Diese kleine Schrift soll die Aktivisten der
Partei in das weite und immens reiche Erbe der marxistisch-leninistischen
Ideen einführen.
Die Auswahl der behandelten Themen ist einfach.
Es handelt sich um ein Kapitel aus dem Handbuch des Marxismus-Leninismus
von O.V. Kuusinen und um Reden Fidel Castros. Diese Zusammenstellung
ist sinnvoll, weil in dem Kapitel des Handbuches die Erfahrungen
der Bruderparteien dargestellt werden und ein allgemeines Schema
geboten wird, wie eine marxistisch-leninistische Partei handeln
soll; und in den Reden des Genossen Fidel sieht man, veranschaulicht
(manchmal in autobiographischer Manier) vom Initiator der Revolution,
die politische Geschichte unseres Landes vorbeiziehen.
Und gerade diese beiden Bereiche sind aufs engste
miteinander gekoppelt: die allgemeine Theorie als Ausdruck der Erfahrungen
der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und der marxistisch-leninistischen
Parteien der ganzen Erde und die praktische Anwendung dieser allgemeinen
Theorie auf unsere speziellen Bedingungen. Aus den Eigentümlichkeiten,
die bestimmend für den Ablauf der sozialen Begebenheiten in
dieser Zone der Erde waren, dürfen wir nun nicht folgern, daß
historische Ausnahmen vorliegen; sondern einfach: in den allgemeinen
theoretischen Rahmen - als Ergebnis der Erfahrung - fügt sich
der besondere Fall der kubanischen Situation und liefert der weltweiten
Arbeiterbewegung neue Einsichten.
Das vorliegende Handbuch macht einleuchtend,
was eine marxistisch-leninistische Partei ist: "Ein freiwilliger
Bund gleichgesinnter Menschen, die sich zusammengeschlossen haben,
um die marxistische Weltanschauung zu verwirklichen und die historische
Mission der Arbeiterklasse tu erfüllen."- Das Handbuch erläutert
überdies, daß eine Partei nicht von den Massen isoliert
leben kann, daß sie in ständigem Kontakt mit dem Volk
stehen muß, daß sie Kritik und Selbstkritik praktizieren
und sehr streng mit eigenen Fehlern verfahren sollte. Weiter, daß
eine Partei nicht nur auf negativen Kampfparolen gegen irgend etwas
aufgebaut sein darf, sondern vielmehr auf positiven Konzeptionen
eines Kampfes für etwas; daß also die marxistischen Parteien
nicht die Hände in den Schoß legen dürfen, in der
Hoffnung, daß die objektiven und subjektiven Bedingungen,
die sich im komplexen Mechanismus des Klassenkampfes entwickeln,
alle notwendigen Voraussetzungen erfüllen, bis die Macht wie
eine reife Frucht in die Hände des Volkes fällt. Das Handbuch
deutet uns auch die führende Rolle der Partei als Vorkämpferin
der Arbeiterklasse, die den Weg zum Sieg kennt und den Vormarsch
zu neuen gesellschaftlichen Positionen beschleunigen kann. Besonders
wird betont, daß es sogar in Zeiten revolutionärer Rückschläge
notwendig ist, Methoden des Rückzuges zu kennen und zu wissen,
wie man die Kader erhält, um den nächsten Aufschwung ausnutzen
und um so weiter vorstoßen zu können auf das eigentliche
Ziel der Partei in der ersten revolutionären Phase: die Eroberung
der Macht. Es ist selbstverständlich, daß diese Partei
eine Klassenpartei ist. Eine marxistisch-leninistische Partei könnte
schwerlich etwas anderes sein. Ihre Mission ist es, den kürzesten
Weg zur Diktatur des Proletariats zu finden, und ihre tapfersten
Kämpf er, ihre leitenden Kader und ihre Taktik entstammen der
Arbeiterklasse.
Man kann sich kaum vorstellen, daß die
Errichtung des Sozialismus durch eine Partei der bürgerlichen
Klasse verwirklicht wird, durch eine Partei also, die zu einem erheblichen
Teil aus Ausbeutern besteht, die nun beauftragt wären, die
politische Marschrichtung der Partei festzulegen. Es liegt auf der
Hand, daß eine Gruppierung dieser Art nur auf der Stufe einer
nationalen Befreiung den Kampf anführen kann, also nur bis
zu einem gewissen politischen Moment und das auch nur unter ganz
bestimmten Umständen. Schon im nächsten historischen Augenblick
würde sich diese revolutionäre Klasse in eine reaktionäre
verwandeln; es ergäben sich neue Bedingungen, die das Auftreten
der marxistisch-leninistischen Partei als Führung des revolutionären
Kampfes erforderten. Und in Lateinamerika ist es schon praktisch
unmöglich, von Befreiungsbewegungen zu sprechen, die von der
Bourgeoisie geführt werden. Die kubanische Revolution hat die
politischen Kräfte polarisiert: konfrontiert mit der Alternative,
sich für das Volk oder den Imperialismus zu entscheiden, wählen
die labilen nationalen Bourgeoisien den Imperialismus und verraten
so endgültig ihre Nationen. Dadurch geht fast vollständig
die Chance verloren, daß sich in diesem Bereich der Erde ein
friedlicher Übergang zum Sozialismus vollzieht.
Wenn die marxistisch-leninistische Partei fähig
ist, bestimmte historische Etappen vorauszusehen, wenn sie weiter
imstande ist, zur Avantgarde eines Volkes zu werden, das die Etappe
der nationalen Befreiung noch nicht hinter sich hat - es handelt
sich dabei um unsere kolonisierten Länder -, dann wird diese
Partei einen doppelten historischen Auftrag erfüllt haben und
wird dem Aufbau des Sozialismus durch größere Kraft und
mehr Ansehen beim Volk gewachsen sein.
Dazu kommt die kubanische Erfahrung, eine komplexe
Erfahrung, betrachtet man das Neue, das sie enthält und den
Elan, den sie während dieser Epoche der Entstehung einer amerikanischen
Revolution in sich birgt. Eine Erfahrung auch wegen des Reichtums
an Lehren, die sich aus ihren Fehlern ergeben und die öffentlich
analysiert und korrigiert wurden.
Ganz besonders wichtig sind die Reden des Genossen
Fidel über die PURSC und über die bei den ORI (Organizaciones
Revolucionarias Integradas) angewandten Arbeitsmethoden, die zwei
wichtige Wegstrekken unserer Entwicklung markieren. Die erste der
Reden ist die offene Beichte eines vollkommenen Revolutionärs,
der den Höhepunkt in der Entwicklung seines Denkens erreicht
hat und nun der Welt offen sein Glaubensbekenntnis zum Marxismus-Leninismus
vorträgt. Das tut er aber nicht in Form einer bloß verbalen
Bejahung, sondern indem er seine Motive hervorhebt und die wesentlichsten
Umstände seiner Entwicklung, Entwicklung der revolutionären
Bewegung und der Partei in eine Richtung betont, die konsequenterweise
zur Konstituierung der PURSC führen mußte.
Er analysiert die reaktionären Auffassungen,
die seine Umwelt ihm eingetrichtert hatte. Er erzählt, wie
er instinktiv gegen diese Ansichten angekämpft hat, wie dieser
Kampf ihn geprägt hat; er berichtet auch von seinen Zweifeln
und erklärt ihr Warum und ihre Lösung.
In dieser Zeit stellte die "Bewegung des 26.
Juli" etwas Neues dar, das äußerst schwer zu definieren
ist. Fidel Castro, der Held von Moncada, der Inhaftierte der Isla
de Pinos, trainiert einen Expeditionstrupp, der die Aufgabe hat,
die Küste der Oriente-Provinz zu erreichen, hier die Revolution
zu entfachen und diese Provinz gleich zu Beginn von der übrigen
Insel abzutrennen, oder aber (je nach den objektiven Gegebenheiten)
in offenen Schlachten unaufhaltsam bis nach Havanna selbst vorzudringen.
Die Wirklichkeit stürzte auf uns ein. Die
notwendigen subjektiven Voraussetzungen für unseren Kampf waren
gar nicht alle in der Weise gegeben; wir hatten auch nicht alle
Regeln des revolutionären Krieges befolgt, deren Studium wir
nun nachträglich in einem zweijährigen harten Kampf mit
unserem Blut und mit dem Blut unserer Genossen bezahlten. Wir wurden
geschlagen, und dann begann die entscheidende Phase unseres revolutionären
Aufbruchs. jetzt zeigte sich seine wirkliche Stärke, sein eigentliches
historisches Verdienst; wir wurden uns über begangene taktische
Fehler klar und begriffen, daß einige grundlegende subjektive
Voraussetzungen fehlten. Das Volk war sich zwar der Notwendigkeit
einer Verbesserung bewußt, aber es zweifelte daran, daß
diese durchführbar sei. Diese Zweifel zu entkräften war
unsere Aufgabe, und in der Sierra Maestra begann der lange Prozeß,
der zur Auslösung der revolutionären Bewegung auf der
ganzen Insel führt, der ununterbrochen Unruhen erzeugt und
überall revolutionäre Brände legt.
Das beginnt sich mit den Taten des Revolutionsheeres
zu zeigen, daß durch den Glauben und den Enthusiasmus des
Volkes auf den richtigen Weg gebracht - in günstigem Kampfterrain
seine Kraft durch den i adäquaten Einsatz seiner Waffen vermehren
und eines Tages die feindliche Armee vernichten kann. Dies ist eine
wichtige Lektion in unserer Geschichte. Vor Erringung des Sieges
hat sich das Kräfteverhältnis allmählich verändert,
bis es außerordentlich günstig für die Revolution
geworden war; die notwendigen subjektiven Voraussetzungen waren
geschaffen. Die für die Macht entscheidende Krise wurde ausgelöst.
Das rüstet Amerika mit einer neuen "revolutionären" Erfahrung
aus und zeigt, daß die fundamentalen Voraussagen des Marxismus-Leninismus
immer eintreten. Dieser Ablauf demonstriert aber auch, daß
die Aufgabe der revolutionären Kader und der Parteien darin
besteht, aller erforderlichen Voraussetzungen für die Sicherung
der Macht zu schaffen und sich nicht wieder in Zuschauer des revolutionären
Elans zu verwandeln, der langsam im Volk wächst.
Und weiter: wenn die Notwendigkeit aufgezeigt
wird, daß die bewaffneten Kerne, die die Volkssouveränität
verteidigen, vor Überraschungen, vor Angriffen und Vernichtungsschlägen
sicher sein müssen, wird deutlich, daß sich der revolutionäre
Kampf auf einem für den Guerrilla taktisch günstigen Gelände
abspielen sollte, also in den unzugänglichsten ländlichen
Distrikten. Das ist ein weiterer Beitrag der Revolution zu unserem
amerikanischen Befreiungskampf: vom Land zur Stadt, vom kleinen
zum großen, so wurde die revolutionäre Bewegung geschaffen,
die schließlich in Havanna siegte.
An anderer Stelle erklärt Fidel deutlich:
Grundbedingung für den Revolutionär ist es, die Realität
richtig zu erkennen. Auf den Streik im April eingehend, erklärt
er, daß wir ihn zu jenem Zeitpunkt nicht zutreffend zu interpretieren
wußten und darum eine vernichtende Niederlage erlitten. Warum
wurde der April-Streik ausgerufen? Weil innerhalb der revolutionären
Bewegung Widersprüche auftauchten, Widersprüche zwischen
dem "Gebirge" und der "Ebene"; diese Widersprüche wurden bei
der Analyse der Faktoren deutlich, die entscheidend für einen
bewaffneten Kampf waren und die bei beiden Gruppen geradezu diametral
verschieden ausfielen.
Das "Gebirge" war willens, die Armee, so oft
es nötig sein sollte, zu schlagen, Schlacht auf Schlacht zu
gewinnen, sich seine Waffen selbst zu besorgen und eines Tages die
vollständige Übernahme der Macht mit Hilfe des Rebellenheeres
zu erreichen. Die "Ebene" war Parteigänger eines allgemeinen,
bewaffneten Kampfes im ganzen Land - als Höhepunkt war an einen
revolutionären Generalstreik gedacht -, der die Batista-Diktatur
vertreiben, die Autorität von "Zivilisten" als Regierende sichern
und das neue Heer in ein "apolitisches" Instrument verwandeln sollte.
Das Gegeneinander dieser Positionen dauerte an
und stellte nicht gerade ein Optimum für die Einheitlichkeit
des Kommandos dar, die in Augenblicken wie diesen unbedingt erforderlich
ist. Der April-Streik war von der "Ebene" vorbereitet und beschlossen,
mit Zustimmung der Leitung des "Gebirges), die sich nicht in der
Lage sah, ihn zu vermindern,
obschon sie ernste Zweifel über sein Resultat
hegte; auch die PSP (PSPSocialista Popular) meldete nachdrücklich
Vorbehalte an und sagte die bestehende Gefahr voraus. Die revolutionären
Comandante begaben sich ins Flachland, um Hilfe zu leisten,
und so begann Camilo Cienfuegos, unser unvergeßlicher Genosse,
erste Streifzüge ins Gebiet um Bayamo zu unternehmen.
Die Wurzeln der erwähnten Differenzen sitzen
aber tiefer als in nur taktischen Diskrepanzen: die Guerrilleros
waren ideologisch bereits proletarisch eingestellt und dachten in
Kategorien der besitzlosen Klasse; die "Ebene" hingegen blieb kleinbürgerlich,
hatte potentielle Verräter in ihrer Führung, und war entscheidend
von der Umwelt beeinflußt, in der sie sich entfaltete.
Das war nur ein peripherer Streit um innere Kontrolle
im Rahmen des umfassenden Kampfes um die Macht. Die letzten Ereignisse
in Algerien lassen sich in Analogie zur kubanischen Revolution erklären:
der revolutionäre Flügel läßt sich nicht von
der Macht verdrängen und kämpft darum, sie voll und ganz
zu erobern; die Befreiungsarmee ist die legitime Vertreterin einer
siegreichen Revolution.
Diese Konfrontationen wiederholten sich periodisch,
und die Einheit der Macht (allerdings noch nicht von allen respektiert)
wurde erst gesichert, als Fidel einige Monate nach dem Sieg der
Revolution zum Premierminister ernannt wurde. Was hatten wir nun
bis zu diesem Augenblick getan? Wir hatten das Recht erworben, anzufangen,
wie Fidel es nennen würde. Wir hatten in dem tödlichen
Kampf gegen das etablierte Regime auf Cuba, vertreten durch den
Diktator Fulgencio Batista, nur einen ersten Höhepunkt erreicht.
Die Tatsache aber, daß wir konsequent einem revolutionären
Programm folgten, das darauf abzielte, den Lebensstandard unserer
Gesellschaft zu heben und sie so rasch wie möglich aus ihren
ökonomischen Fesseln zu befreien, führte uns zwangsweise
in einen frontalen Zusammenstoß mit dem Imperialismus.
Für Entwicklung und Vertiefung unserer Ideologie
war der Imperialismus ein ausschlaggebender Faktor. Jeder Schlag,
den er uns versetzte, präzisierte unsere Position; jedesmal,
wenn die Yankees darauf reagierten, indem sie irgendwelche Maßnahmen
gegen Cuba einleiteten, mußten wir die entsprechende Gegenmaßnahme
treffen. Auf diese Weise konkretisierte sich die Revolution.
Die PSP fügte sich in diese Frontstellung
ein; die alte revolutionäre Garde und die Genossen, die durch
den Kampf in der Sierra zur Macht gekommen waren, begannen sich
zu vereinigen. Schon damals warnte Fidel allerdings vor möglichen
Gefahren des Sektierertums und kritisierte jeden, der einem anderen
seine 15 oder 20 Jahre Kampferfahrung unter die Nase rieb, aber
auch die Sektiererei der ländlichen oder städtischen Guerrilla.
In der Zeit des bewaffneten Kampfes gab es eine
Gruppe von Genossen, die bemüht waren, die Revolution vor dem
scheinbaren "caudillismo" Fidels zu bewahren; damit begingen
sie den gleichen Fehler, der sich später in den Spaltungsepoche
wiederholen sollte. Sie verwechselten die großen Verdienste
des Initiatoren der Revolution und seine unleugbaren Führungsqualitäten
mit einem bloß individuellen Streben nach uneingeschränkter
Unterstützung durch seine Untergebenen und nach der Errichtung
eines tyrannischen Systems. Das war ein Streit mit falschen Voraussetzungen,
der von einer Fraktion der Genossen angeheizt wurde und der nicht
einmal am i. Januar 1959 sein Ende fand oder in der Stunde, als
Fidel Ministerpräsident wurde, sondern erst viel später,
nachdem der rechte Flügel der "Bewegung des 26. Juli" zerschlagen
worden war. Auf diese Weise, weil sie gegen den Volkswillen opponiert
hatten, stürzten Manuel Urrutia, José Miró Cardona,
Manuel Ray, Hubert Matos, David Salvador und ein Haufen anderer
Verräter.
Nach dem Sieg gegen den rechten Flügel mußte
notwendigerweise eine Partei aufgebaut werden: die Einheitspartei
der PURSC, unter den neuen Gegebenheiten Exponent des Marxismus-Leninismus
in Cuba. Sie sollte eine mit den Massen in Kontakt stehende Organisation
sein, aus ausgewählten Kadern gebildet, mit einem zentralisierten
und doch gleichzeitig elastischen Aufbau. Und für all das haben
wir blind auf die Autorität vertraut, die die PSP in vielen
Kampfjahren gewonnen hatte und ließen unsere revolutionären
Kriterien deshalb völlig außer acht. So wurden Reihen
von Voraussetzungen geschaffen, um das Sektierertum zu schüren.
Während des Aufbaus übernahm Genosse
Anibal Escalante die Organisation, und es begann eine - wenn auch
glücklicherweise nur kurze - finstere Zeit für unsere
Entwicklung. Er vergriff sich in den Führungsmethoden; die
Partei verlor ihre wesentliche Qualität der Kooperation mit
den Massen, der Anwendung des demokratischen Zentralismus und des
Opferwillens.
Dadurch, daß manchmal wahrhaft jongliert
wurde, gelangten Leute ohne Erfahrung und Verdienst in Spitzenpositionen,
allein weil sie sich der herrschenden Situation angepaßt hatten.
Die ORI verspielten ihre Funktion als ideologischer
Motor - und die damit verbundene Kontrolle des gesamten Produktionsapparates
- und wurden zu einem reinen Verwaltungsapparat. Unter diesen Umständen
erlahmten die zur Wachsamkeit Berufenen, die aus der Provinz hätten
kommen sollen, um die vielen Probleme zu beschreiben, die es dort
gab, weil diejenigen, die die Arbeit der administrativen Kader analysieren
sollten, ausgerechnet jene zentralen Führer waren, die eine
Doppelfunktion in Partei und öffentlicher Verwaltung hatten.
Die Etappe der falschen Konzepte, der ungeheuren
Irrtümer und der mechanischen Methoden ist glücklicherweise
beendet. Diesen sektiererischen Mißbildungen konnte der Boden
entzogen werden.
Auf die Fragen, was zu tun sei, entschied das
Nationale Direktorium unter dem Vorsitz Fidels: sich den Massen
zuwenden, wieder an sie appellieren. So entstand ein System der
Beratung zwischen allen Arbeitszentren zur Wahl der für die
Massen beispielhaften Arbeiter; so entstand die Möglichkeit,
gewählt und in die Zellen einer Partei aufgenommen zu werden,
die jetzt den Massen eng verbunden ist.
Im Rahmen dieser Korrektur der Parteilinie wurde auch das Erziehungssystem
reformiert, in dem nun nicht mehr wie früher die Günstlinge,
die Opportunisten und die "marxistischen Schwätzer", sondern
die besten Arbeiter prämiert wurden, Männer also, die
durch ihre revolutionäre Haltung, durch ihre tägliche
Arbeit, ihre Begeisterung und ihre Opferbereitschaft die höchsten
Eigenschaften eines Mitglieds der führenden Partei besitzen.
In diesem Sinne haben sich alle Kriterien gewandelt;
eine Epoche der Wiederbelebung der Partei und ihrer Methoden ist
angebrochen. Vor uns öffnet sich ein breiter und hell ausgeleuchteter
Weg zum Sozialismus, auf dem der Partei die Lenkung zufällt.
Keine mechanische und bürokratische Führung, mit strenger
Kontrolle von seiten der Partei, mit Anordnungen und Beschlüssen,
die man buchstabengetreu zu befolgen hat; es wird auch keine Privilegien
für Ideen oder die Auslegung der Vergangenheit geben.
Die Partei der Zukunft wird identisch sein mit
den Massen und von diesen die grundlegenden Ideen empfangen, die
sich dann in konkreten Direktiven niederschlagen werden. Diese Partei
wird in Übereinstimmung mit dem demokratischen Zentralismus
eine strenge Disziplin verlangen, aber gleichzeitig wird sie permanent
Diskussion, freie Kritik und Selbstkritik fördern und ihre
Arbeit dauernd verbessern. In diesem Stadium wird es eine Kaderpartei
der Fähigsten sein, und diese müssen ihre dynamischen
Aufgaben erfüllen: müssen dauernd in Tuchfühlung
mit dem Volk bleiben, die dort gewonnenen Erfahrungen nach oben
weitergeben und den Massen wiederum die konkreten Anweisungen von
oben erläutern und sich an der Spitze der Massen in Bewegung
setzen. Immer die ersten im Studium, immer die ersten bei der Arbeit,
immer die ersten im revolutionären Eifer, immer bereit zu opfern,
in jedem Augenblick vernünftiger, bewußter, menschlicher
als alle anderen zu sein, so müssen die Kader unserer Partei
aussehen.
Man darf niemals denken, ein Marxist sei eine
automatisch und blind-fanatisch funktionierende Maschine, etwa ein
Torpedo, der durch ein Steuerungssystem auf ein bestimmtes Ziel
gerichtet ist. Genau dieser Vorwurf beschäftigt Fidel in einem
seiner Referate: "Wieso kann jemand behaupten, Marxismus heiße
Verzicht auf menschliche Regungen, heiße Verzicht auf Solidarität,
auf Achtung des Nächsten und seiner Belange? Wieso kann jemand
verkünden, Marxismus heiße, kein Gemüt haben, keine
Gefühle? Die Liebe zum Menschen war es doch gerade, die den
Marxismus entstehen ließ, die Sorge um den Menschen und um
die Menschheit. Das Bestreben, das Elend zu bekämpfen, die
Ungerechtigkeit, das Leiden und die Ausbeutung des Proletariats
- gerade das hat ja bewirkt, daß aus der Analyse Karl Marx'
die Idee des Marxismus wurde, und dies genau in dem Moment, als
der Marxismus überhaupt erst entstehen konnte, nämlich
als eine reale Chance - was sage ich -, mehr als das: als die historische
Zwangsläufigkeit der sozialen Revolution auftrat, deren Interpret
Marx war. Was aber machte ihn zu einem bedeutenden Interpreten?
Doch nur der mächtige Impuls humaner Gefühle, wie ihn
Männer wie Marx, Engels oder Lenin haben."
Diese Einschätzung durch den Genossen Fidel
ist richtungweisend für den Parteiaktivisten. Denkt immer daran,
Genossen, grabt sie als wirksamste Waffe gegen alle Abweichungen
in euer Gedächtnis ein: Der Marxist soll das vollkommenste
aller menschlichen Wesen sein; immer muß er aber vor allen
Dingen seine humanen Qualitäten bewahren. Er ist Kombattant
einer Partei, die in ständiger Fühlung mit den Massen
lebt, ist Richtungsweisender, der die manchmal unklaren Wünsche
und Sehnsüchte der Massen in konkrete Pläne umsetzt; er
ist ein unermüdlicher Arbeiter, der alles, was er besitzt,
dem Volk darbringt; ein schwer geplagter Mann, der seine Freizeit,
seine persönliche Ruhe, seine Familie, ja sein Leben für
die Revolution hingibt, der es aber nie an der Wärme des menschlichen
Kontaktes fehlen läßt.
Auf internationaler Ebene erwarten unsere Partei
Aufgaben von allergrößter Wichtigkeit. Wir sind das erste
sozialistische Land Amerikas, wir sind also ein Beispiel, dem andere
Länder folgen müssen, ein lebender Versuch, der die Bruderparteien
mitreißen soll, eine lebendige, dauernde und vielfältige
Erfahrung, die öffentlich ihre Erfolge und Irrtümer diskutiert.
Auf diese Weise wird unser Beispiel lehrreich nicht nur für
die, die sich professionell dem Marxismus-Leninismus verschrieben
haben, sondern für die Volksmassen Lateinamerikas.
Die "Zweite Deklaration von Havanna" ist ein
Leitfaden für alle Proletarier, Bauern und revolutionäre
Intellektuelle Lateinamerikas; unser eigenes Verhalten wird auch
eine ständige Anleitung sein. Wir müssen uns des Platzes
würdig erweisen, auf dem wir stehen, und während wir arbeiten,
müssen wir konstant an Lateinamerika denken. Wir müssen
die Grundfesten unseres Staates, seine wirtschaftliche Organisation
und seine politische Entwicklung immer weiter zementieren, um -
indem wir uns selbst verändern - immer mehr Völker Lateinamerikas
davon zu überzeugen, daß auch für sie der Sozialismus
möglich ist.
Angesichts der Brutalität der Aggressoren,
eingedenk der Leiden der Völker dürfen wir nicht vergessen,
daß unsere emotionale Anteilnahme sich nicht auf Amerika,
ja nicht einmal auf Amerika und die sozialistischen Länder
beschränken darf. Wir müssen wirklich den proletarischen
Internationalismus praktizieren und so jeden Angriff, jede Beschimpfung,
kurz alles, was gegen die Menschenwürde, gegen das menschliche
Glück - gleichgültig an welchem Ort der Erde - gerichtet
ist, als unsere eigene Schmach empfinden.
Wir Militanten einer neuen Partei, in einem erst
kürzlich befreiten Teil der Welt, unter neuartigen Bedingungen,
müssen stets das gleiche Banner der menschlichen Würde
hochhalten, das José Martí, Vorbild vieler Generationen,
gehißt hat und das noch immer in zeitloser Aktualität
in der Gegenwart Cubas präsent ist: "Ein wirklicher Mensch
muß jeden Schlag am eigenen Leib spüren, der einem anderen
Menschen versetzt wird."
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