W. I. Lenin

Fortsetzung der Aufzeichnungen

Zur Frage der Nationalitäten oder der „Autonomisierung“

(Dezember 1922)


Quelle: W. I. Lenin, Werke (Berlin 1962), Bd. 36, S. 590–596. [1]
Diktiert Dezember 1922.
Veröffentlicht 1956 in der Zeitschrift Kommunist, Nr. 9 und als Broschüre.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.
Vielen Dank an Red Channel, der die Werke gescannt hat.


30. Dezember 1922

Es scheint, ich habe mich vor den Arbeitern Rußlands sehr schuldig gemacht, weil ich mich nicht mit genügender Energie und Schärfe in die ominöse Frage der Autonomisierung [2] eingemischt habe, die offiziell, glaube ich, als Frage der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bezeichnet wird.

Im Sommer, als diese Frage auftauchte, war ich krank, und dann, im Herbst, setzte ich allzu große Hoffnungen auf meine Genesung und darauf, daß es mir auf dem Oktober- und Dezemberplenum [3] möglich sein würde, mich in diese Frage einzuschalten. Indessen konnte ich weder auf dem Oktoberplenum (bei diesem Punkt) noch auf dem Dezemberplenum anwesend sein, so daß diese Frage fast völlig ohne, mich behandelt wurde.

Ich konnte lediglich mit Gen. Dzierzynski sprechen, der vom Kaukasus gekommen war und mir erzählte, wie diese Frage in Georgien steht. Auch mit Gen. Sinowjew konnte ich ein paar Worte wechseln und ihm meine Befürchtungen hinsichtlich dieser Frage mitteilen. Auf Grund dessen, was Gen. Dzierzynski berichtete, der die Kommission leitete, die vom Zentralkomitee mit der „Untersuchung“ des georgischen Zwischenfalls betraut worden war, konnte ich nur die größten Befürchtungen hegen. Wenn es so weit gekommen war, daß Ordshonikidse sich zu physischer Gewaltanwendung hinreißen ließ, wie mir Gen. Dzierzynski mitteilte, so kann man sich vorstellen, in welchem Sumpf wir gelandet sind. Offenbar war dieses ganze Unterfangen mit der „Autonomisierung“ von Grund aus falsch und unzeitgemäß.

Man sagt, die Einheit des Apparats sei nötig gewesen. Woher stammten diese Behauptungen? Doch wohl von demselben russischen Apparat, den wir, wie ich schon in einer früheren Aufzeichnung meines Tagebuchs feststellte, vom Zarismus übernommen und nur ganz leicht mit Sowjetöl gesalbt haben.

Zweifellos hätte man mit dieser Maßnahme so lange warten sollen, bis wir sagen konnten, daß wir uns für unseren Apparat wirklich wie für den eigenen verbürgen. Jetzt aber müssen wir, wenn wir ehrlich sein wollen, umgekehrt sagen, daß wir einen Apparat als eigenen bezeichnen, der uns in Wirklichkeit noch durch und durch fremd ist und ein bürgerlich-zaristisches Gemisch darstellt, das wir beim besten Willen in den fünf Jahren nicht überwinden konnten, in denen uns die Hilfe anderer Länder fehlte und wir uns vorwiegend militärisch „betätigten“ und die Hungersnot bekämpften.

Unter diesen Umständen ist es ganz natürlich, daß sich die „Freiheit des Austritts aus der Union“, mit der wir uns rechtfertigen, als ein wertloser Fetzen Papier herausstellen wird, der völlig ungeeignet ist, die nichtrussischen Einwohner Rußlands vor der Invasion jenes echten Russen zu schützen, des großrussischen Chauvinisten, ja im Grunde Schurken und Gewalttäters, wie es der typische russische Bürokrat ist. Kein Zweifel, daß der verschwindende Prozentsatz sowjetischer und sowjetisierter Arbeiter in diesem Meer des chauvinistischen großrussischen Packs ertrinken wird wie die Fliege in der Milch.

Man sagt zur Verteidigung dieser Maßnahme, die Volkskommissariate, die mit der nationalen Mentalität, dem nationalen Bildungswesen unmittelbar zu tun haben, seien ausgesondert worden. Doch hier ergibt sich die Frage, ob man diese Volkskommissariate völlig aussondern kann, und die zweite Frage, ob wir mit genügender Sorgfalt Maßnahmen getroffen haben, um die Nichtrussen tatsächlich vor dem echt russischen Dershimorda [1*] zu schützen. Ich glaube, wir haben diese Maßnahmen nicht getroffen, obwohl wir sie hätten treffen können und müssen.

Mir scheint, hier haben Stalins Eilfertigkeit und sein Hang zum Administrieren wie auch seine Wut auf den ominösen „Sozialnationalismus“ eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Wut ist in der Politik gewöhnlich überhaupt von größtem Übel.

Ich fürchte auch, daß Gen. Dzierzynski, der nach dem Kaukasus gefahren war, um die „Verbrechen“ dieser „Sozialnationalisten“ zu untersuchen, sich hier ebenfalls nur durch seine echt russische Gesinnung hervorgetan hat (bekanntlich neigen die russifizierten Nichtrussen stets zur Übertreibung, was die echt russische Gesinnung betrifft) und daß die Unvoreingenommeriheit seiner ganzen Kommission durch Ordshonikidses „Handgreiflichkeit“ hinreichend charakterisiert wird. Ich meine, diese russische Handgreiflichkeit läßt sich durch keine Provokation und sogar durch keine Beleidigung rechtfertigen, und Gen. Dzierzynsld hat eine nicht wiedergutzumachende Schuld auf sich geladen, weil er sich leichtfertig zu dieser Handgreiflichkeit verhielt.

Ordshonikidse verkörperte gegenüber allen anderen Bürgern im Kaukasus die Staatsmacht. Ordshonikidse hatte kein Recht zu jener Gereiztheit, auf die er und Dzierzynski sich beriefen. Ordshonikidse war im Gegenteil verpflichtet, eine solche Zurückhaltung zu üben, wie sie kein einziger gewöhnlicher Bürger üben muß, um so weniger einer, der eines „politischen“ Verbrechens angeklagt ist. Und die Sozialnationalisten waren ja, im Grunde genommen, Bürger, die eines politischen Verbrechens angeklagt waren, und die ganzen Umstände konnten diese Anklage nur so und nicht anders qualifizieren.

Hier ergibt sich bereits die wichtige prinzipielle Frage: Wie ist der Internationalismus zu verstehen. [2*]

Lenin

30. XII. 1922
Niederschrift: M. W.


Fortsetzung der Aufzeichnungen

Zur Frage der Nationalitäten oder der „Autonomisierung“
(Fortsetzung)

31. Dezember 1922

Ich habe bereits in meinen Schriften über die nationale Frage geschrieben, daß es nicht angeht, abstrakt die Frage des Nationalismus im allgemeinen zu stellen. Man muß unterscheiden zwischen dem Nationalismus einer unterdrückenden Nation und dem Nationalismus einer unterdrückten Nation, zwischen dem Nationalismus einer großen Nation und dem Nationalismus einer kleinen Nation.

Was die zweite Art von Nationalismus betrifft, so haben wir Angehörigen einer großen Nation uns in der geschichtlichen Praxis fast immer einer Unzahl von Gewalttaten schuldig gemacht, ja mehr als das, unmerklich für uns selbst fügen wir den anderen eine Unzahl von Gewalttaten und Beleidigungen zu – ich brauche mir nur meine Wolgazeit ins Gedächtnis zurückzurufen und mich daran zu erinnern, wie man bei uns die Nichtrussen behandelt, wie man einen Polen nicht anders denn „Polacken“ nennt, jeden Tataren als „Fürsten“ verspottet, den Ukrainer nur beim Spitznamen „Chochol“ ruft, alle Georgier und die Angehörigen anderer kaukasischer Stämme als „Kapkaser“ verhöhnt.

Deshalb muß der Internationalismus seitens der unterdrückenden oder sogenannten „großen“ Nation (obzwar groß nur durch ihre Gewalttaten, groß nur in dem Sinne, wie ein Dershimorda groß ist) darin bestehen, nicht nur die formale Gleichheit der Nationen zu beachten, sondern auch solch eine Ungleichheit anzuerkennen, die seitens der unterdrückenden Nation, der großen Nation, jene Ungleichheit aufwiegt, die sich faktisch im Leben ergibt. Wer das nicht begriffen hat, der hat die wirklich proletarische Einstellung zur nationalen Frage nicht begriffen, der ist im Grunde auf dem Standpunkt des Kleinbürgertums stehengeblieben und muß deshalb unweigerlich ständig zum bürgerlichen Standpunkt abgleiten.

Was ist für den Proletarier wichtig? Für den Proletarier ist nicht nur wichtig, sondern geradezu lebensnotwendig, sich seitens des Nichtrussen ein Maximum von Vertrauen im proletarischen Klassenkampf zu sichern. Was ist dazu nötig? Dazu ist nicht nur die formale Gleichheit nötig. Dazu ist nötig, durch sein Verhalten oder durch seine Zugeständnisse gegenüber dem Nichtrussen so oder anders das Mißtrauen, den Argwohn zu beseitigen, jene Kränkungen aufzuwiegen, die ihm in der geschichtlichen Vergangenheit von der Regierung der „Großmacht“nation zugefügt worden sind.

Ich denke, für Bolschewiki, für Kommunisten ist es überflüssig, das noch weiter und eingehend zu erklären. Und ich glaube, im gegebenen Fall, in dem es sich um die georgische Nation handelt, haben wir ein typisches Beispiel dafür, wo eine wahrhaft proletarische Einstellung größte Vorsicht, Zuvorkommenheit und Nachgiebigkeit unserseits erfordert. Ein Georgier, der sich geringschätzig zu dieser Seite der Sache verhält, der leichtfertig mit Beschuldigungen des „Sozialnationalismus“ um sich wirft (während er selbst ein wahrer und echter „Sozialnationalist“, ja mehr noch, ein brutaler großrussischer Dershimorda ist), ein solcher Georgier verletzt im Grunde genommen die Interessen der proletarischen Klassensolidarität, weil nichts die Entwicklung und Festigung der proletarischen Klassensolidarität so sehr hemmt wie die nationale Ungerechtigkeit und weil die „gekränkten“ nationalen Minderheiten für nichts ein so feines Gefühl haben wie für die Gleichheit und für die Verletzung dieser Gleichheit, sei es auch nur aus Fahrlässigkeit, sei es auch nur im Scherz, für die Verletzung dieser Gleichheit durch ihre Genossen Proletarier. Deshalb ist in diesem Falle ein Zuviel an Entgegenkommen und Nachgiebigkeit gegenüber den nationalen Minderheiten besser als ein Zuwenig. Deshalb erfordert in diesem Falle das grundlegende Interesse der proletarischen Solidarität und folglich auch des proletarischen Klassenkampfes, daß wir uns zur nationalen Frage niemals formal verhalten, sondern stets den obligatorischen Unterschied im Verhalten des Proletariers einer unterdrückten (oder kleinen) Nation zur unterdrückenden (oder großen) Nation berücksichtigen.

Lenin

Niederschrift: M. W.
31. XII. 1922


Fortsetzung der Aufzeichnungen

31. Dezember 1922

Was für praktische Maßnahmen sind nun bei der entstandenen Lage zu ergreifen?

Erstens muß man die Union der Sozialistischen Republiken bestehen lassen und festigen,über diese Maßnahme kann kein Zweifel sein. Wir brauchen sie ebenso wie das kommunistische Weltproletariat für den Kampf gegen die Weltbourgeoisie und für die Verteidigung gegen ihre Intrigen.

Zweitens muß man die Union der Sozialistischen Republiken, was den diplomatischen Apparat betrifft, bestehen lassen. Nebenbei bemerkt, bildet dieser Apparat eine Ausnahme in unserem Staatsapparat. Wir haben dort keine einzige irgendwie einflußreiche Person aus dem alten zaristischen Apparat zugelassen. Der ganze irgendwie maßgebende Apparat besteht dort aus Kommunisten. Deshalb hat sich dieser Apparat schon (das kann man ohne weiteres sagen) den Ruf eines bewährten kommunistischen Apparats erworben, der in unvergleichlich, unermeßlich höherem Maße von dem alten zaristischen, bürgerlichen und kleinbürgerlichen Apparat gesäubert ist als jener, mit dem wir uns in den anderen Volkskommissariaten behelfen müssen.

Drittens muß man Gen. Ordshonikidse exemplarisch bestrafen (ich sage das mit um so größerem Bedauern, als ich persönlich zu seinen Freunden gehöre und im Ausland, in der Emigration mit ihm zusammengearbeitet habe) sowie alle Materialien der Kommission Dzierzynskis nachträglich prüfen bzw. neu untersuchen, um die Unmenge von Unrichtigkeiten und voreingenommenen Urteilen, die es dort zweifellos gibt, zu korrigieren. Politisch verantwortlich für diese ganze wahrhaft großrussisch-nationalistische Kampagne müssen natürlich Stalin und Dzierzynski gemacht werden.

Viertens muß man äußerst strenge Vorschriften hinsichtlich des Gebrauchs der nationalen Sprache in den nichtrussischen Republiken erlassen, die unserer Union angehören, und die Befolgung dieser Vorschriften besonders sorgfältig kontrollieren. Zweifellos werden bei uns, wie unser Apparat heute beschaffen ist, unter dem Vorwand des einheitlichen Eisenbahnbetriebs, unter dem Vorwand des einheitlichen Fiskus usw. eine Menge von Mißbräuchen echt russischer Art Platz greifen. Für den Kampf gegen diese Mißbräuche bedarf es besonderer Findigkeit, ganz zu schweigen von der besonderen Aufrichtigkeit jener, die einen solchen Kampf aufnehmen. Hier ist ein detaillierter Kodex nötig, den nur die Angehörigen der Nation, die in der betreffenden Republik leben, einigermaßen erfolgreich zusammenstellen können. Dabei soll man keinesfalls von vornherein die Möglichkeit ausschließen, daß man auf Grund dieser ganzen Arbeit auf dem nädisten Sowjetkongreß wieder einen Schritt zurück macht, d. h. die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken nur in militärischer und diplomatischer Hinsicht bestehen läßt, in jeder anderen Hinsicht aber die volle Selbständigkeit der einzelnen Volkskommissariate wiederherstellt.

Man muß in Betracht ziehen, daß die Zersplitterung der Volkskommissariate und die fehlende Koordinierung ihrer Arbeit mit Moskau und den anderen Zentren durch die Autorität der Partei ausreichend wettgemacht werden kann, wenn von dieser Autorität einigermaßen umsichtig und unvoreingenommen Gebrauch gemacht wird; der Schaden, der unserem Staat daraus entstehen kann, daß die nationalen Apparate mit dem russischen Apparat nicht vereinigt sind, ist unermeßlich geringer, unendlich geringer als jener Schaden, der nicht nur uns erwächst, sondern auch der ganzen Internationale, den Hunderte Millionen zählenden Völkern Asiens, dem in der nächsten Zukunft bevorsteht, nach uns ins Rampenlicht der Geschichte zu treten. Es wäre unverzeihlicher Opportunismus, wenn wir am Vorabend dieses Auftretens des Ostens, zu Beginn seines Erwachens, die Autorität, die wir dort haben, auch nur durch die kleinste Grobheit und Ungerechtigkeit gegenüber unseren eigenen nichtrussischen Völkern untergraben würden. Eine Sache ist die Notwendigkeit, uns gegen die westlichen Imperialisten zusammenzuschließen, die die kapitalistische Welt verteidigen. Hier kann es keine Zweifel geben, und ich brauche nicht erst zu sagen, daß ich diese Maßnahmen rückhaltlos gutheiße. Eine andere Sache ist es, wenn wir selbst, sei es auch nur in Kleinigkeiten, in imperialistische Beziehungen zu den unterdrückten Völkerschaften hineinschlittern und dadurch unsere ganze prinzipielle Aufrichtigkeit, unsere ganze prinzipielle Verteidigung des Kampfes gegen den Imperialismus völlig untergraben. Denn der morgige Tag der Weltgeschichte wird eben der Tag sein, an dem die vom Imperialismus unterdrückten Völker, die sich schon regen, endgültig erwachen werden, an dem der lange und schwere Entscheidungskampf um ihre Befreiung beginnen wird.

Lenin

31. XII. 1922
Niederschrift: M. W.


Fußnoten

1*. Polizist in Gogols Revisor. Zu deutsch: Halt-die-Schnauze. – Der Übers.

2*. Weiter ist in der stenografischen Aufzeichnung folgender Text gestrichen: „Ich bin der Meinung, daß unsere Genossen in diese wichtige prinzipielle Frage nicht genügend eingedrungen sind.“ – Die Red.



Anmerkungen

1. Den Brief an den Parteitag, bekannt unter der Bezeichnung Testament, diktierte W. I. Lenin in der Zeit vom 23. bis 26. Dezember 1922, die Ergänzung zum Brief vom 24. Dezember 1922 aber am 4. Januar 1923. Dieser Brief, wie auch die darauffolgend veröffentlichten Briefe Über die Ausstattung der Staatlichen Plankommission mit gesetzgeberischen Funktionen und Zur Frage der Nationalitäten oder der „Autonomisierung“ lehnen an die letzten Arbeiten W. I. Lenins an, die programmatische Bedeutung besitzen: Tagebuchblätter, Über das Genossenschaftswesen, Über unsere Revolution (Aus Anlaß der Aufzeichnungen N. Suchanows), Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen (Vorschlag für den XII. Parteitag) und Lieber weniger, aber besser. Diese Arbeiten hatte er im Januar–Februar 1923 diktiert, und sie wurden auch damals in der Prawda veröffentlicht. (Siehe Werke, Bd. 33.)

Die Briefe über innerparteiliche Fragen wurden zu jener Zeit nicht veröffentlicht; der Brief Zur Frage der Nationalitäten oder der „Autonomisierung“ wurde auf einer Beratung der Delegationsleiter des XII. Parteitags im Zusammenhang mit der Erörterung der nationalen Frage verlesen; der Brief Über die Ausstattung der Staatlichen Plankommission mit gesetzgeberischen Funktionen wurde im Juni 1923 an alle Mitglieder und Kandidaten des Politbüros des ZK und an die Präsidiumsmitglieder des Zentralexekutivkomitees geschickt; der Brief an den Parteitag wurde in den Delegationen auf dem XIII. Parteitag der KPR(B) verlesen. 1956 wurden diese Briefe Lenins auf Beschluß des Zentralkomitees der Partei den Delegierten des XX. Parteitags der KPdSU zur Kenntnis gebracht, an die Parteiorganisationen versandt und in der Zeitschrift Kommunist, Nr. 9 veröffentlicht und als Broschüre in Massenauflage herausgegeben.

2. „Autonomisierung“ – der Plan, die Sowjetrepubliken durch ihren Eintritt in die RSFSR auf der Grundlage der Autonomie zu vereinigen. Dieser Plan lag dem „Resolutionsentwurf über die Beziehungen zwischen der RSFSR und den unabhängigen Republiken“ zugrunde, der von J. W. Stalin vorgeschlagen und im September 1922 von einer Kommission des ZK angenommen wurde, die gebildet worden war, um die Frage der weiteren Beziehungen zwischen der RSFSR, der Ukrainischen SSR, der Belorussischen SSR und der Transkaukasischen Föderation für das Plenum des ZK vorzubereiten. In seinem Brief vom 27. September 1922 an die Mitglieder des Politbüros übte W. I. Lenin an diesem Entwurf ernste Kritik. Er schlug eine prinzipiell andere Lösung der Frage vor – den freiwilligen Zusammenschluß aller Sowjetrepubliken, darunter auch der RSFSR, zu einem neuen Staatsgebilde, der Union der Sowjetrepubliken, auf der Grundlage ihrer vollen Gleichberechtigung.

W. I. Lenin schrieb: „... wir betrachten uns und die Ukrainische SSR u. a. als gleichberechtigt, und wir werden zusammen und auf gleichem Fuße mit ihnen der neuen Union, der neuen Föderation beitreten ...“ Die Kommission des ZK arbeitete den Resolutionsentwurf entsprechend den Weisungen W. I. Lenins um. Der neue Entwurf, der von den Leninschen Weisungen ausging, wurde im Oktober 1922 vom Plenum des Zentralkomitees der Partei bestätigt. Auf der Grundlage des ZK-Beschlusses wurde die Vorbereitungsarbeit für die Vereinigung der Republiken entfaltet. Am 30. Dezember 1922 faßte der I. Unionskongreß der Sowjets den historischen Beschluß über die Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.

W. I. Lenin, der größten Wert auf eine richtige nationale Politik und auf die praktische Verwirklichung der Deklaration und des Vertrags legte, die vom Sowjetkongreß angenommen worden waren, diktierte den Brief Zur Frage der Nationalitäten oder der „Autonomisierung“ am 30. und 31. Dezember 1922. W. I. Lenins Brief wurde in einer Sitzung der Leiter der Delegationen zum XII. Parteitag der KPR(B) verlesen, der im April 1923 stattfand. Der Parteitag nahm eine Resolution Zur nationalen Frage an, der die Leninschen Leitsätze zugrunde lagen.

3. Gemeint sind die Plenartagungen des ZK der KPR(B) im Oktober und Dezember 1922. Auf der Tagesordnung der Plenartagungen standen Fragen, die mit der Gründung der UdSSR zusammenhingen.


Zuletzt aktualisiert am 12. April 2017