Diese Übersetzung von Karl Dannenberg (Braunschweig, Gemeinschaft für Arbeiterbildung, 1920) bedarf sowohl in bezug auf Wortwahl und Satzbau dringend der Überarbeitung. Wer über ausreichende Englischkenntnisse verfügt, um zusammenhängende Texte zu lesen, sollte auf jeden Fall das englische Original lesen.
Transkription/HTML-Markierung: Thomas Schmidt für das Marxists’ Internet Archive.
Unser Vorsitzender hat die Sache nicht überschwänglich geschildert, als er sagte, dass der Kongress der Industrieverbändler, welcher nach zwei Wochen anstrengender Arbeit vorgestern in Chicago seine Sitzungen schloss, eine Epoche in den Annalen der amerikanischen Arbeiterbewegung anzeigt. Ich möchte hinzufügen, obwohl seine Ausführungen soviel andeuten, dass der Chicagoer Kongress auch einen Wendepunkt in der Geschichte des Landes verkündet.
Was wurde dort verrichtet? Sie werden in der Lage sein, aus der öffentlichen Erklärung – der Prinzipienerklärung zur Konstitution –, die von dem Kongress angenommen wurde, einen annähernden Begriff, einen Wink zu erhalten. Diese Prinzipienerklärung ist kurz, und ich werde diese Kürze noch kürzer machen, indem ich drei ihrer Grundsätze, diejenigen, welche ich von größter Wichtigkeit halte und durch deren Betrachtung die Bedeutung nicht nur aller anderen, nicht nur der Prinzipienerklärung an und für sich, sondern auch der Bewegung, welche dieses Dokument hervorbrachte, gewürdigt, ermessen und verstanden werden kann, einer Untersuchung unterziehe.
Die drei Grundsätze sind (lesend):
„Nie kann Frieden herrschen, solange unter Millionen von Arbeitern Hunger und Not grassieren und die wenigen, welche die Arbeitgeberklasse bilden, alle die guten Dinge des Lebens besitzen.“
Der zweite Grundsatz betont (lesend):
„Die Arbeiterklasse und die Arbeitgeberklasse haben nichts gemein.“
Und zuletzt, aber nicht in Bedeutung, folgt der dritte Grundsatz (lesend):
„Zwischen diesen beiden Klassen muss ein Kampf fortbestehen, bis alle Schaffenden auf dem politischen wie auf industriellem Felde zusammenkommen, und durch eine ökonomische Organisation der Arbeiterklasse, ohne Verbindung mit irgend einer politischen Partei das in Besitz nehmen und verwalten, was sie durch ihre Arbeit erzeugt haben.“
Diese drei Grundsätze beabsichtige ich mit Ihnen, in der Reihenfolge in welcher ich sie verlesen habe, durchzunehmen. Ich betrachte
als den so genannten Drehpunkt, um welchen sich die anderen drehen. Äußert derselbe nun eine Wahrheit, oder offenbart er eine Lüge? Ist es wahr, dass der Zustand der Arbeiterklasse einer des Hungers und der Not ist? Oder ist die gegenteilige Angabe, welche man so oft vernimmt, die richtige? In dieser Frage sind die Autoritäten, die sich mit dem sozialen Problem beschäftigen, unvereinbar gespalten. Tief ist die Kluft, die sie trennt. Auf der einen Seite stehen jene, die auf dem Kongress in Chicago versammelt oder vertreten waren. Sie behaupten, dass der Zustand der Arbeiterklasse einer des Hungers, der Not und Entbehrung ist; dass derselbe schlechter und schlechter wird; dass die Abgaben, die das Proletariat leisten muss, sich immer höher anhäufen; und dass nicht nur ihr relativer Anteil an dem Reichtum, den dasselbe erzeugt, abnimmt; sondern, dass auch das absolute Quantum des Reichtums, das es genießt, in seinen Händen zu einer immer kleineren Masse zusammenschrumpft. Das ist der sozialistische Standpunkt. Gegenüber diesem Standpunkt erhebt sich der unserer Gegner von den verschiedensten Schattierungen – von dem ausgesprochenen Kapitalisten herunter bis zum Anhänger der American Federation of Labor. Unsere Gegner behaupten, die Lage der Arbeiterklasse ist eine des Wohlstandes; fernerhin, dass dieselbe sich immer mehr vom Guten zum Besseren wendet; und dass das absolute Quantum des Reichtums, das der Arbeiter genießt, und seinen relativen Anteil des Reichtums, den er produziert, im Zunehmen begriffen sind. Einige von ihnen, wie der Worker, das englische Organ der New Yorker Volkszeitung Korporation, in seiner Ausgabe vom 5. Februar dieses Jahres, gehen so weit in ihrem Angriff auf den sozialistischen Standpunkt, die Behauptung, „das kapitalistische System stiehlt der Arbeiterklasse vier Fünftel von all dem, was diese Klasse produziert“, als eine „wilde Übertreibung“ hinzustellen. Diese zwei Stellungen sind unvereinbar. Wenn der zuletzt angeführte Standpunkt wahr oder nur annähernd wahr sein sollte, dann brechen die anderen zwei Grundsätze der Prinzipienerklärung, ja, die Prinzipienerklärung als solche, mit der ganzen Tätigkeit des Chicagoer Kongresses zusammen – wie die unsolide, ja märchenhafte Vorstellung eines Traumes. Umgekehrt, wenn der sozialistische Standpunkt korrekt ist, dann besteht der Rest der Prinzipienerklärung aus Schlussfolgerungen, denen man nicht entrinnen kann und – der Chicagoer Kongress hat auf einer soliden Grundlage gebaut. Demzufolge dreht sich alles um den ersten Grundsatz. Ist dieser wahr – stichhaltig? Ist er falsch – unhaltbar? Wir wollen sehen.
(Hier wendet sich der Redner zu einem großen gelben Plakat, das an eine Tafel geheftet und auffallend zu seiner Rechten aufgestellt ist.)
Erlauben Sie, dass ich Sie mit diesem Dokument bekannt mache. Sie werden es außerordentlich interessant finden.
Wie Sie sehen, ist es mit „Uncle Sam’s Balance Sheet“ (Onkel Sams Bilanz) betitelt. Wie Sie bemerken, ist der Bogen mit Zahlen bedeckt. Erschrecken Sie nicht vor denselben. Ich werde für meinen Zweck nur zwei dieser Zahlenreihen, die letzten zwei, gebrauchen. Ich habe die anderen nicht ausgemerzt, um mich nicht der Anklage, „ein fingiertes Dokument“ vorgelegt zu haben, auszusetzen. Dieses Plakat dient dem Zweck, eine überzeugende Darstellung statistisch und bildlich zu geben, die den Fortschritt anzeigt, der in der Erzeugung des Reichtums von dem Volke dieses Landes gemacht wurde. Erlauben Sie, dass ich Sie näher mit dem Dokument bekannt mache. Die Reihen von Zahlen, die Sie hier sehen, stammen nicht von mir; sie sind von keinem Sozialisten gesammelt worden. Ja umgekehrt: Dieses Dokument wurde von dem National Executive Commitee der Republikanischen Partei während der letztjährigen Präsidentschaftskampagne herausgegeben und verbreitet. Da fernerhin in der ersten Rubrik die Reihenfolge der demokratischen und republikanischen Administrationen, die über dem Schicksal der Nation in den letzten fünfzig Jahren gewacht haben, angegeben wird, so ist die Betrachtung gerecht, dass die statistische und auch bildliche Darstellung der Verhältnisse, wie man sie auf diese Leinwand geworfen, das gemeinsame Produkt der beiden herrschenden Parteien ist. Sie mögen nun die Frage stellen, warum ich Ihnen die Zahlen des Gegners vorführe und nicht meine eigenen vorlege. Das werde ich Ihnen erklären. Wenn ich Ihnen sage: „John Jones ist ein Dieb“, dann mag man die Anklage glauben oder nicht. Ich müsste sie auch beweisen. Wenn aber John Jones selbst sagt, dass er ein Dieb ist, dann bleiben mir alle weiteren Bemühungen erspart. (Beifall.) Es ist ein Grundprinzip der Jurisprudenz, speziell der Beweisführung, dass eines Mannes eigene Aussage gegen sich selbst den möglichst besten Beweis liefert. (Beifall.) Indem ich dieses Plakat vor Ihnen aufhefte, habe ich die höchsten Wortführer der kapitalistischen Klasse auf den Zeugenstand geschleppt. Sie können ihre eigenen Aussagen nicht verneinen. (Beifall.) Ich beabsichtige, dass sie sich selbst des Verbrechens überführen. (Beifall.) Ich muss Sie ernstlich ersuchen, nicht zu applaudieren. Die Hitze in diesem Saal mit dieser großen Zuhörerschaft ist unerträglich. Wir müssen alle begierig sein, so schnell wie möglich hier herauszukommen. Diese häufigen Unterbrechungen durch Beifallsbezeugungen verschieben nur die Stunde unserer Erlösung. Da ist noch eine Angelegenheit, mit der ich Sie vertraut machen möchte, bevor ich mit der Analyse der Zahlen anfange. Wie ich erwähnte, dieses Dokument bezweckt eine bildliche wie statistische Darstellung von Verhältnissen zu sein. Gestatten Sie, dass ich Ihre Aufmerksamkeit auf das Bild auf der äußerst linken Seite des Plakats lenke. Sie merken, es ist Uncle Sam – aber wie mager, wie hungrig, wie arm, wie schäbig, wie hager er aussieht! Diese Erscheinung soll das Land in seinem Anfangsstadium verbildlichen. Jetzt betrachten Sie das andere Bild auf der äußerst rechten Seite des Plakats. An dem Knebelbart und anderen Zeichen werden Sie erkennen, dass es noch immer Uncle Sam ist – aber wie verändert! Seine Hosen sind nicht mehr in Lumpen. Sie müssen aus gutem Stoff geschneidert sein, denn trotz seines kolossalen Umfangs platzen sie nicht. (Gelächter.) Er ist eine vergnügte, elastische Erscheinung. Nach dieser und der Krone des Hutes mit der herausfordernden Feder, die ihn schmückt und dem lustigen Zwinkern der Augen urteilend, so scheint er wahrscheinlich auf einem Bummel zu sein, schon halb geladen – sein Gesicht von dem Fett der Zufriedenheit triefend. Dieses Bild soll die heutige Lage des Landes symbolisieren. Nun wollen wir einmal feststellen, wer dieser Uncle Sam ist: ob Arbeiter oder Müßiggänger – Kapitalist. Die hier angeführten Zahlen werden es uns genau sagen.
Die erste Reihe ist mit „Product of Manufacture“ („Das Produkt der Manufaktur“) überschrieben. Sie führt von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, von 1860 bis 1900, den Wert der im Lande fabrizierten Waren an. Ich werde diese Zahlen nicht ausführlich verlesen. Das wäre zu umständlich, um sie im Kopfe zu behalten, noch ist es notwendig. Ich werde sie nur in runden Zahlen anführen.
Für das Jahrzehnt von 1860 betrug der Wert der fabrizierten Waren in runder Summe nahezu 2.000.000.000 Dollar.
Für das Jahrzehnt von 1870 betrug er über 4.000.000.000 Dollar.
Für das nächste Jahrzehnt, 1880, betrug er über 5.000.000.000 Dollar.
Für das folgende Jahrzehnt, 1890, überstieg er 9.000.000.000 Dollar.
Und zuletzt, für das Jahrzehnt 1900, betrug der Wert der fabrizierten Waren über 13.000.000.000 Dollar.
Dieses ist ein großartiger Fortschritt, wie Sie wohl bemerkt haben. Von nahezu 2.000.000.000 Dollar in 1860 stieg der von der Arbeit erzeugte Reichtum beständig, bis er in 1900 die riesenhafte Ziffer, die beinah siebenmal so groß Wie die ursprüngliche, von 13.000.000.000 Dollar erreichte!
Die genauen Zahlen sind:
in 1860 ...... 1.885.861.676 Dollar in 1870 ...... 4.232.325.442 Dollar in 1880 ...... 5.369.579.191 Dollar in 1890 ...... 9.372.437.283 Dollar in 1900 ...... 13.039.279.566 Dollar |
Dieses zeigt ohne Zweifel eine gewaltige Vermehrung des Reichtums, mit einer entsprechend mächtigen Zunahme des Wohlstandes. So weit, so gut. Aber seien Sie bei Zeiten gewarnt. Das Bestehen einer guten Sache ist noch lange kein Beweis, dass sie von der Arbeiterklasse genossen wird. Ich muss Sie ersuchen, auf diesem Punkt Ihre Gedanken zu konzentrieren.
Erlauben Sie mir, eine Illustration anzuführen. Zum Beispiel, wenn ich konstatieren würde, dass in diesem Saal mit tausend Zuhörern 10.000 Dollar zu finden sind. Diese Tatsache allein zeigt noch lange nicht an, wie diese 10.000 Dollar verteilt sind. Es kann sein, dass verhältnismäßig jeder ungefähr 10 Dollar besitzt. Es kann aber auch sein, dass ich von den 10.000 Dollar allein 9.999,99 Dollar in meiner Tasche habe. In diesem Falle würde nur eine einzige Kupfermünze übrig sein, um sich in den Taschen der anderen 999 Personen herumzutreiben. Die erste Zahlenreihe auf diesem Plakat teilt uns den Wert der erzeugten Waren mit. Sie sagt uns aber nicht, wie dieser Reichtum verteilt ist. Sie gibt uns aber einen Begriff von der zunehmenden Größe der Produktivität der Arbeit. Hinsichtlich der Verteilung, da müssen wir die nächste Reihe besichtigen. Und jetzt bereiten Sie sich für das aufregend Interessante, welches ich Ihnen versprochen habe, vor.
Die nächste Reihe ist mit „Wages Paid“ („Bezahlte Löhne“) rubriziert. Hier sind auch die Summen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zusammengefasst. Ich werde sie wieder in runden Zahlen anführen.
In dem Jahrzehnt von 1860 betrug der Gesamtbetrag der den Arbeitern gezahlten Löhne über 300.000.000 Dollar.
In dem nächsten Jahrzehnt, 1870, stieg der Gesamtbetrag der Löhne um 400.000.000 Dollar: sie beliefen sich auf über 700.000.000 Dollar.
In dem Jahrzehnt von 1880 stiegen sie wiederum um 200.000.000 Dollar und ergaben über 900.000.000 Dollar.
In 1890 war die Zunahme in dem Gesamtbetrag der bezahlten Löhne eine doppelte. Die an die Arbeiter ausgezahlten Löhne betrugen über 1.800.000.000 Dollar.
Und endlich in 1900 beliefen sich die Löhne auf über 2.300.000.000 Dollar oder um 500.000.000 Dollar mehr als in 1890.
Die genauen Zahlen sind:
in 1860 ...... 378.878.966 Dollar in 1870 ...... 775.584.343 Dollar in 1830 ...... 947.953.795 Dollar in 1890 ...... 1.891.228.321 Dollar in 1900 ...... 2.330.578.010 Dollar |
Wenn wir nun diese Reihe von Löhnen aus der Vogelperspektive betrachten, so ist ihr Zweck leicht verständlich.
So wie die Zahlen zusammengestellt sind, beabsichtigen sie, zwei Eindrücke zu übertragen: Erstens, dass der Anteil des einzelnen Arbeiters bedeutend ist; zweitens, dass seine Entwicklung zum Wohlstand eine beständige und noch bedeutendere sein muss. Man erwartet, dass, wenn einem Arbeiter gesagt wird, oder er schwarz auf weiß sieht, dass seine Klasse in 1860 die Riesensumme von 300.000.000 Dollar in Lohn erhielt, er auch die sichere Empfindung hegt, einen ziemlichen Batzen dieser Summe davon zu besitzen. Die Größe des Gesamtbetrages soll als ein Opiat für seine fieberhaft geschwächte Börse dienen. Und wenn der Arbeiter schwarz auf weiß sieht, wie dieser ursprüngliche Betrag anfängt, sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zu vermehren und gar zu verdoppeln, bis er die schwindelnde Höhe von 1900 erreicht, dann erwartet man, dass er so gründlich geblendet und verwirrt ist, um überhaupt nicht urteilen zu können, ob er auf seinen Füßen oder seinem Kopf steht, und dass er völlig unfähig ist zu denken. Der riesenhafte Reichtum, der angeblich sein soll, macht ihn absolut verrückt. Nun wollen wir diese Zahlen mal etwas näher betrachten. Von jetzt ab bis mir mit dem Plakat fertig bin, muss ich Sie ersuchen, Ihre Gedanken zu konzentrieren und gehörig anzustrengen.
Wenn immer Ihnen statistische Zahlen von Löhnen vorgelegt werden, so müssen Sie dieselben zwei Prüfungen unterziehen. So lange Sie dieses nicht getan haben, werden diese Zahlen Ihnen keine brauchbare Belehrung erteilen. Ich beabsichtige nun, die Zahlenreihe von Löhnen diesen beiden Prüfungen zu unterwerfen.
Die erste Probe besteht darin, die relative Größe oder den Prozentsatz, den die Löhne zu dem Gesamtreichtum einnehmen, festzustellen. Diese Probe ist leicht. Sie schließt nur eine einfache mathematische Berechnung in sich. Irgendein vierzehnjähriges Kind sollte fähig sein, die Aufgabe zu lösen. Lassen Sie uns die Probe anwenden.
Das Plakat teilt uns mit, dass in dem Jahrzehnt von 1860 die verausgabten Löhne über 300.000.000 Dollar betrugen. Es, teilt uns auch mit, dass der in derselben Periode von der Arbeit erzeugte Reichtum sich auf nahezu 2.000.000.000 Dollar belief. Indem wir die mathematische Berechnung auf diese beiden Reihen von Zahlen anwenden, können wir feststellen, dass die Löhne zwanzig Prozent von dem erzeugten Reichtum ergaben. Jetzt sind wir im Besitze einer Tatsache. Es ist keine erfreuliche, aber es ist dennoch eine nützliche Tatsache für unser Wissen. Es ist die erste Tatsache, die wirklich brauchbare Belehrung enthält. In ihrer Beleuchtung schrumpft der kolossale Gesamtlohn von über 300.000.000 Dollar zu seinen wirklichen sozialen Dimensionen zusammen. Jetzt wissen wir von den Zahlen, die uns das Plakat selbst vorlegt, dass in 1860 der Arbeiter von jeden. 100 Dollar, die er produzierte, nur 20 Dollar erhielt. Jemand anders erhielt 80 Dollar. Aus dieser Tatsache ersehen wir, dass man in 1860 den Arbeiter von jedem Quantum jenes Reichtums im Werte von 100 Dollar, das er produzierte, um 80 Dollar plünderte. Sofort wird in unserer Phantasie der Verdacht wachgerufen, wer eigentlich dieser fette und fröhliche Uncle Sam sein könnte. Aber wir verwerfen diesen Verdacht. Zwanzig Prozent vom eigenen Produkt ist zwar nicht viel; allerdings ist es sehr wenig; aber wir erinnern uns, dass dieses ja nur der Anfang ist, und dass die emporsteigenden Zahlen Fortschritt versprechen. Von dieser Hoffnung ermutigt, fahren wir mit der Prüfung des nächsten Jahrzehnts fort.
Indem wir dieselbe mathematische Berechnung auf die Zahlen, wie sie auf dem Plakat für das Jahrzehnt 1870 erscheinen anwenden, können wir wiederum den Prozentsatz, wie er sich auf den Anteil der Arbeit bezieht – das Verhältnis, das der erhöhte Gesamtlohn zu dem erhöhten Gesamtprodukt einnimmt – feststellen. Was wir da entdecken, verursacht in uns solche Erschütterung, dass uns der Bleistift beinah aus der Hand fällt. Bitte sich zu erinnern, dass in dem vorhergehenden Jahrzehnt der Anteil der Arbeit aus zwanzig Prozent bestand; und nicht zu vergessen, dass uns Fortschritt versprochen wurde. Die Erwartung, die dieses Versprechen erzeugte, rechtfertigte die Hoffnung, dass wir wenigstens ein Prozent mehr erhalten würden. Eitle Hoffnung! Der Arbeit Anteil, wie er aus der Prüfung der von dem Plakat gelieferten Zahlen hervorgeht, ist – achtzehn Prozent. Dieses ist ein eigentümlicher Fortschritt. Es ist der Fortschritt eines Kuhschwanzes – abwärts. In 1860 bestand der Anteil der Arbeit aus 20 Dollar von jedem 100 Dollar Betrag des Reichtums, den sie erzeugte. In 1870 bemerken wir, dass ihr Anteil auf achtzehn Prozent zusammengeschrumpft ist. In 1860 war die Ausbeutung, die man den Arbeitern auflegte, 80 Dollar von 100 Dollar In 1870 besteht der Raub, wie er von den Zahlen, die das Plakat selbst liefert, aus 82 Dollar von jedem 100 Dollar Quantum Reichtum, das die Arbeiter produzierten. Der Verdacht, der durch die Enthüllungen von 1860 in unserer Phantasie wachgerufen wurde, wer dieser korpulente und joviale Uncle Sam eigentlich ist, wird wieder belebt. (Beifall.) Aber wiederum unterdrücken wir ihn. Unsere Hoffnung wird durch die Erwägung belebt, dass manches Kindlein, statt sofort zu wachsen, erst von Keuchhusten, Masern und Bronchitis befallen wird und abnimmt; aber nur vorübergehend; es erholt sich schnell; wächst und erstarkt dann ohne Unterbrechungen. Das kann auch der Fall mit uns in 1870 gewesen sein. Ermuntert durch diese Gedanken, stürzen wir uns auf das nächste Jahrzehnt.
Wiederum wenden wir die einfache mathematische Berechnung an; diesmal auf die Zahlen, welche die verausgabten Löhne und den produzierten Reichtum in dem Jahrzehnt von 1880 wiedergeben. Der Prozentsatz, wie er von unserem Bleistift aufgezeichnet wird, ist lächerlich. Wir müssen einen Fehler gemacht haben. Wir wiederholen die Berechnung. Aber kein Fehler ist festzustellen. Der Anteil des Arbeiters in 1880 ist geringer als die zwanzig Prozent in 1860; geringer als die achtzehn Prozent in 1870; er besteht jetzt aus siebzehn Prozent! An diesem Punkt angelangt, sind wir nicht mehr länger in der Lage, unsern Verdacht, wer dieser kugelige und fröhliche Uncle Sam zu sein scheint, zu unterdrücken. (Gelächter und Beifall.) Nichtsdestoweniger verlieren wir unsere Hoffnung nicht. Immer noch des Versprechens hinsichtlich des wachsenden Wohlstandes gedenkend, welches jenes Plakat verkündet, gehen wir zum nächsten Jahrzehnt über.
Dieselbe mathematische Berechnung wird wiederum durchgenommen. Wir berechnen das Verhältnis der verausgabten Löhne in 1890 zu dem erzeugten Reichtum in diesem Jahrzehnt. Schaut, welche Überraschung! Der Niedergang hat aufgehört. Der Prozentsatz des Anteils der Arbeit in 1890 ist über den von 1880 gestiegen; er hat auch den von 1870 überstiegen; er ist jetzt wieder zwanzig Prozent wie in 1860. Auch für kleine Begünstigungen dankbar, blicken wir zurück. Da wir einen weiteren Niedergang erwartet hatten, so macht uns unsere angenehme Enttäuschung beinah glücklich. Nichtsdestoweniger sind wir neugierig, wo eigentlich der „Fortschritt“ zu verzeichnen ist. Die Zahlen auf dem Plakat enthüllen, dass wir in 1890 gerade da sind, wo wir in 1860 anfingen. Nach dreißigjähriger mühsamer Arbeit; nach dreißig Jahren, in denen der Boden des Landes beträchtlich mit dem Schweiß, Blut und Mark des Arbeiters durchtränkt wurde; nach dreißig Jahren, während deren die amerikanische Arbeiterklasse mehr Erbinnen per Quadratzoll für den Ankauf europäischer Adeligen als Gatten erzeugte, als die Arbeiter irgend eines anderen Landes; am Ende von dreißig Jahren, während deren die Arbeiterklasse, wie dieses Plakat es selbst anzeigt, eine äußerst wunderbare Masse von Reichtum erzeugte: am Ende dieser dreißig Jahre ist die amerikanische Arbeiterklasse gerade da, wo sie vor dreißig Jahren war – der elende Empfänger von nur 20 Dollar aus jeder Masse von Reichtum im Werte von 100 Dollar, die erzeugt wird. Dieses ist wahrlich kein Fortschritt, der des Rühmens wert ist. Es ist der Konservatismus des Elends. Nichtsdestoweniger, die Hoffnung sprießt ewig in der menschlichen Brust. Vielleicht sind nun die langen mageren Jahre endlich vorüber. Vielleicht bricht jäh ein heller Tag für uns an, und wir können plötzlich das Versäumte nachholen, um in 1900 wie dieser wohlhabende, wohlgenährte und gut gekleidete, fidele Uncle Sam, welcher, nach dem Plakat zu urteilen, den Arbeiter darstellt, auszusehen.
Und somit wenden wir die Probe auf die Zahlen von 1900 an, die letzten, die das Plakat liefert. Wir bedienen uns derselben mathematischen Kalkulation. Wehe uns! Unsere Hoffnungen sind zerschmettert. Der Prozentsatz ist rapide gesunken. Er ist so niedrig, wie er jemals war – siebzehn Prozent! Dieses vorübergehende Steigen in 1890 war nur das letzte Aufflackern in den Augen eines Sterbenden – der Vorbote des Zusammenbruchs.
Die Lüge, deren man versuchte die Sozialisten anzuklagen, betreffs der unerhörten Ausbeutung, die nach ihrer Behauptung an dem Proletariat seitens der kapitalistischen Klasse verübt wird, fällt auf die Ankläger zurück. Sogar, wenn wir für den Wert des importierten Rohmaterials, dem die Arbeit anderer Länder Wert zugefügt hat, nötigen Abzug machen; selbst wenn wir reichlichen Abzug für alles, was auf Abzug Anspruch machen kann, gewähren, so stellen die Zahlen, für welche dieses Plakat Zeuge ist, doch die Schlussfolgerung fest, dass der kleine Teil von einem Fünftel ihres Produktes noch eine liberale Abschätzung des Anteils bedeutet, den zu behalten der Arbeiterklasse erlaubt ist. Die erste dieser beiden Proben, denen diese Zahlen unter „Verausgabte Löhne“ unterworfen werden müssen, zerstört ihren Heiligenschein. Sie enthüllt einen großen Teil der nackten und schrecklichen Wirklichkeit. Sie deutet auf die Schlussfolgerung, dass nicht dieser rüstige Uncle Sam, sondern jenes elende Wesen am anderen Ende des Plakats, den amerikanischen Arbeiter darstellt.
Die zweite Probe wird die andere Tatsache ohne jeglichen Zweifel feststellen.
Erlauben Sie mir noch einmal, um Ihr Gedächtnis aufzufrischen, die Zahlen unter der Rubrik „verausgabte Löhne“ durchzunehmen. Die Löhne, die in den der Manufaktur gewidmeten Industrien verausgabt wurden, sind hier angeführt:
für 1860......über 300.000.000 Dollar für 1870......über 700.000.000 Dollar für 1880......über 900.000.000 Dollar für 1890......über 1.800.000.000 Dollar für 1900......über 2.300.000.000 Dollar |
Der Zweck einer solchen Darstellung des Entwicklungsganges der Löhne ist klar. Die Absicht liegt vor, den Begriff zu verbreiten, dass der Zustand des einzelnen Arbeiters sich verbessert; dass er sich riesenhaft verbessert hat. Die Darstellung von Zahlen in dieser Weise beabsichtigt, den Begriff zu übertragen, überwältigend zu übertragen, dass der Lohn oder Verdienst des einzelnen Arbeiters sich aufwärts geschwungen hat. Ich werde Ihnen aus dem Verhalten des Zeugen, den ich auf den Zeugenstand gezwungen habe, beweisen, dass er den Zweck verfolgt, ein Scheinurteil auf Grund unvollständiger Aussagen zu erhalten; dass er sich der schlimmsten Form des Betruges schuldig gemacht hat, indem er die Hälfte einer Wahrheit angibt und versucht, die andere Hälfte zu unterdrücken; kurzum, dass er ein Schwindler ist.
Bitte fahren Sie fort, Ihre Gedanken zu konzentrieren und anzustrengen. Ist die Tatsache, dass in 1860 die Verausgabung von Löhnen sich auf 300.000.000 Dollar belief und in 1900 sie 2.000.000.000 Dollar mehr betrug, genügender Beweis, um irgendwelche Schlussfolgerung bezüglich eines verbesserten Zustandes des Arbeiters zu rechtfertigen? Erlauben Sie mir, diesen Punkt mit einem vereinfachten Beispiel zu illustrieren. Zum Beispiel, wenn ich Ihnen erzählen würde, dass ich im letzten Monat 10 Dollar und in diesem Monat 20 Dollar in Löhnen ausgezahlt habe, eine Summe doppelt so groß wie die im letzten Monat, bedeutet dies, dass meine Arbeiter doppelt so hohe Löhne erhalten wie im letzten Monat? Dieses mag und mag auch nicht der Fall sein. Ob sie diese erhöhten Löhne* erhalten oder nicht, hängt nicht nur von der erhöhten Gesamtsumme der ausbezahlten Löhne ab, sondern noch von einem anderen Umstand. Was ist dieser andere Umstand? Selbstverständlich die Anzahl der Leute, welche ich letzten Monat resp. diesen Monat angestellt habe. Wenn ich letzten Monat nur zwei Leute angestellt hatte, würde es bedeuten, dass sie einen Durchschnittslohn von 5 Dollar pro Mann erhielten. Wenn ich jedoch diesen Monat zehn Mann beschäftige, dann, obwohl sich die Gesamtsumme der von mir ausbezahlten Löhne verdoppelt hat, würden die Löhne meiner Leute doch um fünfzig Prozent gesunken sein. (Beifall.) Der Gesamtlohn mag bis ins Unendliche steigen und doch kann zugleich der Einzellohn in entgegengesetzter Richtung fallen. (Beifall.) Wir wollen nun diese Reihe blendender Zahlen, welche die ausgezahlten Löhne veranschaulicht, der Probe des soeben erörterten Grundsatzes unterwerfen. Das erste, was uns auffällt, ist die vollständige Abwesenheit auf dem Plakat von statistischen Belegen oder irgendwelchen Angaben, die uns mitteilen, unter welche Anzahl von Leuten diese aufeinander folgenden, imponierenden Summen verteilt werden müssen. Keine Angabe hinsichtlich dieser Anzahl für 1860; keine diesbezügliche Angabe für 1870; keine für 1880 und 1890; und weder eine für 1900. Der Zeuge auf dem Zeugenstand will ausweichen; er gebraucht Ausflüchte und macht sich des Meineids schuldig. (Beifall.) Wir brauchen auch keine weiteren Beweise, um zu wissen, was wir in seinem Fall zu tun haben. Nichtsdestoweniger will ich den Zeugen nicht durch indirekte, sondern ausdrückliche Beweise überführen.
Die Belege der Volkszählung, von dem Agenten derselben Klasse, die dieses Plakat herausgab geliefert, teilen uns mit, dass in 1870 2.053.966 Arbeiter in den der Manufaktur zugewandten Industrien beschäftigt waren. Nach diesem Plakat urteilend, beliefen sich die ihnen bezahlten Löhne auf 775.584.343 Dollar. Indem wir diese Summe durch die Gesamtzahl der Arbeiter, welche diese Löhne empfingen, teilen, so erhalten wir den Betrag von 377 Dollar als den jährlichen Durchschnittslohn für dieses Jahrzehnt. Diese Tatsache wollen wir unterstreichen.
Im nächsten Jahrzehnt, 1880, als der von dem Plakat angeführte Gesamtlohn sich auf 947.953.795 Dollar belief, da waren nach dem Bericht der Volkszählung 2.732.595 Arbeiter in der Manufaktur beschäftigt. Indem wir den Gesamtbetrag der Löhne durch diese Zahl dividieren, erhalten wir den damals bezahlten Durchschnittslohn, und zugleich auch einen Begriff von der Lage des Arbeiters. Das Resultat, das wir erhalten ist 346 Dollar – also 31 Dollar weniger als in der vorigen Periode! Obwohl der Gesamtlohn um ungefähr 200.000.000 Dollar in den letzten zehn Jahren gestiegen ist, so gingen die Einzellöhne doch um 31 Dollar herunter!
Wir schreiten jetzt zu dem Jahrzehnt von 1890. Für diesen Zeitraum gibt das Plakat die Summe von 1.891.228.321 Dollar als die der ausgezahlten Löhne an. Der Bericht der Volkszählung teilt uns mit, dass die Summe unter 4.351.535 Arbeiter vermutlich verteilt wurde. Indem wir wiederum den Gesamtlohn durch diese Zahl dividieren, so erhalten wir 458 Dollar als Durchschnittslohn. Dieses zeigt eine Zunahme. Was diese absoluten Zunahmen bedeuten, dass sie wie der Dunst vor der Sonne verfliegen, dass sie eine Falle und Täuschung, ja tatsächlich ein Betrug sind, das werde ich Ihnen sogleich beweisen. Für die Gegenwart, indem wir dicht bei der begonnenen Untersuchung verweilen, werden wir diese Zunahme als einen absoluten Gewinn betrachten. Indem wir sie so betrachten, sind wir berechtigt, den von den Arbeitern erreichten Gewinn mit dem absoluten Gewinn von der Klasse zu vergleichen, welche, wie wir wissen, dieser fette Uncle Sam vertritt. Nach einer zwanzigjährigen Tätigkeit, wie ich sie Ihnen nicht zu beschreiben brauche, finden wir, dass die Löhne der Durchschnittsarbeiter um die horrende Summe von 68 Dollar pro Jahr, oder um neunzehn Cents pro Tag, gestiegen sind; während die Klasse, die dieser fröhliche Kunde – dieser kugelrunde Uncle Sam – hier vertritt, nur um die bescheidene Summe von 3.228.883.529 Dollar fortgeschritten ist, – und da waren keine vier Millionen von ihnen, unter welche dieser „kleine Happen“ verteilt wurde. (Beifall.)
Wir wenden uns jetzt dem nächsten und letzten Jahrzehnt von 1900 zu, in dem nach diesem Plakat der ausbezahlte Gesamtlohn 2.330.578.010 Dollar betrug und nach dem Bericht der Volkszählung, 5.541.539 Arbeiter in der Manufaktur tätig waren. Indem wir die erste Zahl durch die letzte dividieren, erhalten wir den von den Arbeitern erhaltenen Durchschnittslohn. Er betrug 439 Dollar – 9 Dollar weniger als in 1890! Bitte zu beachten, dass obwohl der verausgabte Gesamtlohn um 439.349.689 Dollar zunahm, der wirkliche Erwerb des Durchschnittsarbeiters um 9,00 Dollar abnahm!
Vor einer Minute hob ich hervor, dass die durchschnittliche Zunahme in Löhnen, die dem einzelnen Arbeiter gutgeschrieben wird, nur eine „papierene Zunahme“ ist und versprach, dieses zu beweisen, ich werde jetzt anfangen, dieses zu tun. Wie wir sahen, nahmen die Löhne zwischen 1890 und 1900 um 9,00 Dollar ab. Nichtsdestoweniger zeigen die Zahlen einen Zuwachs in dem Durchschnittslohn von 59,00 Dollar für die Periode von 1870–1900. Selbst wenn dieser armselige Betrag stehen bleiben könnte, so wäre es doch nur ein Scheinbild für die Klasse, deren Schweiß und Mark den Gesamtreichtum in dieser Periode um den riesenhaften Betrag von 8.806.954.124 Dollar vermehrte. Es ist ein tragisches Scheinbild! Und es nimmt nur einen Schritt von der Tragik zur Lächerlichkeit. Ich werde Ihnen beweisen, dass sogar diese lumpige Zunahme von 59,00 Dollar zu den sprichwörtlichen dreißig Cents zusammenschrumpfen wird. (Gelächter.) Die Form des Arguments, das ich jetzt vorbringen werde, ist nur eine Unterabteilung der zweiten Probe, der ich die Zahlenreihe „Verausgabte Löhne“ unterwarf, und die die Grundlage dieses statistischen Trugbildes wirksam zerstört hat. Diese untergeordnete Prüfung wird dessen Überbleibsel zerstören. Ich muss Sie wiederum ersuchen, Ihre Aufmerksamkeit nicht sinken zu lassen. Sie werden sie gebrauchen.
Sie haben eingesehen, wie irreführend, eben weil ungenügend, die Vergleiche der in verschiedenen Zeitabschnitten verausgabten Löhne sind, wenn sie nicht, durch einen gleichzeitigen Bericht, der die Anzahl der Lohnarbeiter unter welche die Löhne verteilt wurden anführt, ergänzt werden. Ich werde Ihnen jetzt beweisen, wie irreführend solche Vergleiche von in gewissen Zeiträumen verausgabten Löhnen, wenn auch an denselben Lohnarbeiter bezahlt, sind, und wie sie, wem; man nicht andere Faktoren berücksichtigt, mit der „Absicht zu täuschen“ gemacht werden.
Erlauben Sie mir, das Argument, das diese Phase behandelt, mit einer Illustration zu eröffnen. Nehmen wir an, dass im letzten Jahr mein Lohn 1,00 Dollar betrug und er in diesem Jahr sich auf 1,25 Dollar per Tag beläuft. Ist die bloße Tatsache, dass ich heuer 25 Cents mehr erhalte als im letzten Jahr, eine genügende Basis von welcher zu schließen ist, dass ich dieses Jahr, in der Höhe von 25 Cents mehr Reichtum, besser ab bin? Gestatten Sie mir, Ihnen die Beantwortung dieser Frage durch eine weitere Illustration zu erleichtern. Nehmen wir an, dass im letzten Jahr, als mein Lohn hundert Cents betrug, der Lebensunterhalt – Miete, Verpflegung und Bekleidung, die absoluten Notwendigkeiten des Lebens – neunundneunzig Cents kostete. Was können wir daraus schlussfolgern? Die Schlussfolgerung würde daraus hervorgehen, dass ich einen Cent über meine Bedingungen hinaus besitze. Diesen könnte ich entweder in einer Sparkasse deponieren oder in Wertpapieren anlegen, was der Arbeiter angeblich so häufig tut. (Gelächter.) Nehmen wir aber nun an, dass jetzt, da mein Lohn 125 Cents beträgt, die Kosten des Lebensunterhalts gestiegen sind und sich auf hundertsechsundzwanzig Cents belaufen. Was ist das Resultat? Das Resultat ist, dass ich „pleite“ bin. (Gelächter und Beifall.) Sie haben diesen Punkt erfasst. Derjenige, der uns erzählt, dass unsere Löhne gestiegen sind, ohne uns zu erklären, wie sich die Kosten des Lebensunterhalts verhalten, so ein Mensch versucht uns zu betrügen. Wiederum ist dieses der Fall mit dem Zeugen, den ich auf diese Tafel genagelt habe. Hinsichtlich dieser Frage ist er auch so schweigsam wie das Grab. Seine Schweigsamkeit braucht mich nicht in Verlegenheit zu bringen. Ich brauche ihn nicht. Ich werde Sie, mit Ihrer Einwilligung, in lebende statistische Zahlenreihen verwandeln. Ich ersuche Sie alle, die Frauen, die ja ein recht großes Wissen auf diesem Gebiete haben mit inbegriffen – alle jene, die die Erfahrung gemacht haben, dass die Kosten des Lebensunterhalts jetzt niedriger sind als vor zwanzig oder zehn Jahren, Ihre rechte Hand zu erheben. Ich ersuche den Vorsitzenden, die Hände zu zählen. (Der Vorsitzende erhob sich, überblickte die Zuhörerschaft und berichtete, „keine Hände in Sicht“.) Ich ersuche jetzt alle jene, Ihre rechte Hand zu erheben, die die Erfahrung gemacht haben, dass die Kosten des Lebensunterhalts in den letzten zwanzig oder zehn Jahren nicht gefallen oder gestiegen, also gleich geblieben sind. Bitte Ihre rechte Hand zu erheben, die dieses bezeugen können. Ich ersuche wiederum den Vorsitzenden, die Hände zu zählen. (Der Vorsitzende erhob sich, überblickte die Zuhörerschaft und berichtete, „keine Hände in Sicht“.) Jetzt werde ich eine dritte Zählung vornehmen. Ich ersuche alle jene, Ihre Hand zu erheben, die die Erfahrung gemacht haben, dass die Kosten des Lebensunterhalts gestiegen und sehr merklich gestiegen sind. (Alle Hände erheben sich.) Will der Vorsitzende zählen? (Der Vorsitzende: „Zuviele zum Zählen“.) Von dem Atlantischen Ozean bis hinaus über den Mississippi war dieses die gleiche Antwort, die ich allerwärts von meiner Zuhörerschaft erhielt. Wenn wir mit dem Mietzins anfangen, so bemerken wir, dass die notwendigen Lebensmittel allerwärts gestiegen sind. Da verschwindet ein großer Teil, der Hauptteil und vielleicht noch mehr der wunderbaren Lohnzunahme von 59,00 Dollar seit 1870! (Beifall.)
Ich werde nun fortfahren, den noch übrig gebliebenen Bruchteil dieser „Zunahme“ zu zertrümmern. Sie haben bemerkt, dass Kenntnisse bezüglich der Kosten des Lebensunterhalts für ein sachliches Urteil, ob man einen Lohnzuwachs gleichbedeutend mit einer verbesserten Lebenslage betrachten kann, unentbehrlich sind.
Wenn der Kostenpunkt des Lebensunterhalts gestiegen ist, so wissen Sie, dass ein Lohnzuwachs eintreten kann, ohne eine verhältnismäßige Verbesserung der Lebenslage mit sich zu bringen. Unmittelbar mit der Frage der für Waren bezahlten Preise, ist die Frage hinsichtlich der Qualität dieser Waren verbunden. Bevor ich mich mit diesem Gegenstand befasse, erlauben Sie mir, Ihnen wiederum einige Illustrationen vorzulegen. Nehmen wir an, dass ich vor zwanzig Jahren 10,00 Dollar für einen Anzug bezahlte, und dass ich denselben zwei Jahre, sagen wir zwei Winter, trug. Nun nehmen wir wiederum an, dass ich heuer einen Anzug, der eben so gut aussieht, nur ein Jahr, sagen wir einen Winter, tragen kann. Was zeigt dieser Umstand hinsichtlich der Preisfrage an? Er zeigt an, dass ein Zehn-Dollarschein, der mich vor zwanzig Jahren zwei Jahre mit Kleidung versorgte, jetzt nur denselben Dienst für ein Jahr leistet. In anderen Worten, wenn ich das zweite Jahr nicht in Lumpen herumgehen will, so kostet mich die Kleidung, die mir vor zwanzig Jahren 10,00 Dollar kostete, jetzt 20,00 Dollar. Die Schlussfolgerung, die aus dieser Tatsache hervorgeht, zeigt an, dass die Verschlechterung der Waren eine Erhöhung der Preise bedeutet. Angesichts der Gegenstände, sind die Preise geblieben, was sie waren; aber Vom Standpunkt der Tatsache betrachtet, sind sie gestiegen.
Unsere Phantasie wird aber verblüfft, wenn wir den Umfang der Verschlechterung der Nahrungsmittel und Bekleidungsgegenstände in den letzten zwanzig Jahren betrachten. Die Berichte über den Schund, der von unseren Fabriken hervorgebracht wird, wären unglaublich, wenn nicht so überzeugend bekräftigt. Dieses ist eine Angelegenheit der allgemeinen Erfahrung. Es ist besonders die Hausfrau, welche Bekanntschaft mit dieser Tatsache macht. Erkundigen Sie sich heute bei irgendeiner fünfzigjährigen Hausfrau, und sie wird Ihnen über diesen Gegenstand traurige Geschichten erzählen. Eine ältliche Haushälterin, die ich über diesen Gegenstand ausließ, drückte sich folgendermaßen aus: „Als ich heiratete, kaufte ich Unterwäsche für Heinrich, die zwei Jahre und manchmal noch länger hielt; wenn ich heute Unterwäsche kaufe, muss ich gleich anfangen zu flicken.“ (Gelächter.)
Ähnlich verhält es sich mit Nahrungsmitteln. Da ist kaum ein Nahrungsmittel, hauptsächlich unter denen, die der Arbeiter sich leisten kann, das nicht verfälscht, demzufolge verschlechtert ist. Es erscheinen Abhandlungen in Masse, die sich mit diesem verderblichen Gebrauch befassen. Diese Abhandlungen deuten an, dass wenn auch dadurch das Lebenslicht eines Menschen nicht schnell erlischt, so doch die Gesundheit dadurch unterminiert wird. Eine dieser kürzlich erschienenen Abhandlungen behauptet, dass die Verfälschungen der Lebensmittel direkt für den Tod von 400.000 Säuglingen jährlich verantwortlich sind. Und sie führt die Erkrankung und den Tod Tausender und Abertausender von Erwachsenen auf dieselbe Ursache zurück. Erlauben Sie mir. noch einen Sachverständigen in dieser Frage vorzuführen. Sie werden auf Seite 132 des Congressional Record, unter dem Datum vom 12. Dezember letzten Jahres, die folgende Stelle finden; es ist ein Auszug aus einer von Senator Steward in dem Verlauf der Debatte über die Nahrungsmittel-Vorlage gehaltenen Rede:
„Ich glaube kaum, dass die Nation einen Betriff von dem Umlang der Gifte hat, mit denen man die Nahrungsmittel, die in diesem Lande verkauft und genossen werden, vermischt. Es ist meine Ansicht, dass die Vergiftungen die körperliche Grundlage unseres Volkes zerstören. Wenn wir momentan Soldaten zu rekrutieren hätten, wie in 1861, ich glaube kaum, dass wir für den schweren Dienst einen ebenso hohen Prozentsatz junger Männer finden würden als in jener Zeit.“
Der Beweis hinsichtlich der Qualität des Puddings liegt, wie in allen anderen Sachen, immer im Essen. Wenn Löhne wirklich zunehmen, und die Kosten des Lebensunterhalts steigen nicht; und wenn fernerhin die Lebensbedürfnisse – Nahrung und Kleidung – sich nicht verschlechtern; wenn sie dieselbe Güte behalten, und sich noch verbessern, was muss dann für ein Resultat zu verzeichnen sein? Offenbar müssen dann die Menschen, die diese Zunahme genießen, frisch und munter sein, sie müssen während ihres Lebens gesund sein und lange leben. Wenn nun umgekehrt, das Einkommen kaum merklich zunimmt, und diese Zunahme noch von erhöhten Preisen und der Verschlechterung von solchen Bedürfnissen, wie Nahrung und Kleidung, verzehrt wird, dann muss sich diese Tatsache unbedingt in der Lage der davon betroffenen Klasse äußern. Wenn Sie jemals in New York sein sollten, dann machen Sie mal abends einen Spaziergang die 42ste Straße oder Fünfte Avenue entlang, wo sich die Klubs der demokratischen und republikanischen Parteien und einiger anderen kapitalistischen Vereinigungen befinden. Es müssen sich auch ähnliche Klubs hier befinden. Man trifft sie in jeder großen Stadt und sogar in kleinen Fabrikstädten an. Blicken Sie durch die großen Fensterläden in die prunkhaften Räume hinein. Sie werden dort graue Häupter in Überfluss bemerken. Kann es sein, dass die Herren vorzeitig ergrauten; oder, dass sie durch Unterernährung oder schlechte Bekleidung grau wurden? Schwerlich! Ich gebe zu, dass ihre bejahrte Erscheinung gewissermaßen durch ihre lotterhafte Lebensweise und heimlichen mormonenhaften Angewohnheiten zu erklären ist. Nichtsdestoweniger haben sie ein hohes Alter erreicht. Nachdem Sie diese Sehenswürdigkeit genossen haben, begeben Sie sich in die Gegenden, die von der Arbeiterklasse bewohnt werden. Besuchen Sie die Lokale, die von Arbeitern frequentiert werden. Nicht zu versäumen, Bleistift und Schreibpapier mitzunehmen. Auf das Papier notieren Sie jedes graue Haupt, dem Sie dort begegnen. Sie werden wahrlich wenige für Ihre Notizen finden, Ja, betrachten Sie diese Versammlung von Arbeitern. Da ist kaum ein graues Haupt unter Ihnen, In einer Versammlung kaum halb so groß, aber von Kapitalisten, würden die grauen Häupter sehr zahlreich sein. Unter Arbeitern sind sie rar und weit auseinander. Ist es, weil die Arbeiter so wohlgenährt und gut gekleidet sind, dass darum ihr Haar seine Farbe bis ins hohe Alter behält und somit ihre Jahre verdeckt? O, nein! Die Grauköpfe sind selten unter ihnen, eben weil ihr Haar überhaupt keine Gelegenheit bekommt, grau zu werden. Lange bevor sie ein solches Alter erreichen, sinken sie in ein frühes Grab – die Opfer aufreibender Arbeit, sorgenschwerer und geringer Entlohnung, verschärft durch die Verfälschung jener Waren, die allein ihr Einkommen ihnen gestattet zu kaufen. (Lauter Beifall.) Ein interessantes Seitenlicht wird auf dieses Thema durch den an seine Regierung gerichteten offiziellen Bericht des Britischen Konsuls in Chicago geworfen. Indem er die Maschinisten besonders hervorhebt, erwähnt er, dass wenn in den Vereinigten Staaten ein Maschinist das 42ste Lebensjahr erreicht und arbeitslos sein sollte, es für ihn schwierig ist, eine Stelle zu finden. Er erläutert auch die Ursache und berichtet, dass wenn ein Arbeiter so schwer arbeitet, wie das von ihm erwartet wird, er dann mit 42 Jahren abgearbeitet ist; und wenn nicht abgearbeitet, dieses ein Zeichen sei, dass er nicht so schwer gearbeitet hat, wie von ihm erwartet wurde; somit haben die Arbeitgeber so oder so keinen Gebrauch für ihn. (Gelächter) Bevor ich diese Phase meines Arguments verlasse, möchte ich Ihnen noch etwas Beweismaterial vorlegen. Der Mann, den ich zitieren will, ist kein Feuer speiender Agitator; obwohl er oft in der Öffentlichkeit vorgetragen hat, so war sein Thema niemals von der Art, die einen Menschen zur Übertreibung reizen würde. Dieser Mann ist Huxley, der bedächtige, mühsame und genaue 'Wissenschaftler. Er betonte, dass vier Fünftel der Menschen an einer langsamen Unterernährung sterben. Vielleicht sind welche unter Ihnen, die statistisch veranlagt sind. Sollte dieses der Fall sein, dann haben Sie vielleicht auch die Statistik über die Sterblichkeit, die von dem Büro der Volkszählung und anderen offiziellen Quellen herausgegeben wird, beschnüffelt. Solche Freunde der statistischen Wissenschaft mögen sagen: „Aber, das ist ja Unsinn; vielleicht sterben zufällig mal ein oder zwei Menschen, des Hungers; aber Hunderte und Tausende – unmöglich! Auch ich habe die Sterblichkeitsziffer in der Statistik gesehen. Ich habe die Liste der Krankheiten betrachtet. Da sind Schwindsucht, Lungenentzündung und alle Arten von Krankheiten verzeichnet. Ich habe aber nie Unterernährung als eine Todesursache verzeichnet gesehen.“ Leute, die eine solche Anschauung vertreten, befinden sich im Irrtum, ja, in einem schweren Irrtum. Ein Mensch mag an langsamer Unterernährung zu Grunde gehen, ohne es zu wissen. Sein Magen mag voll sein; er hat vielleicht nie das Nagen des Hungers verspürt; und doch erliegt er vielleicht einer langsamen Verhungerung. Wenn im Sommer ein Mensch nicht ordentlich gekleidet ist, so entströmt ihm mehr Hitze, als er vertragen kann – er stirbt an langsamer Entbehrung. Wenn er im Winter nicht warm genug angezogen ist, so verbraucht er mehr Wärme als sein System entbehren kann. Er stirbt an langsamer Entbehrung. Sein Magen mag gefüllt sein; er mag sich wohlgenährt vorkommen: aber wenn die Stoffe im Magen aus verfälschten Nahrungsmitteln bestehen, dann finden die Organismen, welche die Nahrung vom Magen befördern und durch den Körper verteilen, keine Nahrung vor und die verbrauchten Gewebe können nur teilweise ersetzt werden. Dieser Mensch stirbt an langsamer Unterernährung. (Beifall.) Diese Tatsache leuchtet ihm gewöhnlich ein, wenn es zu spät ist; ja, sogar dann wird sie ihm und seinen Freunden noch vorenthalten. Er zieht sich eine Erkältung zu; ein kräftiger Körperbau würde diese Unpässlichkeit ohne Schwierigkeit abwerfen; sein Körperbau ist aber nicht kräftig; er ist durch Unterernährung geschwächt worden; diese unbedeutende Unpässlichkeit wirft ihn auf den Rücken; sie entwickelt sich zur Lungenentzündung; er stirbt; der Doktor gibt Lungenentzündung als Todesursache an. Es war aber Unterernährung. (Beifall.) Und so verhält es sich mit dem ganzen Register von Krankheiten, wie Schwindsucht, Rheumatismus, Zuckerkrankheit und andere Leiden, mit denen die kapitalistische Klasse das Proletariat so reichlich beglückt. Weil – und bitte diese Tatsache niemals aus dem Auge zu verlieren – es dieselbe kapitalistische Klasse ist, welche auf der einen Seite die Löhne reguliert, und auf der andern, die Kosten des Lebensunterhalts erhöht und die Lebensmittel verfälscht, was, wie Sie sehen, nur eine andere Form der Preiserhöhung ist.
Wir sind jetzt mit dem Zeugen fertig. Er hat sich selbst durch seine eigenen Aussagen verurteilt. Die Lage der Arbeiterklasse hat sich beständig verschlechtert. Nicht dieser kugelrunde Uncle Sam, sondern das andere ausgemergelte Wesen verkörpert den Lohnarbeiter dieses Landes. (Beifall.)
Gewisse Leute behaupten, und ich bin einer davon, dass der Fachverband oder der pur und simple Fach-Unionismus diese elenden Verhältnisse gefördert, ja, deren Entwicklung angetrieben hat. Wiederum andere, wie mir bekannt ist, behaupten, dass der den Klassenkampf verneinende, konservative Fach-Unionismus nicht verantwortlich zu halten sei; sie behaupten, dass, im Gegenteil, ohne den pur und simplen Fachverband die Verhältnisse sogar noch schlechter sein würden. Jene, welche diese Ansicht vertreten, behaupten fernerhin, dass, statt den pur und simplen Unionismus zu verdammen, er für seine Tätigkeit Lob verdient. Sogar wenn wir diesen Begriff, den möglichst günstigsten in Bezug auf die Tätigkeit des kapitalistisch verseuchten Fachverbandes, akzeptieren, so würde daraus hervorgehen, dass seine Tätigkeit, im günstigsten Fall, nur als Bremse dient, um die Fahrt des abwärts sausenden Kriegswagens der Arbeit aufzuhalten. Daraus wäre zu schlussfolgern, dass der einfache und einfältige Fach-Unionismus nicht nur völlig unfähig ist, die Arbeit zu emanzipieren, sondern, dass er nicht einmal fähig ist, einen Niedergang in der Lebenslage zu verhindern; dass seine einzigen Fähigkeiten darin bestehen, die abwärts gehende Richtung der Dinge zu verlangsamen oder zu vermindern. Selbst wenn wir diese günstigste Ansicht annehmen, so wäre sie nur ein Argument dafür, dieses System der Arbeiterorganisation beiseite zu schieben. (Beifall.) Die Mission der Gewerkschaftsbewegung besteht nun aber nicht darin, als Nachhut einer besiegten Armee zu dienen, und zwar einer Armee, die in der Niederlage herangereift, an die Niederlage gewöhnt, eben nur für die Niederlage tauglich ist. Die Mission der Gewerkschaftsbewegung besteht darin, die Arbeiterklasse für den endgültigen Sieg zu schulen, zu organisieren: für den Sieg, der die Besitzergreifung und Verwahrung der Maschinerie der Produktion bedingt und der gleichbedeutend mit der industriellen Verwaltung des Landes ist. (Beifall.) Ich werde Ihnen jedoch den Beweis liefern, dass dem pur und simplen Fach-Unionismus absolut keinerlei Anerkennung gebührt. Ich werde beweisen, dass er unmittelbar für bestehende Übel verantwortlich ist, dass er ein Helfershelfer in kapitalistischen Verbrechen und zu einer Seuche für die Arbeiterklasse geworden ist. Dieses führt mich zum
der drei Grundsätze der Prinzipienerklärung, die ich mit Ihnen untersuchen will. Die letzten zwei, wie ich in meiner Einleitung betonte, stützen sich auf den soeben von mir erläuterten Grundsatz.
Der zweite Grundsatz, ich werde ihn wiederholen, lautet:
„Die Arbeiterklasse und die Arbeitgeberklasse haben nichts gemein.“
In einer Hinsicht ist dieser Grundsatz auch durch die Zahlen auf dem Plakat, und die augenscheinlichen Schlussfolgerungen, die daraus fließen, bewiesen worden. Was auch immer die Interessen einer Klasse sein mögen, deren materieller Wohlstand sich beständig emporschwingt, und die Interessen einer Klasse, deren materieller Wohlstand und alles was davon abhängt, in gleichem Tempo, senkrecht sinken, wie das diese Zahlen hier überzeugend illustrieren: was auch immer diese beiden Interessengruppen vertreten mögen – sie können nichts gemein haben. Die Beziehungen zwischen diesen beiden Interessengruppen sind nicht einmal die zweier sich bekämpfenden, obwohl ergänzenden Kräfte, wie die Physik sie uns beschreibt. Es sind solche wie sie zwischen dem Vampir und seinem Opfer bestehen. Solche Beziehungen haben wahrlich nichts gemein. Von allen einseitigen Beziehungen setzen, diese jener „Interessengemeinschaft“ die Krone auf. (Gelächter und Beifall.) In der Tat, Leute, die über die „Gegenseitigkeit“, „Brüderlichkeit“, „Identität“ der Interessen der kapitalistischen oder Arbeitgeberklasse und der Arbeiterklasse schwätzen, verlangen von den Arbeitern etwas, für was sie ihre eigenen Kinder züchtigen würden, sollten die es für möglich halten. Sie verlangen von ihnen, dass sie die Teilung eines Apfels zwischen zwei Männern in solcher Weise für möglich halten, dass jeder das größere Stück erhält. (Gelächter.) Eine Unmöglichkeit! Wenn der Arbeiter vier Dollars produziert (mit den Fingern seiner linken illustrierend), und der Kapitalist nimmt zwei, dann bleiben nur zwei übrig für den Arbeiter; wenn er drei nimmt, so muss der Arbeiter mit einem zufrieden sein; nimmt er drei und einen halben, dann ist weiter nichts als fünfzig Cents für den Arbeiter übrig. Und umgekehrt, wenn der Arbeiter an einem ganzen Dollar festhält, so ist der Anteil der Kapitalisten zu drei Dollars reduziert; wenn der Arbeiter vorwärts drängt und zwei behält, dann bleiben nur zwei für den Kapitalisten übrig; sollte nun der Arbeiter drei behalten, so müsste sich der Kapitalist mit einem zufrieden geben; und sollte nun gar der Arbeiter in solcher Weise teilen, dass er alles „nimmt“ und „behält“, was er produziert, dann muss mein Kapitalist arbeiten gehen. (Gelächter und Beifall.) In anderen Worten, er würde aufhören, ein Kapitalist zu sein. Nun denn, die Zahlen auf diesem Plakat illustrieren das Gesetz recht deutlich, auf dem das kapitalistische Produktionssystem ruht. Dieses Gesetz hilft dem Arbeiter nicht, einen zunehmenden Anteil seines Produktes zu behalten; es unterstützt, ja zwingt den Kapitalisten noch, seinen Raub intensiver zu erweitern. Seine Beute muss sich immer vergrößern, und in demselben Verhältnis muss sich der Ertrag des Arbeiters beständig verkleinern. Hier ist wahrlich kein gemeinsames Interesse. Soweit diese Phase des Grundsatzes, den ich soeben Verlesen habe, in Betracht kommt, so glaube ich, liegt das Prinzip derart klar auf der Hand, dass es keiner weiteren Beweise bedarf. Aber ein noch weit tieferer Sinn und gewichtigere Bedeutung, eine Bedeutung und Sinn von unmittelbarer praktischer Kraft und Wichtigkeit, ruhen in diesem Grundsatz.
Diese Potenzen oder dynamischen Kräfte bilden ein unvermeidliches Ergebnis der Lüge, die darstellt, dass die Prosperität der Kapitalisten Hand in Hand mit den Arbeitern geteilt wird, und die zäh behauptet, dass deren Beziehungen gegenseitige sind und demzufolge sie auf einer Stufe der Gleichheit stehen. Natürlich, wenn die beiden Klassen gemütlich miteinander fertig werden, dann müssen sie ebenbürtig sein, wenn auch zugegeben, dass ihre Ebenbürtigkeit verschiedenen Ranges sein kann. Von dieser ursprünglichen Lüge, die von kapitalistischen Professoren, Politikern und Predigern inszeniert und eifrig von den bezahlten Arbeiterführern der kapitalistischen Klasse in die Reihen der konservativen Gewerkschaften verbreitet wurde, kann die Herkunft einer langen Reihe von zunehmend hinterlistigen und tatsächlich pestilenzartigen Lügen hergeleitet werden. Und eben diese ursprüngliche Lüge, von dem Hand in Hand gehenden Fortschritt der Kapitalisten und Arbeiter, gebärt den ebenso verlogenen Sprössling, der die Gleichheit des Arbeiters und Kapitalisten propagiert. Dieser Sprössling hinterlässt dann als Nachkommenschaft einen noch verlogeneren Enkel – den Schwindel von der „Heiligkeit der Verträgte“. Und sie werden bemerken, wie dieser von Betrug durchseuchte Sprössling auch eine weitere fruchtbare Reihe seiner Art zum Verderben des Proletariats in die Welt setzt.
Was verstehen wir unter einem „Vertrag“ oder „Lohntarif“? Ich werde Ihnen keine sozialistische Erklärung dieses Ausdrucks geben. Dieser Ausdruck hat keine Verbindung mit dem Sozialismus. Es ist ein Ausdruck, dessen Bedeutung mit den Erfahrungen menschlicher Entwicklung verwachsen ist. Die Auslegung, welche ich Ihnen vorlegen werde, ist jene des Gesetzbuches; es ist jene, welche in sämtlichen Gerichtshöfen anerkannt und angewandt wird. Ein Vertrag ist eine von zwei gleichen Interessenten eingegangener Übereinkunft; ein Vertrag ist eine von Ebenbürtigen abgeschlossener Übereinkunft; ein Vertrag ist eine von zwei gleichgestellten Bürgern angenommener Übereinkunft. Wo die Parteien zu einem Ding genannt Vertrag in diese sozialen Kategorien fallen, da besitzen sie vertragliche Fähigkeiten und Rechte und das Dokument ist rechtskräftig. Wo aber das, was wir einen Vertrag nennen, irgendwelche dieser wesentlichen Eigenschaften entbehrt, da ist das Ding null und nichtig, und ohne Wirkung; es ist dann ein Merkmal des Betruges, dessen jener schuldig ist, der seinen Vertrag dem andern aufdrängt. Erlauben Sie mir zu illustrieren.
Nehmen wir an, dass ein gewisser Vertreter einer Agentur in Minneapolis, sehr begierig meine unschätzbaren Dienste als Vortragender für diesen Abend zu engagieren, mir nach New York geschrieben hätte, mit dem Ersuchen, ihm meine Bedingungen mitzuteilen, und ich hätte erwidert, dass ich für 500 Dollar kommen würde; und er hätte mich daraufhin ersucht, meine Forderung zu reduzieren; worauf ich nochmals geantwortet hätte. Und wiederum angenommen, dass nach geraumer Verhandlung ich mich für 400 Dollar bereit erklärt hätte, und er wäre darauf eingegangen; worauf das folgendermaßen lautende Schriftstück aufgesetzt worden wäre:
„John Jones und Daniel De Leon haben gegenseitig vereinbart und beschlossen, dass der letztgenannte Daniel De Leon am 10. Juli in Minneapolis einen Vortrag halten wird, und dass der erstgenannte John Jones ihm, dem besagten Daniel De Leon, für diesen Dienst eine Summe von 400 Dollar bezahlen wird.“
Dieses Dokument, mit den nötigen Unterschriften versehen, würde ein Vertrag sein. Wenn ich an dem vereinbarten Tage erscheinen und meine Verpflichtung erledigen würde und John Jones würde unterlassen, mich zu bezahlen, so hätte ich eine gerechte Klage auf Vertragsbruch gegen ihn. Andererseits, wenn ich nun versäumen sollte, zu erscheinen, so könnte er mich kraft dieses Vertragstbruches auf Schadenersatz verklagen. Was auch die Leute bezüglich der Höhe meines Preises denken würden, der Vertrag wäre dadurch nicht beeinträchtigt Er würde in Kraft bleiben. – Warum? Eben weil wir beide, John Jones und ich, frei waren, die Bedingungen entweder zu akzeptieren oder abzulehnen. Keiner von uns handelte unter Zwang: wir waren beide freie Beteiligte.
Nun aber, setzen wir voraus, dass John Jones nach New York käme in mein Kontor stürzen und einen gespannten Revolver aus seiner Hüftentasche ziehen würde und dessen Lauf einen Zoll von meinem Haupte mit folgender Aufforderung auf mich richten würde: „Unterschreiben Sie“, mir zugleich ein Schriftstück mit der folgenden Wundergeschichte zuschiebend:
„John Jones und Daniel De Leon haben gegenseitig beschlossen und feierlich vereinbart und sich wie folgt verpflichtet: Dass der letztgenannte Kontrahent, Daniel De Leon, am 10. Juli in Minneapolis einen Vortrag halten wird, und dass der erstgenannte Kontrahent, John Jones, ihm für seine Leistung die Summe von fünf Cents zu bezahlen hat, welche Summe im Betrage von fünf Cents der letztgenannte Kontrahent hiermit auch als eine liberale Bezahlung für seine Bemühung anerkennt, da dieselbe nach einer freundlichen und gegenseitigen Vereinbarung beider Interessenten festgestellt wurde.“ (Gelächter.)
Würde ich unterzeichnen? Aber natürlich würde ich das tun. (Gelächter.) Ich würde oben, unten, nach rechts und nach links unterzeichnen. (Gelächter.) Ich würde damit überhaupt nicht aufhören. (Gelächter und Beifall.) Ich würde fortfahren, wie ein bewegliches Bild, zu unterzeichnen, bis der Revolver aus der unmittelbaren Nähe meiner Schläfe verschwinden würde. In dieser Situation befindet sich die Arbeiterklasse, wenn sie „Verträge“ oder „Verträge“ unterzeichnet. (Anhaltender Beifall.)
Jetzt wollen wir annehmen, dass er, John Jones, mit dem Vertrag in der Tasche und dem Glanz gerechter patriotischer Zufriedenheit auf dem Gesichte, nach Minneapolis zurückkehrt. Nehmen wir ferner an, dass er ein Versammlungslokal mietet, Plakate drucken und zirkulieren lässt und Annoncen in Zeitungen inseriert; und wir wollen sogar voraussetzen, dass er in der Begleichung der Unkosten keinen Schwindel begeht, sondern die Rechnungen bezahlt. Der Tag und die Stunde der Versammlung rücken heran – aber nicht ich. Das Lokal füllt sich – aber ohne mich. Stunde auf Stunde verstreichen; wer auch noch im Saale anwesend sein mag – ich bin abwesend. Das Publikum wettert gegen John Jones, beschimpft ihn, verlangt und erhält auch die Zurückerstattung seines Eintrittsgeldes. Nun sagen wir, dass John Jones, entrüstet über meinen Vertragsbruch, gegen mich eine Schadenersatzklage anstrengen würde. Was würde geschehen? Man würde ihn als Schwindler aus dem Gericht weisen, ja vielleicht selbst wegen Mordversuchs unter Anklage stellen. Dieser „Vertrag“ ist null und nichtig und ohne gesetzliche Kraft; er ist ein Merkmal des Betruges, dessen John Jones sich schuldig gemacht hat; und er ist all das, eben weil ich als Kontrahent nicht freiwillig sondern unter Zwang handelte. Genau so verhält es sich mit dem Arbeiter, der „Verträge“ unterzeichnet; genau so benimmt sich der Kapitalist, der sie erpresst. (Beifall.) Der Arbeiter steht nicht auf gleicher Basis mit dem Kapitalisten. Er hat nicht den kontrahierenden Geist und Kraft des Arbeitgebers. Der letztere schwingt jene Hungerpeitsche über ihm, die das kapitalistische System in die Hand der herrschenden Klasse drückt und mit deren Hilfe sie ihre Sklaven zur Ergebung zwingen kann. Ja, unter sich, und sogar in ihren öffentlichen Reden, in Momenten, wenn der Ärger ihnen die Vorsicht raubt, platzen die Verteidiger des Kapitalismus mit der Tatsache heraus, dass „nur die Peitschenhiebe des Hungers“ die Arbeiter in der Tretmühle festhalten können. Vor den Schranken der Menschheit und Gerechtigkeit, sind die „Verträge“, die die Arbeit unterschreibt, null, nichtig und ohne Rechtskraft. Und dennoch, was sehen wir? Das Schauspiel der „Schmiedung“ von „Verträgen“ oder „Übereinkünften“ zwischen Patrizier und Plebejer, zwischen dem Räuber und seinem Opfer, ist eine solch täglich wiederkehrende Erscheinung geworden, dass es die Eigenschaft eines „Systems“, eines absichtlichen Manövers seitens der Arbeitgeberund der Arbeiter-Leutnants, der sog. „Gewerkschaftsführer“, zur Lähmung der proletarischen Bewegung angenommen hat; ja, für den noch schlimmeren Zweck, um der Bewegung den Anschein einer Bande Von Lohndienern und Überläufern zu geben.
Der Plan arbeitet folgendermaßen: Nehmen wir an, ich sei ein Eisenbahnmagnat. Ich schließe meine „Lohnskalen oder -tarife“ nebst Verträgen nicht mit meinen sämtlichen Angestellten zusammen ab, sondern separat mit jeder Fachabteilung; und da können nicht genügend sich selbst verwaltende Berufe in einer Industrie sein, um mir zu passen. Nebenbei gestatten Sie mir, Ihre Aufmerksamkeit auf den Umstand zu lenken, dass die A. F. of L. beständig ihre nationalen Gewerkschaften in autonome Berufsschaften zersetzt. Die Verteidiger dieser Organisationen machen viel Aufsehens über einige Ausnahmefälle, um den Eindruck zu erzeugen, dass „die A. F. of L. selbst beständig dem Industrie-Verband zusteuert“. Der zunehmende Umfang der Jurisdiktionsstreitigkeiten berichtet uns eine entgegengesetzte Geschichte. In dem Maße, wie ich meine Ausführungen entwickelte, werden Sie auch fähig sein, die Bedeutung der Tendenz dieser absoluten Fach-Autonomie, wie sie sich in der A. F. of L. ausdrückt, zu erfassen. Nun aber zurück zum Thema. Wie vorhin erwähnt, ich schließe also einen separaten Vertrag mit jedem der separaten Berufe ab, die an meiner Eisenbahn beschäftigt sind; und wie gesagt, es können ihrer nicht zu viele sein, um mir zu gefallen. Der Vertrag mit meinem Lokomotivführern ist so aufgesetzt, damit er, sagen wir, am 15. April abläuft. Mein Vertrag mit den Weichenstellern so formuliert, damit er am 3. September abläuft. Der Vertrag mit meinen Heizern ist, sagen wir, für Ablauf am 21. Januar eingerichtet. Mein Vertrag mit dem Zugpersonal ist so stipuliert, dass er am 30. November abläuft. Und so bewegt sich dieser Zersplitterungsprozess fort, die ganze unzählige Reihe von Berufen herunter, in welche der pur und simple Fach-Unionismus meine Arbeiter spaltet; und wie gesagt, es können nicht zu viele für meine Ungemütlichkeit oder mein Wohlbefinden sein. Da jeder separate Beruf durch einen separaten Vertrag, welcher wiederum an einem separaten Zeitpunkt abläuft, gebunden ist, so habe ich die Industrie in meiner Gewalt. Nun wollen wir einmal voraussetzen, dass meine Weichensteller, Vertrag oder kein Vertrag, dem unterliegenden Gesetz des endlosen kapitalistischen Druckes gehorchen, – einem ökonomischen Gesetze folgend, das weder von Kapitalisten noch einer Klasse gezügelt werden kann; jenes unerbittliche ökonomische Gesetz, dass das Verhalten der Kapitalisten, in ihrem Ringen untereinander, bestimmt, und das sie auch veranlasst, diese Verträge nach ihrem Gutdünken auszulegen – zur Rebellion getrieben werden und streiken. Was tue ich dann? Ich telefoniere an meine obersten Arbeiter-Leutnants oder kapitalistisch verseuchten Gewerkschaftsführer, die Präsidenten, Großmeister und hervorragenden Schriftführer der Nationalverbände – gleichzeitig drücke ich auf den Knopf und setze die Presse in Bewegung, sowohl die kapitalistischen Zeitungen als auch die so genannten Arbeiterblätter, redigiert von Schülern der Civic Federation. Meine Arbeiter-Leutnants beeilen sich, meinem Rufe Folge zu leisten. Wie die Amsel, so eilen sie aus allen Himmelsrichtungen auf die Szene. Und dann, in Begleitung folgender Komposition: „Infame Wichte, sie haben ihre Verträge gebrochen! Schändliche Kreaturen, sie haben ihren heiligen Vertrag verletzt!“ und weiterer Dichtungen ähnlichen Inhalts von der Presse, die ich in Bewegung gesetzt habe und welche jedes alte Weib beider Geschlechter veranlasst, meine streikenden Weichensteller schief, wie so viele Nattern im Grase, anzusehen – in Begleitung dieses künstlerischen Konzerts, gehen meine gekauften Gewerkschaftsführer ans Werk. Sie wenden ihre Aufmerksamkeit nicht den sich im Streik befindlichen Männern zu – diese vertragsbrüchigen Schurken verdienen nicht einmal die Verachtung meiner keuschen Arbeiter-Leutnants. Sie versammeln vielmehr die Leute aus anderen Abteilungen um sich – die Lokomotivführer, Heizer, Kondukteure usw. – und mit der Hilfe ihrer Satelliten, der anwesenden Trabanten, halten sie ihnen folgende Standpauke:
„Betrachtet jene pestartigen Höhlen der Ungerechtigkeit: Sie haben ihre Verträge gebrochen! Ein Wunder ist es, dass der Blitz des Himmels nicht herniederschnellt und sie zerschlägt. Wahrlich, die Gebeine der patriotischen Gründer dieser Republik müssen im Grabe klappern, nach der Entdeckung, dass solche gesetzlose Subjekte diesen Boden der Freiheit belasten. Schaut sie Euch an! Sie haben ihre Verträge gebrochen! Ihr werdet doch sicherlich nicht dasselbe tun? Ihr werdet doch sicherlich nicht so gemein sein? Ihr werdet doch sicherlich die Treue wahren?!“ (Gelächter und Beifall.)
Und die so angeredeten Männer kreuzen die Arme über ihrer männlichen Brust, und sich tief vor der Göttin des Vertrages, welche für diesen Vorfall vor ihnen heraufbeschworen wurde, verbeugend, erstatten sie folgende Antwort:
„Nicht wir! Wir werden unserem Versprechen treu bleiben. Wir werden unsere Verträge respektieren. Wir werden unsere geheiligten Verträge nicht brechen!“ (Gelächter.)
Ins Deutsche übertragen, ist dieses gleichbedeutend mit: „Wir werden gegenüber unsern Mitarbeitern Streikbrecherdienste verrichten.“ (Anhaltender Beifall) Und sie machen ihre Ankündigung zur Tat! Und so haben wir gesehen, wie organisierte Lokomotivführer Streikbrecherdienste gegen organisierte Heizer verübten; wiederum, wie organisierte Heizer den Streik der organisierten Bremser brachen; und diese im Handumdrehen Streikbruch gegen die organisierten Weichensteller trieben, und so die ganze Reihe herunter. Und wir haben auch fernerhin beobachten können, wie die eben angeführten Berufe gemeinsam Streikbrecherdienste gegen organisierte Straßenbahner und unzählige andere streikende Gewerbe ausübten; indem organisierte Arbeiter entweder durch den Transport von Miliz oder Militär, welche die Unterwerfung der Arbeiter zu erzwingen hatten oder die Beförderung hungernder Arbeitsloser, welche die Stellen der Streiker besetzen sollten, halfen den Widerstand ihrer Genossen zu brechen. In diesem Sinn haben wir gesehen, wie organisierte Gießer den Streik der Maschinisten brachen, wie organisierte Maschinisten zu Streikbrechern an organisierten Hochbahnangestellten, organisierte Zigarrenmacher an Kellnern, organisierte Kellner an Brauern, organisierte Brauer an Winzern, organisierte Fuhrleute an Zimmerleuten, organisierte Maurer an Schneidern, und organisierte Weichkohlengräber zu Streikbrechern an organisierten Hartkohlengräbern wurden; und so die unendliche Reihe der Fachorganisationen herunter bis zum letzten und geringsten Fach– allerwärts offenbart sich das barbarische Prinzip: Alle gegen einen. (Beifall.) Es ist eine Tatsache von tiefer Bedeutung, obwohl sie dem oberflächlichen Beobachter zu entgehen scheint, dass nicht der unorganisierte Streikbrecher den Streik bricht, sondern dass hier in Wirklichkeit der organisierte Fachverband die schmutzige Arbeit verrichtet. (Lauter Beifall.) Und obwohl jeder dieser Verbände, wenn selbst in einem Streik verwickelt, heldenmütig zu kämpfen weiß, so benehmen sie sich doch alle, wenn nicht selbst verwickelt, wie abgefeimte Streikbrecher (Beifall); verraten ihre Klasse – und alles aus Ehrfurcht vor dem „Vertrag“. (Lauter Beifall.) Erst vor einigen Tagen hatten wir ein grelles Beispiel einer solchen schmachvollen Aufführung in der Stadt New York; als die Angestellten der Belmont'schen Interborough Bahn für lebensmögliche Bedingungen an den Streik gingen und Gompers, zusammen mit anderen Lakaien der von Belmont kontrollierten Civic Federation, fähig unterstützt von ihren lokalen Unter-Lakaien, wie Herr Morris Braun, von der Gomper'schen International Cigarmakers' Union No. 144, auf der Bildfläche erschienen und die Streiker als Vertragbrecher niederschrien und ihren Freibrief, unter dem Vorwand, der Gewerkschaftsbewegung „unwürdig“ zu sein, widerriefen; mit anderen Worten: sie mitten im Kampfe aus der A. F. of L. hinauswarfen; dann direkt Belmont verkündeten, dass „die Leute unrecht gehandelt hätten“ und ihn gnädigst für die Sünder um Verzeihung baten. (Stimmen: „Pfui!“) Ein weiteres und noch ergreifenderes Beispiel spiegelt der Streik der New Yorker Zeitungsjungen, denen Hearst den Preis seiner Zeitung erhöht hatte, wider. Diese kleinen Kerls, welche schon durch ihre Erscheinung die erbarmungslose Grausamkeit des Kapitalismus sogar gegen das wehrlose Kind in die Öffentlichkeit posaunen; diese kleinen Kerls, schlecht gekleidet und unterernährt, der unschuldigen Freuden der Kindheit, so notwendig für die Entwicklung des künftigen Mannes, beraubt; diese kleinen Kerls, auch in ihrer geistigen Entwicklung gehemmt, frühzeitig den Versuchungen des Lasters ausgesetzt – wandernde, rasende und schreiende Denkmäler des kapitalistischen Kannibalismus; also diese heimatlosen Kinder der Gosse erschienen vor der Typographical Union No. 6 und ersuchten um Unterstützung, verlangten die Unterstützung von Männern, welche selbst in vielen Fällen Väter sind, und die, wenn sie solidarisch mit den Jungen gestreikt, diesen gewiss den Sieg gesichert hätten. Taten sie dieses?
4
Ein Eid! ein Eid! Ich hab‘ ‘nen Eid im Himmel: |
– so fragt der Schurke in Shakespeares Der Kaufmann von Venedig. „Ein Vertrag! Ein Vertrag! Wir haben einen Vertrag in der Tasche unseres Gebieters Hearst! Sollen wir auf unsere Seele einen Vertragsbruch laden?“ So fragten die in einem Fachverband organisierten Schriftsetzer. Natürlich taten sie das nicht! (Gelächter und Beifall.) Sie überhäuften die Jungen mit ihren „Sympathien“, überschütteten sie mit all den schönen Worten, die ja sprichwörtlich kein Geld kosten – und die Zeitungsjungen wurden geschlagen. Obwohl eine Abschweifung, es sollte hier doch hinzugefügt werden, dass, als etwa ein Jahr später der gleiche Schriftsetzer-Verband seinen Streik gegen die „Sun“ leitete, jene bärtigen Männer vor denselben Jungen, welche sie im Stich gelassen hatten, auf die Knie sanken und sie um Ihre Unterstützung anflehten. Und mag die Tatsache, als Beweis für den dem menschlichen Herzen innewohnenden Edelmut und zur Ehre der Kindheit – als Beweis für die ewig erneute Versicherung, dass menschliches Fühlen und menschlicher Instinkt nicht von diesem Erdboden vertilgt werden können – gelten, namentlich als sie um Unterstützung angegangen wurden, die Zeitungsjungen Böses mit Gutem vergalten – und den Druckern halfen ihren Lohnkampf zu führen. (Lauter Beifall.) Hier bemerken wir den reinen und erfrischenden Luftzug des Industrie-Unionismus.
Und was für ein Schauspiel bot sich während der jüngst verflossenen Monate in Chicago? Wir gewahrten, wie die Kleidermacher unter Trommelgewirbel und mit fliegenden Fahnen in den Kampf zogen. Sie kämpften tapfer und wurden doch in die Flucht geschlagen. Daraufhin legten die Fuhrleute ihren Kriegsschmuck an und rückten zur Unterstützung der fliehenden Kleidermacher in den Kampf. Auch sie kämpften mit einer heldenmütigen Verzweiflung und – unterlagen! Vielleicht wird nach ihnen eine dritte Division der Arbeit ins Feld rücken, um die Sache der Fuhrleute zu rächen, nachdem diese in ihrem Versuch, die Sache der Kleidermacher zu rächen, unterlagen! Können Sie sich vorstellen, was einem General passieren würde, der angesichts eines für die Schlacht gut vorbereiteten Feindes, anstatt seine Truppen für den Kampf zu konzentrieren, erst eine kleine Division ins Treffen schickt; abwartet, bis diese aufgerieben, dann seine zweite ebenso kleine Division vorschickt, wiederum abwartet, bis auch diese in die Flucht geschlagen, um dann eine dritte, die auch vernichtet wird, zu senden, bis seine gesamte mächtige Armee, demoralisiert, die Flucht ergreift? Wissen Sie, was einem solchen General passieren würde? Man würde ihn beim Kragen nehmen, vors Kriegsgericht schleifen und wegen Landesverrats standrechtlich erschießen. Nun bin ich weder ein Prophet noch der Sohn eines Propheten, dennoch aus den Tatsachen, die sich vor die Gerichtsschranken drängen, zu schließen, wage ich die Behauptung, an diesem 10. Juli 1905, dass der Tag nahe ist an dem die Arbeiterklasse Amerikas die Gompers, Mitchells, Stones, (lauter Beifall.), deren Feldherrnkunst oder Führerschaft die Armee des Proletariats dem Feinde geopfert, wegen Verrats an der Arbeiterklasse vor das Kriegsgericht zitieren wird. (Lauter Beifall.)
Auf diese Weise untersuchen wir nun, ausgehend von der ursprünglichen Lüge bezüglich der Gegenseitigkeit der Beziehungen zwischen der Arbeitgeberklasse und dem Proletariat und den direkten Entwicklungsgang dieser Abstammung verfolgend, einen langen Stammbaum betrügerischer Prinzipien, der dann in die Lähmung der Arbeiterklasse durch Vertragsschluss und andere daraus fließende Übel kulminiert. Unwahrheit kann nur Unwahrheit gebären; und der Unwahrheit Gezücht ist Übel. Umgekehrt kann das Übel nur von der Unwahrheit gezeugt und bemuttert werden. Im Rahmen des kapitalistischen sozialen Systems haben die Arbeiterklasse und die Arbeitgeberklasse oder Kapitalistenklasse nichts gemein. Dieser Grundsatz dient der Arbeit als Leitstern auf ihrem Marsche zur Emanzipation. Der entgegengesetzte Grundsatz ist ein Irrlicht, das zum sozialen Untergang verlockt. (Beifall.)
„Zwischen diesen beiden Klassen muss ein Kampf fortbestehen, bis alle Schaffenden auf dem politischen wie auf industriellem Felde zusammenkommen, und durch eine ökonomische Organisation der Arbeiterklasse, ohne Verbindung mit irgend einer politischen Partei, das in Besitz nehmen und verwalten, was sie durch ihre Arbeit erzeugt haben.“
Dieser Grundsatz enthält zwei nicht misszuverstehende Ideengänge, die in zwei getrennten Sätzen zusammengefügt sind. Diese zwei Ideen sind so verschieden – die Idee der absoluten Notwendigkeit der politischen Einigkeit, und jene scheinbar entgegengesetze Idee, die das Genügende der ökonomischen Organisation, als das Mittel für die endliche Befreiung des Lohnsklaven von seinen Fesseln anführt,– dass beide eben getrennt untersucht werden müssen.
Ich kann für die Bewegung des sozialistischen Industrie-Verbandes und deren Prinzipien-Erklärung nicht die Palme der Originalität über den Fachverband beanspruchen, überhaupt nicht für den Gedankengang, der in dem Satz enthalten ist, dass die Schaffenden auf dem politischen sowie auf dem industriellen Felde zusammenkommen müssen. Der Gedanke, der in diesem Satze stillschweigend angedeutet wird, dass die politische Bewegung eine Angelegenheit der Gewerkschaftsbewegung ist, dieses ist kein neuer Gedanke. Seltsam wie dieser Gedanke auf den ersten Blick erscheinen mag, es ist einer, der die Bewegung der Fachverbände durchdrungen hat; und noch seltsamer, es ist ein Gedanke zu dessen Beschützer auch die Arbeiter-Leutnants der kapitalistischen Klasse, jene Judas-Ischariots, welche ja die konservative, anerkannte Gewerkschaftsbewegung, wie sie in der American Federation of Labor (Amerikanische Föderation der Arbeit) verkörpert ist, leiten, sich aufgeworfen haben. Also, in Bezug auf diesen Punkt, liegt das Verdienst des sozialistischen lndustrie-Unionismus nicht in dem Ausspruch eines neuen Gedankens. Das große Verdienst liegt in der lauten Verkündigung einer Tatsache, welche durch ihre Geheimhaltung den Arbeiter-Leutnants die Gelegenheit gab, auf Unkosten ihrer Mitgliedschaft Profit zu hamstern. Hier haben wir den Fall eines Vormunds, der seinen Mündeln die verborgenen Schätze ihres Besitztums verschweigt und heimlich mit diesen Schätzen selbst Schacher treibt. Viel hängt von der gründlichen Auffassung dieser Tatsachen ab.
Wer von Ihnen war noch nicht Zeuge des Anblicks in einer Gewerkschaftsversammlung, wie bei jeder Auslegung proletarischer Wirtschaftslehren und Entwicklungsgeschichte, ein sich dem Kapital verschriebener Arbeiterführer plötzlich emporschnellte, als wenn ein Torpedo unter seinem Sitze explodiert wäre? Dieser Anblick ist lein ungewöhnlicher. Was auch immer der Gegenstand sein mag, der sich einer Gewerkschaft zur Erledigung bietet, die Organisation hat diesbezüglich keine Wahl und muss denselben entweder von dem kapitalistischen Gesichtspunkt oder von dem Gesichtpunkt der Arbeit, das heißt von dem der sozialistischen Wirtschaftslehre aus, behandeln.
Solange die Diskussion sich im kapitalistischen Fahrwasser bewegt, sitzt der Arbeiterführer unempfindlich und behaglich lächelnd, ja vielleicht gar mollig schlummernd auf seinem Platze. Aber lasst ein Wort mit sozialistischem Klang, das heißt, eins, das den Klang der ökonomischen Lehren der Arbeit widerhallt, fallen und Sie werden eine jähe Verwandlung bemerken. Wie ein getreuer Kettenhund des Kapitalismus, so wird dieser Mammonsdiener knurren, aufspringen und bellen. In Versammlungen von Gewerkschaften, mit denen ich zufällig verbunden war, habe ich in dieser Beziehung mehr als einmal eine Probe aufs Exempel gemacht. Zum Beispiel, verschiedentlich griff ich in eine gerade stattfindende Diskussion, ja friedlich geführte Diskussion ein; der so genannte Gewerkschaftsführer, dieser Satellit des Kapitals, schaute unbekümmert zu; es wurden Diskussionen über die Einwanderung, über Boykotts, über Lohnforderungen, über die Wohnungsfrage, über den Spirituosenhandel usw. abgehalten. Wohlweislich, ja absichtlich vermied ich das Wort Politik in meinen Ausführungen. Weder fiel das Wort, noch der Name Sozialistische Arbeiterpartei von meinen Lippen. Während ich sprach, waren diese Worte verbannt und mir fremd. Aber sehet da! Kaum hatte ich mein Argument so entfaltet, um den proletarischen, das heißt sozialistischen Gesichtspunkt des Themas hervorzukehren, als auch schon der Kettenhund des Kapitalismus mit dem Protest emporschnellte: „Keine Politik in der Gewerkschaft!“ (Beifall.) Der Mammonsdiener hatte Recht. Ich will damit betonen, dass proletarische oder sozialistische Wirtschaftslehren Politik sind oder ihnen ein politisches Element innewohnt; ebenso wie, nach derselben Auffassung, kapitalistische Wirtschaftslehren auch Politik sind, usw. (Lauter Beifall.) Kapitalistische Wirtschaftslehren sind in der A. F. of L. zu Hause, kapitalistische Wirtschaftslehren werden da geduldet, kapitalistische Wirtschaftslehren werden beschützt, ja, kapitalistische Wirtschaftslehren werden verteidigt, in diesen Organisationen des zersetzenden Fach-Unionismus. Wer wird den Mut haben zu bestreiten, dass die Politik eine pulsierende Tatsache in der Gewerkschaft ist? Oder wer würde zu behaupten wagen, dass der gekaufte Gewerkschaftsführer, der Arbeiter-Leutnant der kapitalistischen Klasse, nicht der speziell erkorene Behüter dieses Schatzes ist? Diese Tatsachen sind bewiesen. Auf diesem umfangreichen Gebiete der gewerkschaftlichen Grundsätze und Taktik, vor allem in der Entwicklungsphase, die hervorhebt, dass die Politik eine Angelegenheit der Gewerkschafts-Bewegung ist, da verkündet der sozialistische Industrie-Unionismus kein neues Prinzip, noch viel weniger ein solches, welches von dem kapitalistischen Fach-Unionismus bestritten werden könnte. Aber das große Verdienst des sozialistischen Industrie-Unionismus ruht in den Konsequenzen, die aus der Verkündigung dieses Prinzips fließen. Durch den Fach-Unionismus, der sich in der Berufsorganisation ausdrückt, halten die Kettenhunde der kapitalistischen Klasse die Existenz dieses Schatzes für ihren persönlichen Vorteil geheim. Indem der sozialistische Industrie-Unionismus die Existenz dieses Schatzes offen verkündet, macht er ihn zum Gemeingut. Die Konsequenzen, die aus dieser Tatsache fließen, bedeuten: das Umwenden einer alten und Aufschlagen einer neuen Seite in der Geschichte der Arbeiterbewegung. Auf dieser Seite steht geschrieben: „Politische Einigkeit.“ (Beifall.) Wie die Prinzipienerklärung hervorhebt und ich beweisen werde, ist es keine politische Organisation, die den Grund und Boden und Kapitalreichtum, inklusiv deren unermesslichen Fülle, „nehmen und verwalten“ kann. Wie die Prinzipienerklärung verkündet und ich beweisen werde, ist dieses eine Funktion, die der ökonomischen Organisation der Arbeiterklasse vorbehalten bleibt. Dessen ungeachtet, bewegt sich die menschliche Gesellschaft von Stufe zu Stufe vorwärts, nicht auf dem Wege einer Reihenfolge von Schiffbrüchen, sondern auf dem Wege der Evolution. Jede folgende soziale Stufe schließt sich der vorhergehenden an. Ehe der neue Entwicklungsabschnitt erreicht ist und seine Methoden ihre Verrichtung erfüllen können, müssen wir uns nolens volens der Methoden des alten bedienen. Dieselben bilden die Nabelschnur, an der das den Geburtsprozess durchlaufende Kind geknüpft ist. Die Evolution von dem kapitalistischen System zum Sozialismus kennzeichnet eine Revolution ersten Ranges. Die Methoden der sozialistischen Republik werden Methoden sein, die aus ihrer eigenen sozialen Struktur hervorgehen. Die letztere bildet das so diametrisch Entgegengesetzte der kapitalistischen sozialen Struktur, dass diese beiden Methoden keinen Vergleich aushalten. Die kapitalistische Gesellschaft benötigt den politischen Staat, infolgedessen verwandeln sich ihre ökonomischen Grundsätze in politische Auffassungen. Die sozialistische Gesellschaft dagegen weiß nichts vom politischen Staat; in der sozialistischen Gesellschaft ist der politische Staat ein Ding der Vergangenheit, entweder durch Nichtgebrauch verkümmert oder Amputierung abgeschafft – je nachdem die Umstände dieses bedingen mögen. Dessen ungeachtet, ist der Sozialismus ein Auswuchs des Kapitalismus und bildet eine höhere Entwicklungsstufe, die sich aus dem kapitalistischen System entwickelt. Als solcher werden die Methoden der sozialistischen Bewegung, auf ihrem Marsch zur sozialistischen Gesellschaft, notwendigerweise, ursprünglich von der kapitalistischen Hülle beeinflusst oder von jenem sozialen Organismus bestimmt, in welcher der Sozialismus ausgebrütet wird. Da wir nun bemerken, dass kapitalistische Wirtschaftslehren sich in politische Grundsätze verwandeln, so müssen wir zugeben, dass auch jene des Sozialismus nicht völlig diesem Prozess entgehen können. Ein Teil, sagen wir, der anziehendste, ja der konstruktive Teil der sozialistischen Wirtschaftslehren, verwandelt sich, zum Beispiel, in die industrielle Organisation der Arbeiterklasse:
Dieser Teil verwandelt sich in eine organische Form, die gewissermaßen das Gerippe der Struktur des zukünftigen sozialen Systems kennzeichnet. Ein anderer Teil der sozialistischen Wirtschaftslehren verwandelt sich aber unvermeidlich in politische Erscheinungen; wiederum unvermeidlich, nimmt er eine Form an, die sich den kapitalistischen Methoden anpasst. Auf dieser Basis kreuzt die sozialistische Bewegung mit der modernen herrschenden Klasse die Klingen, die letztere, um das Raubsystem zu verteidigen, und die erstere, um die Ausbeuter aus ihrer Raubritterburg zu vertreiben und diese Feste zu schleifen. (Beifall.) Dieses ist die Tatsache, die dem marxistischen Lehrsatz, „dass die Arbeiterbewegung wesentlich eine politische Bewegung sei“ zu Grunde liegt. In einem Lande wie das unserige, in dem, in Einklang mit einem vollentwickelten Kapitalismus, das allgemeine Wahlrecht existiert, da wird der wesentlich politische Charakter der Arbeiterbewegung noch um so mehr unterstrichen. Der Grundsatz aus der Prinzipienerklärung, den wir jetzt untersuchen, und der die Notwendigkeit der politischen sowohl als wirtschaftlichen Einigkeit dringend empfiehlt, stützt sich auf diese Tatsachen. Zum Beispiel, wo eine Gruppe von Arbeitern sich einbildet, dass sie ihre Stimmen mit ihren das Prinzip des Freihandels vertretenden Arbeitgebern verschmelzen kann, da ist es außer Frage, dass sie eine Einheit auf dem ökonomischen Felde mit einer anderen Gruppe von Arbeitern zu bilden vermag, deren wirtschaftliche Anschauungen darin bestehen, dass der Schutzzoll ihr Arbeit und bessere Löhne garantiert. Wo, um mit noch einer Frage mein Argument zu illustrieren, eine Gruppe von Arbeitern die kapitalistische ökonomische Einbildung teilt, dass die Goldwährung gute Löhne bedeutet, die kann unmöglich auf dem politischen Felde mit ihren Mitarbeitern vereinigt werden, deren politische Grundsätze hinsichtlich der Finanz verkünden, dass ein Überfluss an Geld auch einen Überfluss an Löhnen bedeutet. Diese beiden Gruppen können nicht wirtschaftlich vereinigt werden, ebensowenig wie politisch, aus dem einfachen Grunde, weil sie nicht auf fester Grundlage des Klassenkampfes stehen. Gehen Sie den ökonomischen und politischen Ansichten dieser zwei Gruppen auf den Grund, und Sie werden finden, dass dieselben identisch sind, namentlich auf dem fundamentalen Irrtum ruhen, dass die Lage der Arbeitnehmer von der Lage der Arbeitgeber abhängig ist. Das verderbliche Ergebnis dieses Irrtums liegt klar auf der Hand. Arbeitgeber sind wirtschaftlich in kriegsführende, konkurrierende Gruppen gespalten; demzufolge, wenn die Arbeiter nur als Anhängsel der Arbeitgeber dienen, so haben sie keine andere Wahl, als sich ebenso zersplittern zu lassen. Folglich, zersplittert die Unwissenheit bezüglich ihrer Klassenlage die Reihen der Arbeiterklasse. Diese Spaltung, die auf dem ökonomischen Felde erzeugt wurde, spiegelt sich auf dem politischen Kampfplatz wider und da gewahren wir, wie das Votum des Proletariats, gleichfalls gespalten, ja regelrecht zerstückelt, für ein Schock politischer Parteien, von der prinzipienfesten sozialistischen herab bis zu der der utopistischen Abstinenzler, abgegeben wird; und wie, andererseits, die auf dem politischen Gebiete hervortretende Spaltung auf das wirtschaftliche zurückschlägt, und dort die Zersplitterungen noch steigert, so dass wir da auch, als Resultat der verderblichen Politik des Fach-Unionismus, des Berufsegoismus, die Hand des Proletariats an seiner eigenen Gurgel bemerken! (Beifall.)
In dieser Beziehung ist die spekulative Frage in vielen Köpfen aufgeworfen worden, ob die politische aus der wirtschaftlichen Einigkeit hervorgeht, oder, umgekehrt, die wirtschaftliche aus der politischen Einigkeit. Als eine Frage spekulativer Philosophie, kann sie in das Reich der unfruchtbaren Diskussion verbannt werden. In der Naturlehre bemerken wir eine ähnliche Frage in dem Rätsel: Wer von beiden war zuerst da, die Henne oder das Ei? Einer antwortet: „Natürlich die Henne; ohne diese wäre kein Wesen zur Legung des Eies vorhanden.“ Ein anderer erklärt: „Unsinn, das Ei muss zuerst da gewesen sein; denn ohne dieses wäre ja nichts vorhanden, aus dem die Henne hätte ausgebrütet werden können.“ Wir wissen, dass im materiellen Leben der Entwicklungsprozess ein solch allmählicher ist, dass die Wirkung in einer endlosen Kette auf die Ursachen zurückwirkt, so dass in dem begrenzten Zeitraum, der für die Betrachtungen eines Menschen vorhanden ist, dieser die genauen Grenzlinien nicht mehr feststellen kann. Ursache und Wirkung gestalten sich zu relativen Erscheinungen, die häufig von dem Gesichtspunkt des Augenblicks abhängig sind. Dasselbe trifft auch auf soziale Angelegenheiten zu. Als abstrakte Frage ist es eine unfruchtbare Spekulation, zu versuchen, festzustellen, ob politische Klarheit ökonomische Klarheit verursacht, oder umgekehrt, ob ökonomische Klarheit die politische erzeugt. Wir wissen, dass in gewissen Stadien der Bewegung politische Klarheit der ökonomischen voraus sein kann und auf diese belebend einwirken wird. Ebenso wissen wir, dass in gewissen anderen Stadien keine politische Einigkeit, demzufolge auch keine politische Klarheit möglich ist, ausgenommen als eine Folge ökonomischer Einigkeit, die wiederum eine gewisse Klarheit ökonomischer Natur voraussetzt. Derjenige, welcher in der Geflügelzucht tätig ist, wird die Eier zur Ausbrütung der Hennen erlangen. Derjenige, welcher Eier für den Markt begehrt, wird sich eben Hennen für die Eierproduktion verschaffen. Und derjenige, welcher beide Erzeugnisse wünscht, wird auch beiden Verbindungen gerecht werden, und seine Energie nicht in Grübeleien über den ursprünglichen Ursprung dieser Naturerscheinungen vergeuden. Das ist die Stellung, wie sie in der Prinzipienerklärung der „Industrial Workers of the World“ niedergelegt ist. Sie erkennt die Notwendigkeit politischer und ökonomischer Einigkeit an und verkündet diese Tatsache. Weder verbirgt sie ihre Meinung hinsichtlich der Frage, welche von den beiden, in diesem Stadium der Bewegung, der anderen vorausgehen muss, um dieses Ziel zu erreichen. Die ganze Konstruktion des sich unter Beratung befindenden Satzes, der die Notwendigkeit der Einigkeit „auf dem politischen sowie auf dem industriellen Felde“ verkündet, hebt genügend hervor, welche der beiden Einigkeiten, in diesem Entwicklungsstadium der Arbeiter Amerikas, der sozialistische Industrie-Unionismus als eine notwendige Vorbedingung für die andere betrachtet. Der Satz verkündet die Tatsache, dass auf der Entwicklungsstufe, die die amerikanische Arbeiterbewegung erreicht, die politische Einigkeit der Arbeiterklasse nur die Widerspiegelung der wirtschaftlichen Einigkeit sein kann; er verkündet, fernerhin, die inhaltsvolle Tatsache, dass die politische Bewegung absolut nur der Widerschein der ökonomischen ist. Eine hervorragende Stelle im Achtzehnten Brumaire von Marx wirft ein glänzendes Seitenlicht auf diese besondere Frage. Indem er auf das Verhalten der britischen Feudalherren während der englischen Revolution hinweist, erklärt Marx, dass diese glaubten, die englische Königsherrschaft und Staatskirche seien der Gegenstand ihres Enthusiasmus, bis dann die Stunde der Gefahr das Geständnis von ihren Lippen rang, dass das, für was sie sich begeisterten, Grundrente sei. Und so gewahren wir, wie heute die Redakteure der Privatpresse von der sozialistischen oder sozial-demokratischen Partei des Landes, in diesem Staat als Public Ownership Partei bekannt, sich ebenso aufführen. Auch sie glaubten, dass der Sozialismus der Gegenstand ihrer Begeisterung sei, bis die Stunde der Gefahr in Gestalt der Herausgabe des Chicagoer Manifestes der Industrie-Verbändler und der Abhaltung des Chicagoer Kongresses nahte, und von ihren Lippen das Geständnis rang, dass sie sich in Wirklichkeit für die Fleischtöpfe der A. F. of L. enthusiasmiert hatten. (Beifall.) Politische Einigkeit ist ein Schlachtruf des sozialistischen Industrie-Unionismus.
Ich werde jetzt zu dem zweiten, dem Schlusssatz des dritten der drei Grundsätze, die wir untersucht haben, übergehen, – zu dem Satz, der die theoretische Behauptung aufstellt, dass die endgültige und vollziehende Handlung in der Emanzipationsbestrebung der Arbeiterklasse durch die Schaffenden ausgeführt werden muss, indem dieselben das Produkt ihrer Arbeit „in Besitz nehmen und verwalten“, „durch eine ökonomische Organisation der Arbeiterklasse, ohne Verbindung mit irgend einer politischen Partei“. In keinem Lande, außer den Vereinigten Staaten; ist dieser theoretische Grundsatz anwendbar; in keinem Lande, außer den Vereinigten Staaten, ist derselbe als rationell zu betrachten. Er ist vernunftwidrig und daher unanwendbar in allen anderen Ländern, mit der möglichen Ausnahme von England und dem Rest der englisch sprechenden Staaten, eben weil noch kein Land, außer den Vereinigten Staaten, diese Entwicklungsstufe eines völlig ausgeprägten Kapitalismus – ökonomisch, politisch und sozial – erreicht hat. Mit anderen Worten, kein anderes Land ist für die Ausführung der revolutionären Taktik des Marxismus reif. (Beifall.) Kein Wunder, dass es alle Spießbürger in der A.F. of L. und ihren verwandten Fach-Brüderschaften zum Nachdenken und zu Betrachtungen über den Widerspruch anspornte, der scheinbar in den zwei Forderungen liegt, die mit „politischer Einigkeit“ eingeleitet werden und in demselben Atemzuge die Besitznahme und Verwaltung der Maschinerie der Produktion, durch eine ökonomische Organisation, „ohne Verbindung mit irgend einer politischen Partei“, vorschlagen. In diesem Satze der Prinzipienerklärung finden wir das eng zusammengefasst, was, um sich von dem Kodex der Marx'schen Wirtschaftslehre zu unterscheiden, als der Kodex der Marxistischen Taktik bezeichnet werden kann. Hier bemerken wir den Kodex der Aktion, – des Handelns, wie er sich von dem der Theorie unterscheidet. Als Schlussfolgerung können wir nun hervorheben, dass dieser Satz einen Entwurf der Form jener Regierung oder, um definitiv zu sein, Verwaltung enthält, wie sie sich in der industriellen Republik gestalten wird. Fernerhin zieht er auch die höchst wesentliche Frage, die der historischen Funktion der Gewerkschaftsbewegung, in den Kreis seiner Betrachtung: eine Frage, die so allgemein missverstanden wird, dass auf der einen Seite der „Intellektuelle“ die Gewerkschaftsbewegung beständig verhöhnt und gewohnheitsgemäß, von teilweise korrekten, aber hauptsächlich falschen Grundlagen ausgehend, argumentiert, dass „die Gewerkschaft eine vorübergehende Einrichtung ist“, um welche sich zu bekümmern es sich nicht lohnt; und auf der anderen Seite wiederum der so genannte „Gewerkschaftler“ mit einem praktischen Instinkt, der ihn zum Schluss führt, dass die Gewerkschaft keine „vorübergehende Einrichtung“ darstellt und ihn auch verführt, das als „Gewerkschaftsbewegung“ zu verehren, was in Wirklichkeit eine kapitalistische Erfindung ist und nur als „Gewerkschaft“ bezeichnet wurde, um zu täuschen und aktuell bezweckt, den Entwicklungsgang der historischen, d. h. revolutionären Gewerkschaftsbewegung zu hemmen. Die Prinzipienerklärung der I.W.W. ist die erste Verkündigung auf dem Gebiete konstruktiver sozialistischer Praxis, welche diese vielseitig umstrittene Frage festnagelt. Ihre Gelegenheiten wahrnehmend, und daher auch ihrer Pflicht gehorchend, so reifte diese Frucht zuerst auf amerikanischem Boden.
Es liegt nicht in der Natur einer politischen Organisation, d. h. einer Partei, Besitz von dem Mechanismus der Produktion zu „nehmen und zu verwalten“. Der Zweck und die Struktur einer politischen Partei, diese beiden Faktoren, machen sie untauglich für derartige Dienste. In einem Vortrage, betitelt „Die brennende Frage des Fach-Unionismus“, den ich letztes Jahr in Newark, N.J. hielt, habe ich mit beträchtlicher Ausführlichkeit gewisse Gesichtspunkte dieser Frage behandelt. Ich werde dieselbe jetzt mehr in ihren Einzelheiten untersuchen.
Der historische Zweck einer politischen Partei macht diese unfähig, den Mechanismus der Produktion in Besitz zu „nehmen und zu verwalten“. Wie ich in meiner Behandlung des ersten Satzes dieses Grundprinzips – des Satzes, der für die Notwendigkeit politischer Einigkeit dringend wirbt – nachgewiesen: der Zweck einer politischen Bewegung geht aus den Bedürfnissen hervor, wie sie sich in der bürgerlichen Hülle einer Gesellschaft entwickeln, in der die soziale Revolution teilweise ihren Entwicklungsgang gestalten muss. Die administrative Regierung des Kapitalismus, die eigentliche Regierung, ist der Staat. Derselbe ist eine rein politische Einrichtung. Politische Macht ist, in der Sprache von Marx, nur die organisierte Macht der kapitalistischen Klasse, die angewandt wird, um die Arbeiterklasse zu unterdrücken, zu zügeln – in Unterjochung zu halten. (Beifall.) Diese soziale Hülle der bürgerlichen Gesellschaft, in der die soziale Revolution, in gewissem Grade, ihrem Entwicklungsgang Form geben muss, bedingt die Formierung einer Partei, die der kapitalistischen Partei den Besitz der politischen Raubritterburg streitig macht. Der Zweck dieser für den Anfang des Emanzipationskampfes entworfenen Taktik bedingt auch ihr Endziel, nämlich: Die endgültige Schleifung der Raubritterburg kapitalistischer Tyrannei. Die Werkstätten, die Fabriken, die Arbeitsplätze, kurzum, sämtliche einen sozialen Umfang angenommenen Einrichtungen der Produktion, die sich jetzt in den Händen der kapitalistischen Klasse befinden, müssen sämtlich „übernommen werden“, und zwar nicht für den Zweck sie zu zerstören, sondern um sie zu verbessern und das Gute, was versteckt in ihnen ruht und durch den Kapitalismus verkümmert, zu entfalten; kurzum, diese Einrichtungen sollen von der menschlichen Gesellschaft „übernommen und verwaltet“ werden, um sie der Zivilisation zu erhalten! Es ist genau das Gegenteil mit der „politischen Macht“. Diese ist nur für den Zweck zu übernehmen, d. h. zu erobern, um sie abzuschaffen. Aus dieser Auslegung geht hervor, dass das Ziel der politischen Arbeiterbewegung ein rein destruktives ist. Nehmen wir an, dass bei einer gewissen Wahl der klassenbewusste Arm der Arbeiterbewegung das Feld erobern würde; angenommen, dass die Eroberung eine solch gründliche sei, dass die kapitalistischen Wahlbehörden in ihrer Bestürzung uns nicht herauszählen würden, selbst wenn sie könnten und möchten; angenommen, dass unsere Kandidaten, vom Präsidenten herab bis zum Kongress und dem Rest der politischen Verteidigungslinien der kapitalistisch politischen Raubritterburg, ihre Ämter übernehmen würden. Bitte, das Vorausgesetzte anzunehmen! Nun drängt sich uns unwillkürlich die Frage auf: Was würde da für diese erwählten Arbeitervertreter zu tun sein? Was könnte da für sie zu tun sein? Geschichtlich beurteilt, nur eins, einfach sich auf der Stelle zu vertagen. Durch diese Auflösung des Parlaments, d. h. der politischen Klassenherrschaft, würde ihre Aufgabe vollendet sein. Die politische Arbeiterbewegung, die im Falle eines Sieges auch nur ihr Dasein um eine Sekunde verlängern würde, eignet sich widerrechtliche Macht an. Entweder wäre sie die Verkörperung einer Usurpation, oder das Signal für eine soziale Katastrophe, wenn der. politische Sieg die Arbeiterklasse des Landes nicht klassenbewusst industriell organisiert antreffen würde, d. h. in vollem Besitz der Betriebe der Produktion und Verteilung, und demgemäß fähig, die vollständige Leitung der Produktivkräfte des Landes zu übernehmen. Die Katastrophe wäre im nu heraufbeschworen: Da die Betriebe der Produktion und Verteilung in kapitalistischen Händen geblieben sind! Die Produktion würde sofort ins Stocken geraten. Andererseits, sollte der politische Sieg, die Arbeiterklasse klassenbewusst und industriell organisiert antreffen, dann wäre der Versuch der politischen Bewegung, ihr Dasein zu verlängern, gleichbedeutend mit einer Usurpierung jener Machtbefugnisse, welche, wie das ihr Sieg deutlich anzeigt, auf die Zentral-Verwaltung der industriellen Organisation des Proletariats zu übertragen sind. Der historische „Zweck“ einer politischen Bewegung macht sie augenscheinlich unfähig, für die „Übernahme und Verwaltung des Mechanismus der Produktion“. Wo die politische Bewegung Einzug hält, das sind nicht die Fabriken, sondern das ist die Raubritterburg des Kapitalismus; und zwar okkupiert sie diese alleinig: um sie zu schleifen. (Beifall.)
Und nun hinsichtlich der Struktur einer politischen Partei. Bitte diese Phase gründlich zu betrachten, und die Tatsache wird Ihnen nicht entgehen, dass auch die Struktur eine politische Bewegung unfähig macht für die „Übernahme und Verwaltung“ des Mechanismus der Produktion. Diese „Unfähigkeit“ geht unvermeidlich aus dem historischer“ „Zweck“ der Politik hervor. Wie wir bemerkt haben, so besteht der „Zweck“ einer politischen Partei darinnen, der“ Kampf mit dem Kapitalismus auf ihrem besonderen Felde – dem Felde, das ausschlaggebend für das Schicksal der politischen Macht ist – zu führen. Hieraus ist zu folgern, dass die Struktur einer politischen Partei durch das kapitalistische Regierungssystem logischerweise nur von territorialen Grenzlinien festgelegt werden kann – ein System, das von der sozialistischen Republik, wie eine soziale Hülle, der die Menschheit entwachsen, abgeworfen wird. Als Beispiel betrachten Sie gefälligst den Kongress der Vereinigten Staaten. Ob Senat oder Repräsentantenhaus, die Einheit der Vertretung ist rein politisch-geographischer Natur – sie ist willkürlich. Die Struktur der Kongress-Distrikte spiegelt den politischen Zweck des kapitalistischen Staates wider; das bedeutet: die Ausübung von Klassentyrannei über eine Klasse. Der Gedankengang, der sich mit der Produktion beschäftigt, fehlt hier und ist gänzlich in den Einteilungen oder Grenzlinien der Kongressdistrikte abwesend. Und es kann auch nicht anders sein. Da der Kongress nicht die Zentral-Verwaltung bildet, sondern die organisierte Macht der kapitalistischen Klasse im Dienste der Unterdrückung verkörpert, so können die Körperschaften, aus denen er sich zusammensetzt, auch keine Spur zeigen, die als Zweck, die Verwaltung der Produktion verfolgt. Dennoch sind Schuhmacher, Maurer, Grubenarbeiter, Eisenbahner, zusammen mit den Arbeitern aller Berufe aus allen Schichten der Industrien in jedem einzelnen Kongressdistrikt durcheinander gewürfelt. Folglich ist eine politische Organisation des Proletariats, die beabsichtigt, einen Kongress-Distrikt zu erobern, vollständig unfähig für die „Übernahme und Verwaltung“ der wirtschaftlichen Betriebe. Die einzige Organisation, die für diese Funktion fähig ist, liegt in der Organisierung der verschiedenen Industrien selbst durch die klassenbewussten Arbeiter; und diese Industrien sind nicht den politischen Scheidelinien unterworfen – sie spotten all solcher willkürlichen Scheingrenzen. Da das Zentral-Verwaltungsorgan der sozialistischen Republik ganz das Gegenteil von dem der Zentralmacht des Kapitalismus ist, und nicht die organisierte Macht einer herrschenden Klasse zum Zwecke der Unterdrückung verkörpert, kurzum, keine politischen, sondern ausschließlich administrative Formen besitzt, so müssen die Körperteile, aus denen es sich zusammensetzt, ausschließlich von wirtschaftlicher Natur sein. In dem Kampf für den endgültigen Sieg mag die Artillerie, die Kavallerie und die Infanterie eine Armee unterstützen; aber in dem Akt der „Übernahme und Verwaltung“ der Produktionsbetriebe einer Nation, da kann die politische Organisation der Arbeiterklasse keine Hilfe leisten. Ihre Mission muss daher gerade vor der Vollziehung des zu vollziehenden Emanzipationsaktes zu Ende kommen. Die Form der Zentralbehörde, der sich die politische Organisation anpassen musste, wird aufgehört haben zu existieren. Wie die abgeworfene Haut der Schlange, die sofort in ihrer neuen Haut wiedererscheint, so wird der politische Staat abgestreift, und die Gesellschaft wird gleichzeitig in einem neuen administrativen Gewand erscheinen. Der Bergbau, die Eisenbahn, die Webereien, die Bauindustrien, jede dieser Industrien, die Reihe herunter oder herauf, und ohne die früheren politischen Grenzen zu berücksichtigen, wird nun eine administrative Einheit oder Wahlkreis in den organischen Bestandteilen sein, aus denen sich die neue Zentralbehörde zusammensetzt, deren unfertiges Gerüst letzte Woche in Chicago errichtet wurde. (Beifall.) Wie die nichtigen Kartenhäuser, welche Kinder errichten, so werden die jetzigen politischen Regierungen der Provinzen, Staaten, ja, selbst der Stadt am Potomac, Washington, zusammenbrechen, und ihre Stellen von den Verwaltungsorganen der Zentralbehörde und anderen untergeordneten Körperschaften der wirtschaftlichen Streitkräfte der Nation eingenommen werden. (Beifall.) Augenscheinlich ist somit nicht die „Struktur“ der politischen Bewegung, sondern jene der ökonomischen Bewegung für die Aufgabe befähigt, Besitz von der wirtschaftlichen Verwaltung der produktiven Tätigkeit des Landes zu „nehmen und zu verwalten“ – das Einzige, was des „Nehmens und Verwaltens“ wert ist ...
Die Prinzipienerklärung der I.W.W. stellt die politische und die ökonomische Arbeiterbewegung korrekt dar und bringt sie somit in ein passendes Verhältnis zu einander.
Unschätzbar ist der Wert, und würdevoll die Haltung der politischen Bewegung. Sie eröffnet für die Arbeiterbewegung die Gelegenheit, ihren Zweck, ihre Bestrebungen und ihre Methoden frei, offen und unverhüllt in dem Sonnenlicht des Mittags zu erörtern; während sonst ihre Agitation auf die geschränkte Sphäre des sprichwörtlichen Rattenlochs angewiesen wäre. Die politische Bewegung macht die Massen des Proletariats der Propaganda der klassenbewussten Arbeiter zugänglich; sie erhebt die Arbeiterbewegung über die Kategorie einer Verschwörung; fernerhin bringt sie die Bewegung in Einklang mit dem Geist eines Zeitalters, das, auf der einen Seite, die so genannte Macht der „Verschwörung“ in Angelegenheiten, die nicht nur die Massen beeinflussen, sondern in denen die Massen selbst intelligente Teilnehmer sein müssen, verneint, und auf der anderen, die freieste Meinungsäußerung fordert. Also, zusammengefasst: Die politische Bewegung beugt sich vor den Methoden zivilisiertet Diskussion – damit eröffnet sie die Gelegenheit für eine friedliche Lösung des in Frage stehenden großen Problems. Indem unsere Prinzipienerklärung die Einigkeit verkündet, verkündet sie auch reichlich und genügend, die Verwandtschaft der ökonomischen mit der politischen Bewegung. Zur selben Zeit, indem die Prinzipienerklärung ausdrücklich verkündet, dass die „Übernahme und Verwaltung“ ein Akt ist, der völlig in das Gebiet der ökonomischen Organisation fällt, hat sie eine gefährliche Weiche geschlossen, eine Weiche, die auf eine Bahn ernster Gefahr führt: jener Gefahr, die sozialistische, d. h. die Arbeiterbewegung illusorisch und zu einer Brutstätte für den intellektuellen Pöbel der bürgerlichen Gesellschaft zu machen.
Der Stimmzettel ist eine Waffe der Zivilisation; der Stimmzettel ist eine Waffe, die keine revolutionäre Bewegung, ausgenommen auf eigene Gefahr, ignorieren darf; der sozialistische Stimmzettel verkörpert die Symbolisierung des Rechtes. Und gerade aus diesem Grunde ist der sozialistische Stimmzettel:
schwächer als des Weibes Tränen, |
– wenn derselbe nicht auf eine Macht, die ihm Geltung verschaffen muss, gestützt ist. (Beifall.) Diese notwendige Macht ist in dem sozialistischen Industrie-Verband der Arbeiterklasse zusammengefasst. Jetzt bitte ich Sie, zu beachten, dass die Arbeiterbewegung diese Macht, ebenso häufig möchte ich beinah sagen, gegen die politischen Bewegungen, die von ihrem eigenen Odem animiert und ins Leben gerufen werden, benötigt, als wie gegen den kapitalistischen Tyrann selbst. Sie gebraucht diese Macht gegen den kapitalistischen Tyrann, um ihm den Laufpass zu geben. Fernerhin benötigt sie diese Macht, um den üblen Folgen, denen, in dieser korrupten Atmosphäre der bürgerlichen Gesellschaft, die politische Bewegung unvermeidlich ausgesetzt ist, vorzubeugen. Dieses sind zwei wesentliche Punkte. Viel, ja unendlich mehr als dieses auf den ersten Blick erscheint, hängt von ihnen ab.
Trotz der scharf ausgeprägten ökonomischen Erscheinung der Arbeiterbewegung, ist der Grundsatz, der auch eine politische Form annehmen muss, auf keiner fein gesponnenen Theorie begründet. Sogar wenn wir die Kraft der sozial-wissenschaftlichen Argumente, die ich hier vorgelegt habe und die auf die Unvermeidlichkeit der politischen Kundgebung der Arbeiterbewegung hinweisen, vermindern würden, so bleibt dennoch eine Erwägung, auf die ich soweit nur vorübergehend hingewiesen habe und die, wenn richtig erwogen, diese taktische Angelegenheit über alle Möglichkeiten des Zweifels stellen wird. Die Erwägung fußt auf das Vorhandensein des allgemeinen Wahlrechts in einem Lande. Diese politische Einrichtung ist dem Volke derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass, obgleich sie den Kapitalist wie ein Kiesel im Schuhe schmerzt, er, der Mächtige, es doch nicht wagt, sie ohne Vorbehalt abzuschaffen. Der Gedanke ist phantastisch, der erwartet, dass in einem solchen Volke eine Bewegung, deren handgreifliches Ziel die soziale Revolution ist, unter dem Schlachtruf „Enthaltsamkeit vom Stimmkasten!“ eingeleitet werden kann. Ein derartiger Vorschlag hat keine andere Wahl, als jene, seine Befürworter als Narren zu brandmarken. Ob die wirtschaftliche Bewegung es will oder nicht, ihre politische Phase wird sich auf dem politischen Felde geltend machen. Leute aus ihren eigenen Keinen und solche außerhalb derselben, werden das Banner der Arbeiterpolitik aufpflanzen. Indem die Kapitalisten angeblich eine solche Aktion beifällig betrachten, so werden sie doch nicht lange zurückhalten, um derselben die Stoßkraft zu nehmen. Wachsam wie der Kapitalist auch seine politische Feste beschützt, so wird er dennoch von Zeit zu Zeit einen „viel versprechenden“ Kandidaten auf dem Wahlzettel der Arbeiterpartei indossieren und ihm Einlass gewähren; oder vielleicht wird er manchmal schlafend überrascht, und dass auf diese Weise ein Arbeiterkandidat durch die Finger seiner Vorposten am Stimmkasten schlüpft. Den Verlockungen und Kniffen, die den Kapitalisten zu Gebote stehen, ausgesetzt, unterliegen, in der überwältigenden Mehrzahl von Fällen, die erfolgreichen Kandidaten der Arbeiterbewegung in den Parlamenten des Kapitalismus diesen Einflüssen. Sie unterliegen, entweder infolge ihrer eigenen inneren Verkommenheit, oder infolge ihrer geistigen Verwirrung. In beiden Fällen begehen sie Verrat an der Arbeiterklasse, dessen Wirkung schädlich von der wirtschaftlichen Bewegung empfunden wird. Gegenüber dieser Gefahr gibt es nur einen Schutz – den sozialistischen Industrie-Unionismus, d. h. klassenbewusste ökonomische Organisation, um den Stimmkasten von diesen korrumpierenden Einflüssen frei zu halten. Nichts Geringeres als eine solche ökonomische Organisation kann dieses Übel verhindern, eben weil keine geringere als solche ökonomische Organisation befähigt ist, diesem gewissen Schwert, das von der politischen Arbeiterbewegung geschwungen wird, die nötige Schärfe zu geben. Was wir unter diesem besonderen Schwert, diesem symbolischen Ausdruck zu verstehen haben, das habe ich Ihnen bereits gezeigt, Diese Waffe wirkt rein destruktiv. Die ökonomische Bewegung mag immer nur etwas oder wenig in gewissen Zeiträumen für die Arbeiterklasse erklangen. Sie mag sich so verhalten, weil ihre endgültige Funktion doch in der „Übernahme und Verwaltung“ der Betriebe der Produktion, um sie dem Menschengeschlecht zu erhalten, zu finden ist. Dahingegen hat die politische Bewegung eine gänzlich andere Funktion zu erfüllen. Ihre Funktion ist ausschließlich in der Schleifung der politischen Feste kapitalistischer Tyrannei, d. h. in der Abschaffung' des politischen Klassenstaates, zu finden. Hieraus geht hervor, dass die politische Arbeiterbewegung sich auch nicht einmal im Entferntesten nur den Ausdruck des Kompromisses geben darf. Da dieselbe das revolutionäre Ziel der Arbeiterbewegung symbolisiert, so muss sie streng und ohne sich zu kompromittieren revolutionär sein. Diese Tatsache bestimmt auch das Verhalten der siegreichen Arbeiterkandidaten in den Parlamenten des Kapitalismus. Dieses Prinzip fand Ausdruck in einem berühmten Grundsatz von Wilhelm Liebknecht, den er verkündete, als er noch in der vollen Kraft seiner sozialistischen Bestrebungen stand: „Parlamentieren ist Paktieren“. (Beifall.) Als in späteren Jahren die Erfahrung ihm die unglückliche Tatsache offenste, dass die Bourgeoisie in Deutschland ihre eigene Revolution noch nicht beendet hatte; als er entdeckte, dass diese Revolution erst abgeschlossen werden müsse, und dass keine andere außer der sozial-demokratischen Bewegung vorhanden war, diese Aufgabe zu übernehmen; als ihm und seiner Bewegung diese ehernen Wirklichkeiten entgegentraten, da passte Liebknecht seinen Kurs wohlweislich den Erfordernissen der Zeit an. Das Parlamentieren ist eine legitime taktische Waffe der bürgerlichen Revolution. Daher das Parlamentieren, das die deutsche Sozial-Demokratie, mit Liebknecht an der Spitze, gezwungen war auszuüben, beweist, dass die Bewegung in Deutschland auch gezwungen war, die Taktik der bürgerlichen Revolution anzunehmen. Dieses liefert wiederum einen bestimmten Grund, warum eine solche Taktik vollständig ausgeschlossen, gänzlich unzulässig, ja ein Abzeichen des Verrats gegenüber der Arbeiterklasse bildet, wenn auf Amerika angewandt. (Beifall.) Ohne die Macht der klassenbewussten ökonomischen Organisationen“ hinter der politischen Bewegung, sind die von der Arbeiterbewegung unvermeidlich in Amerika geförderten politischen Bewegungen nicht nur gespalten, sondern, als ein weiteres Resultat, werden sie auch die Verwirrung im Denken fördern, die dann in Verdorbenheit mündet und, auf die ökonomische Bewegung zurückwirkend, hilft, ihre Stoßkraft und Leistungsfähigkeit zu untergraben. Es ist wahrlich kein Zufall, dass, ohne Ausnahme, sämtliche Arbeiterkandidaten, denen es bis jetzt von der Kapitalistenklasse gestattet wurde, durch ihre Posten an den Engpässen der Wahlen zu schlüpfen, dass diese, wenn immer das Amt, zu dem sie erwählt waren, irgendwelche Wichtigkeit hatte, alle gleichmäßig „parlamentierten“, d. h. „paktierten“ – kurzum, die Revolution veräußerten! Wir sehen dieses in der Glanzperiode der Knights of Labor; wir sahen, wie es in Haverhill und Brockton, in der Staatslegislatur von Massachusetts, in Paterson, Sheboygar passierte; und momentan bemerken wir, wie es sich in Milwaukee ereignet. Für eine ökonomische Organisation ist es eine Sache des eigenen Schutzes, wenn sie die politische überwacht und kontrolliert. Ungeschickt wie die ungeübte Kindheit, eine Gefahr für die Arbeiterklasse selbst, ist das Schwert des proletarischen Stimmzettels, ohne die Macht der klassenbewussten ökonomischen Organisation, die dessen Schneide die nötige Schärfe verleiht und die darauf besteht, dass diese Waffe über dem Schädel des Feindes geschwungen wird, ja, darauf bestehen muss, sogar auf die Gefahr hin, sich die Opposition der Querköpfe, des Schwächlings und des Verräters zuzuziehen. (Beifall.)
Es bleibt nur noch ein Punkt zur Betrachtung übrig und ich bin fertig. Dieses ist ein Punkt, der sich mit der Notwendigkeit der industriellen Organisation beschäftigt, um in der Lage zu sein, das Recht des Stimmzettels mit jener Macht zu ergänzen, die erforderlich ist, der kapitalistischen Klasse den Laufpass zu geben. In diesem Punkt ist auch das inbegriffen, was allgemein aber irrtümlich unter dem Ausdruck
bekannt ist, eine Bezeichnung, die durch Missbrauch seitens ihrer eigenen Befürworter, welche bisher beständig den Wagen vor das Pferd gespannt, gehörig missverstanden wird, und die durch die viel passendere Bezeichnung „Die Aussperrung der kapitalistischen Klasse“ ersetzt werden sollte.
Zur politischen Macht gelangt man durch den Stimmkasten. Aber der Stimmkasten ist kein offenes Feld, sondern ein regelrechter Engpass. Dieser Engpass ist in den Händen der Agenten der Bourgeoisie. Die Wahlinspektoren und Wahlbehörden bestehen aus kapitalistischen Beamten; sie bilden regelrechte Besatzungen, mit denen die Kapitalistenklasse diesen Engpass verteidigt. Sich einzubilden, dass diese kapitalistischen Garnisonen der Wahlpasse ruhig den Kandidaten der Revolution, deren Programm die Schleifung der politischen Feste des Kapitalismus bezweckt, einen friedlichen Durchmarsch erlauben würden, wäre gleichbedeutend, sich den Hirngespinsten eines Mondkalbes hinzugeben. Der revolutionäre Stimmzettel des Proletariats wird jetzt hinausgezählt oder unterschlagen; er wurde seit dem ersten Tage seines Erscheinens hinausgezählt; und er wird sogar noch viel häufiger in Zukunft unterschlagen werden. Diese Tatsache wird nun von manchen als eine genügende Grundlage betrachtet, von der sie schließen, dass die politische Bewegung gänzlich nutzlos ist. Jene, die zu dieser Schlussfolgerung gelangen, begehen einen Irrtum, indem sie versäumen, die Tatsache zu erkennen, dass korrekte Schlussfolgerungen sich niemals aus einzelnen Schlussfolgerungen ableiten lassen. Mau kann nur zu ihnen gelangen, indem man sämtliche Voraussetzungen eines Falles in Betracht zieht. Während der sozialistische Stimmzettel hinausgezählt wurde, noch wird, und vielleicht ihm in Zukunft kein besseres Geschick blüht, trotz alledem vollbringt die politische Bewegung etwas dem alles Hinauszählen nicht wirksam entgegenarbeiten kann. Zum Beispiel, ein Mann mag mit dem Thermometer spielen, aber er ist gänzlich unfähig, mit der Temperatur seinen Scherz zu treiben. Halten Sie in diesem Raum voll stickiger Hitze ein Stück Eis an die Kugel des Quecksilbers; das Quecksilber wird unter den Gefrierpunkt fallen; und doch wird die Temperatur auf demselben Grad fieberischer Hitze stehen bleiben. Nun halten Sie an einem Tage, an dem der Winter seinen Höhepunkt erreicht, eine glühende Kohle an die Quecksilber-Kugel des Thermometers; das Quecksilber wird zu einer Fieberhitze steigen und doch bleibt die Temperatur unverändert – kalt. So verhält es sich auch mit den Wahlberichten. Sie verbildlichen einen politischen Thermometer. (Beifall.) Die politischen Vorposten der Bourgeoisie mögen nach Herzenslust damit ihre Possen treiben, aber es wird ihnen unmöglich sein, dadurch die allgemein herrschende politische Temperatur auch nur um den Bruchteil eines Grades zu ändern. Wohlan, aus Gründen, die ich schon erläutert habe, ist diese politische Temperatur ein hervorragendes Produkt der politischen Arbeiterbewegung. (Anhaltender Beifall.) Bitte zu warten, ich habe meine Behauptung noch nicht bewiesen; wir müssen den Beweis noch festnageln. Die Frage mag noch gestellt werden und wird gestellt: was nützt dem Proletariat die heißeste der politischen Temperaturen, wenn die kapitalistische Klasse die Macht behält, dieselbe ungültig zu erklären, indem sie uns hinauszählt? Sie mag viel nützen. Hier in Amerika mag sie die Verwirklichung des Ideals bedeuten, das von jedem Sozialisten mit solcher Hingabe verfolgt wird: die friedliche Lösung des sozialen Problems. Schaut hinüber nach Europa. Dort herrscht der feudale Geist noch in einer wichtigen Form und zwar als Folge des beständigen Einflusses großer Überreste feudaler Einrichtungen, in Europa ist sogar die kapitalistische Klasse feudalisiert, ohne überhaupt die überlebenden feudalen Sprösslinge zu erwähnen. Obwohl sämtlicher Verbrechen der zehn Gebote schuldig, da ist ein Laster, mit dem die Feudalherren wirklich nicht behaftet sind, und das ist die Feigheit. Tapferkeit bildet der Refrain ihrer Wiegenlieder; Tapferkeit ist der Grundgedanke ihrer Ammenmärchen, mit denen Sie herangezogen werden; und Taten der Tapferkeit sind die Ideale, die ihnen eingepaukt werden. Als Vorbild nehmen sie den halb verrückten, halb verkrüppelten Kaiser von Deutschland; der wird für seine Anschauungen eintreten und kämpfen, was immer auch das Übergewicht zu seinen Ungunsten sein mag. In Europa ist eine friedliche Lösung des sozialen Problems außer Frage. Aber wie gestaltet sich die Situation in Amerika? Waren es auch Weisen der Tapferkeit, die an der Wiege unserer kapitalistischen Herrscher gesungen wurden? Waren es Erzählungen edler Kühnheit, die die Grundnote der Ammenmärchen bildeten, mit denen man sie herangezogen? Waren die Ideale, welche sie in ihrer heimatlichen Umgebung sammelten, solche der Männlichkeit? Kurzum, erreichten sie ihre gegenwärtige Stellung durch Taten der Tapferkeit? Nein! Tägliche Erfahrung, die noch durch jede Untersuchung bekräftigt wurde, die bisher von einer Gruppe von Kapitalisten gegen eine andere eingeleitet, liefert uns den Beweis, dass sie ihre gegenwärtige Stellung als Herrscher erreichten, indem sie Zucker mit Sand vermischten, Aktienkapital wässerten, Schund in Eure Kleiderstoffe webten, Wasser in den Sirup schütteten, Euer Vertrauen missbrauchten, betrügerische Bankrottverfahren und schwindelhaft angelegte Brände inszenierten, kurzum: sich des Schwindels bedienten! (Beifall.) Nun aber wissen wir, dass der Schwindler ein Feigling ist. Und ganz einem Feigling gemäß spielt er, wie wir es bei der Kapitalistenklasse sehen, den prahlerischen Raufbold gegenüber der schwachen, weil unorganisierten Arbeiterklasse. Natürlich kriecht der Prahler vor dem Mächtigen. Der politische Thermometer soll nur einmal zu einem gefahrdrohenden Grad steigen, dann wird, trotz aller Possentreiberei mit dem Thermometer, Euer Kapitalist in seinen gestohlenen Stiefeln zittern; er wird nicht genügend Mut haben zu kämpfen: er wird die Flucht ergreifen. (Beifall.) Wenigstens ich erwarte ihn auf der Flucht zu sehen. Aber er wird natürlich dieses nicht tun, wenn nicht hinter dem Stimmzettel, der die politische Temperatur zur Fieberhitze gehoben, die Macht der sozialistischen industriellen Organisation steht –in vollem Besitz der wirtschaftlichen Betriebe des Landes, vollständig als Ganzes organisiert und folglich befähigt, die Leitung der Produktion in der heutigen Gesellschaft zu übernehmen. Eben diese vollständige industrielle Organisierung der Arbeiterklasse wird dann den friedlichen Ausgang des Kampfes gesichert haben. Aber vielleicht wird der Kapitalist nicht fliehen. Vielleicht wird er, in einem Delirium der Wut, Widerstand leisten. Umso schlimmer – für ihn. Die Macht, die in der klassenbewussten Organisation der Arbeiterklasse des Landes ruht, wird in der Lage sein, kurzen Prozess mit diesem rebellischen Usurpator zu machen (Lauter Beifall.), um somit dem Rechte Schutz zu gewähren, das der Stimmzettel proklamierte.
Die Nutzlosigkeit der nur politischen Aktion durch den Stimmzettel, wenn auch noch so siegreich, wurde überzeugend vor neun Jahren während des ersten Bryan-Wahlkampfes illustriert. Die politische Temperatur gegen die plutokratischen Herrscher des Landes war zu einem Grad gestiegen, dass sie für den Augenblick den Kampf am Stimmkasten im Voraus als verloren betrachteten. Dieses brachte sie jedoch nicht aus der Fassung. Durch ihr nationales Sprachrohr, Mark Hanna, drohten sie die Produktion einzustellen. Mit anderen Worten, sie drohten in Streik zu treten. (Gelächter.) Die Drohung war kein eitler Wortschwall, denn sie waren in der Lage, sie durchzusetzen. Und man wusste, dass sie dieselbe durchsetzen konnten. Die Fach-Verbände hatten die Macht, dieses zu tun, in ihre Hand gelegt. Die Drohung hatte ihre Wirkung. Aber der Kapitalist soll wagen, unter dem Druck der politischen Temperatur des proletarischen Stimmzettels zu streiken. Im Besitze der Macht, wie sie nur eine industrielle Klassenorganisation voraussetzt und verleiht, würde die Arbeiterklasse sogleich zur Aussperrung der Kapitalistenklasse schreiten. (Lauter Beifall.) Ohne politische Organisation kann die Arbeiterbewegung nicht triumphieren; ohne ökonomische Organisation würde der Tag ihres politischen Triumphes der Tag ihrer Niederlage sein.
Der sozialistische Industrie-Unionismus bedeutet Macht, Der Fach-Unionismus bedeutet Impotenz. Alle Betriebe der Produktion, ja sogar der gewaltige Reichtum für den Konsum ist heute in der Verwahrung der Arbeiterklasse. Es sind Arbeiter, welche die Fabriken, die Eisenbahnen, die Bergwerke, kurzum, das gesamte Land und die produktiven Betriebe verwalten; und es sind auch sie, welche als Wachhunde vor den Vorratskammern, Kellern und Gewölben der kapitalistischen Klasse sitzen; ja, sie sind es, welche die Gewehre in den Armeen schultern. Aber diese vorteilhafte Stellung nützt ihnen nichts unter dem Fach-Unionismus, weil eben da nur eine Fach- oder Berufsvereinigung nach der anderen auf das Schlachtfeld marschiert. Indem sie müßig dem Kampfe zuschauen, begehen die anderen Gewerke Verrat an den Kämpfenden. Durch dieses Verhalten und auch durch das müßige Zuschauen ganzer Divisionen von Arbeitern, die die Proviantabteilung oder das Verpflegungswesen sozusagen für die Bourgeoisie bemannen, spiegelt der Klassenkampf unter dem Fach-Unionismus die Erscheinung kleiner Erhebungen, in denen die leeren Magen und Hände der Arbeiterklasse gegen die vollen der Arbeitgeberklasse gestellt werden, wider. War dieses Unwissenheit oder Verrat? Ob Verrat oder Unwissenheit, der Wendepunkt in dem langen Werdegang ist erreicht. Das gegenwärtige Verhalten des Fach-Unionismus und das zukünftige Verhalten des Industrie-Unionismus, beides wurde zutreffend von einem der Delegaten zu dem Chicagoer Konvent geschildert. Indem er diesen Punkt durch die fünf Finger seiner rechten Hand, weit auseinandergespreizt, illustrierte, und diese Illustration mit der Haltung der Fach- oder unabhängigen Verbände verglich, bewies er, dass diese Organisationen absolut von einander für irgendwelche praktische Arbeit getrennt sind, und höchstens für die Funktion eines Fächers passen – eines Fächers, der bisher weiter nichts getan hat, als die Fliegen vom Gesichte der Kapitalistenklasse fern zu halten. (Gelächter.) Indem dieser Delegat fortfuhr, seinen Punkt zu illustrieren, ballte er seine Finger fest zu einer kompakten Faust und führte dieses Beispiel als eine Symbolisierung der Haltung des sozialistischen Industrie-Unionismus an – eines Kammklotzes, der dem Gesicht der Kapitalistenklasse ein wesentlich anderes Aussehen geben würde, als es hatte da es nur gefächelt wurde. (Lauter Beifall.) Die Impotenz, von der bisher das Recht der Arbeiterklasse befallen war, soll jetzt zu einer Macht organisiert werden, ohne die dieses Recht nur ein Hohn ist. Das Signal für eine solche Organisation wurde letzte Woche auf dem Konvent der Industrial Workers of the World gegeben. Ein Aufruf ist in die Welt hinausgegangen, eben wie er von keinem anderen Lande außer Amerika ausgehen konnte, und in eine Sprache gefasst, die ganz unserer ausgeprägten kapitalistischen Entwicklung entspricht: „Vereinigt Euch Vereinigt Euch auf dem ökonomischen Felde, auf der einzigen Basis, auf der ökonomische Einigkeit möglich ist: auf der Basis der Solidarität des Proletariats – der einzigen schöpferischen Wirklichkeit, die politische Einigkeit widerspiegeln kann! Vereinigt Euch! Vereinigt Euch auf 'dem einzigen ökonomischen Grundsatz, der die Fähigkeit besitzt, das Recht des proletarischen Stimmzettels mit der Macht auszustatten, die zu seiner Durchsetzung nötig ist! Vereinigt Euch für den Generalstreik am Stimmkasten, um die politische Raubritterburg zu stürzen, unterstützt durch den Generalstreik gegen die Kapitalistenklasse, oder vielmehr durch die Generalaussperrung dieser Klasse von jenen industriellen Betrieben, von denen sie widerrechtlich Besitz ergriffen hat. Vereinigt Euch für die Emanzipation der Arbeiterklasse und die Rettung der Zivilisation aus den drohenden Gefahren einer Katastrophe!“ (Lauter Beifall.)
Frage – Glauben Sie nicht, dass die Kapitalistenklasse versuchen wird, das Wachstum der Industrial Workers of the World zu verhindern, indem sie von jedem Angestellten eine beeidigte Aussage verlangt, dass er kein Mitglied dieser Organisation ist?
Antwort – Das Unternehmertum mag das versuchen, aber es wird seinen Zweck verfehlen. Ich habe Ihnen gezeigt, dass der „Vertrag“, den man mir durch die überzeugende Kraft eines Pistolenlaufes, der an meinen Schädel gepresst war, zwang zu unterzeichnen, keine Gültigkeit hatte. Er hatte keine Gültigkeit, weil nicht ich, sondern die Pistole ihn unterschrieben. Ebenso mit derartigen „beeidigten“ Aussagen. Die würde der Arbeiter nicht beeidigen, sondern die über seinem Haupte geschwungene Hungerpeitsche. Die Peitsche erzwang den Eid, lasst die Peitsche ihn auch halten. (Gelächter und Beifall.)
Frage – Wenn ich dieser neuen Gewerkschaft beitreten sollte, dann würde ich sofort von den Beamten meiner Organisation aus der Stellung geworfen werden – ich würde meinen Erwerb verlieren. Was soll da unter solchen Umständen ein Mensch tun?
Antwort – Schauen Sie hinüber nach Russland. Einzelne Erhebungen werden schnell unterdrückt. Die Sicherheit des Einzelnen ruht in den Massenerhebungen. Die Tyrannei der Großfürsten in der American Federation of Labor und gleichartigen Fachorganisationen kann nur durch die Erhebungen der Massen gegen diese Satelliten des Kapitals überwunden werden. Eine derartige Flutwelle der Revolte gegen diese Arbeiter-Leutnants der Bourgeoisie ist jetzt im Entstehen begriffen und wird bald über ihren Köpfen hervorbrechen. (Beifall.)
Zuletzt aktualisiert am 3. April 2019