Clara Zetkin

 

Für weibliche Vertrauenspersonen

Redebeitrag auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands in München

(20. September 1902)


Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Abgehalten zu München vom 14. bis 20. September 1902.
Mit einem Anhang: Bericht über die 2. Frauenkonferenz am 13. und 14. September in München, Berlin 1902, S. 254 f.
Kopiert mit Dank von der Webseite Sozialistische Klassiker 2.0.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Ich befinde mich leider in der Lage, einiges ganz Lokales und Persönliches hier festzustellen. Ich muss gegen die Vorwürfe, die Genosse Koenen der Genossin Zietz machte, entschieden Verwahrung einlegen. Er hat spöttisch gemeint, ihre Agitationsreisen seien ja wahre Triumphzüge. Wer da weiß, wie die Genossin Zietz arbeitet und die aufreibende und anstrengende Agitationsarbeit leistet (Sehr richtig!), der wird mir beistimmen, dass es nicht angebracht ist, in diesem wegwerfenden Tone zu reden. Wer so fleißig ist und zu jeder Zeit so auf der Schanze steht wie die Genossin Zietz, der hat es wahrlich nicht nötig, sich einen Posten als Vertrauensperson zu schaffen, um zu einem Mandat zu kommen. Was nun den Antrag Zietz betrifft, so handelt es sich nicht darum, eine eigene weibliche Sonderorganisation zu schaffen, sondern nur einen Mittelpunkt für die agitatorische Kleinarbeit, damit wir die Frauen in die allgemeine Bewegung einführen können. Es handelt sich also nicht um eine weibliche Nebenregierung, um einen Weiberstaat im allgemeinen Staate, sondern nur darum, ein für die Organisation des weiblichen Proletariats geeignetes Organ zu schaffen. Die Eigenart des weiblichen Charakters, die Sonderstellung, welche die Frau im Hause einnimmt, verlangt, dass man ihr mit ganz anderer Kleinarbeit nachgehen muss als den Männern, die in den Kneipen, Werkstätten usw. zu fassen sind, während die Frauen, sobald sie Hausklavinnen werden, davon ausgeschlossen sind. Auch die sozialdemokratischen Vereine werden erst dann mehr weibliche Mitglieder bekommen, wenn wir weibliche Vertrauenspersonen besitzen. Hamburg hat jetzt schon über 900 weibliche Mitglieder. Bedenken Sie, dass wir durch die Aufklärungsarbeit in den Versammlungen immer mehr Frauen werben, dass sich darunter Hunderte befinden, die den Mann im Kampfe um seine Ideale im politischen und gewerkschaftlichen Kampfe nicht mehr zu hindern suchen und dass unter den sozialdemokratischen Frauen Tausende sind, die ihre Kinder zu den Idealen des Sozialismus erziehen. Sie wehren dem Mann seinen schlimmsten Feind ab, der am häuslichen Herd in Gestalt der Frau sitzt. Bedenken Sie endlich, dass wenn wir die Kinder erobern, wir auch die Zukunft erobern. (Lebhafter Beifall.)

 


Zuletzt aktualisiert am 25. August 2024