ideen-zyklus aus, der sich in einigem von der österreichischen Theorie unterscheidet; ebenso die amerikanische Schule mit Clark an der Spitze. „Die Oesterreicher“ gaben dagegen eine Theorie des Subjektivismus (Psychologismus) auf der Grundlage der Analyse der Konsumtion. Dabei ist Böhm-Bawerk zum krassesten Träger der „österreichischen“ Theorie geworden. Er gab eine der bestbegründeten Werttheorien vom Standpunkte dieser Schule aus, endlich stellte er, ausgehend von der Grenznutzentheorie, eine fast neue Theorie der Verteilung auf. Er ist das anerkannte Haupt der Schule, die im Grunde genommen nicht österreichisch ist, noch je es war (wie wir dies bereits aus dem flüchtigen Hinweis auf die Vorgänger sahen), die im Gegenteil zur wissenschaftlichen Waffe der internationalen Rentnerbourgeoisie wurde. Erst die Entwicklung dieser Bourgeoisie gab den „neuen Richtungen“ einen Stützpunkt; bis dahin gab es nur wissenschaftliche „Einzelgänger“. Die rasche Entwicklung des Kapitalismus, die Verschiebung der gesellschaftlichen Gruppierungen und die Zunahme der Rentner, dies alles ließ in den letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts alle die sozial-psychologischen Voraussetzungen entstehen, um die schwachen Triebe zur Blüte zu bringen.

Der Rentner, der internationale Rentner fand in Böhm-Bawerk seinen wissenschaftlichen Führer, in seiner Theorie die wissenschaftliche Waffe nicht so sehr für den Kampf gegen die Elementargewalten der kapitalistischen Entwicklung als vielmehr gegen die immer drohendere Arbeiterbewegung. In der Person Böhm-Bawerks geben wir also eine Kritik dieser neuen Waffe.

* * *

Fußnoten

1. In diesem Zusammenhang ist sehr lehrreich das Werk Hilferdings: Das Finanzkapital.

2. Der Erfolg der „neuen“ Theorien wurzelt somit in den veränderten Verhältnissen der sozialen Psychologie und keineswegs in der logischen Vollkommenheit dieser Theorien. Eine der Ursachen der Abneigung gegen die Arbeitswerttheorie seitens der Bourgeoisie besteht sicherlich in ihrer Abneigung gegen den Sozialismus. Böhm-Bawerk gibt dies selber zum Teil zu, indem er schreibt:

„Zwar hat, wie ich glaube, die Arbeitswerttheorie zunächst noch durch einige Jahre, im Zusammenhang mit der Ausbreitung der sozialistischen Ideen, eher an Ausbreitung gewonnen, in der jüngsten Zeit aber in den theoretischen Kreisen aller Länder entschieden an Terrain verloren, und zwar hauptsächlich zugunsten der immer mehr zum Durchbruch gelangenden Theorie des ‚Grenznutzens‘.“ Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins, 2. Aufl., Bd I, S. 444, Anm.

3. Unter Kosmopolitismus versteht Knies die Anschauung der Klassiker, daß die volkswirtschaftlichen Gesetze für jedes Land und Volk die gleichen sind; unter Perpetualismus – die analoge Anschauung der klassischen Schule in bezug auf die verschiedenen historischen Epochen – siehe Knies: Die politische Oekonomie vom geschichtlichen Standpunkte, Neuauflage 1883, S. 24.

4. Als erster Theoretiker der historischen Schule kann Friedrich List betrachtet werden, der eine protektionistische Politik forderte. Siehe: Das nationale System der politischen Oekonomie“, 1841.

5. So zählt z. B. A. Michailowsky die „Taten“ Prof. Schmollers auf:

„Er war bestrebt, die Einführung der staatlichen Arbeiterversicherung aufzuschieben, er war gegen die Ausdehnung der Arbeiterschutzgesetzgebung auf die Arbeiter in ländlichen und handwerksmäßigen Betrieben ... Er hielt es für angebracht, das Strafgesetz bei Verletzung von Arbeitsverträgen auf die landwirtschaftlichen Arbeiter anzuwenden, er war gegen die Rechtsfähigkeit der Gewerkschaften und Arbeitervereine, er war für das Sozialistengesetz ...“ (Die philosophischen, historischen und theoretischen Grundlagen der politischen Oekonomie des XIX. Jahrhunderts, Jurjew 1909, S. 578.)

6. Einer der gemäßigsten Vertreter der historischen Schule, Neumann, meint z. B., daß „die Möglichkeit exakter Gesetze auf wirtschaftlichem Gebiete ausgeschlossen ist“ (Naturgesetz und Wirtschaftsgesetz, Zeitschrift für die gesamte Sozialwissenschaft, herausgegeben von Schäffle, 1892, Jahrg. 48, S. 435). Ueber den Begriff des „Typischen“ äußert sich derselbe Autor:

„Dort (d. h. in den Naturwissenschaften N. B.) besteht Typisches, aus dem wieder Typisches hervorgehen und als Typisches erforscht werden kann. Hier (in den Gesellschaftswissenschaften. N. B.) soll das Wort Typisches gedacht, d. h. fingiert werden.“ (Ib., S. 442.)

7. G. Schmoller, l. c., S. 123.

8. Schmoller hebt drei „Grundgedanken“ der historischen Schule hervor:

„1. Die Anerkennung des Entwickelungsgedankens ... 2. eine psychologischsittliche Betrachtung ... 3. ein kritisches Verhalten gegenüber der individualistischen Naturlehre wie gegen den Sozialismus“ (l. c., S. 123).

9. Sehr treffend bemerkt hierzu H. Dietzel: „Genau ebenso gut wie von einer ‚ethischen‘ Wirtschaftstheorie oder Wirtschaftsgeschichte, könnte man von einer ‚ethischen‘ Anthropologie, Physiologie usw. sprechen“ (Theoretische SozialÖkonomie, S. 31). Vgl. auch E. Sax: Das Wesen und die Aufgaben der NationalÖkonomie, Wien 1884, S. 53. Ebenso verspottet auch Léon Walras die „Moral“ in der Theorie und vergleicht dieses Verfahren mit dem Versuch „spiritualiser la géometrie“. (Léon Walras: Etudes d‘économie sociale. Theorie de la repartition de la richesse sociale, Lausanne-Paris 1896, S. 40.)

10. Luigi Cossa: Introduzione allo Studio dell’ Economica Politica, Milano 1892, S. 15.

11. Die Terminologie stammt von A. A. Tschuprow dem Jüngeren, siehe seine Grundzüge einer Theorie der Statistik, St. Petersburg 1909. In etwas anderer Bedeutung werden diese Termini bei Rickert und Windelband gebraucht.

12. Besonders eingehend ist das Handwerk untersucht worden. Den Grund dafür finden wir in einer Erläuterung von G. Schmoller:

„Nur die Erhaltung eines ... Mittelstandes kann ... uns davor bewahren, in letzter Instanz einer politischen Entwickelung entgegenzugehen, die in einer abwechselnden Herrschaft der Geldinteressen und des vierten Standes bestehen wird ... nur sie (die soziale Reform. N. B.) erhält die Aristokratie der Bildung und des Geistes an der Spitze des Staates“ (G. Schmoller: Ueber einige Grundfragen der Sozialpolitik und der Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1898, S. 5 u. 6).

13. Karl Menger: Die Irrtümer des Historismus in der deutschen NationalÖkonomie, Wien 1884, Vorwort, S. IV.

14. Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins, S. 517.

15. Der in keiner Beziehung zum Sozialismus stehende H. Dietzel bemerkt dazu:

„Wenn Hohoff sagt, daß nicht dem Verstände, sondern dem Willen die Polemik gegen die Arbeitswerttheorie ihren Ursprung verdanke, so trifft dies zu ...“ (Theoretische Sozialökonomik, S. 211).

Auf derselben Seite wird auch von den „apologetischen Uebungen“ von Kamorschinski und der Säule der Oesterreicher, Böhm-Bawerk, gesprochen.

16. Werner Sombart: Der Bourgeois, München und Leipzig 1913.

17. Werner Sombart: Der Bourgeois, S. 46. Sperrdruck vom Verfasser.

18. Ib., S. 188. Sperrdruck vom Verfasser.

19. Ib., S. 201. Der letzte Sperrdruck vom Verfasser.

20. Parvus: Der Staat, die Industrie und der Sozialismus, Verlag von Kaden & Co., Dresden, S. 103–104.

21. Eine Charakteristik dieser Klassen können wir bei Sombart in seinem Luxus und Kapitalismus (Verlag Duncker & Humblot, 1903) besonders S. 103, 105 ff. finden. Dies hindert aber Charles Gide nicht, zu behaupten, daß „der Müßiggang nur eine gut verstandene Arbeitsteilung“ sei, denn „schon die Alten hielten es für notwendig, daß die Bürger ihre ganze freie Zeit für die Beschäftigung mit Staatsgeschäften frei hätten“ (Charles Gide: Grundzüge der politischen Oekonomie, zit. nach der russischen Uebersetzung von Scheinis, Petersburg 1896, S. 288). Aber auch die Sklaverei hielten die Alten für eine durchaus „notwendige Institution“ und eine „gut verstandene Arbeitsteilung“. In der Verherrlichung der Sklaverei bleiben also die Herren Oekonomisten der Bourgeoisie durchaus nicht hinter den „Alten“ zurück.

22. Die Beispiele sind durchweg dieselben, mit denen Böhm-Bawerk seine Werttheorie illustriert.

23. Karl Marx: Das Kapital, Bd. II, S. 88.

An den Merkantilisten sieht man den Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis besonders klar; die hervorragenden Ideologen waren zugleich hervorragende Praktiker: Gresham z. B. war Ratgeber der Königin Elisabeth und führte den direkten Kampf gegen die Hansa; Thomas Mun war Mitglied der Verwaltung der ostindischen Kompanie; Dudley North war einer der größten Kaufleute, die einen für die damalige Zeit umfassenden internationalen Handel trieben usw. Vgl. Oncken: Geschichte der NationalÖkonomie. Ueber den Tausch als Ausgangspunkt der Forschung vgl. K. Pribram: Die Idee des Gleichgewichts in der älteren nationalökonomischen Theorie, Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Bd. XVII, S. 1. Daselbst auch Literaturangabe.

24. Das oben aufgestellte Schema darf eben nur als Schema betrachtet werden, d. h. als eine Konstruktion, die Typen in großen Umrissen aufstellt und alles Nebensächliche außer acht läßt. T. R. Kaulla, der in seinem Buche: Die geschichtliche Entwickelung der modernen Werttheorien (Tübingen 1906) unter anderem eine Analyse der Entstehung der österreichischen Schule zu geben versucht, hat die Bedeutung der hier hervorgehobenen Erscheinungen nicht begriffen.

25. Siehe Albert Schatz: L’individualisme economique et social, 1907, S. 3, Anm.

26. Böhm-Bawerk: Positive Theorie des Kapitals, 3. Aufl., 1. Halbband, S. 574.

27. Wir wenden die Terminologie von R. Hilferding an. Siehe sein Finanzkapital, besonders S. 282–284.

28. Siehe die Analyse der Amerikaner vom Standpunkte der österreichischen Schule bei Schumpeter: Die neuere Wirtschaftstheorie in den Vereinigten Staaten im Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche, Herausgegeben von Schmoller, 34. Jahrg., 3. Heft, besonders die Seiten 10, 13, 15.

29. W. Sombart: Der Bourgeois, S. 193. Man darf nicht vergessen, daß sogar viele amerikanische Milliardäre self-made-men sind, die noch keine Zeit hatten, an Geist alt zu werden.

30. L’Abbé de Condillac: Le commerce et le Gouvernement, considéré relativement l’un à l’autre, Paris, an III (1795), S. 6–8.

31. Siehe die französische Uebersetzung: Comte de Verri: Economie politique ou considerations sur la valeur de l’argent et les moyens d’en faire baisser les intérèts, sur les Banques, la balance de Commerce, l’Agriculture, la population, les Impots etc., Paris, an III (besonders die S. 14–15).

32. Das Buch Jevons erschien im Jahre 1871 (Stanley Jevons: Theorv of political economy, London and New-York 1871). Das Buch von Menger erschien im selben Jahre (K. Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Wien 1871); endlich das von Walras: Principe d’une théorie mathématique de l’échange erschien im Journal des Economistes im Jahre 1874. Hinsichtlich der Prioritätsfrage siehe den Briefwechsel zwischen Walras und Jevons: Correspondence entre M. Jevons et M. Walras, die letzterer in seiner Théorie mathématique de la richesse sociale, Lausanne 1883, S. 26 bis 30, anführt.

33. Siehe Léon Walras: Etudes d’economie sociale, Lausanne und Paris 1896, den Abschnitt Un economiste inconnu, S. 360.

34. Ib., S. 354–355.


Zuletzt aktualisiert am 12. Juni 2020