MIA > Deutsch > Marxisten > K. Liebknecht > Militarismus u. Antimilitarismus
Die antimilitaristische Bewegung in den außerdeutschen kapitalistischen lindern ißt meist eine lebhafte, mehrfach eine sehr starke. Das gilt in erster Linie von den romanischen Ländern, von Belgien, Frankreich und Italien, nicht minder aber, wenn auch erst in neuerer Zeit und unter wesentlich andern Bedingungen, auch von Österreich, der Schweiz und den skandinavischen Ländern, selbst von Holland, obwohl es nur mäßige Ansätze von Militarismus hat.
In Belgien ist die besondere antimilitaristische Propaganda etwa seit dem Jahre 1886 aufgekommen, in dem das Militär, wie oben geschildert, in großem Umfang bei Streiks eingriff. Nachdem zunächst in Flugblättern die Soldaten an ihre Pflichten gegenüber ihren Arbeitsbrüdern erinnert worden waren [1], wurden zwei antimilitaristische Blätter, Le Conscrit und La Caserne (Der Ausgehobene und Die Kaserne) [2], gegründet, von denen das erstere stets im Januar (vor der im Februar stattfindenden Losziehung) und das zweite im September (vor der am 1. Oktober stattfindenden Einberufung) erscheint, und zwar beide französisch und flämisch (als De Loteling und De Kazerne). [3] Im Jahre 1896 übertrug de. Partei die Herausgabe beider Zeitungen der 1894 geschaffenen Nationalföderation der Jungen Garden [4], allerdings unter Kontrolle der Parteileitung, in die übrigens seit 1896/1897 auch die Nationalföderation der Jungen Garden ihre Delegierten entsendet. Die Jungen Garden, von denen einzelne bereite Mitte der achtziger Jahre in Brüssel entstanden waren, wurden 1895/1894 in erster Linie gegründet zur Wahlhilfe und als Träger der besonderen anti-militaristischen Propaganda. Seit dem Jahre 1902 veränderte sich dies. Die durch den mißlungenen zweiten Generalstreik herbeigeführte Ernüchterung drängte zu vorsichtiger, langsamer Arbeit, tu einer intensiveren Pflege der Wurzeln aller Organisation und Propaganda. Die Zwecke der Jugendorganisationen wurden erweitert und die Förderung der Bildung, zweifellos die solideste oder besser die grundlegende Art der antimilitaristischen Propaganda, in den Vordergrund gestellt. So verführerisch es auch sein mag, es ist hier unmöglich, auf die Geschichte der belgischen Jugendorganisationen, die aufs engste mit dem Antimilitarismus verknüpft ist, einzugehen. [5]
Nur einige Striche seien erlaubt: Seit 1896 erschien in Brüssel die antimilitaristisch gerichtete Avant-Garde als Monatsorgan der Studierenden und der Jungen Garden; seit 1900 ebenfalls in Brüssel der Antimilitariste als Monatsorgan der Nationalföderation der Jungen Garden.[6] Seit 1905 gab die letztere monatlich die illustrierte Bildungszeitschrift La Jeunesse Socialiste (Die Sozialistische Jugend) heraus, an deren Stelle im Januar 1907 die jetzt in den Händen der wallonischen Föderation von Hainaut und Namur liegende, seit Januar 1906 in Charleroi erscheinende Monatszeitschrift La Jeunesse c’est l’Avenir [7] (Die Jugend ist die Zukunft) treten wird. [8] Beide waren und sind mit antimilitaristischen Agitationsstoffe gefüllt. Das gleiche gilt von dem flämischen De Zaaier (Der Sämann), einer seit 1905 im Auftrag der Nationalföderation von der Jongen Wacht Antwerpen, herausgegebenen illustrierten Monatsschrift, die seit 1906 mit der allgemeinen flämischen Parteizeitschrift De Waarheid (seit 1902 in Geizt erscheinend) zusammengeschmolzen ist, aber noch einen besonderen Teil diener Zeitschrift mit dem Untertitel De Zaaier bildet. De Waarheid hat eine Auflage von 3.000, La Jeunesse c’est l’Avenir von 5.000.
Lebhaft beteiligen mich literarisch und speziell antimilitaristisch auch einzelne Lokalorganisationen der Jungen Garden, vor allem die Jongen Wachten von Antwerpen und Gent. Die erstere ließ zum Beispiel 1900 die Zeitung De Bloedwet (Das Blutgesetz) zur Agitation unter den zur Fahne einberufenen Mannschaften (also zu gleichem Zweck wie Die Kaserne) erscheinen, ferner seit dem 1. Mai 1901 die Halbmonatsschrift Ontwapening (Abrustung) und schließlich seit 1905 De Vrijheid (Die Freiheit), sinnlich der antimilitaristischen Aufklärung mit Eifer und Geschick obliegend. Daneben werden hektographierte Bulletin. herausgegeben. Natürlich arbeiten die Jungen Garden auch eifrig mit Flugblättern und meist illustrierten Plakaten [9], die sich bald an die ganze Arbeiterjugend, bald speziell an die Ausgehobenen und die Soldaten wenden. Auch eine reiche Broschürenliteratur liegt vor. Sehr billige Postkarten mit antimilitaristischem, meist illustriertem Inhalt werden in großen Mengen vertrieben.
In Belgien wird mehr als die Hälfte der waffenfähigen jungen Leute freigelost. Jährlich werden etwa 15.000 Mann ausgehoben. Le Conscrit und La Caserne erscheinen flämisch und wallonisch zusammen in der Regel in Auflagen von je 60.000. [10] Sie werden den Rekruten, deren Adressen leicht beschafft werden, gewöhnlich speziell zugesandt; auch sonst wird unter den so bekannt gewordenen Rekruten persönliche Propaganda getrieben.
Im Januar und September finden regelmäßig Versammlungen für Rekruten, Rekrutenfeste, Umzüge und Demonstrationen aller Art statt.
Die Fühlung mit den eingezogenen Proletariern geht nicht verloren. In einigen Garden ist ein militärisches Unterstützungswesen eingerichtet: Je nach der Dauer der Zugehörigkeit zu den Garden und der Höhe der dort geleisteten Beiträge wird den eingezogenen Mitgliedern der Jungen Garden während ihrer Dienstzeit ein Zuschuß gegeben, für den diese Mitglieder wiederum verpflichtet sind, regelmäßige Berichte über ihre wesentlichen Kasernenerlebnisse zu senden. Auch persönlich bleiben die eingezogenen Mitglieder in Verbindung mit den Garden, und zwar wird diese Verbindung, wenn das betreffende Mitglied nicht an dem Orte der besonderen Organisation, der es angehört, verbleibt, mit derjenigen Organisation angeknüpft, die sich an dem Garnisonsorte des Mitgliedes befindet. Auf Einzelheiten kann hier aus begreiflichen Gründen nicht eingegangen werden.
Die Agitation in den Kasernen spielt in Belgien eine bedeutsame Rolle. Es existieren gegenwärtig etwa 15 Soldatenorganisationen (Soldatenbünde), die miteinander in Verbindung stehen. Natürlich sucht man den gefährlichen Brand mit allen Mitteln zu ersticken. Sooft sie aber auch gewaltsam unterdrückt wurden, stets wuchsen sie aus lebenskräftigen Wurzeln, die viel zu tief liegen, als daß sie ausgerottet werden könnten, wieder frisch empor. Zeitweilig waren in einem Regiment zwei Drittel aller Mannschaften organisiert. Die Bünde stehen zum Teil der sozialdemokratischen Partei sehr nahe.
Propagandaliteratur wird in großen Massen in die Kasernen gebracht und auf den Straßen und in öffentlichen Lokalen an die Soldaten verteilt. Soldatenversammlungen werden abgehalten. Zahlreiche antimilitaristische Soldatenlieder sind weit verbreitet.
Natürlich betreibt auch die Partei selbst laufend antimilitaristische Agitation; und die Frauen und Mädchen wirken bei ihr, besondere die Jungen Garden bei der Kasernenagitation unterstützend, lebhaft und erfolgreich mit. Bemerkenswert ist noch die 1896 bereits in mehreren Auflagen erschienene Broschüre Le catéchisme du conscrit (Rekrutenkatechismus), die mit dem Manuel du soldat Frankreichs Ähnlichkeit besitzt und auch wie dieser Gegenstand hitziger krimineller Verfolgungen wurde.
Die Verfolgung der antimilitaristischen Propaganda ist eine harte. Freilich kann man diese Charakteristik nur aufrechterhalten, wenn man von den im allgemeinen fortgeschrittenen politischen Zuständen Belgiens ausgeht. 1886 wurde Anseele wegen eins im Vooruit abgedruckten Aufrufs an die Mütter, ihre Söhne so zu erziehen, daß sie nicht auf das Volk schießen würden, mit sechs Monaten Gefängnis bestraft. Le Conscrit und La Caserne werden unausgesetzt angeklagt. Seit ihrem Bestehen sind um ihretwillen fast alljährlich ernste Verurteilungen erfolgt, natürlich auch seitdem diese beiden Organe von den Jungen Garden herausgegeben werden. Hier machte den Beginn der Prozeß gegen Le Conscrit aus dem Jahre 1897, bei dem zwei Genossen je sechs Monate Gefängnis zudiktiert erhielten. 1904 wurde Coenen, der Sekretär der Nationalföderation der Jungen Garden, mit fünf andern wegen eines Plakataufrufs an die Rekruten vor die Geschworenen von Brabant gezogen; ein Gleiches geschah bald darauf mit Coenen allein wegen eines Artikels in La Caserne, indessen erfolgte Freispruch. [11] Auch die Verurteilungen Troclets aus der Mitte der neunziger Jahre wegen Le catéchisme du conscrit verdienen besondere Erwähnung.
Die Hauptdelikte, wegen deren die Bestrafung einzutreten pflegt, sind: Aufforderung zur Gehorsamsverweigerung. Beleidigung des Heeres (mit einer Minimalstrafe von sechs Monaten Gefängnis!) und schließlich die berühmte atteinte à la force obligatoire des bis (Angriff gegen die bindende Kraft der Gesetze), wo beim Komplott von mehr als fünf Personen die Strafe verdoppelt wird. Alljährlich werden durchschnittlich zwei bis drei Jahre Gefängnis verhängt. Im Jahre 1903 wurde der Nationalsekretär der Föderation zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Allerdings endet immerhin noch die Hälfte der Anklagen mit Freisprechung. Die Strafvollstreckung ist hart; zwischen Politischen und Unpolitischen wird grundsätzlich kein Unterschied gemacht.
Grausam, freilich wiederum nur am belgischen Maßstab gemessen, wird gegen die antimilitaristischen Soldaten eingeschritten. Korrektionshaft von zwei bis fünf Jahren bedroht die Ketzer gegen den Militarismus; und die Korrektion ist sehr hart. Bei dem geringsten Verstoß wird die mittelalterlich-barbarische Disziplinarstrafe des Cachot verhängt. Die Häftlinge liegen in Eisen, bei Wasser und Brot, ohne Feuer. Die Zellen sind über dem Wasser angebracht, feucht, im Winter geradezu tödlich. Zudem sind Mißhandlungen schlimmster Art durch die als Gefangenenwärter fungierenden Unteroffiziere, für die dieser Dienst auch als Disziplinarstrafe verhängt wird, an der Tagesordnung.
Welchen Umfang dennoch die antimilitaristische Propaganda in Belgien angenommen hat daß sie trotz Feuer und Schwert fast einen vollständigen Erfolg zu verzeichnen hat, ist an anderer Stelle geschildert. In dem kritischen Jahre 1902 war die ganze Bevölkerung so stark an der Propaganda interessiert, daß die Offiziere, die die offen betriebene Agitation unter den Soldaten auf der Straße verhindern wollten, vielfach tätlich angegriffen wurden.
Nicht unerwähnt seien auch die Groupes des Anciens Militaires (Vereinigungen ehemaliger Soldaten), die früher als Nationalföderation organisiert waren, jetzt in Lokalorganisationen gut gedeihen, eine Zeitung herausgeben und die antimilitaristische Propaganda unter der Reserve und der Landwehr sowie die Gegenagitation gegen die bürgerlichen Kriegervereine zur Hauptaufgabe haben.
Nun noch einige Worte zum taktischen Standpunkt der belgischen Sozialdemokratie zum Militarismus.
Über die Stellung zum Kriege, vor allem die Taktik beim Ausbruch eines Krieges, besteht keine Einmütigkeit. Nur drei Tatsachen seien erwähnt:
Der Genter Parteikongreß von 1893 spendete einem Telegramm der Anciens Soldats von Amsterdam begeisterte Zustimmung, das der Erwartung Ausdruck gab, der Kongreß werde entsprechend dem Vorschlag der holländischen Sozialisten den Militärstreik für den Fall dem Kriege, billigen. Der Kongreß von Louvain im Jahre 1899 erklärte auf Vorschlag de Winnes schlechthin die Propaganda für den Sozialismus als das beste Mittel, die Rüstungen zu bekämpfen und den Weltfrieden herbeizuführen. Im Jahre 1905 beschloß die sozialistische Föderation des Arrondissements von Charleroi, zur Verhinderung des Krieges sei erforderlich:
Auch die Geschichte der Jungen Garden gewährt hier einen interessanten Einblick. Ihr Kongreß von 1897 beschloß unter anderem, die sozialistischen Parteien der andern Länder zu veranlassen, ihre Jugend international und antimilitaristisch zu organisieren, um so den Krieg unmöglich zu machen. Wichtig waren die Verhandlungen auf dein Brüsseler Kongreß von 1903. Zwei Ansichten standen sich scharf und fast gleich stark gegenüber. Die eine, besonders von de Man etwa mit der Hervéschen Argumentation lebhaft verteidigte, gipfelte in dem Vorschlag der Militärstreiks (der kollektiven Dienstverweigerung), des Generalstreiks und der revolutionären Agitation für den Fall eines Krieges. Die andre, von Troclet und Fischer, schloß sich schlechthin den Beschlüssen der internationalen Kongresse an. Die Resolution Troclet-Fischer wurde mit 17 gegen 15 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. [12] – Auf dem Genter Kongreß vom Januar 1906 wurde eine scharfe Scheidung gegenüber der anarchistischen Taktik vollzogen und besonders die individuelle Dienstverweigerung verworfen. Eine von de Man vorgeschlagene Motion bezeichnet als Mittel, den herrschenden Klassen das Machtmittel des Heeres zu entreißen, die Erweckung des proletarischen Klassenbewußtseins unter den Soldaten. Ein anderer Antrag de Mans charakterisierte die Armee in ihrer Rolle gegenüber dem inneren Feind. Den Soldaten wurde im Interesse der antimilitaristischen Agitation eine möglichst gute Führung anempfohlen. Damit waren, die anarchistischen Schlacken ausgeschieden und die Eierschalen der Unklarheit abgestreift.
In Frankreich ist die antimilitaristische Propaganda alten Datums und sehr lebhaft, aber weder so einheitlich organisiert noch von so gleichartiger Tendenz wie in Belgien.
Im Jahre 1894 beschloß der XII. Kongreß der sozialistisch-revolutionären Arbeiterpartei (POSR) von Dijon eine besonders beachtenswerte Motion gegen den Militarismus in beiderlei Gestalt, in der die Schäden des Militarismus und seine Gemeingefährlichkeit für das Proletariat scharf hervorgehoben wurden. Am Schluß hieß es: „In Friedenszeiten dient das stehende Heer als Polizeitruppe und Schießmaschine; sie erstickt die Kämpfe der Berg- und Fabrikarbeiter um ihre Rechte im Blute. Und in stumpfsinniger Wut stürzt sich der proletarische Soldat auf seine streikenden Brüder.“
Neben dem sozialdemokratischen entwickelte sich der anarchistische und, als spezifisch französische (freilich später auch auf Italien und selbst die Schweiz reflektierte) Eigentümlichkeit, der antipatriotisch-sozialistische Antimilitarismus.
Der ganz- und halbanarchistische Antimilitarismus fand seine Hauptstützen in der Wochenschrift Les Temps Nouveaux (Die Neuen Zeiten) und ihren zahlreichen, oft sehr geschickten Publikationen, die, ebenso wie die Wochenschrift selbst, meist auf einem immerhin proletarischen Standpunkt stehen, wertvolles Material bringen und neben Männern wie Kropotkin auch syndikalistische Mitarbeiter (besonders P. Delesalle) zählen. Dazu kommen die Publikationen des individualistischen Libertaire. Französische Anarchisten waren es auch, die 1902 die später zu schildernde internationale antimilitaristische Föderation anregten und etwas früher die Ligue Internationak pour la Défense du Soldat (Internationale Liga zum Schutze des Soldaten) mit dem Sitz in Paris ins Leben riefen. Die leitenden Köpfe dieser – wohl inzwischen entschlafenen – Liga waren die Anarchisten Janvion, Malato, ferner der Redakteur der radikalen l’Aurore , Georges Lhermite, und Urbain Gohier. Ihr Programm ging auf – Beseitigung der stehenden Heere, Abschaffung der Militärjustiz und materielle Besser- und Sicherstellung der Soldaten; ihre Aktion überschritt dieses Programm jedoch bei weitem. Die von ihr herausgegebenen, oft wirksam illustrierten Ansichtskarten, Flugblätter und Affichen wiederholen die Parole „A bas la justice militaire!“ („Nieder mit der Militärjustiz!“) unablässig, nicht minder aber die Rufe: „Nieder mit dem Krieg!“, „Nieder mit dem Militarismus!“, „Es lebe der Völkerfrieden!“ Sie dürften nie über die Grenzen Frankreichs hinausgegangen sein.
Die Agitation für individuelle und kollektive Dienstverweigerung und Desertion nimmt in der Propaganda dieser Richtung. die natürlich auch nichts weniger als einheitlich ist, einen großen Umfang ein. Der gegenüber einem Krieg zu inszenierende Militärstreik soll nach Kropotkin [13] nicht rein passiv sein, sondern Hand in Hand gehen mit der sozialen Revolution und der Verteidigung der Revolution gegen den äußeren Feind, womit der Haupteinwand gegen den Antipatriotismus oder, wie ihn die Temps Nouveaux nennen: Antinationalismus widerlegt werden soll. Bekannt ist, daß der terroristische Anarchist Emile Henry im August 1892 zu Carmaux seine berüchtigte Bombe schleuderte, um durch dieses Menetekel in, damaligen Bergarbeiterstreik eine Wiederholung der vorjährigen Schlächterei von Fourmies zu verhindern. [14]
Der antipatriotisch-sozialistische Antimilitarismus, der mancherlei anarchistelnde Züge aufweist [15], wird getragen einerseits innerhalb der jetzt geeinten sozialistischen Arbeiterpartei von der Föderation der übrigens fast völlig landwirtschaftlichen [16] Yonne [17], andererseits von einer starken Strömung innerhalb der antiparlamentarischen Gewerkschaften, bei denen der Antipatriotismus indessen ganz logisch gegenüber dem Kampf gegen den „Militarismus nach innen“, dem grausamsten und mächtigsten Feind der streikenden Arbeiterschaft, zurücktritt.
Seit 1901 geben die Jeunesses Socialistes, die sozialistischen Jugendorganisationen der Yonne, auf einen 1900 gefaßten Beschluß hin die ursprünglich halbjährlich, dann vierteljährlich erscheinende Zeitung Pioupiou [18] de l’Yonne, wie die ersten Nummern an ihrer Spitze noch ausdrücklich betonten: für die zum Regiment Einberufenen, heraus. Gegen den Pioupiou, der allen Ausgehobenen des Departements gratis übersandt wurde, entfesselte sich sofort die heftigste Hetze aller „staatserhaltenden“ Elemente. Es regnete gerichtliche Verfolgungen, die indessen regelmäßig mit Freispruch endeten [19], obwohl in schärfster Weise zum Ungehorsam gegen den Befehl, Waffengewalt gegen Streikende anzuwenden, aufgefordert wurde. Der 1905 jedenfalls noch von Moneret herausgegebene Pioupiou stand unter dem entscheidenden Einfluß Hervés, der neben Yvetot der leitende Kopf und Organisator des antipatriotischen Antimilitarismus war und ist, der in seinem Werke Leur Patrie eine ausführliche und geschickte Begründung und Formulierung seiner Ideen gegeben hat und seit Mitte Dezember 1906 in Paris die dem Antimilitarismus energisch dienende Wochenzeitung La Guerre Sociale (Der Klassenkampf) erscheinen läßt. Er kennt gegenüber jedem Krieg, möge er entstanden sein, wie er wolle, nur die eine Losung: „Plutôt l’insurrection que la guerre“ („Eher Aufstand als Krieg“) und greift die Haltung der führenden deutschen Sozialdemokraten zur Frage der Angriffskriege aufs heftigste an. [20] Er ist weit entfernt, die individuelle Dienstverweigerung zu empfehlen. Der Kampf gegen den inneren Militarismus tritt bei ihm etwas in den Hintergrund. Wir haben uns an anderer Stelle mit dem Hervéismus, der seinen Kampf mit anerkennenswerter Opferbereitschaft und Zähigkeit führt, auseinanderzusetzen.
Für die Form der Hervéschen Propaganda ist immerhin ein Vorgang vom 30. September 1906 charakteristisch. An diesem Tage fanden sich Hervé und eine Schar seiner Anhänger bei einem von der republikanischen Jugend des 3. Arrondissement und der französischen Unterrichtsliga zu Ehren der zum Militärdienst Einberufenen veranstalteten Fest im Trocadéro ein und demonstrierten gegen die patriotisch-militärische Veranstaltung, so daß es zu Zusammenstößen mit der Polizei und zu Verhaftungen kam.
Über den antipatriotischen Antimilitarismus der Gewerkschaften gibt der für die Confédération Générale du Travail dem Dubliner Kongreß der Gewerkschaftssekretäre 1903 vorgelegte Bericht, der im strikten Gegensatz zum Hervéismus die selbständige Bedeutung des „Militarismus nach außen“ einseitig unterschätzt, einen guten Überblick.
In diesem Bericht werden die Methoden der antimilitaristischen Erziehungsarbeit eingeteilt in:
Der Manuel du soldat wurde auf Beschluß des Gewerkschaftskongresses zu Algier vom 15. September 1902 von der Föderation der Arbeitsbörsen herausgegeben; er erschien bereits 1902 in zweiter Auflage und wurde auch 1905 wieder aufgelegt. Er gipfelt in der Aufforderung an die Ausgehobenen, zu desertieren oder in den Kasernen antimilitaristisch zu agitieren, und in der Aufforderung an die aktiven Mannschaften, auf den inneren Feind“, ihre Arbeitsbrüder, auch wenn es ihnen befohlen wird, nicht zu schießen.
Erwähnt sei hier noch das frühere Organ La Lutte Sociale (Der Klassenkampf) der sozialistisch-revolutionären Arbeiterpartei, das für die Union Fédéative du Centre von Allemane und Hervé, zuletzt wohl 1904, herausgegeben wurde und sich auch der antimilitaristischen Propaganda widmete.
Im Jahre 1905 wurde von Sozialisten und Syndikalisten gemeinschaftlich [21] jenes rote Plakat verbreitet, das den Soldaten ans Herz legte, sich ihrer Waffen nicht gegen das Proletariat zu bedienen und bei einem Befehl hierzu lieber die Waffen auf die kommandierenden Offiziere als auf ihre Klassengenossen zu richten.
Die antimilitaristische Propaganda bildet schließlich auch eine Hauptaufgabe der französischen Jugendorganisationen, von denen bis zum Jahre 1903 jede der drei französischen Parteien ihre besondere besaß (Jeunesse Socialiste). Seit dem Jahre 1902 traten noch die von den revolutionären Gewerkschaften geförderten Jeunesses Syndicalistes hinzu. Sie befinden sich jetzt wohl in einem chaotischen Zustand.
Die Tätigkeit der Jugendorganisation der Yonne ist oben berührt. Als Organ der Gruppen der sozialistisch-revolutionären Jugend erschien seit 1900 in Paris der auch 1906 herausgegebene Conscrit, als Organ der Union Fédérative des Jeunesses Socialistes du Parti Ouvrier (des Föderativverbandes der sozialistischen Jugend der Arbeiterpartei) die Zeitung La Feuille du Soldat (Das Blatt des Soldaten). Beide rufen die Proletarier im Waffenrock zu ihren Pflichten gegen ihre Klassengenossen auf. La Feuille du Soldat fordert unverblümt Gehorsamsverweigerung gegenüber dem Kommando zum Waffengebrauch gegen die Arbeiterschaft und Beteiligung an dem etwa zu proklamierenden Generalstreik. Le Conscrit verwirft die individuelle Revolte mit besonderem Nachdruck als zwecklos.
Auf dem französischen Gewerkschaftskongreß zu Amiens vom Oktober 1906 konnte Delesalle mit Recht darauf hinweisen, daß sich die früheren Gewerkschaftskongresse für die antimilitaristische und antipatriotische Propaganda ausgesprochen hätten, und mitteilen, daß sie im Komitee einstimmig beschlossen worden sei. Auf dem gleichen Kongreß wurde, allerdings gegen eine beträchtliche Minderheit, eine Tagesordnung Yvetot angenommen, die eine Verstärkung der antimilitaristischen und antipatriotischen Agitation empfiehlt, wobei sich die Minderheit, wie deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, nicht gegen den Antimilitarismus oder seine verstärkte Propaganda, sondern ausschließlich gegen die Betonung der antipatriotischen Propaganda wandte. Dies ergab auch der Verlauf des im November 1906 zu Limoges abgehaltenen Parteitags der geeinigten sozialistischen Partei Frankreichs. Die Hervésche Resolution, eingebracht von der Föderation der Yonne, die nach einer Formulierung des antipatriotischen Standpunktes die Genossen auffordert, jede Kriegserklärung, komme sie von welcher Seite sie wolle, mit dem Militärstreik und der Insurrektion zu beantworten, erhielt nur eine geringe Stimmenzahl. Aber die von Guesde eingebrachte Resolution, die den organisch-kapitalistischen Charakter des Militarismus betont, als einzig mögliche antimilitaristische Propaganda die allgemeine sozialdemokratische Propaganda betrachtet und als nächste Forderung die Verkürzung der Dienstzeit, die Versagung der militärischen Kredite und die Einführung der Volksbewaffnung aufstellt, unterlag nicht minder, wenn auch mit einer dreifach größeren Minorität. Annahme fand die von Vaillant vertretene Resolution der Seine-Föderation, die unter Bestätigung des prinzipiellen Standpunktes der internationalen Kongresse die Vorbereitung einer internationalen Aktion zur Verhinderung jedes Krieges fordert und jede Form der Aktion, von der parlamentarischen Intervention und der öffentlichen Agitation und Demonstration an bis zum Generalstreik und zur Insurrektion, je nach den Bedürfnissen der Lage, zur Pflicht macht. – Anfang 1906 hatte Vaillant bekanntlich in Le Socialiste aus Anlaß des Marokkokonflikts seine berühmte Proklamation gegen den Krieg erlassen, die in dem Rufe gipfelte: „Plutôt l’insurrection que la guerre!“
Über den Militarismus gegenüber dem inneren Feind ist kein Beschluß gefaßt. Die Stellungnahme der französischen Sozialdemokratie hierzu ist indes aus zahlreichen andern Kundgebungen ersichtlich. Die Parole lautet hier: Aufforderung an die Soldaten zur Gehorsamsverweigerung bei Verwendung gegen Streiks, gegen die Arbeiterschaft. Wenn im Manuel du soldat den Soldaten zugerufen wird: „Wenn man versuchen sollte, Euch zu Mördern zu machen, so ist es Eure Pflicht, den Gehorsam zu verweigern! Wenn man Euch gegen Streiks schickt, so werdet Ihr nicht schießen!“, so ist dieses berühmte „Vous ne tirerez pas“, das Genosse Meslier beim großen Autimilitaristenprozeß vom Dezember 1905 auch vor Gericht zu dem seinigen machte, nur ein Widerhall des allgemeinen Ruf es der klassenbewußten Arbeiterschaft Frankreichs, mag sie sich nun syndikalistisch oder sozialistisch nennen.
Der schon genannte, 1905 von Syndikalisten und Sozialisten gemeinschaftlich erlassene Aufruf an die ausgehobenen Mannschaften, sich ihrer Waffen gegen die Arbeiterschaft nicht zu bedienen und beim Befehl, auf Streikende zu schießen, lieber die Gewehre auf die so befehlenden Offiziere zu richten, bietet die schärfste, unerschrockenste Zuspitzung jener Losung. Sembat konnte in der Kammer bei Besprechung dieses Aufrufs im Namen der Sozialisten erklären: „Man fragt mich, was ich über den Rat denke, auf die Offiziere zu schießen. Ich antworte, daß ich in dem einen Fall, wo der Offizier befiehlt, auf Streikende zu schießen, diesen Rat billige.“ Und Lafargue hat sich in der Humanité zu diesem Standpunkt noch wiederholt ohne Umschweife knapp und klar bekannt.
Nicht wenig tragen zur Propaganda bei die zahlreichen Antimilitaristenprozesse, die in Frankreich bis vor kurzem fast regelmäßig zur Freisprechung führten. Von den Pioupiou-Prozessen ist oben gehandelt. Yvetot wurde nach zehnmaligem Freispruch zuerst 1904 wegen einer antimilitaristischen Rede vom Schwurgericht der unteren Loire zu – 100 Franc Buße verurteilt. Später machte er auch mit dem Gefängnis Bekanntschaft. In Aix standen 1905 zwei Anarchisten unter Anklage. Der eine wurde wegen eines an die Mauern von Marseille angeschlagenen antimilitaristischen Manifestes zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Gefängnisstrafen erlitten weiter Morel und Frimat; auch in Brest, Armentières und Limoges wurden Freiheitsstrafen zuerkannt. [22] Im Frühjahr 1906 erfolgten Verurteilungen in Toulon und Reims. Die Rekrutennummer der Voix du Peuple ist wiederholt der Beschlagnahme verfallen; im Oktober 1906 wurde ihr Redakteur Vignaud verhaftet. Vor allem aber ist der große Pariser Antimilitaristenprozeß aus dem Dezember 1905 zu beachten, in dem Hervé mit 25 andern zusammen zu 56 Jahren Gefängnis und 2.500 Franc Geldstrafe verurteilt worden ist, ohne daß allerdings diese harten Strafen zur völligen Vollstreckung gekommen wären.
Eine massenhafte Broschürenliteratur steht der antimilitaristischen Propaganda aller Arten in Frankreich zu Gebote. Besonders verdient gemacht durch Herausgabe derartiger Broschüren haben sich außer den Temps Nouveaux die Librairie de Propagande Socialiste, die Societé nouvelle de Librairie et d’Édition (Georges Bellais), die Librairie du Parti Socialiste (S.F.I.O.) und der Vorlag Stock in Paris.
Die Erfolge der antimilitaristischen Propaganda in Frankreich sind beträchtlich. Dabei soll die rratsache daß sich hier und da ein Offizier offen zum Antimilitarismus bekennt und unter größter Selbstverleugnung alle Konsequenzen hieraus auf sich nimmt, nicht besonders hoch angeschlagen werden. [23] Derartige Einzelakte interessieren nur wenig bei einer rein proletarischen Klassenerscheinung, als die wir den Antimilitarismus in Frankreich (im Gegensatz zu Rußland) zu betrachten haben. Bedeutsamer ist, daß sich die Fälle häufen, in denen die Mannschaften desertieren, den Dienst und Gehorsam verweigern und antimilitaristische Demonstrationen unternehmen, wobei zuweilen höchst grausame [24], zuweilen für unsre deutschen Verhältnisse erstaunlich milde Strafen erkannt werden. So wurden im Oktober 1906 vom Kriegsgericht in Cherbourg zwei Marineinfanteristen Zu 15 beziehungsweise 60 Tagen Gefängnis verurteilt, weil sie vor einem patriotischen Denkmal geäußert hatten: „Nieder mit der Armee, nieder mit den Offizieren, man braucht keine Armee.“
Nur einige Einzelheiten seien herausgegriffen. Am 3. Mai 1905 verließen 61 Mann von der 10. Kompanie des 32. Infanterieregiments wegen schlechten Essens und schlechter Behandlung einfach die Kaserne und zogen in einen Nachbarort. Im September 1906 veranstalteten anläßlich des Selbstmords eines Reservisten der Garnison Compiègne die Soldaten eine Kundgebung, sangen die Internationale und beschimpften die Offiziere. Der Éclair veröffentlichte Anfang August 1906 ein Rundschreiben des Kriegsministers Étienne an die Korpskommandanten, in dem er ihnen zur Kenntnis bringt, daß die Unteroffiziere beim Verlassen der Infanterieschule von Saint-Maixent [25] antimilitaristische Ideen an den Tag gelegt und erklärt hätten, daß sie in der Armee nur blieben, um Anhänger für ihre Ideen zu gewinnen. Vor allem aber muß auf zahlreiche Streiks, zum Beispiel in Dünkirchen, Le Creusot, Longwy (Merrheim!), Montceau-les-Mines, hingewiesen werden, bei denen sich die zum Einschreiten berufenen Soldaten mit den Streikenden solidarisch erklärten. Kein Wunder, daß der Nouvelliste de Rouen die Sozialdemokratie in bezug auf die Armee als eine „sehr gefährliche Wunde ein Körper Frankreichs“ bezeichnet, „die man gar nicht genug bekämpfen könne“. [26]
Es fällt uns Deutschen auf, wie für unsre Begriffe auffällig zurückhaltend sich der Kriegsminister Étienne in dem erwähnten Rundschreiben über die antimilitaristische Gefahr und ihre Bekämpfung ausläßt, wie denn überhaupt nicht geleugnet werden kann, daß gerade in Frankreich das verfassungsmäßige Recht der freien Meinungsäußerung auch dem Antimilitarismus häufig in weitem Umfange zugebilligt worden ist. Die Berichte über die Antimilitaristenprozesse sind hier sehr lehrreich. Man erinnert sich auch, wie vor einigen Jahren der Sozialist Fournière an der polytechnischen Offiziersschule zu Vorlesungen über Sozialpolitik zugelassen wurde. Und ganz neuerdings haben die Offiziersvorlesungen an der Hochschule für soziale Studien in Paris, in denen sich der Hauptmann Demonge unbeanstandet in höchst umstürzlerischer Weise gegen den Militarismus ausließ, unsren strammen und bornierten Militaristen eine Gänsehaut überlaufen lassen. Hält man das zusammen mit der bevorstehenden Einschränkung der Militärjustiz und des „Biribi“, der – abgelehnten – Regierungsvorlage über die Verkürzung der Reserve- und Landwehrübungen sowie dem Picartschen Plan einer Demokratisierung des Offizierskorps durch Verwirklichung der unité d’origine (Einheit des Ursprungs) für Offiziere und Unteroffiziere [27], so möchte Frankreich als ein Dorado des Antimilitarismus erscheinen. Die Tonart, die freilich Clemanceau, dieser Präsident eines mit zwei „Sozialisten“ ausstaffierten Ministerium, einst amor et deliciae aller sozialen Optimisten, gegenüber dem Antimilitarismus anschlägt, zeigt, wie oben dargelegt, daß es sich nicht um eine Wesensänderang des Militarismus handelt, sondern nur um eine Formänderung, die in der Hauptsache dem Antiklerikalismus zuzuschreiben ist.
Die Arbeiterbewegung Italiens weist in ihrer Nuancierung manche Ähnlichkeit mit der französischen auf. Auch hier finden wir die anarchistischen Entgleisungen sowie eine syndikalistisch-antipatriotische Bewegung, die antiparlamentarisch ist und dem Anarchismus nahesteht, neben der normalen politischen Parteibewegung. Die antimilitaristische Bewegung ist dementsprechend differenziert. Sie ist in Italien nicht erst neueren Datums, aber erst neuerdings von der Partei systematisch in Angriff genommen worden. In erster Linie sei hier der Jugendorganisationen gedacht; vor allem der Federazione Nazionale Giovanile Socialista mit dem Sitz in Rom, die sich aus Provinzialföderationen zusammensetzt [28], die von Paolo Orano redigierte Gioventu Socialista (Sozialistische Jugend) herausgibt und ganz wie die belgischen Jungen Garden von vornherein auf dem Gebiet des Antimilitarismus eifrig gewirkt hat. [29]
Im Jahre 1905 wurde die Leghe delle Futture Conscritti gegründet als spezielle antimilitaristische Nebenorganisation der Nationalföderation und mit ihr auf, engste verbunden. Beide Organisationen sind von der Partei anerkannt.
Im Oktober 1905 beschloß der Parteivorstand in seiner in Rom abgehaltenen Sitzung mit allen gegen eine Stimme folgende Resolution Ferri:
Der Parteivorstand protestiert gegen die polizeiliches Verfolgungen der Sozialisten und ihrer Presse gelegentlich der jüngsten antimilitaristischen Kundgebungen; konstatiert mit Befriedigung den Enthusiasmus, mit dem die Jugendorganisationen die antimilitaristische Agitation der Partei fortgeführt haben, und beschließt, daß an dieser Agitation unter Teilnahme des Parteivorstandes die ganze Partei mitwirke, nicht allein um die öffentliche Meinung über die ungeheure Vergeudung von Staatsgeldern in der Militärverwaltung aufzuklären, sondern auch vor allem, um die Rekruten und Soldaten dahin zu erziehen, nicht ihre Pflicht der Landesverteidigung zu verletzen, wohl aber ihre Mitwirkung bei den Arbeitermorden zu verweigern, deren Häufigkeit und Ruchlosigkeit den Schimpf unsres Landes bilden.
Im übrigen hat der römische Parteitag vom Oktober 1906 einen Einblick in die Gesamtheit der antimilitaristischen Propaganda Italiens gegeben. Der Antimilitarismus stand als spezieller Punkt auf der Tagesordnung. Zwei Anträge wurden vorgelegt. Der eine vom Syndikalisten Bianchi: „Der neunte Kongreß der Sozialistischen Partei spricht bei der Diskussion fiber den Militarismus der Tätigkeit und den Formen der Propaganda der sozialistischen Jugendorganisation Italiens seinen Beifall aus.“ Der andere von Romualdi, Redakteur des Avanti: „Der Parteitag bestätigt die antimilitaristische Tradition der Partei und erachtet es als notwendig, in Anbetracht des Widerstandes der Bourgeoisie gegen die bindende Festlegung einer wirklichen Neutralität der Truppen im Kampf zwischen Arbeiter und Kapital, eine Agitation zur Verhütung der Arbeitermorde und des Streikbrechertums durch Soldaten zu entfalten, die darauf abzielt, die jungen Arbeiter zu bestimmen, in solchen Konflikten nicht die Waffe zu gebrauchen und sich nicht zu Streikbrechern herzugeben. Er erachtet gleichzeitig eine Propaganda unter den Arbeitern für nötig, um diese dahin zu bringen, nicht Gewalt gegen die Truppen anzuwenden, sowohl um die mögliche Reaktion von seiten der Soldaten zu verhüten, wie um zu beweisen, daß ein gleiches Band der Brüderlichkeit streikende Arbeiter und Soldaten verbindet.“
In der Diskussion wurde sowohl der antipatriotische wie der anarchistische Antimilitarismus vertreten, weit überwiegend indessen der sozialdemokratische Antimilitarismus im engeren Sinne, während nur vereinzelt die antimilitaristische Agitation unter den Soldaten mit ähnlichen Argumenten bekämpft wurde, wie dies zu Bremen auf dem deutschen sozialdemokratischen Parteitag 1904 geschah. Die Vertreter der Jugendorganisation erklärten, daß ihre Genossen antimilitaristische Propaganda trieben, aber nicht im Hervéschen Sinne, sondern zur Verminderung der Heeresausgaben und zur Erweckung der Solidarität der Soldaten mit den Arbeitern. Schließlich wurde auf Antrag Ferne und Turatis von einem Votum abgesehen und die Frage der Parteileitung zum Studium überwiesen. Von besonderer Bedeutung ist indessen, daß die sogenannte integralistische Tagesordnung Ferris [2*], die vom Kongreß mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde, folgenden Passus enthält:
Die Partei entfaltet eine praktische Aktion, die darauf abzielt: die antiklerikale und die antimonarchische Propaganda zu verschärfen in Anbetracht der gegenwärtigen Lage und des wachsenden Klerikalismus der Regierung, ebenso die antimilitaristische Agitation, die darauf gerichtet ist, die italienische Jugend sozialistisch zu erziehen, um die Tendenz der herrschenden Klassen zu neutralisieren, die sich des Heeres als eines Organs der antiproletarischen Vergewaltigung bedienen wollen.
Auch in Italien hat die antimilitaristische Agitation die Armee in ihrer Eigenschaft als Waffe gegenüber dem inneren Feind im- zuverlässig gemacht; auch in Italien hat es sich die Klassenjustiz nicht nehmen lassen, durch zahlreiche Prozesse und harte Strafen die Antimilitaristen in Zivil und im Heere zu bekämpfen. Bekannt sind die Turiner Vorgänge aus dem Jahre 1905. [3*]
In der Schweiz hat sich der Antimilitarismus kräftig entwickelt mit der immer häufigeren Verwendung der Soldaten bei Streiks.
Im Oktober 1903 faßte der Oltener Parteitag der schweizerischen Sozialdemokratie eine Resolution, die gegenüber dem Kriege den üblichen Standpunkt einnimmt und eine Militärverfassung fordert, welche „die Rechte und Pflichten des Staates und der Bürger genau feststellt“, und die Verwendung des Militärs in Streikfällen für unzulässig erklärt.
Die Unzufriedenheit mit diesem Beschluß führte im April 1904 zur Einberufung des Luzerner Parteitages, der unter anderem folgende Forderungen aufstellte:
Erhebliche Reduktion der militaristischen Ausgaben, Volksentscheidung über Ausgaben von mehr als einer Million, Besserstellung des Wehrmannes in militärischer und ökonomischer Beziehung, Abschaffung der Militärjustiz, Verbot der Verwendung von Truppen bei Streiks. – Er bezeichnete es als Pflicht der Partei, mit allen Mitteln für die Erreichung dieser Postulate zu kämpfen, ohne daß die Mittel näher bezeichnet wären.
Das militärische Eingreifen bei den Streiks von La Chaux-de-Fonds und vom Ricken regte zu einer schärferen Initiative und zu einer klareren Parole an. Erregte Versammlungen fanden statt. Das Bundeskomitee des Gewerkschaftsbundes und die Parteileitung gaben am 15. September 1904 ein Flugblatt heraus, das folgende Sätze enthält:
Auf alle Fälle muß aber unsern Wehrmännern zur Pflicht gemacht werden, nicht auf ihre Arbeitsbrüder zu schießen, nicht gegen diese die Waffen zu gebrauchen, bei solcher Gelegenheit nicht nur den Gehorsam zu verweigern, sondern jeden Mord mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Sie handeln dann nur im Sinne unsrer Bundesverfassung: Auch der Wehrmann im Waffenrock ist in erster Linie Bürger.
Der bald darauf abgehaltene Parteitag in Zürich nahm folgenden Antrag an: „Die Sozialdemokratische Partei fordert die Soldaten auf, bei Militäraufgeboten anläßlich von Streiks sich ihrer Solidarität mit den streikenden Arbeitern bewußt zu sein und sich nicht zu Handlungen verwenden zu lassen, durch welche das Streik- und Versammlungsrecht ihrer Klassengenossen verkümmert würde.“
Der darauf folgende Parteitag von Genf veranlaßte den Parteivorstand, für den nächsten Parteitag einen Beschluß zur Militärfrage vorzubereiten.
Inzwischen erhielt die antimilitaristische Agitation Organisation und System. Im Jahre 1905 wurde eine Antimilitaristische Liga der Schweiz gegründet, die sich zur Aufgabe setzt:
Ihren ersten Kongreß hielt sie im Oktober 1905 ab und verbreitete sich seit dieser Zeit rasch. Sie gibt Flugblätter an die Arbeiterorganisationen und Broschüren für Land- und Industriearbeiter heraus und entfaltet eine rege Tätigkeit. Unter den Broschüren ist besonders zu nennen das weit verbreitete, fast klassische Schriftchen Der Hofhund des Kapitals.
Auf Beschluß des Kongresses in Luzern vom Januar 1906 wurde eine Zentralbibliothek und die Übersetzung von Hervés Leur Patrie vorbereitet. Die Liga läßt ferner den Vorposten erscheinen, der sich mit großer Geschicklichkeit der antimilitaristischen Agitation widmet. [30] Zu der Frage des Militarismus nach außen vertritt sie den vielbekämpften Standpunkt: daß zwar die Beseitigung der Kriege mit dem Siege des Sozialismus eintreten werde, daß aber schon vor diesem Siege etwas gegen die „gegenseitige Abschlachtung von Besitzlosen durch Besitzlose auf Befehl von Besitzenden“ geschehen müsse und daß das einzige, was hier geschehen könne, die „Verweigerung der militärischen Arbeitskraft“, das heißt der Militärstreik, sei. In der Frage des Militarismus gegen den inneren Feind gilt ihr natürlich das: „Vous ne tirerez pas!“ [31] Selbstverständlich ist dem Kapitalismus das zweite, gerade in der Schweiz, bei weitem unangenehmer als das erste; dennoch entspricht es einem beliebten machiavellistischen Manöver der Bourgeoisie, daß sie die Mühle ihrer Gegenagitation durch den patriotischen“ Wind zu treiben sucht, den sie durch entrüstete Brandmarkung jener „vaterlandslosen“, „landesverräterischen“ Tendenz, der „Wehrlosmachung nach außen“, zu entfachen bemüht ist. [32]
Der Parteitag zu Aarau vom Februar 1906 [4*] zeitigte eine sehr interessante antimilitaristische Debatte. Es trat zutage, daß auch in der Schweiz die Idee des Militärstreiks und der speziellen Miitärdienstverweigerung gegenüber dem äußeren Feind Anhänger hat. Folgende wichtige Resolution wurde angenommen:
- Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz erstrebt im Bunde mit den sozialdemokratischen Parteien der andern Länder die Abschaffung aller Kriegsmöglichkeiten und Kriegsmittel unter den zivilisierten Völkern. Sie verlangt die Erledigung internationaler Konflikte durch Schiedsgerichte.
- Solange dieser Zustand nicht unter den Völkern Mitteleuropas hergestellt ist, anerkennt sie ein. Volksheer mit der ausschließlichen Bestimmung der Verteidigung des Landes gegen Angriffe von außen
- Die Partei protestiert gegen die Verwendung von Wehrmännern bei Streiks. Da dieser Mißbrauch in den letzten Jahren tatsächlich vorgekommen ist, verlangt sie Garantien gegen dessen Wiederholung. Solange diese Garantien nicht gegeben sind, rät sie den Soldaten, wenn diesen befohlen wird, streikende Arbeiter anzugreifen oder gegen sie die Waffen zu gebrauchen, den Gehorsam zu verweigern. Die Sozialdemokratische Partei wird in solchen Fällen nach Möglichkeit die finanziellen Folgen, die den einzelnen und seine Familie treffen, zu erleichtern suchen und sich zu diesem Zweck mit den gewerkschaftlichen Organisationen in Verbindung setzen. Die Partei hält dafür, daß die beste Garantie gegen die Verwendung der Truppen in Streikfällen in der Verstärkung ihrer politischen Macht in Gemeinde und Staat liege.
- Die Partei verlangt eine auf der allgemeinen Wehrpflicht aufgebaute Organisation des Heerwesens, die mit den demokratischen Einrichtungen im Einklange steht und der verfassungsmäßigen Rechtsgleichheit nicht widerspricht. Sie verlangt eine Verminderung der Militärausgaben und bekämpft alle Aufwendungen, die nicht unbedingt durch die Zwecke der Landesverteidigung geboten sind.
In Konsequenz dieses Beschlusses wurde die Gründung einer Widerstandskasse beschlossen. Dieser Beschluß deckt sich zu 1, 2 und 4 im wesentlichen mit dem Antrag, den das Parteikomitee vorgelegt hatte. [33] Bei Punkt 5 hingegen hat der Parteitag den Passus, der zur Gehorsamsverweigerung beim Eingreifen in Streiks auffordert, in den Antrag des Parteikomitees eingeschoben und diesen Antrag, entsprechend dem Verlangen des Vorpostens wesentlich verschärft und aktuell gestaltet.
Die Grütlianer-Sozialdemokraten [5*] nehmen bekanntlich zum großen Teil dem Militarismus gegenüber eine durchaus kleinbürgerlich-schiefe Haltung ein, zum Beispiel mißbilligen sie die Budgetverweigerung! Kein Wunder, daß die Militärfrage drauf und dran ist, sie zu leicht zu befinden und als Spreu aus der Partei wieder hinauszublasen. Die für den Parteitag in Aarau schon angekündigte erneute Spaltung der Partei ist trotz jener energischen antimilitaristischen Haltung des Parteitags vorläufig vermieden.
Erwähnenswert sind noch die Publikationen der Studiengruppe des Arbeiterzirkels Saint-Imier, unter denen sich unter anderen die brauchbare Broschüre Die Armee und die Streiks befindet. Eine gewisse Rolle spielen auch die allerdings wohl nur in der französischen Schweiz bestehenden Jugendorganisationen. Seit 1905 wurde von einigen dieser Organisationen in Lausanne die Zeitschrift La Jeunesse Socialiste herausgegeben, die indes später den Charakter einer Jugendzeitschrift verlor. Erwähnung verdient ferner der von dem Genossen Pfarrer Pflüger in Zürich gegründete und geleitete Jungburschenverein.
Selbstverständlich hat sich in der Schweiz auch der Anarchismus dein Antimilitarismus zugewandt. Es besteht dort eine anarchistische antimilitaristische Gruppe von Genf, anscheinend für die ganze Schweiz als Einzelgruppe der Internationalen Antimilitaristischen Assoziation, von der unten noch zu sprechen sein wird. Der in Züridh seit 1902 erscheinende anarchistische Weckruf betrachtet die antimilitaristische Agitation, natürlich im anarchistischen Sinne, als eine seiner Hauptaufgaben. Es soll nicht verkannt werden, daß hier wenigstens ein proletarischer Anarchismus verfochten wird, richtiger, daß die Argumentationen des Weckruf-Antimilitarismus zu einem guten Teil proletarische sind. Die Erfolge dem schweizerischen Antimilitarismus, wie sie sich besonders bei den Genfer und Züricher Streiks zeigten, sind bereits gestreift; ebenso die daran anknüpfenden denkwürdigen Justizaktionen. Ergänzend sei die Weigerung zahlreicher proletarischer Milizen verzeichnet, bei dem Maurerstreik von La Chaux-de-Fonds gegen die Streikenden zu marschieren; sechs von ihnen wurden von den Militärgerichten, trotz der „Sympathie“ der sogenannten öffentlichen Meinung, von der sie angeblich getragen wurden, zu immerhin ernsten Strafen verurteilt. [34]
1. Uns liegt ein solches Flugblatt der Antwerpener Abteilung der sozialistischen Arbeiterpartei von 1886 vor, das ohne viele Umschweife zur Gehorsamsverweigerung gegenüber dem Befehl, aufs Volk tu schießen, auffordert.
2. Über deren Tätigkeit vgl. Le procès de la caserne, Volksdrukkerij, Gent 1905.
3. De Loteling und De Kazerne seit 1887, La Caserne seit 1893, Le Conscrit seit 1899.
4. Die flämischen Organe wurden in die Hände der flämischen Föderation der Socialistischen Jongen Wachten in Gent gelegt.
5. vgl. Housiaux in Die Neue Zeit, 22. Jahrgang (1905/04), 2. Bd., S.110ff. und die zerstreuten Kongreßberichte. Drei Provinzföderationen bestehen; die flämische (etwa 1.000 Mitglieder), die Brabanter (etwa 500 Mitglieder) und die wallonische (etwa 5.000 Mitglieder), die letztere in September 1905 gegründet. Der Lütticher Kongreß von 1905 hob den Nationalrat auf, der 1906 etwas verändert rekonstruiert wurde (die flämische und wallonische Föderation wählen je einen Vertreter; der Nationalkongreß den dritten [Nationalsekretär]).
6. Vom Etoile Socialiste kann hier abgesehen werden.
7. Deren Vorgängerin war die Zeitschrift Contre le Militarisme, pour le Socialisme (Gegen den Militarismus, für den Sozialismus).
8. In einem Umfang von 16 Seiten!
9. 1906 wurden bei der Losziehung rund 20.000 Anklebezettel mit Sprüchen auf den Straßen angeklebt und 80.000 antimilitaristische illustrierte Plakate vertrieben,
10. 1906 Le Conscrit in Auflage von über 68.000; De Loteling etwa 50.000; La Caserne in etwas geringerer Zahl. 1905 wurden von La Caserne aus besonderen Gründen 100.000 Exemplare verbreitet!
11. Vgl. Le procès de la caserne.
12. Über die Debatte, in die Vandervelde entscheidend eingriff, vgl. Mouvement Socialiste vom 15. August 1905, S.594ff. und La Jeunesse Socialiste, August 1905.
13. Les Temps Nouveaux vom 28. Oktober 1905.
14. Vgl. dazu die Brosschüre Le patriotisme, Publikationen des Libertaire, Paris.
15. Die Temps Nouveaux stehen ihm gar freundlich gegenüber.
16. Leur Patrie, S.246. Daher der stets wiederholte Einwand gegen Hervé: seine Anhängerschaft in der Yonne erkläre sich nur aus der alteingewurzelten Abneigung der Bauern gegen den Militärdienst.
17. Departement südöstlich von Paris. Die Red.
18. „Pioupiou“: ein populärer Ausdruck für Rekrut mit einer gewissen zärtlichen, familiären Färbung.
19. Vgl. Le Pioupiou en cour d’Assises“ (Der Pioupiou vor den Geschworenen), Auxerre 1904.
20. Vgl. über den Antiparlamentarismus Hervés La Vie Socialiste, S.97ff. Fages im Mouvement Socialiste vom 1. Juni 1905, S.152, nennt die campagne antipatriotique in Wahrheit eine campagne anticapitaliste.
21. Unter Mitwirkung der Association Internationale Antimilitariste.
22. Vgl. Les Temps Nouveaux Nr.12 von 1905. Ober die Verfolgungen der Loquier und Lemaire in Epinal und Ainimns: ebenda, Nr. 6 von 1905.
23. Der Fall des Merrheim, der bei dem Streik in Longwy seine Jäger zu Fuß direkt aufforderte, selbst bei Provokation oder Verwundung durch die Streikenden keine Gewalt gegen diese anzuwenden, verdient hier immerhin Beachtung.
24. Besonders in Algerien wegen geringster Ursache selbst die Todesstrafe! Vgl. auch die Affäre von Besançon in der Humanité vom 11. Dezember 1906.
25. Deren Abschaffung jetzt bevorsteht.
26. Vgl. von Zepelin, Kreuz-Zeitung vom 25. Dezember 1906.
27. Zunächst wird eine Vereinheitlichung der Kriegsschulen erstrebt. Für jede Waffengattung soll nur eine zur Ausbildung der Unteroffiziere und Offiziere gleichzeitig dienende Schule eingerichtet werden. Natürlich erfüllt das unsre Reaktionäre mit Entsetzen, vgl. Deutsche Tageszeitung vom 22. Dezember 1906.
28. Auf dem im September 1906 in Mailand abgehaltenen Kongreß waren 5 Provinzialföderationen und 24 Sektionen von Oberitalien vertreten mit zusammen 2.500 Mitgliedern.
29. Vgl. dazu die Verhandlungen des Mailänder Kongresses.
30. Die Liga besitzt ein sehr wirksames, nach der Melodie Heil dir im Siegerkranz gesungenes Bundeslied.
31. Vgl. Vorposten, Die Anträge des Parteikomitees.
32. Vgl. Leipziger Volkszeitung vom 50. Januar 1906, Eine Spaltung in der schweizerischen Sozialdemokratie?
33. Über die Kämpfe im Parteikomitee über die Fassung des vorzuschlagenden Antrags: Leipziger Volkszeitung vom 28. Dezember 1905.
34. Vgl. auch Leo Tolstoi, An die Soldaten und jungen Leute, Berlin- Charlottenburg 1905, S.15/16 (Fälle individueller Dienstverweigerung); ferner Les Temps Nouveaux, Nr.26 von 1905 (vier Monate Gefängnis ohne Anrechnung der Untersuchungshaft und zwei Jahre Bürgerrechtaverhust).
1*. „Sou du soldat“ – Soldatenpfennig, 1897 eingeführt, wurde den Gewerkschaftsbeiträgen entnommen. Artikel 52 der Musterstatuten der CGT für die ihr angeschlossenen Gewerkschaften lautete: „Jedes Gewerkschaftsmitglied, das seit mindestens zwei Jahren organisiert ist und seine Beiträge regelmäßig gezahlt hat, hat für die Dauer des Militärdienstes den Anspruch auf eine Entschädigung von fünf Franc (vierteljährlich oder monatlich).“
2*. Die von Ferri vorgelegte Tagesordnung war in ihren Grundzügen reformistisch und wurde mit überwältigender Mehrheit der Integralisten (Zentristen) und Reformisten angenommen. Karl Liebknecht zitiert den letzten Punkt der allgemeinen Grundsätze.
3*. Am 4. Oktober 1905 wurden in Turin fünf Sozialisten wegen Verbreitung aufrührerischer Schriften im Heere verhaftet.
4*. Der Parteitag der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz mußte im letzten Augenblick wegen einer in Aarau ausgebrochenen Genickstarreepidemie nach Olten verlegt werden. Er erscheint in der späteren sozialistischen Literatur als Parteitag von Olten.
5*. Grütlianer-Sozialdemokraten – Gemeint sind die Mitglieder des Grütli-Vereins, einer schweizerischen bürgerlich-reformistischen Organisation, gegründet 1858 als Bildungsverein der Handwerker. Der Verein trat gegen den Klassenkampf auf, schloß sich 1895 der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz an und verkörperte in der Folgezeit die Tendenzen des Opportunismus an der Schweizer Arbeiterbewegung. 1925 vereinigte sich der Grütli-Verein endgültig mit der Sozialdemokratischen Partei.
Zuletzt aktualisiert am 13.2.2005