Karl Liebknecht

 

Im Kerker

(Dezember 1916)


Aus Briefe aus dem Felde, aus der Untersuchungshaft und aus dem Zuchthaus. Hg. Franz Pfemfert. Berlin: Verl. Die Aktion, 1919. S.51
Kopiert von der jetzt verschwundenen Seite In Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.


Dezember 1916

 

Ihr raubt die Erde mir, doch nicht den Himmel,
Und ist’s ein schmaler Streif nur, den mein Auge
Erreichen kann –
Durch Gittermaschen,
Zwischen Eisenstäben,
Gedrückt von schweren Mauern.
Es ist genug,
Das selige, verklärte Blau zu schauen,
Von dem das Licht gedämmert zu mir dringt
Und auch zuweilen
Verlorenes Vogelzwitschern leicht herniedertanzt.
Es ist genug
Mir eine muntre Dohle, schwarz und plappernd,
O treue Freunde meiner Festungstage,
Im freien Flug der Kreatur zu zeigen
Und einer Wolke wechselnd Wandelbild.

Und ist’s ein schmaler Streif nur – jüngste Nacht
Erschien der hellste Stern in dieser Enge.
Der hellste Stern des Firmaments erschien
Und strahlte aus des Weltenraumes Ferne.

Die Welt beherrschend, heller, heißer,
Urmächtiger in meiner Zelle Loch,
Als je er strahlt euch anderen da draußen.
Und eine glühende Schnuppe warf er nieder. –

Ihr raubt die Erde mir, doch nicht den Himmel,
Und ist’s ein schmaler Streif nur, eng,
Durch Gittermaschen, zwischen Eisenstäben,
Er macht des Leibes Sinne selbst
Beschwingt von freier Seele, freier
Als je ihr wart, die ihr mich hier im Kerker
In Fesseln zu vernichten wähnt.

 


Zuletzt aktualisiert am 13.2.2005