„Die Gemischte Ökonomie“ ist das Manuskript eines Vortrages, den Paul Mattick im Juni 1971 während eines Berlin-Besuchs gehalten hat.
Zuerst abgedruckt in Die Soziale Revolution ist keine Parteisache No. 2 vom November 1971, S. 46-55. Abgedruckt in der Broschüre P. Mattick Kapitalistischer Reproduktionsprozeß und Klassenbewußtsein 2 Aufsätze, Hamburg, Verlag O, 1973, S. 2-11
Transkription/HTML-Markierung: Thomas Schmidt für das Marxists’ Internet Archive.
Die bürgerliche Wirtschaftstheorie erhob auf lange Zeit keinen Anspruch auf praktische Anwendbarkeit. Sie sollte nur den sich von ihr unabhängig vollziehenden aktuellen Wirtschaftsprozeß verständlich machen und die existierenden gesellschaftlichen Beziehungen rechtfertigen. Um dem praktischen Gesellschaftsleben gerecht zu werden, bildeten sich besondere Gewerbe- und Handelsschulen. Die „reine Theorie“, ganz unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, hatte nur ideologische Funktionen zu erfüllen. Die ausschlaggebende Theorie um die Jahrhundertwende war die neo-klassische Markttheorie, die sich als Gleichgewichtstheorie verstand und in der sich die Nachfrage dem Angebot automatisch anpaßte. Ohne darauf weiter einzugehen, sei nur bemerkt, daß diese Theorie durch die ihr widersprechenden aktuellen Ereignisse ihren ideologischen Wert verlor.
Das Ende der „traditionellen Theorie“ wurde als Keynesianische Revolution gefeiert. Dieser „Umsturz“ enthielt jedoch nicht mehr als die einfache Feststellung, daß die Gleichgewichtstheorie den Tatsachen widersprach. Unfreiwillige Massenarbeitslosigkeit und eine wachsende Unlust zu neuen Kapitalanlagen wiesen darauf hin, daß der Marktmechanismus kein Gleichgewichtsmechanismus war. Um unter den „neuen“ Umständen ein solches Gleichgewicht zu erreichen, wären bewußte staatliche Eingriffe in den Marktmechanismus notwendig. Die Mittel zu diesem Zweck lägen in der staatlichen Geld- und Kreditpolitik. Allerdings war hier die Praxis der Theorie bereits vorausgeeilt. Der Notgehorchend hatten verschiedene Staaten bereits versucht, die Arbeitslosigkeit durch vermehrte öffentliche Ausgaben einzuschränken. Da dies den bisherigen Auffassungen widersprach, wurde es notwendig, die Theorie den neuen Tatsachen anzupassen.
Die neue, mit Keynes Namen verbundene Theorie und ihre praktische Anwendung wurde zuerst als kurzfristige Notmaßnahme akzeptiert. Abgesehen von „letzten“ Erklärungen, war die Wirtschaftskrise offensichtlich ein Zustand, der sich aus einer fallenden Investitionsrate ergab. Reichen die privaten Kapitalanlagen nicht zur Vollbeschäftigung aus, so müßte das Defizit durch erhöhte öffentliche Ausgaben ausgeglichen werden, öffentliche Ausgaben werden jedoch von Steuereinnahmen bestimmt, und Steuererhöhungen können die privaten Investitionen nicht erhöhen. Aber größere öffentliche Ausgaben können durch Staatsanleihen gedeckt werden. Das Regierungsbudget – Einnahmen und Ausgaben – braucht sich nicht Jahr für Jahr zu decken. Staatsschulden, die in Zeiten der Krise gemacht werden, könnten in Jahren der Prosperität durch vermehrte Staatseinnahmen abgetragen werden. Durch eine langfristige Budgetpolitik wäre es möglich, den Zyklus von Krise und Hochkonjunktur zu nivellieren und die Wirtschaft zu stabilisieren.
Darüberhinaus hätte die staatlich vermittelte Produktionsvermehrung die eigenartige Wirkung der Selbstfinanzierung, so daß unter Umständen das Problem des Budgetausgleiches überhaupt nicht aufzutauchen brauchte. Diese Auffassung fand ihren Ausdruck in dem Begriffe des „Multiplikators“, d. h. in der Annahme, daß jede zusätzliche Investition das volkswirtschaftliche Gesamteinkommen weit über die Summe der Investition hinaus vermehrte. So würden sich die größeren staatlichen Ausgaben durch die von ihnen verursachte Vermehrung des Gesamteinkommens von selbst bezahlen. Es wurde allerdings vergessen, daß die zusätzlichen staatlichen Ausgaben nicht vom Himmel fallen, sondern zurückzuzahlende Anleihen sind, die nur dann zu einer größeren als der ihr eigenen Summe führen können, wenn sie produktiv angelegt werden, d. h. soweit sie ihrem Wert einen Mehrwert zuzufügen imstande sind. Andernfalls tauscht sich der Wert der staatlichen Investitionen nur gegen einen gleichen Wert in anderer Form aus, und vor „Multiplikation“ kann keine Rede sein.
Aber es waren nicht diese oder ähnliche theoretische Erwägungen, die zur Ausdehnung der staatlich vermittelten und damit „gemischten“ Produktion führten, sondern zuerst der soziale Druck der Arbeitslosigkeit und später die Anforderungen der Aufrüstungs- und Kriegsproduktion. Nur im letzteren Fall verband sich eine fast verschwindende Akkumulationsrate mit Vollbeschäftigung. „Profite“ wurden als Staatsverschuldung verbucht und wiesen auf die im gesellschaftlicher Rahmen tatsächlich existierende Profitlosigkeit der Kriegsproduktion hin. Die Produktion war im wesentlichen eine Produktion für den Verbrauch, wenn dieser auch nur destruktiven Zwecken diente. Der Gedanke lag jedoch nahe, daß auch in Friedenszeiten Vollbeschäftigung erreicht werden könnte durch die „Sozialisierung des Verbrauchs“, d. h. durch staatlich vermittelte Produktion, unabhängig von den Profitnotwendigkeiten, denen die kapitalistische Produktion unterliegt. Dort, wo das Kapital aufhörte, durch weitere Expansion die Vollbeschäftigung zu sichern, müßte der Staat mit öffentlichen Ausgaben einspringen, um die Existenz der Massen sicherzustellen.
Der Staat ist jedoch nur in begrenztem Maße Besitzer von Kapital und Produktionsmitteln, und in diesem begrenzten Sinne ohne Einfluß auf den Wirtschaftszyklus. Um zur Vollbeschäftigung vorzustoßen, muß der Staat über seine eigenen „normalen“ Anforderungen hinaus und mit Mitteln, die nicht ihm, sondern dem privaten Kapital gehören, die Produktion zu erweitern suchen. Um mehr auszugeben, als er einnimmt, muß er sich die Differenz auf dem Kapitalmarkt erstehen. Der Staat kauft von den Kapitalisten Produkte mit dem Geld, das er sich von ihnen gegen einen bestimmten Zinssatz geliehen hat. Da stets neu geborgt werden kann, ist nur die Verzinsung der Anleihen zu berücksichtigen, also nur ein kleiner Bruchteil der Staatsschuld, der durch Steuern gedeckt werden kann.
Der Staat ist natürlich keine über der Gesellschaft stehende Institution, sondern der Staat der kapitalistischen Gesellschaft. Als solcher kann er nur dem Kapital zusagende Anordnungen treffen. Die von ihm vermittelte zusätzliche Produktion kann grundsätzlich nicht mit der Produktion für den Markt konkurrieren, obwohl auch hier Ausnahmen die Regel bestätigen. Soweit jedoch die staatliche Produktion auf dem Markt konkurriert, unterliegt sie den allgemeinen Gesetzen der Konkurrenz, die den Staat als Unternehmer genau so betreffen wie den privaten Unternehmer. Die staatlich vermittelte Produktion der „gemischten“ Wirtschaft handelt von der Produktion, die aus dem Marktbereich herausfällt, die nicht in die allgemeine durchschnittliche Profitrate eingeht und die keine auf dem Markt zu realisierenden Gewinne aufweist. Würde die staatliche mit der privaten Produktion in stets wachsendem Maße konkurrieren, so Würde das private Kapital der staatlichen Konkurrenz bald unterliegen und die Wirtschaft zu einer staatskapitalistischen Wirtschaft werden.
Die „gemischte“ Wirtschaft setzt voraus, daß ihr staatlicher Sektor nur den kleineren Teil der Gesamtwirtschaft bildet. Andernfalls könnte der unprofitable staatliche Sektor nicht von dem profitablen privaten Sektor getragen werden. Da der staatliche Sektor keinen Profit bringt, kann er auch keinen Zins abwerfen. Die Kosten des unprofitablen Sektors drücken sich in der Staatsverschuldung und ihrer Verzinsung aus, die aus den Steuern des profitablen Sektors beglichen werden. Mit der Ausdehnung des staatlichen Sektors wächst die Besteuerung des Kapitals und vermindert dementsprechend die zu seiner eigenen Expansion notwendigen Profite. Mit dem Wachsen der Gesamtproduktion durch die Erweiterung des staatlichen Sektors fällt die schon unzureichende Akkumulationsrate noch mehr und erschwert damit einen neuen Aufschwung des privaten Kapitals, der zu einer relativen Einschränkung des staatlichen Sektors führen könnte. Soll das Prinzip der Vollbeschäftigung unter allen Umständen gewahrt werden, so drängt die stagnierende Akkumulationsrate zur Erweiterung des staatlichen Sektors. Das Prinzip der Vollbeschäftigung steht im Widerspruch zu den Notwendigkeiten der Akkumulation. Um dieser Notwendigkeit nachzukommen, muß die unprofitable staatliche Produktion in bestimmten Grenzen gehalten werden.
Diese Begrenzung der“ausgleichenden“ staatlichen Wirtschaftseingriffe vermindert deren Wirksamkeit im Laufe ihrer fortgesetzten Anwendung. Die Akkumulation des Kapitals hat die unbestrittene Tendenz, die Profitrate zu vermindern – ein Prozeß, der sich durch ein beschleunigtes Akkumulationstempo latent halten läßt. Die relative Stagnation des Kapitals, die die staatlichen Eingriffe erzwang, vermindert die Profitrate trotz und wegen der mit diesen Eingriffen verbundenen steigenden Produktion. Gemessen an der Gesamtproduktion drückt sich die fallende Profitrate als abnehmende Akkumulationsrate des privaten Kapitals aus. Wird die dadurch entstehende Arbeitslosigkeit immer wieder durch staatlich vermittelte Produktion aufgesogen, so wird es stets schwieriger, die notwendigen Profite zu Zweckender Akkumulation zu erzielen. Die fallende Akkumulationsrate bestimmt damit das mögliche Ausmaß der „kompensierenden“ staatlich bestimmten Produktion. Sie kann nicht zu dem Punkt gebracht werden, der eine fortgesetzte kapitalistische Akkumulation ausschlösse. Da sich durch staatliche Wirtschaftseingriffe nichts an der Dynamik der kapitalistischen Akkumulation ändern läßt, setzt die ihr immanente Tendenz der fallenden Profitrate auch die Grenzen der unprofitablen staatlichen Produktion. Sie kann nur vorübergehende Wirkung haben und verliert diese Wirkung in zunehmendem Maße durch ihre Ausdehnung.
Im allgemeinen unterscheidet die bürgerliche Ökonomie nicht zwischen profitabler und unprofitabler Produktion. In ihren Augen dient alle Produktion dem Verbrauch gleich welcher Art. Jede Produktion und Dienstleistung vergrößert das wirtschaftliche Gesamteinkommen, das sich den privaten und öffentlichen Beträgen und Bedürfnissen nach entsprechend verteilt. In Wirklichkeit ist die kapitalistische Produktion die Produktion von Kapital. Sie ist nur insofern „produktiv“, als sie das gegebene Kapital vermehrt. Der kapitalistische Profit realisiert sich damit als Akkumulation des Kapitals. Ohne Akkumulation gibt es zwar Produktion, aber keine kapitalistische. Ohne Akkumulation würde die Produktion tatsächlich nur dem Konsum dienen, wie unterschiedlich dieser sich auch darstellen sollte. Was konsumiert wird, kann nicht akkumuliert werden, so daß die Grösse der Akkumulation von dem nicht verbrauchten Teil des gesellschaftlichen Produkts bestimmt wird. Man kann also die Akkumulation nicht durch die Vergrößerung des Verbrauchs fördern, obwohl bei schneller Akkumulation der Verbrauch nicht nur zunimmt, sondern auch zunehmen muß. Die Akkumulation hängt von der Rentabilität des gegebenen Kapitals ab. Wird ein wachsender Teil dieses Kapitals unrentabel angewandt, so fällt die Profitmasse des Gesamtkapitals und damit die durchschnittliche Profitrate. Das Verhältnis zwischen rentabler und unrentabler, zwischen privater und öffentlicher Produktion beeinflußt die Akkumulationsrate und damit den Aufstieg oder Niedergang des kapitalistischen Systems.
Die Vermehrung der unrentablen auf Kosten der rentablen Produktion, wie notwendig auch immer, bleibt, kapitalistisch gesehen, stets widersinnig. Wenn zu diesem Mittel gegriffen wurde, so aus Furcht vor den sozialen Konsequenzen einer weitgehenden anhaltenden Depression mit Massenarbeitslosigkeit. Da sich die kapitalistische Akkumulation durch ihre inneren Widersprüche von selbst verlangsamte und damit die Krise auslöste, könnte man entweder das Ende der Krise abwarten oder durch staatliche Eingriffe die Produktion ohne Rücksicht auf Rentabilität vergrößern. Man beschnitt damit nicht die gegebene Akkumulationsfähigkeit des Kapitals, da diese ja bereits ihre vorläufige Grenze erreicht hatte. Aber man konnte damit auch nicht die Akkumulationsfähigkeit des Kapitals verbessern, da staatliche Eingriffe die Rentabilität des privaten Kapitals nicht zu vergrößern vermögen. Man beschnitt damit allerdings die Wirkungskraft des Krisenmechanismus als Voraussetzung einer neuen Konjunktur. In der Vergangenheit erwirkten die kapitalzerstörenden Krisen strukturelle Veränderungen des Kapitals mit Bezug auf seine Konzentration und seine Ausbeutungsrate, die dann zu einer neuen Prosperität überleiteten. Aber unter den Krisenbedingungen des 20. Jahrhunderts schienen die mit diesem Prozeß verbundenen sozialen Kosten nicht länger tragbar.
Die Verminderung der kapitalistischen Akkumulationsrate durch unzulängliche Rentabilität erscheint den Kapitalisten als Verminderung der Nachfrage, die zu Produktionseinschränkungen zwingt. Produktionsmittel und Arbeitskräfte liegen zum Teil brach. Kapital, das der Akkumulation dienen sollte, findet keine profitablen Anlagen, woraus sich die sogenannte „Liquiditätsvorliebe“ erklärt. Der Mangel an Profit erscheint als ein Überfluß an Waren und Kapital. Unter diesen Bedingungen fällt die staatliche Defizitfinanzierung öffentlicher Ausgaben leichter. Das Geld, das nicht kapitalistisch angelegt werden kann, findet seinen Abnehmer und seine Verzinsung durch den Staat. Der Staat vermehrt damit die wirtschaftliche Tätigkeit. Das kann bis zur Vollbeschäftigung und zur vollen Ausnutzung der Produktionsmittel führen. Die Produktion verläuft wie unter den Umständen einer Marktkonjunktur. Aber der Schein trügt.
Die Marktkonjunktur war gezeichnet durch eine Rentabilität und deren Realisierung, die ihren Niederschlag in der Akkumulation fand. Die durch den Staat künstlich erzeugte Konjunktur vermehrt die Produktion in gleichem Ausmaß ohne eine ihr entsprechende Förderung der Akkumulation. Ein Teil des Kapitals wird „unproduktiv“ angewandt. Trotzdem befriedigt dieser Zustand zunächst die Ansprüche aller gesellschaftlichen Schichten. Die Arbeiter haben Beschäftigung, die Kapitalisten machen Profite, und die Zwischenschichten nehmen an den Einkommen von beiden teil. Es ist dem Finanzier gleichgültig, an wen er sein Geld verleiht, wie es den Arbeitern und den Kapitalisten gleichgültig ist, für wen oder was sie produzieren. Die Einkommen steigen im allgemeinen, und es ist unverständlich, warum man nicht schon früher die Krisen auf diese Weise beseitigte. Jedenfalls scheint die Lösung des Krisenproblems nun gefunden zu sein.
Aber was spielt sich hier wirklich ab? Der Ausgangspunkt der ganzen Geschichte sind die vermehrten öffentlichen Ausgaben. Das kann auf zwei Wegen erreicht werden. Der Staat kann Geld borgen oder Geld drucken. Im letzteren Fall ergibt sich eine rapide Inflation, die das in Geldform existierende Kapital zerstört. Die Vernichtung von Kapital kann die Krisensituation noch verschärfen und zum Ausgangspunkt einer galoppierenden Inflation machen, die unter Umständen der Gesellschaft gefährlicher sein kann als die Deflation, die sie zu bekämpfen versucht. Es ist besser, das brachliegende Geld zu borgen. Es lag brach, weil es keine profitable Anlagemöglichkeit fand. Damit lag auch ein Teil der Produktion still. Mit der „unproduktiven“ Anwendung des „flüssigen“ Kapitals verbindet sich nun die unrentable Ausdehnung der Produktion. Diese Produktion wird durch staatliche Schuldscheine gedeckt. Die Käufer der letzteren sind zwar ihr Geld los, haben aber dafür die Garantie der Regierung, daß die Schuldscheine als Wertpapiere wieder in Geld verwandelt werden können. Das Geld selbst fließt den Produzenten zu, welche die Staatsaufträge ausführen, und findet durch diese allgemeinere Verbreitung.
Die Staatsaufträge beziehen sich auf Endprodukte, für die es im allgemeinen keinen Markt gibt. Allerdings benötigen diese Endprodukte zahlreiche Zwischenprodukte – Produktionsmittel, Rohstoffe, Arbeitskräfte – die als Kosten in die Endprodukte eingehen. Die Wirtschaft belebt sich so in der ganzen Produktions- und Zirkulationssphäre, obwohl die Endprodukte aus dem Markt herausfallen. Sie finden ihren „Gegenwert“ in der Staatsverschuldung. Der Staat kann jedoch den ihm zugestandenen Kredit nur in Geld und Kapital zurückverwandeln durch entsprechende größere Steuereinnahmen oder durch neue Anleihen, d. h. durch verzögerte Besteuerung. Was hier geschehen ist, ist, daß ein Teil der Produktion für den Verbrauch und nicht für Profit arbeitet. Trotzdem ist die ganze Produktion profitabel, ohne daß ein Transfer der Profite von dem profitablen in den unprofitablen Sektor der Produktion ersichtlich würde. Obwohl dies tatsächlich der Fall ist, wird der Vorgang durch den Geldschleier, der über allen kapitalistischen Transaktionen liegt, verdeckt. Da die Schulden des Staates als Geld auftreten und dafür gehalten werden, erscheinen die Staatsausgaben als so viele Einnahmen der von ihnen begünstigten Institutionen und Personen. Ausgaben können so als Einnahmen gebucht werden, solange dem Staat Kredit gewährt wird. Die nicht vorhandenen Profite erscheinen als „Profite“ in Form der Staatsverschuldung, die sich als Geldäquivalent ausgibt. Die jetzigen „Profite“ sind damit allerdings an entsprechende Abzüge von künftigen Profiten gebunden, insofern als diese zur Abtragung der Staatsschuld verwendet werden. Es sind vorweggenommene Profite, deren aktueller Gegenwert erst noch in der ungewissen Zukunft aufgebracht werden muß.
Wie schon erwähnt; haben die bürgerlichen Ökonomen die Gewohnheit, profitable wie unprofitable Produktion in einen Topf zu werfen. Damit erscheint die wachsende Produktion auch als zunehmende Rentabilität des Kapitals. Das wachsende Sozialprodukt, nicht die Akkumulation des Kapitals, findet ihr Interesse und versperrt ihnen die Einsicht in die Dynamik der „gemischten“ Wirtschaft. Die Defizitfinanzierung öffentlicher Ausgaben wird als Instrument der Stabilisierung begriffen, das, in Verbindung mit einer „ausgleichenden“ Geld- und Steuerpolitik, die Wirtschaft reguliert. In der Tat haben diese Maßnahmen großen Erfolg gehabt, wie aus der Wirtschaftsentwicklung nach dem 2. Weltkrieg ersichtlich ist. Allerdings war der große Produktionsaufstieg in den kapitalistisch entwickelten Ländern nicht nur den staatlichen Eingriffen zu danken, sondern auch der Selbstentfaltung des Kapitals. Jedoch war die letztere nicht ausreichend, um die staatlich vermittelte Produktion zurückzuschrauben, die, wenn auch unterschiedlich, in allen Ländern um sich griff. Dennoch war die enorme Kapitalzerstörung des 2. Weltkrieges ohne Zweifel die Basis der neuen Konjunktur. Die Rentabilität wuchs weiterhin durch die sich während und nach dem Krieg ausbreitende „Verwissenschaftlichung“ der Technik, die die Arbeitsproduktivität weiterhin förderte. Die Mittel, die in früheren Krisenzeiten zu einem neuen Aufstieg führten, erprobten sich auch nach der Weltkriegskrise als wirkungsvoll.
Obwohl die strukturellen Veränderungen des Kapitals und die damit verbundene Verbesserung der Rentabilität den neuen Aufschwung ermöglichten, blieb es doch notwendig, die unprofitable Produktion fortzusetzen, um den Zustand annähernder Vollbeschäftigung zu erhalten. Solange jedoch eine gewisse Parallele zwischen den wachsenden öffentlichen und privaten Sektoren bestehen bleibt und die Staatsschuld nicht schneller als das Gesamteinkommen zunimmt, reproduzieren sich nur die diesbezüglichen Verhältnisse. Aber jede Periode der Akkumulation trägt ihr Krisenelement in sich durch die ihr eigene tendenziell fallende Profitrate. Wurde der Aufstieg durch Veränderungen der Kapitalstruktur ausgelöst, so werden die mit der Akkumulation verbundenen weiteren strukturellen Veränderungen des Kapitals zur Ursache eines neu eintretenden Mangels an Rentabilität, der die weitere Akkumulation behindert oder ausschließt. War schon die aktuelle Akkumulation nicht imstande, das Maß der notwendigen unprofitablen zusätzlichen Produktion herabzusetzen, so wird eine neu einsetzende Kapitalstagnation zu einer weiteren Ausdehnung der staatlich vermittelten Produktion führen, soll der sonst drohenden Massenarbeitslosigkeit begegnet werden.
Es ist die von der bürgerlichen Ökonomie unberücksichtigte Dynamik der kapitalistischen Akkumulation, die mit der Krisenerklärung auch die unvermeidliche Ausbreitung der profitlosen Produktion erklärt, wenn auch nur als politische Reaktion auf eine die Gesellschaft gefährdende Krisensituation. Und obwohl die Tendenz der fallenden Profitrate nicht geleugnet wird, hat sie in den Augen der bürgerlichen Ökonomie doch eine ganz andere Bedeutung, als ihr in Wirklichkeit zukommt. In der führenden Keynesischen Theorie z. B. findet die fallende Profitrate ihre Ursache in der verminderten Nachfrage nach Kapital als Ausdruck der zunehmenden Bedürfnissättigung. So kann man sich einen Kapitalismus vorstellen, der zu akkumulieren aufhört und trotzdem die Bedürfnisse befriedigt, wenn auch nicht unmittelbar in der Gegenwart, so doch in der unbestimmten Zukunft. Damit kann man sich auch einbilden, daß die Produktion für den Bedarf trotz fallender Akkumulationsrate dauernd zunehmen kann, wenn dieser „Bedarf“ auch nichts mit dem Konsum im herkömmlichen Sinne zu tun hat.
Wenn auch die zunehmende Staatsschuld keine unmittelbaren Sorgen verursacht, so bleibt ihre Verzinsung doch an eine weitere Besteuerung gebunden. Diese Zinsen können nur von der Profit machenden Produktion beglichen werden, womit sich der gesellschaftliche Gesamtprofit auf beide, die produktive und die unproduktive Produktion, zu verteilen hat und damit für jedes einzelne Kapital den Profit vermindert. Diese Profitverminderung wird durch Preiserhöhungen ausgeglichen, durch die sich das zirkulierende Geld entwertet. Die „gemischte“ Wirtschaft ist so eine inflationistische Wirtschaft. Damit ist nicht gesagt, daß die Verzinsung der Staatsschuld, die ja nur einen Bruchteil des Staatshaushaltes ausmacht, für die Inflation verantwortlich ist. Sie ist es nur zusammen mit der wachsenden Besteuerung, die sich auch unabhängig von der Defizitfinanzierung vollzieht. Es sind die Gesamtausgaben des Staates, nicht nur der geborgte Teil, die zu einem schnelleren Wachstum tendieren als die profitable Produktion.
Was weggesteuert wird, kann nicht akkumuliert werden. Aber die Rentabilität muß sich trotzdem in der Akkumulation realisieren. Die Profite müssen deshalb auf einem Niveau gehalten werden, das die weitere Expansion ermöglicht. Was in den Steuern verloren geht, muß auf dem Markt zurückgewonnen werden. Allerdings wird Profit nicht auf dem Markt gemacht, sondern in der Produktion. Nichtsdestoweniger vollzieht sich seine Realisierung auf dem Markt. Bei einer gegebenen Arbeitsproduktivität ergibt sich eine bestimmte Profitmasse, die sich durch die Marktkonkurrenz in einer mehr oder weniger durchschnittlichen Profitrate auf die einzelnen Kapitale ihrer Größe entsprechend verteilt. Fällt der Profit, oder wird ein großer Teil weggesteuert, so versucht jeder einzelne Kapitalist, den Verlust durch einen Preisaufschlag wettzumachen. Ein allgemeiner Fall der Profitrate zwingt alle Kapitale zu diesem Schritt. Steigt so das allgemeine Preisniveau, so hätte sich an den wirklichen Zuständen nichts geändert; alle Waren hätten nur einen höheren Preisausdruck, der das vorhandene Geld entwertet. Aber die Preiserhöhungen sind keine gleichmäßigen. Steigen die Preise schneller als die Löhne, so vermehrt sich der Profit auf Kosten des Arbeitslohns; ein größerer Teil des gesellschaftlichen Produkts fällt den Kapitalisten zu, ein kleinerer den Arbeitern. Ist der Unterschied groß genug, so kann ein großer Teil der Kosten der erhöhten Besteuerung auf die Arbeiter abgewälzt werden.
Würden die Löhne, genau so schnell steigen wie die Preise, dann hätte die Inflation keinen Sinn. Aber obwohl sie mit der Inflation steigen, kann die letztere ihnen doch stets vorauseilen. Es gibt zudem breite Bevölkerungsschichten, deren Einkommen sich nicht vermehren läßt und deren Lebensstandard der Inflation entsprechend sinkt. Es ist so durch die Inflation möglich, die Kosten der unprofitablen Produktion und der öffentlichen Ausgaben im allgemeinen dem Kapital zu ersparen, indem man sie auf die breite Masse der Bevölkerung überträgt. Durch die weite Verstreuung der Kosten bleibt die damit verbundene Herabsetzung des Lebensstandards ein sich langsam hinziehender Prozeß. Nimmt die Produktivität der Arbeit ständig zu, dann kann der inflationistische Prozeß in tragbaren Grenzen gehalten werden, und er mag selbst den von ihm negativ Betroffenen vorteilhafter erscheinen als eine deflationistische Krisensituation.
Man könnte sozusagen die relativ schnellere Vermehrung der öffentlichen Ausgaben in der „gemischten“ Wirtschaft und deren Entwicklungstendenz an der Rate der Inflation ablesen. Die Rate unterliegt der Kontrolle der Regierang, da es von ihr abhängt, wie groß die Defizitfinanzierung und die Besteuerung sein sollen. Ist jedoch die Vollbeschäftigung ein unverletzliches Prinzip, dann hängt die Inflationsrate von den Wandlungen der kapitalistischen Akkumulation ab, die die Regierung nicht zu beeinflussen vermag. Die unkoordinierte kapitalistische Wirtschaft hat nicht die Möglichkeit der Selbstbestimmung. Wenn von Wirtschaftspolitik gesprochen wird, so bezieht sich das nicht auf das Kapital selbst, sondern auf Regierungsmaßnahmen als Reaktionen auf wirtschaftliche Vorgänge. Setzen neue, aus der Akkumulation selbst erwachsende Schwierigkeiten ein, und führen diese zu einer weiteren Ausdehnung des unprofitablen öffentlichen Sektors, so muß sich auch die Inflationsrate beschleunigen, um den privaten Sektor profitabel zu halten. Die beschleunigte Inflationsrate müßte sich nun in einem Sinken der Lebensbedingungen und der Löhne äußern, und die Vollbeschäftigung wäre mit wachsendem Elend verbunden, auf das die von ihm Betroffenen genau so reagieren mögen wie auf die wachsende Verelendung durch Arbeitslosigkeit. Die Verminderung der Kosten der öffentlichen Ausgaben auf dem Wege der Inflation hat damit ebenfalls Grenzen.
Allerdings ist es auch nicht ausgeschlossen, wenigstens nicht in theoretischer Hinsicht, daß die zunehmende Produktivität der Arbeit groß genug ist, um beide Sektoren der Produktion zu vermehren, ohne damit den Lebensstandard zu beeinträchtigen. Die Inflation könnte auch hier einen Teil der öffentlichen Kosten auf die breite Bevölkerung abwälzen, ohne damit die Löhne zu vermindern oder deren weitere Erhöhung zu hindern. Sie wären nur geringer, als sie es ohne Inflation sein würden. Es wäre im Rahmen der Inflation derselbe Prozeß, der sich während der ganzen kapitalistischen Akkumulation abspielt, nämlich die absolute Verbesserung der Lebenslagen durch eine relativ schnellere Steigerung der Ausbeutungsrate. Aber da dieser Prozeß eine beschleunigte Akkumulation voraussetzt und diese selbst zum Anlaß einer neuen Krise wird, so ist diese vorstellbare Situation oder ihr tatsächliches Vorkommen nur eine Phasenerscheinung, die eines Tages in ihr Gegenteil umschlagen muß.
Es ist jedoch diese Phasenerscheinung, die der „neuen Ökonomie“ und der Gesellschaft als Ganzes die Zuversicht auf die „gemischte“ Wirtschaft verleiht. Wie jede Kreditausweitung die Wirtschaft zu beleben vermag, ohne deshalb über deren wirklichen Zustand etwas Bestimmtes aussagen zu können, so kann unter Umständen die so viel weiterreichende Kreditpolitik der Regierung der Gesamtwirtschaft einen Aufschwung vermitteln, der auch die Marktproduktion erfaßt und in eine neue Akkumulationsphase versetzt. Dies um so mehr, als im Gegensatz zur privaten Kreditausweitung der Nachweis der Rentabilität der vermehrten Produktion nicht zu erbringen ist. Aber der Impetus der öffentlichen Ausgaben wird im Laufe des Wirtschaftswachstums selbst zu einem hemmenden Element und offenbart den Pseudocharakter der durch sie ausgelösten Prosperität. Fallende Profite und die zunehmende Schwierigkeit, sie auf inflationistischem Wege auf dem notwendigen Niveau zu halten, führen dann wieder zu dem Verlangen, die Belastung der öffentlichen Ausgaben einzuschränken. Dem Verlangen muß nachgekommen werden, soll die Dominanz des privaten Kapitals in der „gemischten“ Wirtschaft erhalten bleiben. Das Prinzip der Vollbeschäftigung auf Kosten der Akkumulation, die sich nur vorübergehend durch den inflationistischen Prozeß vermindern lassen, muß dem Prinzip der kapitalistischen Akkumulation weichen, die damit zu den deflationistischen Bedingungen der kapitalistischen Krisengesetzlichkeit zurückfinden muß. Die unprofitable Produktion muß reduziert, die Arbeiterzahl den Akkumulationsnotwendigkeiten angepaßt werden, und dem kapitalistischen Konzentrations- und Zentralisationsprozeß muß freies Spiel gewährt werden.
Damit würde sich das Dilemma wiederholen, das erst zur Etablierung der „gemischten“ Wirtschaft führte und das diese zu beenden trachtete. Die staatlichen Eingriffe hatten die Krise aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Dieselben Ursachen, die zur Krise führen, heben auch die Wirkungen der staatlichen Krisenbekämpfung auf, und der Ausweg aus ihr bleibt nach wie vor eine dem angewachsenen Kapital angemessene Rentabilität, die zu weiterer Akkumulation führen kann. Ist das auf Grund der bisherigen Erfahrungen bereits eine zweifelhafte Angelegenheit, so läßt sich die Notwendigkeit weiterer staatlicher Eingriffe nicht vermeiden, obwohl diese nun zu einem krisenverschärfenden Faktor werden. In einer solchen Situation ist beides verfehlt, die Ausdehnung wie die Einschränkung der die mangelnde Produktion kompensierenden öffentlichen Ausgaben. Der Weg der „neuen Ökonomie“ in die krisenfreie Wirtschaft stellt sich als Sackgasse heraus.
Es gibt jedoch keine absolut ausweglosen Lagen für die kapitalistische Wirtschaft. Selbst in der Marxschen Akkumulations- und Krisentheorie bricht der Kapitalismus nicht von selbst zusammen, sondern findet sein mögliches Ende in den durch die Krise ausgelösten politischen Aktionen. Obwohl es selbstverständlich ist, daß die Geschichte nicht mit dem Kapitalismus zum Abschluß gekommen ist, so läßt sich doch nicht sagen, wann, oder unter welchen Umständen, er ein Ende finden wird. Obwohl die staatlichen Wirtschaftseingriffe nichts an der kapitalistischen Krisengesetzlichkeit zu ändern vermögen, so sind deren Grenzen nicht die der kapitalistischen Wirtschaft selbst. Die Sackgasse schließt nicht den Rückweg aus. Wird keine Rücksicht auf die damit verbundenen sozialen Kosten genommen, kann ein neuer Kurs eingeschlagen werden, sobald der Druck der unprofitablen Produktion unhaltbar wird und die Weiterexistenz der privaten kapitalistischen Wirtschaft in Frage stellt. Geht das Kapital aus den mit diesem Prozeß unzweifelhaft verbundenen politischen Kämpfen siegreich hervor, so ist seine weitere Expansion nicht ganz ausgeschlossen.
Man muß sich vor Augen halten, daß die kapitalistisch entwickelte Wirtschaft nur den kleineren Teil der Erde umfaßt und der größere Teil noch seiner Kapitalisierung harrt. Obwohl dieser Zustand zum großen Teil das Resultat der der kapitalistischen Akkumulation eigentümlichen Konzentrations- und Zentralisationstendenzen ist, bietet er doch zugleich die Basis für eine geographische Ausdehnung, die genau so unablässig, nur langsamer als der Konzentrationsprozeß, vor sich geht. Allerdings vollzieht sich der Kapitalisierungsprozeß in den unterentwickelten Ländern in wachsendem Maße nicht mehr auf dem Wege der Konkurrenz, sondern auf staatskapitalistischer Basis. Wenn das Kapital auf nationaler Ebene den unprofitablen Sektor der Wirtschaft beschneiden muß, um sich selbst zu erhalten, so muß er auf internationaler Ebene versuchen, die staatskapitalistische Entwicklung einzudämmen. Aber obwohl unwahrscheinlich, ist es doch nicht völlig ausgeschlossen, daß beide Bestrebungen vorübergehenden Erfolg haben. Jedenfalls läßt sich nicht der theoretische Nachweis erbringen, daß die jetzige Krise die letzte Krise des kapitalistischen Systems ist.
Es ist deshalb einträglicher, auf die konkret gegebenen Zustände einzugehen und von allen Wahrscheinlichkeitsspekulationen abzusehen. Hier ist es bereits offensichtlich, daß die „gemischte“ Wirtschaft die an sie geknüpften Erwartungen nicht erfüllt hat, oder besser, daß die Erfüllung der Erwartungen nur temporären Charakter hatte. Daß die damit einsetzende Enttäuschung zuerst ihren stärksten Ausdruck in den Vereinigten Staaten fand, hängt mit ihrer kapitalistischen Vormachtstellung zusammen. Als das kapitalistisch am meisten entwickelte Land gehen die Vereinigten Staaten in ihrer Entwicklung anderen Ländern voraus. Ihre niedrige Akkumulationsrate vermehrte von neuem die Arbeitslosigkeit, obwohl sich der öffentliche Sektor absolut und relativ vermehrt hatte. Aber man war nicht länger geneigt, die Vollbeschäftigung auf Kosten der Akkumulation zu sichern, und in Erkenntnis des direkten Zusammenhanges zwischen Besteuerung und Wachstumsrate versuchte man nun, die Rentabilität wieder durch Ersparung öffentlicher Ausgaben, durch Steuererleichterungen und Verkürzung der Abschreibungsraten zu heben.
Obwohl sich alle Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft auf ihre Produktionsverhältnisse beziehen und die von den Erscheinungen aufgeworfenen Fragen hier ihre Antwort finden, bleibt die reale Welt der kapitalistischen Marktwirtschaft doch ein sich stets veränderndes unübersehbares Chaos. Die Theorie kann sich so nur auf das Grundlegende dieser Gesellschaft beziehen und auf die von ihm abzuleitende Entwicklungstendenzen. Hier ist es das Kapital-Arbeit-Verhältnis und die Mehrwertproduktion, die die gesellschaftlichen Zusammenhänge und die Entwicklung bestimmen. Als Akkumulation des Kapitals und Ausdruck der wachsenden Produktivität der Arbeit enthält der zunehmende Reichtum jedoch den Widerspruch des sich im Verhältnis zum Gesamtkapital vermindernden Lohnkapitals. Im Laufe der Akkumulation fällt mit der relativ abnehmenden Arbeit auch die Mehrarbeit, was sich unter den gegebenen Produktionsbedingungen dem Gesamtkapital gegenüber als fallende Profitrate äußert. Nun lassen sich allerdings von Zeit zu Zeit die Produktionsbedingungen entscheidend ändern, bis die Ausbeutungsrate auf ihre endlichen sozialen und natürlichen Grenzen stößt, die sich jedoch, obwohl logisch unvermeidlich, empirisch nicht ermitteln lassen. Wie das Kapital sich blind in die Krise hineinwirtschaftet, so blind wirtschaftet es sich auch wieder heraus durch die Anwendung aller Mittel, die zu einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität und damit zur fortgesetzten Akkumulation führen. Ohne weiter darauf einzugehen, sei nur bemerkt, daß es auf Grund dieser Zusammenhänge nicht möglich ist, die Probleme des Kapitals auf nichtkapitalistischen Wegen wie dem der profitlosen Produktion zu lösen. Von diesem Gesichtspunkt aus ist die „gemischte“ Wirtschaft bereits logisch widerlegt, bevor sie sich selbst als Fehlschlag zu bekennen hat.
Es ist aber gerade die kapitalistische Blindheit, die von den Vertretern des „organisierten Kapitalismus“ geleugnet wird. In ihren Augen läßt sich die Wirtschaft regulieren, ja bis aufs „feinste Abstimmen“. Die Ökonomen werden zur Wirtschaftspolitik in die Regierung berufen und plädieren dort für diese oder jene Maßnahmen, um die Wirtschaft anzukurbeln oder zu bremsen. Warum sie angetrieben oder abgedämpft werden muß, entgeht ihnen, ist ihnen auch gleichgültig, da sie ihr kritiklos gegenüber stehen. Was ihnen zur Verfügung steht, sind jedoch nur monetäre und fiskalische Manipulationen als Reaktionen auf die Eigenbewegung des Kapitals. Den konjunkturellen Schwankungen soll begegnet werden durch steuerpolitische Maßnahmen, Anleihepolitik und Geldschöpfung. Geld wird verknappt oder vermehrt, die Zinsrate erhöht oder gesenkt, die Steuern vermehrt oder vermindert, Anleihen aufgenommen oder abgetragen, immer im Gefolge der sich von allen diesen Maßnahmen unabhängig vollziehenden kapitalistischen Jagd nach dem Profit. Es ist diese Jagd, die die Wirtschaftspolitik bestimmt, nicht umgekehrt, und die damit auch die Grenzen der wirtschaftlichen Manipulation zieht.
Da die Wirtschaftspolitik Regierungspolitik ist, bleibt sie auf die nationale Wirtschaft beschränkt. Es hängt von den besonderen nationalen Umständen ab, wie, und in welchem Umfang, sie angewandt wird. Sie ist in allen Ländern verschieden. Es gibt natürlich auch internationale Vereinbarungen, vornehmlich mit Bezug auf die Geld- und Zollpolitik, wie es multinationale Kapitaleinheiten gibt, die unter verschiedenen Bedingungen zu operieren haben. Da die nationale Wirtschaftspolitik sich nicht vom Weltmarkt isolieren läßt, wird sie nicht nur von den nationalen, sondern auch den internationalen Erscheinungen des kapitalistischen Akkumulationsprozesses bestimmt. Die staatlichen Maßnahmen können nicht nur durch die unkontrollierten Vorgänge im nationalen Rahmen, sondern auch durch kontrollierte wie unkontrollierte Vorgänge in anderen Ländern durchkreuzt und in ihrer Wirkungskraft geschwächt werden, oder sie können völlig ausgeschaltet werden. Gegenüber der ökonomischen und politischen Entwicklung im Weltmaßstabe sind die schon an sich begrenzten nationalen Wirtschaftseingriffe von verschwindender Bedeutung und unfähig, den krisenlosen Zustand zu erreichen, der ihnen noch zugeschrieben wird.
Zuletzt aktualisiert am 21.1.2009