Veröffentlicht: 1933
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Wir sagten, dass der Aufschwung des Kapitals die Entstehung einer revolutionären Bewegung hemmte und dass die Entartung der Arbeiterbewegung das Produkt der kapitalistischen Blütezeit war. Heute, mitten in der allgemeinen kapitalistischen Weltkrise, können wir bereits feststellen, dass mit dem Untergang des Kapitalismus auch „dessen” Arbeiterbewegungen zu Grunde gehen. Der Zersetzungsprozess der amerikanischen Gewerkschaften, der American Federation of Labor (A. F. of L.) kann z. B. statistisch überzeugend nachgewiesen werden. Aber auch die anderen, traditionell gebundenen, auf „Führerschaft” und Gruppeninteressen basierenden Arbeiterorganisationen werden über kurz oder lang das Schicksal der A. F. of L. zu teilen haben. Die Arbeiter müssen, um zu leben, die Fessel der veralteten Organisationsform sprengen und sich als KLASSE, in Organisationen, die sie selbst beherrschen, organisieren!
Für die alte Arbeiterbewegung galt als Motto: ”Die Bewegung ist alles, das Ziel nichts!” Der Sozialismus war für sie etwas in die weiteste Ferne Gerücktes. Die Marx’sche Theorie von der Unabwendbarkeit des kapitalistischen, ökonomischen Zusammenbruchs des Kapitalismus wurde verlacht. Man ”sah”, dass die Krisen, die zyklisch kamen, immer wieder überwunden wurden, ja, dass sie langsam schwächer wurden und man glaubte, dass der Kapitalismus sie einst ganz auszuschalten imstande sein wurde. Aus einem Problem des kapitalistischen Produktionsprinzips wurden Zirkulations- und Konkurrenzprobleme, die durch die Konzentration des Kapitals ganz ausgeschaltet werden sollten mit Hilfe einer „richtigen”, planmässigen Führung der Wirtschaft.
So lebte man unbesorgt dem kapitalistischen Alltag; die Revolution wurde mit Spott in die Unwahrscheinlichkeit verwiesen, die Klassenharmonie feierte ihre höchsten Triumpfe — bis eines Tages die Bombe des Weltkrieges über den ”friedlichen” imperialistischen Bürgersteig rollte und den Beginn einer neuen Aera einleitete.
Die alte Arbeiterbewegung verlor den letzten Schein pietätvoller, revolutionärer Phraseologie und zeigte mit ekelerregender Klarheit, dass ihre reaktionäre Form die Form ihres reaktionären Inhalts war. Gemeinsam mit ihrer Bourgeoisie kämpfte die Arbeiterschaft eines jeden Landes um den besten Platz an der Sonne. Und hier zeigte es sich, dass die alte Arbeiterbewegung nichts weiter war, als ein Teil der kapitalistischen Ausbeutungsmaschinerie.
Nur die I. W. W. verkaufte nicht das Erstgeburtsrecht der Revolution für das Linsengericht kapitalistischer Zugeständnisse. Sie pfiff auf die Burgfriedenspolitik, führte gerade in der Kriegszeit die besten ihrer Streiks und hielt das Banner des Klassenkampfes aufrecht.
Durch den Krieg wurde der ”schon überwundene” Standpunkt des „Kommunistischen Manifestes” durch ein Millionenopfer an Leichen wieder zurückgewonnen. Die Selbstbesinnung des Proletariats fand ihren grossartigen Ausdruck in den Stürmen der russischen und mitteleuropäischen Revolutionen. Der Glaube an den Kapitalismus, als der ”besten der Welten”, war erschüttert.
Der Konjunkturablauf nach dem Weltkriege änderte sich. Die Krisen wurden länger und schärfer. Aber die Intensität der Krise war noch geographisch verschieden gelagert. Einzelne Länder wurden schwerer, andere leichter betroffen. Die Krise war vorerst noch keine Weltkrise in dem Sinne, wie sie sich jetzt seit fünf Jahren äussert.
Es war dem amerikanischen Kapital selbst in der Zeit des sichtbaren, permanenten Niedergangsprozesses des kapitalistischen Europas möglich gewesen, seine Krisen mit ungeahnten Konjunkturen abzulösen. Das schon erwähnte Fehlen zu gewichtiger frühkapitalistischer Restbestände, die günstige organische Zusammensetzung des Kapitals, die äusserst rationalisierte Wirtschaft, die relative ökonomische Unabhängigkeit vom Rohstoffweltmarkt, die Surplusprofite während des Krieges und andere Momente, machten aus dem U.S.A. Kapitalismus das Reklameschild der kapitalistischen Welt.
Die Prosperitätsideologie trübte das Klassenbewusstsein des amerikanischen Proletariats so sehr, dass die Theorie der I. W. W. nicht nur nicht Fuss fassen konnte, sondern ihr Einfluss sogar zurückging. Dies spricht nicht gegen die I. W. W. und die amerikanische Arbeiterschaft, sondern ist das natürliche Produkt der Entwicklungseigentümlichkeiten des amerikanischen Kapitalismus.
Als 1928 die industrielle Krise in U.S.A. einsetzte, als sie sich mit dem Börsenkrach von 1929 den Weg in die kapitalistische Presse bahnte, glaubte die amerikanische Arbeiterschaft mit ihrer Bourgeoisie, dass die Krise, wie frühere Depressionen in kurzer Zeit behoben sein wurde. Dieser schon erschütterte Glaube im fünften Jahr der Weltkrise und ihrer Perspektiven, die nur auf weiteren Abstieg deuten, muss von der revolutionären Bewegung gänzlich vernichtet werden.
Obwohl die Revolution keine Doktorfrage ist, ist es doch notwendig, dass das Proletariat seine Situation in ihrer ganzen Schärfe erfasst. Die Bourgeoisie und die an ihrer Existenz gebundene Arbeiterbewegung ist ausserstande, die Krise in ihrer wirklichen Gestalt und Bedeutung zu erkennen. Tauchen Probleme auf, die das Ende der kapitalistischen Produktionsweise in sich enthalten, so muss die ”Theorie” der Bourgeoisie und ihrer Lakaien absolut versagen. Sie können keine Lösung finden, denn die Lösung liegt hinter ihrem Tod. Das Kapital kann sich nicht selbst vernichten, so ist allein das Proletariat imstande, die ökonomische Wissenschaft zu Ende zu führen.
An der Stellung der Arbeiterbewegung zum Krisen- und Zusammenbruchsproblem ist der Charakter dieser Bewegung zu erkennen. Wer nicht zum Kern der Dinge vordringt, wer nicht die Krise und den endlichen Zusammenbruch auf die Eigentümlichkeiten der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zurückzuführen imstande ist, der ist auch ausserstande, die Theorie für die Aenderung der Produktionsweise zu geben, der ist auch nicht zur revolutionären Praxis fähig.
Die Marx'sche Akkumulations- und Zusammenbruchstheorie ist zugleich die Praxis der proletarischen Revolution, eins drückt das andere sus; wo diese Totalität nicht besteht, existiert auch nur die Untauglichkeit zur geschichtlich gestellten Aufgabe.
Die Krise des Kapitals kann von der revolutionären Bewegung nur vom Standpunkt des Proletariats aus betrachtet werden. Die objektiven Bedingungen sind für uns in der Niedergangsepoche des kapitalistischen Systems gegeben, die sich dadurch charakterisiert, dass das Kapital nur noch Profite machen kann, durch die allgemeine, absolute und dauernde Verelendung des Proletariats.
Wir lehnen jede mechanische Auffassung vom Zusammenbruch des Kapitals ab. Wir sind als Anhänger der materialistischen Dialektik der Auffassung, dass die kapitalistische Gesellschaft nur durch die organisierte Kraft des Proletariats beseitigt werden kann.
Wir wissen, dass ganz bestimmte Verhältnisse notwendig sind, die den Sturz des Kapitals erst ermöglichen. Der Wille des Proletariats genügt nicht, ohne diese bestimmten Verhältnisse kann sich ein solcher Wille gar nicht entwickeln. Wir sind aber der Ueberzeugung, dass heute die objektiven Verhältnisse reif genug sind, um die subjektiven Voraussetzungen für die endgültige Emanzipation der Arbeiterklasse zu schaffen.
Die Entwicklung des Kapitalismus zeigte uns, dass es ihm möglich war, bis zu einem gewissen Punkt die Reallöhne der Arbeiter zu steigern. Marx wies nach, dass, wenn dieser bestimmte Punkt erreicht ist, auch der Reallohn, wie vorher schon der relative Lohn, fallen muss, will der Kapitalismus seinen Profit sichern. Marx, allgemein zusammenfassend, sagte: ”Es folgt daher, dass in dem Masse, wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss.” ... ”Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation!” Und sein berühmtes Akkumulationskapital illustriert in grossartiger Weise diese absolute Tendenz des Kapitalismus: ”Je grösser der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Grösse des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto grösser die industrielle Reservearmee. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismässige Grösse der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je grösser aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Uebervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je grösser endlich die Lazarusschicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto grösser der offizielle Pauperismus.” (”Das Kapital” I, S. 609-10.)
Also die kapitalistische Akkumulation, die zur Entfaltung des Kapitalismus führte, wird zugleich die Ursache seines Zusammenbruchs. Dieselben Tendenzen, die seinen rapiden Aufstieg ermöglichten, werden an einem bestimmten Punkt der Entwicklung die Ursachen des rapiden Niedergangs.
Für alle Gesellschaftsordnungen manifestiert, sich der technische und ökonomische Fortschritt darin, dass der Mensch imstande ist, mit seiner Arbeitskraft eine stets grössere Menge von Produktionsmitteln in Bewegung zu setzen. Weniger Arbeit liefert ein immer grösseres Produkt. Das Eigentümliche der kapitalistischen Produktionsweise liegt darin, dass in ihr dieser allgemeingültige Arbeitsprozess zugleich ein Verwertungsprozess ist, d. h. die Produktionsmittel und die Arbeitskraft haben neben ihrer Naturalform noch einen Wertcharakter. Mit anderen Worten: Grundbesitz, Maschinen, Rohstoffe und beschäftigte Arbeiter sind im Kapitalismus nicht nur Grundbesitz, Maschinen, Rohstoffe und beschäftigte Arbeiter, sondern zugleich ein Kapitalverhältnis. Konstantes und variables Kapital, das verwertet werden muss, oder einfacher gesagt, Profit zu erzeugen hat. Auf dieses dualistische Prinzip der kapitalistischen Produktionsweise lassen sich alle ihre weiteren Erscheinungen zurückführen.
Der allgemeingültige, natürliche Prozess der menschlichen Emanzipation, der sich in immer mehr Produktionsmittel und immer weniger Arbeitskraft ausdrückt, äussert sich im Rahmen der kapitalistischen Akkumulation gleichzeitig, als das beständige Anwachsen des konstanten Kapitals im Verhältnis zum variablen. Immer mehr Kapital wird in die Maschinerie (fixes Kapital) und in Rohstoffe, immer weniger, im Verhältnis zum ersteren weniger, in Arbeitslöhnen angelegt. Da aber der variable, in Arbeitslöhnen steckende Kapitalteil die einzige Quelle des Profits ist, muss mit der verhältnismässigen Abnahme dieses Teils auch der Profit geringer werden. Da aber der Profit die einzige Triebfeder der kapitalistischen Produktion ist, wird die Akkumulation nur solange fortgesetzt werden, als aie eben profitabel ist.
Die amerikanischen Zensuszahlen bestätigen, dass das auf den Kopf des Arbeiters angewandte konstante Kapital im Verhältnis zum Lohnkapital (variables) stets wächst. Diese Tatsache des schnelleren Wachsens des konstanten Kapitals im Verhältnis zum variablen wird als organische Zusammensetzung des Kapitals bezeichnet. Infolge der fortschreitend höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals und der damit verbundenen Steigerung der Produktivität der Arbeit, wird der Lohn einen stets kleineren Teil des Gesamtprodukts betragen und dadurch wohl die absolute Mehrwertmasse steigen, aber die Profitrate zugleich fallen. Im Verlauf der kapitalistischen Akkumulation, die dauernd vom Fall der Profitrate begleitet ist, wird bald ein Punkt erreicht, wo nicht nur die Profitrate, sondern zugleich auch die Profitmasse sinkt.
Die kapitalistische Akkumulation erfordert eine dreifache Teilung der Mehrwertmasse. Es wird aus ihr bestritten das zusätzliche konstante Kapital, das zusätzliche variable Kapital und der dritte Teil bildet den Konsumtionsfond der Kapitalisten. Wüchst die organische Zusammensetzung des Kapitals, und sie wüchst solange das Kapital akkumuliert, dann muss aus dem Mehrwert ein relativ immer grösserer Tell desselben für die Zwecke der zusätzlichen Akkumulation verwendet werden. Bei einer niedrigen organischen Zusammensetzung ist der Mehrwert gross und ausreichend, um mit ihm die Akkumulation fortzusetzen. Auf einer höheren Akkumulationsstufe wird die Mehrwertmasse verhältnismässig zu klein und reicht nicht aus, um die Bedürfnisse des zusützlichen konstanten Kapitals und der anderen Teile zugleich zu sichern. Soll die Akkumulation trotzdem fortgesetzt werden, so kann die Bourgeoisie entweder auf ihren Konsumtionsfond verzichten, oder den variablen Tell, das heisst den Lohnanteil der Arbeiter verringern. Sie wird das letztere tun, da sie nicht freiwillig verhungern wird. Diese ökonomische Situation verschürft den Klassenkampf. Ein dauernder Angriff auf die Löhne, im Interesse des eigenen Konsumtionsfonds setzt ein. Von der Verelendung des Proletariats hängt nun das weitere Schicksal des Kapitals ab.
An einem solchen Punkt angelangt, wo die zu erwartende Mehrwertmasse nicht gross genug ist, um einen notwendigen Profit zu sichern, setzt die weitere Akkumulation aus. Der aus den bisherigen Kapitalanlagen fliessende Mehrwert liegt brach, ein Ueberfluss von müssigem, vergeblich nach Anlagemöglichkeiten suchendem Kapital tritt ein.
Henryk Grossmann fasst diese Tendenz der kapitalistischen Akkumulation in einer äusserordentlich treffenden Formulierung folgendermassen zusammen: ”Der Kapitalismus findet seine endgültige Schranke an der mangelnden Verwertung des Kapitals. Je mehr der Kapitalismus wüchst, umso grösser wird der Kapitalanteil, der für Rohstoffe und Produktionsmittel ausgegeben wird, umso kleiner wird im Verhültnis dazu der Kapitalanteil, der für Arbeiterlöhne einzusetzen ist. Weil aber der Mehrwert nichts ist, als die unbezahlte Mehrarbeit der beschäftigten Arbeiter, so muss mit dem Wachstum des Kapitals der Mehrwert und damit der Profit im Verhältnis zum gesamten angelegten Kapital sinken. Zum Tell wird das ausgeglichen durch das Wachstum des Grades der Ausbeutung. Weil aber ein fortwährend grösseres Kapital angewandt wird, gleicht sich weiterhin das Sinken der Profitrate aus durch das Wachsen der Profitmasse. An einem bestimmten Punkt der Akkumulation ist das Sinken der Profitrate aber auch zugleich von einem Sinken der Profitmasse begleitet. Dann bringt ein grösseres, gesellschaftliches Kapital einen absolut kleineren Profit. Wir haben dann:
Ueberproduktion von Kapital und stets wachsende Arbeitslosigkeit. Unverwertbarer Ueberschuss von Kapital bei unanwendbarer überschüssiger Bevölkerung. Das ist der letzte grosse Widerspruch der kapitalistischen Produktion, an dem sie zu Grunde gehen muss !” (”Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems”.)
Diese reine, absolute Tendenz der kapitalistischen Akkumulation wird durch Gegentendenzen, die sich aus der kapitalistischen Entwicklung selbst ergeben, aufgehalten. Die Zusammenbruchstendenz drückt, sich in der Krisen aus und wird durch die Krisen überwunden. Die Krisen sind durch Gegentendenzen abgeschwächte, nicht zur vollen Entfaltung gelangte Zusammenbruchserscheinungen. Aber diese Gegentendenzen schalten sich im Laufe der Entwicklung selbst aus.
Die Rationalisierung wird zur Fehlrationalisierung. Die Fusionen der Betriebe und die damit verbundene günstigere, organische Zusammensetzung richtet sich gegen sich selbst, z. B. durch die belastende Verzinsung und Amortisation des Kapitals der stillgelegten Betriebe. Die Herabsetzung der Löhne der Arbeiter ist begrenzt. Man kann die Arbeiter nicht dauernd unter Reproduktionskosten halten. Tote oder verhungernde Arbeiter erzeugen keinen Profit. Auch die Abkürzung der Umschlagszeit bat seine Grenzen, weil sie, übertrieben, die Kontinuität des Produktionsprozesses aufhebt. Der Handelsprofit kann nur ausgeschaltet werden; ist er aber ausgeschaltet, so hört dieses Mittel der Profiterhöhung auf, Gegentendenz zu sein. Auch die Gegenwirkung des Kapitalexports ist nur temporärer Natur. In dem Masse, in dem durch die fortgesetzte Akkumulation die Zahl der kapitalübersättigten und deshalb kapitalexportierenden Länder und die Masse ihrer Kapitalisten grösser werden, vergrössert sich die Konkurrenz auf dem Weltmarkt, der Kampf um gewinnbringende Anlagesphären und wird der Kapitalexport als Gegentendenz wirkungsloser. Es zeigt sich, dass durch die immanenten Gesetze der Kapitalakkumulation diese und weitere Gegentendenzen, die die bisherigen Krisen stets überwanden, sich langsam selbst aufheben. Haben diese Gegentendenzen keine Wirkung mehr, so setzt sich der Zusammenbruch durch. Dann haben wir die Krise in Permanenz, oder die Todeskrise.
Das heutige Stadium des Kapitalismus, der Imperialismus, manifestiert die Herrschaft des Monopolkapitals. Das Industriekapital beherrscht als Finanz- oder Monopolkapital das Bankkapital und bestimmt den Staat und seine Politik. Es sprengt den nationalen Rahmen und schliesst sich international zusammen, wodurch der Konkurrenzkampf auf breiterer Grundlage verschürft wird. Die imperialistischen Konflikte wegen profitabler Anlagequellen für das überschüssige Kapital und der Beherrschung günstiger Rohstoffbasen, verschürfen sich und drängen zu neuen Kriegen.
Aber wie schon der letzte Krieg nicht imstande war, die kapitalistischen Schwierigkeiten durch Kapitalzerstörung und der dadurch ausgedrückten, gewaltsamen Herabsetzung der organischen Zusammensetzung des Kapitals aufzuheben, so drücken die drohenden Kriege auch nichts weiter aus, als den beschleunigten Marsch in die kapitalistische Barbarei. Auch die heute unternommenen Kapitalentwertungen durch Abschreibungen haben keine tieferen Wirkungen, im Sinne eines erneuten Aufschwungs. Wie auch der schon vollzogene kolossale Preissturz, und in erster Linie Preissturz des Lohnes, nichts zur Ueberwindung der Krise beitrug, oder in anderen Worten, nicht eine neue Konjunktur durch die Krise ermöglichte. Die Höhe der Produktivkraft der Arbeit lässt auch jede neue Erfindung, jede neue Erfindung neuer Industrien, als Mittel einer neuen Konjunktur nicht mehr zu. Die Rationalisierung hat die Arbeitsperioden für die Produktion bereits derart verkürzt, dass jede neue Industrie bereits erschöpft wäre, ehe sie als krisenmildernd bemerkbar würde.
Die Krise bleibt als allgemeine Krise bestehen. Sie trifft alle Gebiete des internationalen Kapitalismus. Sie entwickelt keine neue Konjunktur, sondern drückt sich aus im ständigen Rückgang der Produktion und dem dauernden Wachsen der Arbeitslosigkeit. Sie ist zugleich Finanz-, wie Agrarkrise. Alle spekulativen Gegentendenzen, wie Inflation und Zollpolitik, zerschellen an ihrer Härte. Der durch den Kolonialimperialismus erzeugte zusätzliche Mehrwert wird immer geringer durch die Eigenakkumulation der Kolonien. Die imperialistischen Tendenzen verschärfen den Druck auf das Proletariat, anstatt wie früher, ihn zu mildern. Es zeigt sich, dass die Krise im Rahmen des Kapitalismus nicht überwunden werden kann.
Wir wiederholen: Das Marx'sche Akkumulationsgesetz ist zugleich Krisentheorie und das Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems. Es zeigte sich, dass die gegen den Zusammenbruch sich wendenden Tendenzen ihre Wirkung verloren haben. Es bleibt dem Kapital nichts weiter, als seinen weiteren Profit allein aus der dauernden und absoluten Verelendung des Proletariats zu schöpfen. Während der, die Aufstiegsepoche begleitenden Krisen des Kapitals, gelang die Wiederherstellung der notwendigen Profitsumme, ohne dass es notwendig wurde, den absoluten Arbeitslohn dauernd zu senken. Erst in der Endphase des Kapitals reicht der Mehrwert nicht mehr aus, um ein genügendes Lohnniveau und die erforderliche Akkumulation zugleich sicher zu stellen.
Erst an diesem Punkt, wo die Expansion, die Konzentration, die Rationalisierung, die Ausschaltung profitfressender Mittelschichten, des Handelskapitals etc., als Gegentendenzen gegen den Profitschwund keine Wirkung mehr haben, oder schon aufgehoben sind, bleibt dem Kapital nichts weiter, als die Verelendung der Arbeiterschaft.
Im Kampf um den Mehrwert drückt sich der Klassenkampf innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft aus. Der Klassenkampf um den Mehrwert muss umschlagen in den Kampf um die Vernichtung des Kapitalverhältnisses in der Produktion. Was die Endkrise von den bisherigen Krisen allein unterscheidet, ist, dass mit der ”Ueberwindung” der Krise vom kapitalistischen Standpunkt aus, was nur die Wiederherstellung der Verwertung des Kapitals bedeuten kann, das Lohnniveau nicht wiederhergestellt werden kann, dass es dauernd, sinkt, ohne Rücksicht darauf, ob das Kapital von Krise oder „Normalität” spricht. Die Ueberwindung der Krise vom Standpunkt des Kapitals hebt nicht die Todeskrise für das Proletariat auf. Vor dem Proletariat steht die Alternative: KOMMUNISMUS ODER DIE BARBAREI!
Das Kapital bricht nicht von selbst zusammen. Wenn die Arbeiterschaft nicht, in kraftvollen Industrie-Unionen organisiert, die Produktionsmittel in Besitz nimmt und das Ausbeutungssystem beseitigt, dann geht die Arbeiterschaft, über die vollständige Kulisierung, der Massenvernichtung, der Barbarei entgegen.
Todeskrise des kapitalistischen Systems heisst nichts weiter, als dass die objektiven Bedingungen für die proletarische Revolution gegeben sind. Für das Proletariat gibt es nur einen Weg aus der Krise, den Weg, der zur Beseitigung des kapitalistischen Systems führt.
Die Fragen des Proletariats können in der kapitalistischen Ordnung weder beantwortet noch gelöst werden. Sie können nicht einmal hinausgezögert werden. Der Reformismus zeigt sich gerade in der heutigen Zeit als Utopie und fällt der Lächerlichkeit anheim. Die Weiterexistenz des Systems verlangt die Vernichtung von Millionen. Die Errettung der Millionen würde Selbstmord der kapitalistischen Nutzniesser bedeuten: So muss für Revolutionäre diese Krise die Todeskrise des Systems sein. Denn alle Momente, die den Klassenkampf vom Reformismus zur Revolution drängen, sind gegeben. Diese Ueberzeugung hat nicht in Wünschen, sondern in der Betrachtung der realen Wirklichkeit ihre Begründung. Wir befinden uns im fünften Jahr einer allgemeinen Weltkrise, wie sie die bisherige Geschichte des Kapitals nicht kannte. Wir sehen, dass alle bisher wirkenden Krisenüberwindungsmomente an der Tiefe der jetzigen Krise scheitern. Es gibt keine Symptome, die eine Besserung anzudeuten vermögen. Und nicht nur für das Proletariat erscheint dieser Krisenzustand unertragbar, auch die Bourgeoisie betrachtet ihr eigenes Werk mit Schaudern. In einem Leitartikel schreibt der „Economist” (4.6.1932): ”Der Gang der Weltereignisse berechtigt von Tag zu Tag immer mehr den Vergleich mit dem Irrenhaus.” Und die Charakterisierung, die Lenin der Bourgeoisie vor zehn Jahren gab: ”Sie (die Bourgeoisie) verhält sich wie ein Räuber, der frech geworden ist und seinen Kopf verloren bat, sie macht eine Dummheit nach der anderen, sie verschürft ihre Lage, sie beschleunigt ihren Untergang.” Diese Beschreibung gilt heute- mehr als damals. Das ist jedoch nur die aussere Erscheinung; die Bourgeoisie ist weder dumm noch irrsinnig, die Handlungen der Bourgeoisie sind nicht willkürlich. Sie verschürft ihre Lage nicht, weil sie den Kopf verloren bat, sondern sie verliert den Kopf, weil sich, gegen alle ihre Massnahmen, die Krise weiter verschärft.
Ihre Gütter stürzen, und zwar buchstäblich. Sie nehmen sich das Leben, entlarven sich als „Kriminalverbrecher” (wir erinnern nur an Kreuger und Insull). Was der Bourgeoisie allein geblieben ist, ist die kindlichste Hoffnung. Seit Jahren sieht sie und die ihr verpflichteten ”Wissenschaftler” täglich den Umschwung zur Besserung eintreten. In jeder jämmerlichen Hausspekulation sieht sie den Stern von Bethlehem, der ihr neue Prosperität verspricht. Wie oft schon betonte sie, der Tiefstand sei erreicht, schlimmer könne es nicht werden, und es wurde schlimmer. In der Märzausgabe (1932) der Zeitschrift ”Commerce” (offizielles Organ der ”Chicago Association of Commerce”) schreibt der führende Finanzkapitalist Edwin L. Lobdell folgendes: ”Wenn die Verhältnisse nicht schlechter werden können (und allem Anschein nach ist dieser Punkt bereits erreicht), muss jede Aenderung eine Veränderung zum Besseren sein. Das Jahr 1932 wird ein Jahr der Reinigung sein und nur die besten werden leben bleiben. Die Vereinigten Staaten überwanden viele Krisen, manche, die schwerer waren, als die jetzige. Das Land wurde stets wieder gesund und begann mit neuer Frische grössere Dinge. Die Geschichte wird sich wiederholen und die jetzigen Verhältnisse werden vergessen sein, Wenn eine neue Generation die Kontrolle in die Hände nimmt.” Aber diese Analogien mit der Vergangenheit haben absolut keinen Wert. Diese Krise kann nicht mit den vorhergehenden verglichen werden, auch dann nicht, wenn grundsätzlich der Charakter aller kapitalistischen Krisen derselbe ist. Gegen alle Prophezeiungen bat sich die Krise in alle grossen kapitalistischen Ländern dauernd verschärft und verschärft sich noch immer und wird sich noch weiter verschärfen.
Die Produktion von Produktionsmitteln ersetzt nicht einmal den natürlichen Verschleiss. Die Produktionskapazität wird kaum noch halb ausgenutzt. Das Arbeitslosenheer schwillt noch immer an und wird weiter anschwellen. Die Profite werden immer geringer, die Bankerotte häufen sich. Alle Gegenmassnahmen versagen. Kartelle, die den Preisfall aufhalten sollen, zerfallen selbst. Inflationsversuche verpuffen wie ein Tropfen auf heissem Stein. Die politische Unsicherheit wird grösser.
Was den Umfang der Produktion betrifft, so ist die kapitalistische Welt schon weit hinter den Stand der Vorkriegsperiode zurückgeworfen. Setzt man den Index der Produktion von 1913 mit 100 an, so hielten sich Ende 1932 die Vereinigten Staaten noch auf dem Niveau von 1913, während in Frankreich' der Index auf 95, in England auf 83, Deutschland auf 63 und Polen auf 46 gefallen ist. Noch klarer wird der Niedergang des Kapitalismus, vergleicht man den Produktionsstand der einzelnen Industriezweige 1932 mit den jeweiligen Jahren der Vergangenheit, die die selbe Höhe aufwiesen.
Kohle: | Roheisen: | Stahl: | Baumwoll verbrauch: |
|
---|---|---|---|---|
U. S. A | 1906 | 1898 | 1905 | 1913 |
England | 1900 | 1860 | 1897 | 1872 |
Deutschland | 1899 | 1891 | 1895 | 1889 |
Mithin sind die entscheidenden Zweige der kapitalistischen Industrie um 25 bis 40 Jahre zurückgeworfen.
Am klarsten wird der Niedergang des kapitalistischen Systems ausgedrückt durch das krasse Abnehmen der Nachfrage nach allen Arten der schwerindustriellen Produktion, wie sich dies aus den Angaben über die Roheisenerzeugung ergibt.
U. S. A.: | Frankreich: | Deutschland: | England: | |
---|---|---|---|---|
(In Millionen Tonnen) | ||||
1929 | 18,3 | 4,3 | 5,4 | 2,9 |
1931 | 9,6 | 3,8 | 2,8 | 1,7 |
1932 | 4,6 | 2,3 | 1,7 | 1,6 |
Die chronische Agrarkrise erfährt durch die industrielle Krise noch weitere Vertiefungen. In den Vereinigten Staaten z. B. stellte sich der Index der Farmerzeugnisse im Mai 1932 (Vorkriegsindex: 100) auf 56. Die Kaufkraft der Farmerzeugnisse auf der Preisbasis der anderen Produkte betrug, gegenüber der Vorkriegsperiode, 50 Prozent. Die Schrumpfung des Innenmarktes zwingt zur verschärften Konkurrenz auf dem Weltmarkt; gleichzeitig schrumpft der Welthandel ein durch Schutzzollmassnahmen.
Ein- und Ausfuhr sanken von 1929-1932: | ||
---|---|---|
Einfuhr: | Ausfuhr: | |
England | 39% | 48% |
U. S. A. | 67% | 68% |
Deutschland | 65% | 54% |
Frankreich | 50% | 60% |
Italien | 60% | 59% |
Kanada | 64% | 61% |
Australien | 48% | 60% |
Die Schrumpfung des Welthandels vertieft die Krise, indem sie die Währungs- und Finanzlage der Länder erschwert. Parallel zu diesen Erscheinungen vollzieht sich die krasse Abnahme der Gewinne. Die Gewinne der amerikanischen Unternehmungen stellten sich im ersten Quartal 1932 nur auf 20 Prozent jener im entsprechenden Quartal 1931. Die Aktien der amerikanischen Unternehmungen haben seit 1929 85 Prozent ihres Kurswertes eingebüsst. Die Lage des Bankkapitals ist katastrophal. Zinsraten sanken bis auf 1½ Prozent. Die Schliessung der Banken, oder die gewaltsame Enteignung der Spargelder der Arbeiter und des Mittelstandes verschärft die Situation noch mehr.
Am allerdeutlichsten sprechen die Arbeitslosenziffern der Welt. Amerika zählt im März 1932 rund 16 Millionen Arbeitslose. Deutschland hat 6 Millionen registrierte und 2 Millionen ausgesteuerte Erwerbslose. In England wurden 2,859,828 Erwerbslose gezählt. Ihre Anzahl ist in Wirklichkeit viel höher. Polen hat eine Million Arbeitslose. In allen Ländern steigen die Erwerbslosenziffern höher und höher. Die Weltarbeitslosigkeit umfasst mehr als 30 Millionen Menschen.
Der Angriff auf die Löhne wird international geführt. Was für Amerika gilt, gilt für alle anderen Länder ebenfalls. Die Lohnsumme, die in amerikanischen Fabriken 1932 ausgezahlt wurde. beträgt nur 45 Prozent der des Jahres 1926. Das Gesamtarbeitereinkommen ist innerhalb der letzten sechs Jahre auf weniger als die Hälfte gesunken.
Die Revolution ist ein dialektischer Prozess. Es gibt für sie kein fertiges Rezept. Ihre Theorie und Praxis ist dem Wechsel unterlegen. Der Klassenkampf findet seinen Höchstpunkt in der Uebernahme der Produktionsmittel durch die Industrie-Unionen des siegreichen Proletariats zur Herstellung der: ASSOZIATION FREIER UND GLEICHER PRODUZENTEN.
Die Betriebsorganisation, die Industrie-Union, die Klassenorganisation ist zugleich die Organisation der zukünftigen Gesellschaft. So bildet in der I. W. W. das Ziel und die Taktik eine Totalität. Ihr organisatorischer Aufbau ist bereits die Struktur der neuen Gesellschaft in der Schale der alten.
Nach Industrien organisiert, für den Tageskampf mit der Bourgeoisie; nach Industrien organisiert für die Weiterführung der industriellen Produktion nach Uebernahme der Macht. Die Tendenz der Organisation: DIE EINE GROSSE UNION ist zugleich ihr ZIEL.
Dahin drängt die Entwicklung. Aber um die Entwicklung selbst zu verstehen, ist es notwendig, alle Tendenzen, die sich gegen das Ziel wenden, in die Kalkulation einzubeziehen.
Der Klassenkampf ist das natürliche Produkt der Privateigentumsgesellschaft. Die Formen des Klassenkampfes wechseln mit der Entwicklung der Klassenkämpfe. Die Entwicklung wird gehemmt durch Gegenaktionen der Bourgeoisie, durch traditionelle Einflüsse; gehemmt durch neue konterrevolutionäre Elemente, die sich erst aus dem Klassenkampf selbst heraus entwickeln, z. B. die reaktionären Arbeiterorganisationen.
Wenn wir sagten, dass die Revolution ein dialektischer Prozess ist, dann sagen wir damit, dass beide Seiten des Entwicklungsprozesses, die objektiven und die subjektiven Momente sich gegenseitig beeinflussen. Im Prozess des Klassenkampfes, in dem beide Elemente sich verschmelzen, ist die bewusste Tat des bewussten Teils des Proletariats von emminenter Bedeutung. Hier liegt die Begründung für die Notwendigkeit der Organisation.
Das Proletariat macht, wenn auch nicht aus freien Stücken, seine eigene Geschichte. In der Endphase der bürgerlichen Gesellschaft fehlen dem Kapital genau so die objektiven Voraussetzungen für seine Weiterexistenz, wie die subjektiven für die Revolution noch nicht voll gegeben sind. Die Bourgeoisie und die revolutionäre Minderheit ringt um die Ideologie der Arbeiterschaft. Die Entwicklung dieses Kampfes drückt sich aus in der Entwicklung der Formen des Klassenkampfes, nach unserer Auffassung in der Entwicklung der Selbstaktivität der kämpfenden Arbeiterschaft, die sich in Organisationen zusammenschliesst,. die sie selbst beherrscht und bestimmt un d die zugleich wirklich brauchbare Klassenkampfwaffen sind. So ist für uns die I. W. W. das wichtigste Instrument der Revolution.
Die I. W. W. unterscheidet sich grundsätzlich von allen anderen existierenden Arbeiterorganisationen. Schon in der Kritik der alten Arbeiterbewegung liegt bereits das Positive der I. W. W.
Die alte Arbeiterbewegung ist nach dem bürgerlichen Staatsprinzip ”Führer und Masse” (von oben nach unten) aufgebaut. Sie verbesserte die Existenzmöglichkeiten von Teilen des Proletariats in der Aufstiegsepoche des Kapitalismus. Sie entwickelte Organisationen, die selbst zu Gliedern der kapitalistischen Gesellschaft wurden. Sie erzogen eine Führerschaft, einen Beamtenapparat, der dem Proletariat im Interesse ihrer eigenen Kastenexistenz genau so gegenüber tritt, wie das Kapital selber. Wie der Parlamentarismus die geistige, so verkörpert die Gewerkschaftsbewegung die materielle Macht der Führer über die Arbeitermassen. In diesen Organisationen herrscht die Bürokratie über die Machtmittel, die Geldmittel, die Presse usw. Die Führer identifizieren sich mit der Organisation; die Organisation ist ihr Privateigentum geworden. Die Mitglieder sind nicht imstande, ihren Willen gegen die Bonzokratie durchzusetzen. Die Organisation tritt den Arbeitern als etwas Fremdes gegenüber, als eine äussere Macht, gegen die sie wohl rebellieren können, die aber über ihnen steht, obgleich doch diese Macht aus ihnen selbst entspriesst. Das Verhältnis der Arbeiter zu ihren Organisationen ist genau so, wie das Verhältnis der Arbeiter zum bürgerlichen Staat.
In revolutionären Perioden finden wichtige ideologische Umformungen statt. Die Zielstellung der Arbeiter wird eine vollkommen andere, sie wird radikalisiert. Dies wird bestätigt durch die Tatsache, dass die Arbeiterklasse in der Revolution andere Organisationsformen gebraucht, als in dem Zeitabschnitt der ruhigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die wichtigste Lehre, die die revolutionäre Periode in Europa von 1917 bis 1923 brachte, ist die, dass die Arbeiterschaft sich neuer Kampfmethoden bediente, die im strikten Gegensatz zu denen der alten Arbeiterorganisationen und zu diesen Organisationen selbst standen. Die Arbeiterräte, die Aktionsausschüsse, die Betriebsorganisationen wurden von der alten Arbeiterbewegung aufs blutigste bekämpft. Das heisst, die Organisationen, in denen das Proletariat sich selbst bestimmen konnte, die sich nicht durch eine Schmarotzerklique beherrschen liessen, waren die Todfeinde der parlamentarisch-gewerkschaftlichen Bewegung.
Die I. W. W. ist deshalb so gehasst, weil sie das neue Prinzip der wirklichen Arbeiterbewegung ”VON UNTEN NACH OBEN” bis zur letzten Konsequenz verkörpert, weil hier, in der I. W. W., die Arbeiter ihre Organisation beherrschen.
Wir wendeten unsere Aufmerksamkeit ganz besonders der Krise zu, weil es für uns als revolutionäre Organisation klar ist, dass die Taktik und die Aufgaben der Bewegung absolut von dem wirtschaftlichen Zustand abhängig sind. Die I. W. W. greift ihre Theorie nicht aus der Luft, sondern versucht sie wissenschaftlich nachzuweisen.
Mit der Ueberakkumulation des Kapitals ist die geschichtlich objektive Grenze der reinen Gewerkschaftsbewegung erreicht. In der Endphase der bürgerlichen Gesellschaft kann durch keine Organisation irgend etwas an der Tatsache geändert werden, dass die Verelendung der notwendige Endpunkt der kapitalistischen Entwicklung ist. Auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise kann das Proletariat nur verelenden. Alle Organisationen, die nur innerhalb des kapitalistischen Systems für die ”Interessen” der Arbeiter eintraten, müssen zu Grunde gehen. Denn die Beseitigung des Systems ist nun die einzige Lösung für die Arbeiterschaft. Nur eine Organisation, die sich als Ziel die klassenlose Gesellschaft gesteckt bat, ist in solch einer Periode noch imstande, den Klassenkampf zu führen.
Jeder grössere Lohnstreik, jedes feste Eintreten für die Verbesserung der Lebenslage der Arbeiterschaft wird, wenn erfolgreich geführt, zu einer Frage von Leben und Tod für die Bourgeoisie. Jede Organisation, die den Kapitalismus erhalten will, muss gegen die Verbesserung der Lebenslage der Arbeiterschaft mit der Bourgeoisie gemeinsam kämpfen.
In der Endphase der kapitalistischen Gesellschaft haben die Gewerkschaften keine Funktion mehr zu erfüllen, sie haben auch im Kommunismus keine Funktionen. Sie sind an ihrer objektiven Schranke angelangt. Damit verschwinden sie allerdings noch nicht, da die Ideologien immer den Verhältnissen nachhinken. Aber sie werden konterrevolutionär, versuchen, um ihr eigenes Leben zu retten, dem Kapitalismus wieder auf die Beine zu helfen. Ein gut funktionierender Kapitalismus ist eine Lebensfrage für die Gewerkschaften. Deshalb werden die Gewerkschaften zu Streikbrecherorganisationen, deshalb versuchen sie durch verräterischen Kuhhandel mit den Unternehmern die wirklichen Klassenkämpfe abzuleiten.
In der Niedergangsperiode des Kapitals hat der Streik aber erst wirkliche revolutionäre Bedeutung. Jeder Erfolg der Arbeiter vertieft die Krise. Jede Widerstandsaktion des Proletariats geht auf Kosten der Bourgeoisie. Und selbst jeder Misserfolg, durch die einfache Tatsache des Ausfalls der Produktion und damit der Verringerung der Mehrwertmasse, schnürt den Strick um den kapitalistischen Hals noch enger. In jedem Falle ist das Proletariat, vom Standpunkt der Revolution aus gesehen, der Gewinner. Alles, was die Arbeitslosen der Bourgeoisie abringen, führt zur verschärften Ausbeutung in den Betrieben, führt damit zur Verschärfung der Klassenkämpfe, führt auf den Weg zur Revolution, zur Beseitigung der Profitordnung.
Der wirtschaftliche Kampf der Arbeiter ist der revolutionäre Kampf. Dieser Kampf muss geführt und kann nur geführt werden von den Arbeitern selbst, kann nur geführt werden von Organisationen, die nicht den Kapitalismus erhalten, sondern die ihn beseitigen wollen, kann nur geführt werden zum endgültigen Sieg in Klassenfronten vom gesamten Proletariat, nicht von einzelnen Gruppen. Die Industrie-Unionen sind die diesem Kampfe angepassten Organisationen.
Zuletzt aktualisiert am 02.3.2011