Paul Levi


Rede auf dem Gründungsparteitag der KPD (Spartakusbund) [1]

(30. Dezember 1918)


Quelle: Paul Levi, Zwischen Spartakus und Sozialdemokratie, Schriften, Aufsätze, Reden und Briefe, Abendroth, Flechtheim und Fetscher (Hrg.), Frankfurt 1969, S.12-19.
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Ich weiß, es ist keine leichte Aufgabe, wenn ich eintrete für die Wahlen zur Nationalversammlung. Ich weiß, daß wir die mißliche Lage selbst verschuldet haben. Wir konnten in der Presse diese Frage nicht ohne Hemmung erörtern, ob Nationalversammlung, ob Rätesystem. Dabei ist in den Hintergrund getreten die Entscheidung, wie wir uns stellen, wenn die Entscheidung für die Nationalversammlung gefallen ist. Die ganze Wucht kommt zum Ausdruck in der Stimmung, die jetzt gegen die Nationalversammlung sich geltend macht ... die zeigen wollen, daß der revolutionäre Geist in der Provinz herrscht und nach Berlin verpflanzt werden müsse, wo man schon beginne, vom rechten Wege abzuweichen. Die Frage muß kühl und ruhig überlegt werden. Die ganze Macht müßte sich stützen auf die Räteregierung gegen die Nationalversammlung. Darin sind wir einig. Das Proletariat ist gezwungen, aus diesem Chaos herauszuschreiten und neue Formen zu schaffen in wirtschaftlicher und politischer Beziehung. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Gedanke der Räteverfassung, kommend aus dem Osten, dem revolutionären Proletariat vorgedacht im Osten, eine faszinierende Gewalt haben mußte auf die Sinne des deutschen Proletariats. Es ist eine Selbstverständlichkeit, das Proletariat ist sich tief bewußt, daß nur auf dem Boden des Rätesystems es kommen kann zu einer wirklichen Erfassung, zu einer wirklichen Ergreifung der politischen Macht im Staate und in der Gesellschaft. Es ist eine Selbstverständlichkeit und jeder stimmt dem zu, daß nur das Gebilde der Räteverfassung jene wunderbare Vereinigung (zustande bringt) [2], in der der Wille und die Tat beieinanderwohnen, in der das Proletariat nicht nur darauf beschränkt ist, durch Vertreter in einem Parlament Stimmen abzugeben und die ganze Exekutive zu überlassen einem eingelernten Stab von Technikern und Beamten, die ihm nur die Möglichkeit gibt, das ganze staatliche und wirtschaftliche Gebilde zu durchdringen mit sozialistischem Geist. Und es ist weiter für uns alle eine Selbstverständlichkeit, nur in dieser Betätigung selbst, nur in dem lebendigen Ergreifen aller staatlichen und wirtschaftlichen Gebilde wächst in dem Proletariat selbst der Gedanke des Sozialismus. Nur in jenem lebendigen Kampf wird auch in ihm der Sinn erweckt, der möglich ist, um das Gefäß des Sozialismus auszufüllen mit einem sozialistischen Geiste. Und, Parteigenossen, weiter. Wenn wir rein theoretisch auch nur eine Minute im Zweifel gewesen wären, ob wir den Vorzug zu geben hätten der Räteverfassung oder der Nationalversammlung, so war die politische Entwicklung in Deutschland die, daß schon sie ohne weiteres Ausschlag geben müßte für das Proletariat. Die Nationalversammlung ist das Panier der Gegenrevolution. Die Nationalversammlung ist gedacht als die Burg, die die Gegenrevolution sich aufbauen will und in die sie sich zurückziehen will mit allen ihren Schranzen; mit Ebert und Scheidemann [3], mit allen ihren Generälen, mit Hindenburg und Gröner, mit allen ihren wirtschaftlichen Mächten, mit Stinnes und Thyssen und den Direktoren der Deutschen Bank, will sie ihre Unterkunft suchen in der Nationalversammlung. Sie braucht die Nationalversammlung, sie wird der Anker sein, an dem sie ihre schwimmenden Boote noch einmal wird können festlegen. Genossen, über alles das sind wir uns vollständig klar. Da ist nicht geringste Differenz zwischen Ihnen und uns. Wir wissen ganz genau, der Weg des Proletariats zum Siege, er kann nur gehen über die Leiche der Nationalversammlung hinweg. Ich gebrauche das Wort der Leiche, obgleich es in Berlin in gewissem Sinne in Mißkredit gekommen ist. Auch über folgendes geben wir uns keinem Zweifel hin. Die Nationalversammlung wird ganz nach Wunsch der Bourgeoisie, ganz nach dem Wunsche ihrer Agenten Ebert und Scheidemann ein gefügiges Instrument in den Händen der Gegenrevolution sein. Es ist kein Zweifel, daß in dieser Nationalversammlung die Vertreter der entschlossenen revolutionären Richtung innerhalb des Proletariats in der Minderheit sich befinden werden. Parteigenossen! Trotzdem schlagen wir Ihnen vor, die Nationalversammlungswahlen nicht beiseite liegen zu lassen. Wir schlagen Ihnen vor, in diese Wahlen zur Nationalversammlung einzutreten mit aller Kraft (Rufe: Niemals! Nein!) Lassen Sie mich ausreden! Sprechen Sie Ihr Niemals! erst am Schluß. Wir schlagen Ihnen vor, in diese Wahlen einzutreten und sie durchzukämpfen mit aller Erbitterung und aller Energie und aller Kampfesfreudigkeit, sage ich Ihnen, die Sie gezeigt haben in jedem Kampfe, um jede Position, die die Gegenrevolution bis jetzt vor Ihnen aufgerichtet hat. (Rufe: Vergeudung von Kraft!) Parteigenossen! Man sagt Vergeudung von Kraft. Ja, der Genosse hat recht. Wenn die Positionen, die die Gegenrevolution vor uns aufrichtet, genommen werden können ohne Kraftaufwand, ohne daß wir sie stürmen, dann hat der Genosse Kahlert recht. Solange die Bourgeoisie nicht bereit ist, das zu tun, so lange wird sie uns den Kampf aufdrängen, so lange sie freiwillig nicht einen Schritt zurückgeht, solange sie kämpft, so lange ist es unsere Aufgabe, den Kampf mit der Bourgeoisie aufzunehmen um jede Position, in der sie sich befindet. (Zwischenruf: Durch die Revolution!) Ihre Einwürfe kommen im wesentlichen alle auf das gleiche hinaus, und Sie gestatten mir vielleicht, die Einwände, die nicht zu fern vom Wege abliegen, im voraus zu erörtern. Sie sagen, der Eintritt in die Nationalversammlung und die Beteiligung zu den Wahlen ist ein unnützer Kräfteaufwand. Denn wenn ich Sie richtig verstehe, soll das heißen, es wird eine richtige Schwatzbude, wie der Reichstag war. Man wird beieinander sitzen, und miteinander reden, schöne Reden halten und dann wieder auseinandergehen, und für die Revolution ist nichts geschehen. Glauben Sie doch nicht, daß dieser Einwand ein so originaler sei, daß wir ihn hier nicht auch erwogen hätten. So weit vom Wege liegt der Einwand nicht ab. Ich bitte Sie, das Folgende zu erwägen: Bedenken Sie die Geschichte des Parlamentarismus des deutschen Reichstags. Worin lag seine Schwäche? Seine Schwäche und die Schwäche der Sozialdemokratie im Reichstag bestand darin, daß sie revolutionär wirken sollte in einem Parlament zu einer Zeit, wo keine revolutionäre Situation bestand. Lesen Sie etwa die Reden von Bebel aus den 90er Jahren, noch aus dem Anfang dieses Jahrhunderts, im deutschen Reichstag. Es sollte Revolution gemacht werden, wo keine war. Man beschränkte sich darauf zu reden und zu prophezeien von der drohenden Revolution, und jener klaffende Widerspruch zwischen einer revolutionären Phraseologie und einer mangelnden revolutionären Situation in der Arbeiterschaft und dem Staate, der mußte im letzten Ende die sozialdemokratische Fraktion in jene äußere Untätigkeit hineintreiben, die wir alle miteinander am deutschen Reichstag verabscheuen. Aber heute, wie ist denn heute die Situation? Ist es denn heute so? Wenn Ihre Vertreter in die Nationalversammlung eintreten, ist es denn so, daß sie nur stehen und von der kommenden Revolution prophezeien? Ist denn die Situation nicht vielmehr die, daß, und wenn es nur zwei Mann sind, die Sie vertreten, sie einmarschieren können in diesen Saal und sprechen können wie jener Gesandte Friedrichs des Großen in London: Hinter mir marschieren die Millionen des deutschen Volkes! Können sie nicht, wenn sie heute eintreten, eine ganz andere, nicht nur moralische, sondern auch physische Gewalt in die Waagschale werfen? Sie sagen, die Proletarier, sie sollen alles tun. Sie sollen mit Handgranaten auf die Straße gehen. Ja, Genossen, schließt denn eines das andere aus? Ist denn nicht, was Sie mir sagen, die notwendige und selbstverständliche Ergänzung einer Aktion im Parlament, das ist ja gerade der Unterschied zwischen dem, was Sie im Parlament sehen und dem, was wir darunter verstehen. Sie sehen im Parlamente immer nur jenes lendenlahme Gebilde, das das Parlament war und sein mußte, solange das Proletariat nicht in einer revolutionären Situation war. Es ist heute ein anderes Ding geworden. Ihre Vertreter würden heute in das Parlament eintreten, nicht zum Reden, nicht zum Schwatzen, nicht zum Verbesserungsanträge-Stellen, nicht um in Kommissionen mit den oder jenen Vertretern zu verhandeln, nicht um hin und her zu lavieren. Sie werden stehen und fechten müssen mit der Androhung der offenen Gewalt, die hinter diesen proletarischen Vertretern steht. (Zwischenruf: Dann hätten wir in der USP bleiben können!) Nein, verehrte Genossen, nein Genossen, das, was uns letzten Endes von der USP trennt und was den Genossen, der den Zwischenruf machte, unterscheidet von uns, das ist ja gerade, daß wir sagen, die USP war nie und nimmer bereit, das Hauptgewicht der revolutionären Opferfreudigkeit, der revolutionären Kraft in die Waagschale zu werfen, daß sie zurückgeschreckt ist vor den letzten Konsequenzen des revolutionären Kampfes, daß sie deswegen auch nicht bereit sein will, jene letzten Konsequenzen und Folgerungen zu ziehen, die gezogen werden müssen und davor wird keiner von uns zurückschrecken. Und ich sage, Parteigenossen, wenn Sie heute der Bourgeoisie die Möglichkeit geben, eine Nationalversammlung zu bilden, zusammenzutreten, und Sie sind fern, welche Möglichkeiten haben Sie? Sie haben die Möglichkeit, mit Waffengewalt zu erscheinen und, wenn es Ihnen gelingt, die Vertreter auseinanderzujagen. Die Möglichkeit steht vor Ihnen. Haben Sie die physische Gewalt, so mag es sein, daß es genügt, daß Sie die physische Gewalt haben in einem Orte, in dem die Nationalversammlung zusammentritt. Und was ist dann geschehen? Dann wird die Nationalversammlung auseinandergejagt sein, und dann wird Ihrer aller glühender Wunsch erfüllt sein. Und sage mir einer: Wird durch dieses Auseinanderjagen in irgendeinem Punkte die reale Macht der Bourgeoisie, die reale Macht der Gegenrevolution gebrochen sein? Ich sage nein! Sie können die Nationalversammlung auseinanderjagen. Sie können vierhundert deutsche Bourgeois verhaften und irgendwo in Sicherheit setzen, und die Konterrevolution wird trotzdem genauso weitermarschieren, wie wenn die vierhundert Mann noch vorhanden wären. Ihre Position ist eine andere. Sie müssen in jede Schanze, die die Bourgeoisie Ihnen aufbaut, eindringen und im zähen Kampfe Mann gegen Mann die Schanze erstürmen. Sie müssen auch in diesem Parlament gegenüber allen Anschlägen kämpfen und wieder kämpfen, und ich sage Ihnen, anders kämpfen als bisher, als mit Reden. Sie müssen auftreten in dem Bewußtsein, daß hinter Ihnen steht die Macht des Proletariats. Nur in diesen Kämpfen, Parteigenossen, können Sie moralisch überwinden den Feind, und nur in diesen Kämpfen wird es so weit kommen, daß, wenn Sie gezwungen sein sollten, physisch ihn zu überwinden, der physische Kampf den Erfolg haben wird, daß die Bourgeoisie in einer Zinne, die sie sich gebaut hat, eine politische Niederlage erleiden wird, die für sie wohl das Ende sein wird. Sie können nun sagen, das ist keine politische Niederlage. Sie können sie im Kampfe überwinden, das ist der Punkt, in dem die Bourgeoisie dauernd ihre Machtposition in Deutschland verliert. In Rußland haben bekanntlich auch die Bolschewiki sich stets an den Wahlen zur Nationalversammlung beteiligt. Die Bolschewiki haben es getan, obgleich sie wußten, daß sie in der Nationalversammlung eine verschwindende Minderheit werden würden. Und erst, als im Laufe der Nationalratswahlen die Situation so wurde, daß objektiv die Nationalversammlung überholt war durch den Zustand, in dem Rußland sich befand, haben sie die Nationalversammlung auseinandergejagt. ([Zwischenruf:] Machen wir sofort!) Sie sagen, das machen Sie sofort. Woher wissen Sie, daß ganz Deutschland heute bereits in einem so vorgeschrittenen Stadium der Revolution ist, wie der Genosse es glaubt? Gewiß, es kann sein.

Wir können es in Berlin machen, in Rheinland-Westfalen sind die Verhältnisse soweit, es kann auch sein in Oberschlesien. Aber sind die drei Bezirke Deutschland? Ich sage nein! Ich sage, hinter dieser Macht, die die Nationalversammlung aufheben will, und in der Auflösung glaubt bekunden zu können den völligen politischen Niederbruch der Bourgeoisie, muß mehr stehen als diese drei Zentren, von denen ich eben sprach, und von denen Sie glauben, daß Sie ein Abbild geben der deutschen Verhältnisse. Die Bolschewiki zu Anfang, als keiner hinter ihnen stand, haben sich an den Wahlen zur Nationalversammlung beteiligt und erst als der Zersetzungsprozeß so weit gediehen war, daß am Schluß der ganzen Kampagne und beim Zusammentritt der Nationalversammlung sie die Macht hinter sich hatten, erst in diesem Moment haben sie sich darauf konzentriert, die Nationalversammlung auseinanderzujagen. Es ist nicht wahr, daß die Russen eine Taktik eingeschlagen hatten, wie die, daß sie von Anfang an gesagt hätten, kommt das Ding zusammen, so jagen wir es auseinander. Im Gegenteil, sie hatten sich vorbereitet, in die Nationalversammlung einzutreten, um dort zu reden und zu handeln. Mir scheint, daß die ganze Auffassung, die obwaltet, doch eine höchst äußerliche und rohe Auffassung ist von den Begriffen Revolution und Konterrevolution, die glaubt, daß man Revolution machen kann, und die glaubt, daß man die Gegenrevolution erwürgen kann, wenn man sich an irgendeinem beliebigen Symptom vergreift. So sind die Dinge nicht. Sie müssen jede Position, in denen die Bourgeoisie Ihnen die Stirn bietet, angreifen. Sie müssen von jeder Position im Wahlkampfe Besitz nehmen. Parteigenossen! Ich bitte Sie doch nur, sich die Folgen vorzustellen, die eintreten würden im Falle der Nichtbeteiligung an den Nationalratswahlen. Ich bitte Sie, folgendes zu bedenken: Der Genosse aus Wilhelmshaven, der so eifrig hier Zwischenrufe macht, bedenke doch, gewiß es kann eine große Schar von Männern geben, die während des ganzen Krieges zu uns gehalten haben. Es mag sein, daß sie den Boykott der Wahlen verstünden. Aber denken Sie doch an die ungeheure Schar, die jetzt zum ersten Mal sich an den Wahlen beteiligt, sei es, daß sie zum ersten Mal durch die Revolution hineingerissen sind in den Strudel der politischen Betätigung, sei es jene ungeheure Schar von Jugendlichen und Frauen, die jetzt zum ersten Mal das Wahlrecht in die Hand bekommen. Wenn Sie jetzt die Parole für Boykott der Wahlen ausgeben, so wird es Ihnen nie und nimmer gelingen, jene gewaltigen Scharen, die innerlich mit uns sympathisieren, die innerlich mit uns stehen und die wir in kurzer Zeit mit uns verbinden könnten, sie werden beiseite stehen. Und wir werden, Gen. Rühle [4], keinen Humbug mit ihnen treiben sondern wir werden sie treiben in das Lager derer, wo wirklich Humbug mit ihnen getrieben wird. Das wird der Erfolg der ganzen Taktik sein. Und Genossen, Sie scheinen ja im wesentlichen Ihre Meinung schon gebildet zu haben. Ich möchte Ihnen nur ernstlich einmal folgendes vorstellen und Sie bitten, nicht aus von Zuhause mitgebrachten, vorgefaßten Meinungen zu entscheiden. Die Frage ist zu ernst. Wir sehen alle die Situation so an, daß an der Entscheidung dieser Frage für Monate hinaus das Schicksal unserer Bewegung sich entscheiden kann. Wir bestehen durchaus auf der tiefen und entscheidenden Bedeutung dieser Frage. Wir verkennen nicht, Parteigenossen, werden Sie die Frage in anderem Sinne entscheiden als wir, die deutsche Revolution wird daran nicht sterben, das ist selbstverständlich. Sie werden auf lange Zeit hinaus unsere Bewegung lahmen. Denn denken Sie doch nur an folgende Situation. Die Nationalversammlung wird zusammentreten. Sie wird, und das können Sie nicht verhindern, auf Monate hinaus vielleicht das gesamte politische Bild Deutschlands beherrschen. Sie wird im Zentrum der deutschen politischen Bewegung stehen. Sie werden nicht verhindern können, daß alle Augen darauf schauen, sie werden nicht verhindern können, daß selbst Ihre besten Anhänger sich orientieren, sich informieren, zusehen müssen, was geht in der Nationalversammlung vor? Sie wird in das Bewußtsein der deutschen Proletarier eintreten, und gegenüber dieser Tatsache wollen Sie draußen stehen und von draußen wirken? Parteigenossen! Sie wollen die Nationalversammlung auflösen. Was glauben Sie, wenn etwa die Nationalversammlung tagt an einem Orte wie Schilda. (Zwischenruf: Dann ist sie von selbst gerichtet!) Von selbst richtet sich kein Ding, das noch eine so gewaltige Macht repräsentiert wie die deutsche Bourgeoisie. Die deutsche Bourgeoisie konstituiert sich, faßt ihre ganze Macht zusammen, schafft sich ein Organ, um noch einmal die Revolution zu unterdrücken, und da kommen Sie und sagen, das richtet sich von selbst. Das richtet sich nicht von selbst. Es ist unsere Pflicht, in jenes Gebäude einzudringen, es ist unsere Pflicht, die Feuerbrände zu werfen in diese Schanzen, unsere Pflicht, auch so weit den Kampf aufzunehmen, wie wir ihn aufnehmen würden in jeder anderen Situation, wo die Bourgeoisie uns die Stirne bietet. Es kommt auf nichts anderes heraus als darauf, da, wo die Bourgeoisie sich aufbaut, wo sie noch einmal alle Kräfte zusammenballt, noch einmal bereit ist, den Kampf aufzunehmen, da sagen Sie, wir machen da nicht mit? Und ich sage Ihnen, Sie werden mit dieser Entscheidung sich selbst und unserer Bewegung den größten Schaden zufügen.


Anmerkungen

1. Paul Levi hielt diese Rede als erster Sprecher in der Nachmittagssitzung des 30. Dezember 1918 zur Begründung des Antrags auf Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung. Der Antrag, der von der Kerngruppe (unter Führung von Rosa Luxemburg) eingebracht worden war, wurde von den Utopisten und Anarchosyndikalisten, die den Parteitag beherrschten, mit einem Stimmverhältnis von 62 zu 23 Stimmen abgelehnt. Der Text folgt einer Abschrift, die in der „Library for Political Studies“, New York, aufbewahrt wird.

2. Sinngemäß ergänzt, fehlt im Original.

3. Scheidemann, Philipp (1863-1939), Journalist, SPD-MdR seit 1903, 1918 Mitglied der Regierung der Volksbeauftragten, Februar-Juni 1919 Reichsministerpräsident.

4. Ruehle, Otto (1874-1943), Leiter der Gruppe „Internationale Kommunisten Deutschlands“, Mitbegründer der KPD, in der er dem linken Flügel angehörte.


Zuletzt aktualisiert am 9.8.2008