Leo Trotzki

 

Geschichte der russischen Revolution

Februar- und Oktoberrevolution

 

Parteien und politische Gruppen

Dekabristen – Teilnehmer an einem mißlungenen Aufstand gegen Nikolaus 1. im Dezember (russisch: Dekabr) 1825. Dieser Aufstand war der erste Versuch einer bürgerlichen Revolution in Rußland.

Kadetten – volkstümlicher Name für die Konstitutionelle Demokratische Partei (K.D.), auch „Partei der Volksfreiheit“ genannt; große liberale Partei für konstitutionelle Monarchie oder später Republik, die Partei der fortgeschrittenen Gutsbesitzer, des Mittelbürgertums und der bürgerlichen Intelligenz, geführt von Miljukow, Professor der Geschichte.

Maximalisten – eine extreme Richtung, die sich während der Revolution 1905 von den Sozialrevolutionären absplitterte.

Menschewiki – gemäßigte sozialistische Partei, auf Marx sich berufend, aber die Verbindung der Arbeiterklasse mit dem liberalen Bürgertum zur Niederwerfung des Zarismus und zur Errichtung einer demokratischen Republik fordernd.

Menschewiki-Internationalisten – linke Menschewiki, die vor der Revolution in manchen Fällen mit den Bolschewiki zusammengingen, der Gorkischen Zeitung Novaja Schisn nahestanden.

Narodniki – die russischen revolutionären Intellektuellen, die Anfang der siebziger Jahre ihre Umgebung verließen und als Handwerker, Taglöhner unter dem Volke lebten. Später Anhänger einer antimarxistischen, kleinbürgerlichen, revolutionären Lehre, die „Sozialrevolutionäre“, Volkssozialisten gehören dieser Richtung an.

Oktobristen – Anhänger der im Anschluß an das Zarenmanifest vom 17. (30.) Oktober 1905 gegründeten Partei unter dem Namen „Verein des 17. Oktober“. Diese Partei vertrat die Interessen der Großgrundbesitzer und der Großbourgeoisie. Der Führer war Gutschkow.

Progressiver Block – Bündnis der meisten Dumadeputierten, während des Krieges eine starke Regierung fordernd.

Schwarze Hundert – volkstümlicher Name für den „Verband des echt russischen Volkes“, eine Liga der reaktionärsten Monarchisten, die verbrecherischen Terror gegen Revolutionäre anwendeten und Hauptanstifter der Pogrome waren.

Sozialdemokratie (russische) – Partei, auf den Theorien Karl Marx' begründet, die in den letzten zwei Jahrzehnten des XIX. Jahrhunderts durch Plechanow in Rußland popularisiert worden sind. Die Partei spaltete sich 1903 in Menschewiki (Minderheitler) und Bolschewiki (Mehrheitler).

Sozialrevolutionäre – bäuerliche, sozialistische Partei, gegründet zu Anfang des Jahrhunderts; eine Fusion verschiedener Richtungen der Narodniki. Sie vertraten die Interessen des kleinbäuerlichen Landbesitzes während der Revolution. Diese Partei spaltete sich in eine Gruppe der linken Sozialrevolutionäre, die nach dem Oktober eine Zeitlang mit den Bolschewiki in der Regierung waren, und in rechte Sozialrevolutionäre, die Kerenski unterstützten.

Trudowiki – Partei vorsichtiger Intellektueller, die die Bauern gegen Gutsbesitzer verteidigten, aber nicht weit von den linken Kadetten standen; dieser Partei gehörte Kerenski in der Duma an.

Versöhnler – allgemeine Bezeichnung für die Führer der Menschewiki und Sozialrevolutionäre – jene Parteien in den Sowjets, die, obgleich sich auf sozialistische Grundsätze stützend, mit den Kadetten Kompromisse schlossen und ihnen bewußt die Macht aushändigten.

Zimmerwalder – den internationalen Prinzipien während des Krieges treugebliebene Sozialisten, genannt nach ihrer Zugehörigkeit zum Programm des Internationalen Sozialistenkongreß in Zimmerwald (Schweiz) 1915.

 

 

Biographische Anmerkungen

Alexander I. (1777–1825) – russischer Zar, Nachfolger Pauls I., der durch eine Palastverschwörung ermordet wurde. Alexander I. hatte von dieser Verschwörung gegen den Vater gewußt. In den ersten Regierungsjahren zeigte er eine gewisse Reformfreundlichkeit, die bald verschwand. Nach Napoleons Sturz gründete er mit dem Kaiser von Österreich und dem König von Preußen die „Heilige Allianz“, deren Ziel war, jede freiheitliche Bewegung der Völker auszurotten.

Alexander II. (1818–1881) – regierte 1855–1881. Unter ihm wurde die Leibeigenschaft aufgehoben, die Abhängigkeit der Bauern von den Gutsherren blieb aber bestehen. Die revolutionäre Bewegung erstarkte unter Führung der Narodniki immer mehr, je reaktionärer seine Regierung wurde. 1881 wurde der Zar auf Beschluß der „Narodnaja Wolja“ durch eine Bombe getötet.

Awksentjew – rechter Sozialrevolutionär. Unter Kerenski Minister in einer der Koalitionsregierungen. Nach der Oktoberrevolution einer der Organisatoren der Konterrevolution.

Benkendorf, Graf – russischer Botschafter in London 1903–1917, starb 1917 in London.

Blanqui, Louis Auguste (1801–1881) – berühmter französischer Revolutionär. Blanquisten – Anhänger jener Theorie, die für die politische Machtergreifung und die Errichtung einer revolutionären Diktatur durch eine revolutionäre Minderheit zur Durchführung der sozialen Revolution eintraten.

Cavaignac (1802–1857) – Führer der Regierungstruppen gegen die Arbeiter 1848.

Churchill – konservativer Minister im Kriege, befürwortete die Intervention gegen Sowjetrußland.

Dan – Führer der Menschewiki, seit Mitte der neunziger Jahre in der russischen Sozialdemokratie tätig. Während des Krieges gemäßigter Internationalist, nach der Februarrevolution Mitglied des Exekutivkomitees des Petrograder Sowjets und des Allrussischen Zentral-Exekutivkomitees, trat eifrig für Koalition mit der Bourgeoisie ein. Nach der Oktoberrevolution bekämpfte er aktiv die Sowjetmacht.

Dubassow – Admiral, Moskauer Generalgouverneur, Unterdrücker des Moskauer Aufstandes 1905.

Durnowo – einer der reaktionärsten Vertreter des Zarismus. Direktor des Polizeidepartements, Innenminister.

Gapon – Priester, Organisator und Führer des 9. (22.) Januar 1905. Nach dem 9. Januar legte er das geistliche Gewand ab und floh ins Ausland. Es wurde nachgewiesen, daß er mit der Polizei in Verbindung stand. 1906 wurde er von seinen ehemaligen Anhängern getötet.

Guesde, Jules – angesehener Führer der II. Internationale, kämpfte gegen die Reformisten vor dem Kriege. Nach Ausbruch des Krieges befürwortete er Einigkeit (Union sacrée) mit der Bourgeoisie. Minister ohne Portefeuille in den bürgerlichen Regierungen der „Vaterlandsverteidigung“.

Gutschkow – gründete 1905 die „Partei des 17. Oktober“ (Oktobristen), die die Interessen der reaktionären Großbourgeoisie vertrat. Präsident der III. Reichsduma. Kriegs- und Marineminister der Provisorischen Regierung.

Isgojew – Mitte neunziger Jahre Mitarbeiter marxistischer Zeitschriften, später einer der konservativsten Publizisten der Kadettenpartei.

Judenitsch – General, Führer der weißen Nordwestarmee, leitete den Vormarsch auf Leningrad.

Kerenski – geb. 1881, Advokat, Sozialrevolutionär, schloß sich den Trudowiki an und wurde Führer der Fraktion. Während des Krieges Sozialpatriot. Nach der Februarrevolution stellvertretender Vorsitzender des Petrograder Sowjets der Arbeiter und Soldaten, trat er als Justizminister in die bürgerliche provisorische Regierung ein. Im Mai 1917 übernahm er das Kriegsministerium, nach den Julitagen war er Ministerpräsident einer Reihe von Koalitionsregierungen, nach dem Oktoberumsturz flüchtete er ins Ausland.

Kokowzew – russischer Finanzminister, 1911 Ministerpräsident, extrem reaktionär.

Koltschak (1870–1920) – Admiral, Führer der weißen Truppen im Kampf gegen die Sowjets. Chef der sibirischen Regierung, von der Entente anerkannt, 1919 von der Roten Armee vernichtend geschlagen, ergriffen und 1920 erschossen.

Kornilow – General, stellte sich im Dongebiet an die Spitze der weißen Truppen, wurde von den roten Garden geschlagen. 1918 fiel er im Kampf.

Kuropatkin – russischer Kriegsminister und Oberbefehlshaber, wurde im Russisch-Japanischen Krieg vernichtend geschlagen.

Meschtscherski, Fürst – Verleger und Redakteur des reaktionären Organs Graschdanin – Inspirator der reaktionären Politik Alexanders III. und Nikolaus II.

Miljukow – Geschichtsprofessor, Führer der russischen liberalen Bourgeoisie, Organisator und Haupt der Kadettenpartei. Während des Krieges Verfechter „des Krieges bis zum siegreichen Ende“. Nach dem Sturz des Zarismus Minister des Äußeren in der Provisorischen Regierung. Lebt als Emigrant in Paris, wo er die Zeitung Poslednie Nowosti (Letzte Nachrichten) herausgibt.

Parvus (Helphand) – russischer Sozialdemokrat, seit Anfang der neunziger Jahre in der deutschen Sozialdemokratie tätig, tat sich bei der Bekämpfung des Reformismus hervor. Während des Weltkrieges Haupttheoretiker des deutschen Sozialchauvinismus und Kriegslieferant.

Plechanow – Begründer des russischen Marxismus, nach der Spaltung 1903 schloß er sich den Menschewiki an. Während des Krieges nahm Plechanow eine extrem sozialpatriotische Stellung ein und bekämpfte heftig die Bolschewiki.

Stolypin – zaristischer Premierminister und Minister des Innern seit 1906. Er jagte die II. Reichsduma auseinander und oktroyierte ein neues Wahlrecht (Staatsstreich vom 3. Juni 1907). Seine Agrargesetzgebung (Gesetz vom 9. November 1906) erstrebte die Zerstörung der Dorfgemeinde („Mir“) und Schaffung einer wirtschaftlich starken Bauernschicht als Stützpunkt der Regierung. 1911 durch ein Attentat getötet.

Struve – russischer Publizist, ursprünglich Sozialdemokrat, später Mitglied des Zentralkomitees der Kadettenpartei, nach der Revolution 1905 Führer des äußersten rechten Flügels der Liberalen. Im Bürgerkrieg Minister bei Denikin und später bei Wrangel, heute Führer einer Gruppe monarchistischer Emigranten.

Tschernow – Führer und Theoretiker der sozialrevolutionären Partei. Während des Krieges rechter Zimmerwalder, nach der Februarrevolution entschiedener Vaterlandsverteidiger. Landwirtschaftsminister in der ersten Koalitionsregierung.

Zeretelli – georgischer Sozialdemokrat, Menschewik. Nach der Februarrevolution trat Zeretelli für Fortsetzung des Krieges und für die Koalition mit der Bourgeoisie ein. In der ersten Koalitionsregierung war er Minister für Post- und Telegraphenwesen.

 


Zuletzt aktualisiert am 22.7.2008