Rosa Luxemburg


Resolution über die Aufgaben
sozialdemokratischer Abgeordneter
für die Beendigung des Krieges [1]

(März 1916)


Resolution der Reichskonferenz der Gruppe Internationale [2] am 19. März 1916.
Veröffentlicht in Zur persönlichen Information, Nr. 17, 30. März 1919.
Wieder veröffentlicht in Spartakusbriefe, Berlin 1958, S. 137-9.
Aus Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Bd. 4, Karl Dietz Verlag, Berlin 2000, S. 169-70.
Mit freundlicher Genehmigung des Karl Dietz Verlags.
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Die Situation, die in Deutschland nach bald zweijähriger Dauer des Krieges geschaffen ist, bedeutet schon jetzt den Bankrott des Imperialismus. Während der Krieg militärisch in eine Sackgasse geraten ist, so dass die rein militärische Entscheidung des Weltkrieges heute noch aussichtsloser erscheint als zu Beginn des ruchlosen Völkermordes, endlich die wachsende Teuerung, die für breite Volksmassen nichts anderes als ein tatsächliches Hungern bedeutet, die furchtbaren Verluste an Toten und Krüppeln die in die Millionen gehen, die erdrückende ungeheure Finanzlast, die jetzt in Gestalt neuer Steuern fortschreitend auf das arbeitende Volk abgewälzt werden soll, der rein künstliche Mechanismus des industriellen Lebens, der ganz auf die Kriegslieferungen aufgepfropft ist und mit dem Aufhören des Völkermordens sofort zusammenbrechen muss, der wachsende Mangel an Rohstoffen als Folge der Absperrung Deutschlands von dem Weltmarkt, endlich die wachsende Schwierigkeit, auch nur die finanzielle Pumpwirtschaft der Kriegsanleihen weiterzuführen - alles das zusammen ergibt als Frucht der bald zweijährigen Dauer des imperialistischen Völkermordens den grinsenden wirtschaftlichen Ruin Deutschlands sowie aller anderen kriegführenden Staaten, einen Ruin, der hüben und drüben nur noch notdürftig durch die offizielle Regie der Kriegshetzer und eine verlogene imperialistische Reptilpresse maskiert wird. Die auf dem Boden dieser Zustände erwachsende Stimmung weitester Volkskreise sowohl im Lande wie draußen im Felde kulminiert in heißer Sehnsucht nach dem Frieden und in wachsendem Abscheu gegen die endlose Menschenschlächterei.

Die geschilderte Sachlage ergibt für die Sozialdemokratie in Deutschland wie in den anderen kriegführenden Ländern die Pflicht, im Sinne des Stuttgarter internationalen Beschlusses [auf dem Sozialistenkongress 1907] alle Mittel und Hebel anzusetzen, um die kriegsfeindliche Stimmung der Massen zur zielklaren politischen Einsicht und zum tatkräftigen aktionsfähigen Willen zu gestalten.

Zu diesem Zwecke sind die parlamentarischen Vertreter der Sozialdemokratie, die mit der Abstreifung der Fesseln des Burgfriedens ernst machen wollen, verpflichtet:

  1. in allen kriegführenden Ländern, ungeachtet der militärischen Situation, die Kriegskredite unter grundsätzlicher sozialistischer Begründung abzulehnen;
  2. alle Steuern und finanziellen Mittel den kriegführenden Regierungen zu verweigern;
  3. alle Mittel der Geschäftsordnung und der parlamentarischen Aktion unermüdlich auszunutzen, um durch ständige Beunruhigung und schärfste Kritik der imperialistischen Mehrheiten und ihrer Regierungen die Massen aufzurütteln und zu nachdrücklichen Willenskundgebungen gegen den Krieg und für die internationale sozialistische Solidarität zu ermuntern.

Anmerkung

1. Redaktionelle Überschrift. – Diese Resolution wurde einstimmig angenommen.

2. Die Gruppe Internationale (oder Spartakusbund) war von Rosa Luxemburg als Opposition gegen die Kriegsunterstützung der SPD-Mehrheit gegründet worden. Zum Jahreswechsel 1918/19 entstand aus ihr die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)]


Zuletzt aktualisiert am 14.1.2012