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Originaltext: http://www.twokmi-kimali.de/texte/malatesta_in_wahlzeiten.htm Heruntergeladen mit Dank von der Webseite www.anarchismus.at
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LUDWIG: Ein guter Tropfen, Freund, was?
KARL: Na, er ist nicht schlecht ... aber teuer.
LUDWIG: Teuer? Das läßt sich denken, mit allen Steuern, die der Staat und die Kommune darauf legen, zahlen wir den doppelten Preis seines Wertes. Und wenn es noch das Bier allein wäre! Aber das Brot, die Miete und alles andere; wir werden ausgesaugt bis aufs Hemd. Dabei die Arbeitslosigkeit, und wenn man mal Arbeit kriegt, dann bezahlt man uns Spottlöhne. Das Leben wird immer schwerer, es ist bald nicht mehr zum Aushalten! ... Und doch ist es zum größten Teil unsere Schuld: alles Übel kommt von uns. Wenn wir nur wollten, dann würde es bald anders werden; und gerade jetzt wäre der geeignete Augenblick da, um alles Schlechte zu beseitigen.
KARL: Wie denn? Zeig mir den Weg.
LUDWIG: Na, das ist doch ganz einfach. Bist du Wähler?
KARL: Aha! Was zum Teufel hat das damit zu zu tun, ob ich Wähler bin oder nicht?
LUDWIG: Was das damit zu tun hat? Bist du’s oder bist du’s nicht?
KARL: Na, wenn es dich interessiert, ich bin Wähler; das ist aber ebenso, als ob ich es nicht wäre, denn ich gehe doch nicht wählen.
LUDWIG: Da sieht man’s ... alle sind doch gleich! Und dann beklagt ihr euch! Versteht ihr denn nicht, daß ihr eure eigenen Mörder und die eurer Familie seid? Ihr seid von einer Gleichgültigkeit und Schlappheit, daß ihr das Elend verdient, in welchem ihr lebt, -und sogar noch Schlimmeres. Ihr ...
KARL: Laß nur gut sein! Schwätz nur nicht so. Ich führe ganz gern ein vernünftiges Gespräch, und ich wünsche nichts besseres, als. überzeugt zu werden. Was wird also geschehen, wenn ich wählen ginge?
LUDWIG: Nanu wird’s helle! Lohnt es sich denn wirklich, darüber so viel zu sprechen? Wer macht die Gesetze? Sind es nicht die Abgeordneten im Reichs- und Landtage? Wenn man also gute Abgeordnete in den Reichstag und Landtag wählt und gute Stadtverordnete, dann hat man auch gute Gesetze, die Steuern werden weniger drückend, die Arbeit wird geschützt sein, und folglich wird das Elend verkleinert werden.
KARL: Gute Abgeordnete und gute Stadtverordnete? Das erzählt man uns schon seit langen Zeiten, man muß wirklich taub und blind sein, wenn man nicht merkt, daß alle die gleichen Hampelmänner sind! – Haha! Hört ihnen nur zu, jetzt, wenn sie gewählt zu werden wünschen! Sie sind alle bewundernswert, alles Volksfreunde! Da klopfen sie euch auf die Schultern und erkundigen sich nach euren Frauen und Kindern. Sie versprechen euch den Achtstundentag, Erleichterung der Steuerlasten, billiges Brot, Gefrierfleisch, Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Teufel weiß, was sonst noch alles! Dann aber, wenn sie erst mal gewählt sind, da sind es alles zusammen Schufte. Dann fahrt wohl ihr Versprechungen! Eure Frauen und Kinder können ihretwegen verhungern, die Arbeitslosigkeit kann überhand nehmen, und der Hunger kann eure Eingeweide zernagen. Pah! Die Abgeordneten habe andere Dinge im Kopfe als eure dringendsten Fragen. Um eure Übel abzustellen, gibt es nichts anderes als Polizei und Reichswehr. Und dann, nach einigen Jahren beginnt man aufs neue mit der Aufschneiderei. Wenn das Fest vorbei ist, dann pfeift man auf den Heiligen. Na, weißt du, welche Partei oder politische Richtung es auch ist, das hat nichts zu bedeuten; sie sind alle aus einem Holze geschnitzt. Der einzige Unterschied zwischen ihnen besteht darin: Die einen, wenn sie einmal gewählt sind, drehen euch den Rücken und wollen euch nicht mehr kennen, während die anderen auch noch weiter bewillkommnen, damit sie euch an der Nase herumziehen können durch ihre Schwatzereien. Und mitunter geben sie noch etwas zum besten.
LUDWIG: Allerdings! Warum aber sollen die Reichen gewählt werden? Weißt du nicht, daß die Reichen von der Arbeit ihres Nächsten leben? Wie willst .du also, daß sie sich mit dem Wohle des Volkes beschäftigen? Wenn das Volk frei wäre, dann hätte ihr Faulenzerleben und Wohlleben ein Ende. Es ist klar, wenn sie arbeiten wollten, dann würde es besser gehen selbst für sie; sie sind aber hartköpfig und wollen es nicht verstehen, daß ihr ganzes Leben darauf aufgebaut ist, die Armen auszusaugen.
KARL: Das läßt sich hören? Du fängst an, ganz gut zu sprechen. Es muß nur hinzugefügt werden, daß es nicht nur die Reichen gibt; da müssen auch hinzugezählt werden jene, die die Interessen der Reichen verteidigen, und dann diejenigen, die zu Abgeordneten gewählt sein wollen, um auch reich zu werden.
LUDWIG: Nun gut, meiden wir all diese wie die Pest. Wählen wir Arbeiter, bewährte Kameraden, dann werden wir gewiß nicht betrogen werden.
KARL: Na, na! Wir haben schon genügend Von diesen „bewährten“ Kameraden gehabt ... Und außerdem, du bist wirklich drollig: „Wählen wir! ... Wählen wir! ...“ Als ob du und ich, als ob wir diejenigen ernennen könnten, der uns gefällt!
LUDWIG: Du und ich? ... Es handelt sich nicht um uns beide. Freilich, wir allein können nichts tun. Wenn aber jeder von uns sich bemüht, andere zu überzeugen, und wenn diese anderen es auch so machen, dann werden wir die Mehrheit haben, und wir können die wählen, die uns passen. Und wenn das, was wir hier tun, von den ändern an anderen Orten getan wird, dann haben wir in kurzer Zeit die Mehrheit im Reichstag, und dann ...
KARL: Dann ist das Himmelreich auf Erden da ... für diejenigen, die im Parlamente sitzen, nicht wahr?
LUDWIG: Aber ...
KARL: Aber was, machst du dich über mich lustig? Du machst deine Sache gut! Du bildest dir schon ein, die Mehrheit zu haben, und alles nach deiner Fasson einzurichten. Die Mehrheit, mein Freund, hat gar nichts auf sich. Es sind immer die Reichen, die befehlen. Stell dir mal einen armen Teufel vor, der eine kranke Frau und fünf Kinder zu ernähren hat. Versuch doch, ihn zu überzeugen, daß er sich von seinem Gutsherrn hinauswerfen lassen müsse wie ein Hund, bloß für das Vergnügen, seine Stimme einem Kandidaten zu geben, der seinem Herrn nicht gefällt. Geh nur und überzeuge all die armen Teufel, die der Unternehmer dem Hunger ausliefern kann, wenn es ihm gefällt. Du kannst sicher sein: der Arme ist niemals frei – und wäre er es, dann wüßte ich nicht, für wen er zu stimmen hätte. Und wenn er es wüßte und könnte, dann würde er andere Sorgen haben, als seine Zeit mit Wählengehen zu verlieren: er würde sich das nehmen, was er braucht ... und damit basta.
LUDWIG: Ja, ich verstehe schon: die Sache ist nicht so leicht, man muß alles daran setzen und sich ganz der Propaganda hingeben, damit es dem Volke verständlich gemacht wird, was seine Rechte sind, und damit es sich den reaktionären Junkern entgegenstellt. Man muß sich zusammenschließen und organisieren, um den Ausbeuter zu verhindern, die Freiheit seiner Arbeiter mit Füßen zu treten, indem er sie entlassen will, wenn sie nicht nach seiner Pfeife tanzen.
KARL: Und alles das, damit man für Hinz oder Kunz wählen kann? Bist du einfältig! Freilich, alles, was du sagst, sollten wir tun, aber zu einem ändern Zwecke: wir müßten es tun, um das Volk zu überzeugen, daß ihm alle Reichtümer der Erde geraubt worden sind. Daß es das Recht des Volkes ist, sich dieser Reichtümer zu bemächtigen, und daß es auch die Macht dazu hat, wenn es nur den Willen hat. Und vor allem, daß es dies selbst tun müsse, ohne auf die Parole von irgend jemand zu warten.
LUDWIG: Na, hör mal, worauf willst du denn schließlich hinaus? Es muß doch immer jemand da sein, der das Volk leitet, der die Dinge ordnet, Gerechtigkeit ausübt, über die Sicherheit des Volkes wacht?
KARL: Durchaus nicht! Gar keine Idee!
LUDWIG: Wie willst du es denn machen? Das Volk ist unwissend.
KARL: Freilich unwissend! Das ist es in der Tat, denn wenn es nicht unwissend wäre, dann hätte es längst all dies übern Haufen geworfen. Ich wette aber, daß es seine eigenen Interessen sehr schnell verstünde, wenn man es nicht verdrehen würde; wenn man es nach seinem eigenen Geschmack handeln ließe, dann würde es die Dinge besser ordnen als diese Hanswürste, die unter dem Vorwand, uns zu regieren, uns aushungern und uns wie Tiere behandeln. Du kannst dich sahen lassen mit deinem Geschwätz über die Unwissenheit des Volkes! Wenn es sich darum handelt, dem Volke die Freiheit zu lassen, das zu tun, was ihm gefällt, da sagt ihr, es verstünde nichts; wenn es sich aber darum handelt, Abgeordnete zu wählen, dann will man ihnen alle Fähigkeiten zuerkennen.. Und wenn es einen, der eurigen wählt, dann spricht man ihm eine bewundernswürdige Urteilsfähigkeit und Klugheit zu. Ist es nicht leichter, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen, als eine dritte Person zu suchen, die für euch es tun soll? Und in diesem Falle genügt es auch nicht, bloß zu wissen, wie die Dinge geordnet werden sollen: Um in voller Sachkenntnis wählen zu können, muß man auch die Aufrichtigkeit, die Begabung und die Fähigkeiten dessen kennen, dem man seine Stimme gibt. Wenn die Abgeordneten wahrhaft die Absicht hätten, eure Interessen zu verteidigen, müßten sie auch da nicht fragen, was ihr wünschtet und wie ihr es wünschtet? Da es aber nicht so ist, warum also einem einzigen das Recht geben, nach seiner Phantasie zu handeln und euch, zu verraten, wenn es ihm gefällt?
LUDWIG: Na, immerhin, da die Menschen doch nicht alles selbst tun können, muß doch jemand da sein, der sich mit den öffentlichen Dingen beschäftigt und die Politik führt?
KARL: Ich weiß nicht, was du unter Politik verstehst. Wenn du darunter die Kunst verstehst, das Volk zu betrügen und ihm das Fell über die Ohren zu ziehen, damit es so still wie möglich bleibt, dann kannst du beruhigt sein, daß wir ohne diese Sache sehr gut auskommen können. Wenn du unter Politik das allgemeine Interesse und die Art und- Weise verstehst, wie sich alle einig werden über den Wohlstand jedes einzelnen, dann -ist sie eine Sache, die wir alle kennen müssen, ebenso wie wir alle zu essen und trinken verstehen und uns amüsieren, ohne den anderen zu stören und ohne uns selbst durch andere stören zu lassen. Das wäre was Schönes, wenn man, um sich zu schneuzen, zu einem Spezialisten gehen müßte und ihm das Recht gäbe, uns die Nase zu wischen, wenn wir uns nicht nach seiner Mode richten. Überdies, man versteht es sehr gut, daß die Schuhmacher Schuhe machen und die Maurer Häuser bauen. Es hat doch niemand jemals daran gedacht, den Schuhmachern und Maurern das Privilegium einzuräumen, uns zum Aushungern zu verurteilen. Aber sprechen wir von den Tagesfragen. Was haben die Männer gutes für das Volk getan, die in das Parlament und in die Stadtverordnetenversammlung gehen wollen, um dort über das allgemeine Interesse zu wachen? Worin haben die Sozialdemokraten und die Kommunisten sich besser gezeigt als die ändern? Ich habe es dir schon einmal gesagt: sie sind alle von demselben Schrot und Korn!
LUDWIG: Du gehst auch über die Kommunisten her? Was sollen sie denn deiner Meinung nach tun, sie können absolut nichts tun! Sie sind noch zu wenige. Und wenn sie auch mal an der Regierung gewesen sind, wie in Sachsen, da wurden sie von der Reichswehr vertrieben. Und im übrigen werden sie von den bürgerlichen Gesetzen derart eingekreist, daß ihre Hände vollständig gebunden sind.
KARL: Wenn die Sache sich so verhält, wozu gehen sie erst hin? Warum bleiben sie im Parlament, wenn sie nichts dort tun können? Sie bleiben da aus einem einzigen Grund, um selbst im trocknen zu sitzen!
LUDWIG: Na sag mir mal, du bist also Anarchist?
KARL: Was macht das für dich aus, was ich bin? Hör mir zu, was ich dir sage, und wenn meine Ausführungen dir richtig erscheinen, dann kannst du daraus lernen ... Wenn nicht, kannst du sie bekämpfen und mich überzeugen. Ja, ich bin Anarchist ... nun, was dann?
LUDWIG: Oh, nichts! Es macht mir sogar Spaß, mit dir zu sprechen. Ich bin Kommunist, nicht Anarchist, denn eure Ideen scheinen mir zu ferne zu liegen. Ich gebe aber zu, daß ihr in vielen Punkten recht habt. Wenn ich gewußt hätte, daß du Anarchist bin, dann hätte ich dir nicht gesagt, daß man durch die Wahlen und das Parlament Verbesserungen erreichen könne, denn ich weiß selbst, solange es Arme gibt, werden immer die Reichen die Gesetze machen, und zwar immer zu ihren Gunsten.
KARL: Ach, das ist nicht schlecht! Du scheinst von der Aufrichtigkeit nicht viel zu halten? Du kennst die Wahrheit und predigst die Lüge? ... Solange du nicht wußtest, daß ich Anarchist bin, wolltest du mir vormachen, durch das Wählen von guten Abgeordneten und guten Stadtverordneten könne man das Paradies auf die Erde verpflanzen; jetzt aber, da du weißt, wer ich bin, und du verstehst, daß ich nicht auf den Leim krieche, gibst du zu, daß man durch das Parlament nichts erreichen könne. Wozu will man uns dann den Kopf verdrehen mit der Aufforderung zum wählen? Bezahlt man euch etwa dafür, daß ihr die armen Proleten betrügt? Nun ist es ja nicht das erstemal, daß ich dich sehe, und ich weiß , du bist wirklich ein Arbeiter, einer von denen, die nur von ihrer Arbeit leben. Warum sollen also die Genossen irregeleitet werden? Das ist ja genauso wie bei den Sozialdemokraten und Strebern, dme unter dem Verwand des Sozialismus Herren spielen und über uns regieren wollen!
LUDWIG: Halt ein, mein Freund! Beurteile mich nicht so schlecht! Wenn ich die Arbeiter auffordere zur Wahl zu gehen, so ist das im Interesse der Propaganda. Siehst du nicht ein, was für ein Vorteil das für uns ist, einige der unsrigen im Parlamente zu haben? Sie können die Propaganda weit besser betreiben als die anderen, denn sie haben eine Freifahrtkarte; dazu sind sie noch der Polizei gegenüber unantastbar. Und wenn sie vom Reichstag aus über den Kommunismus sprechen, dann werden sie von allen gehört, und man diskutiert darüber, ist das keine Propaganda, ist das nicht ein großer Vorteil?
KARL: So, so! Um also Propaganda zu machen, verwandelt ihr euch in Wahlmakler? Eine schöne Propaganda ist mir das! Das Ding ist gut: Ihr wollt dem Volke weis machen, es solle alles vom Parlament erwarten, daß die Arbeiter nichts zu tun hätten, als einen Wahlzettel in die Urne zu werfen und dann mit offenem Munde abzuwarten, bis ihm die gebratenen Tauben in den Mund geflogen kommen. Ist das nicht eher eine Propaganda gegen den Strich?
LUDWIG: Du hast schon recht, aber was ist da zu machen? Wenn man es nicht so macht, dann würde niemand wählen. Wie würde man die, Arbeiter zum wählen bringen können, wenn man ihnen vorher gesagt hat, daß sie vom Parlamente nichts zu erwarten hätten, und die Abgeordneten nichts ausrichten könnten? Die Arbeiter würden dann sagen, wir wollen sie zum Narren halten.
KARL: Ich weiß wohl, daß man auf diese Weise vorgehen muß, um das Volk zum Wählen von Abgeordneten zu veranlassen. Und das ist noch nicht einmal genug! Es müssen auch noch eine Menge Versprechungen gemacht werden, von denen man, weiß, daß man sie nicht halten kann. Man muß sich gut stehen mit den Besitzenden, man muß sich mit der Regierung in Kuhhandel einlassen, mit einem Worte, man muß mit den Wölfen heulen und mit den Ochsen brüllen und sich über alles hinwegsetzen. Wenn nicht, dann wird man eben nicht gewählt ... Wie kannst du mir da von Propaganda was vormachen, wenn das erste, was getan werden muß, und was ihr auch nicht verfehlt zu tun, sich gegen die Propaganda wendet!
LUDWIG: Ganz unrecht hast du ja nicht, du wirst mir doch aber zugeben, daß es ein Vorteil ist, wenn einer der unsrigen gewählt wird.
KARL: Ein Vorteil? ... Für ihn, das gebe ich zu; für ihn und für einige seiner Freunde, aber für die große Masse des Volkes nicht. Das kannst du vielleicht den Gänsen und Truthähnen erzählen, aber nicht mir. Wenn wir es, noch nicht versucht hätten, das wäre noch etwas anderes! ... Es sind aber schon so manche Jahrzehnte her, seit die naive Arbeiterschaft ihre Vertreter ins Parlament sendet, und was hat man erreicht? Wenn die Abgeordneten einmal gewählt sind, dann dauert es nicht lange, bis sie korrumpiert sind. Du brauchst ja nur an den alten Liebknecht zu denken und an Bebel und alle die ändern. Seit sie den Weg des Parlamentarismus gegangen sind und die ganze Partei ihren Fußspuren folgte, war es aus mit ihrem revolutionären Charakter. Scheidemann ist nicht der einzige Verräter. Sieh sie dir doch nur alle an. Und lange wird’s nicht dauern, dann sind die Kommunisten Thählmann usw. denselben Weg gegangen. Wir haben in der Vergangenheit nicht wenig Sozialdemokraten gesehen, die den Weg zur Macht in der bürgerlichen Gesellschaft erklommen haben, und der Parlamentarismus ist sicher nicht das Mittel, um neuen Verrat zu verhindern. – Du darfst mich aber nicht mißverstehen: Wenn ich von Schuften spreche, dann meine ich nur die Führer. Was die Arbeiter betrifft, die noch vom Parlamentarismus etwas erhoffen, so sind das arme Teufel, die sich einbilden, auf dem rechten Wege zu sein, und nicht sehen, daß sie im Dunkeln herumgeführt und betrogen werden, schlimmer als von den Pfaffen! Das einzige Ergebnis des Parlamentarismus besteht darin, daß die Abgeordneten vor der Wahl für ihre Reden über Revolution und dergleichen ins Gefängnis wandern mußten, während sie heute von den Regierenden geschätzt sind und mit ihnen unter einem Dache sitzen. Aber selbst wenn sie wirklich verurteilt werden, wie das ja mit einigen kommunistischen Abgeordneten vorkommt, dann ist das doch nicht für die Befreiung der Arbeiterschaft, sondern für rein parteipolitische Dinge, die nichts mit der Sache der Arbeiterschaft zu tun haben; aber selbst dann werden sie fast mit Glacehandschuhen angefaßt, und man bittet sie fest um Entschuldigung!. Und warum? Weil die Regierenden wissen, daß sie alle in dieselbe Kerbe hauen, es sind eben gleiche Brüder, gleiche Kappen: heute sind diese an der Herrschaft, und morgen kommt die Reihe an die anderen heran ... und schließlich – darüber brauchen wir uns nichts vorzumachen – sind sie doch alle einig, dem Volke das Fell über die Ohren zu ziehen, Sieh sie dir nur ein wenig näher an, diese feinen Herren und Damen, ob die noch danach aussehen, sich in die Reihen der kämpfenden Arbeiter für die Revolution zu stellen!
LUDWIG: Du täuscht dich aber gewaltig! Selbstverständlich weiß man, daß sie alle nur Menschen sind, die ihre Schwächen haben. Was hat das übrigens zu sagen, daß diejenigen, die bis heute gewählt worden sind, ihre Pflicht nicht getan haben oder nicht den Mut dazu hatten, sie zu tun? Wer sagt denn, daß wir immer dieselben wählen wollen? Wählen wir doch bessere, wirkliche Kommunisten!
KARL: Ach!. Auf diese Weise kommt ihr am schnellsten dahin, aus der Partei eine Anstalt zur Heranbildung von Schelmen zu machen. Gibt es noch nicht genug Verräter? Ist es denn absolut notwendig, noch mehr von dieser Brut heranzuzüchten? Willst du denn endlich verstehen, daß man sich weiß macht, wenn man in die Mehlmühle geht? Und ebenso, Daß diejenigen, die sich in der Gesellschaft der Reichen bewegen, auf den Geschmack kommen, ebenfalls gut zu leben, ohne zu arbeiten. Und bedenke noch das eine: wenn es einen gäbe, der die Kraft in sich verspürt, der Fäulnis des Parlamentes zu widerstehen, der wird sicher nicht ins Parlament gehen wollen, denn da er wirklich seiner Sache ergeben ist, so würde er nicht damit beginnen wollen, der Propaganda erst entgegenarbeiten zu wollen, in der Hoffnung, sich später nützlich zu machen. Ich will mich noch deutlicher ausdrücken, Wenn ein Mann behauptet, Sozialist oder Kommunist zu sein, dann wird er seine Zeit und seine Kräfte sowie sein Vermögen, wenn er welches hat, ganz der Sache widmen, er wird Verfolgungen riskieren und sich der Gefahr aussetzen, ins Gefängnis zu gehen oder gar sein Leben zu lassen. Bei einem solchen .Menschen glaube ich. an seine Überzeugung. Diejenigen aber, die aus ihrer sozialistischen oder kommunistischen Propaganda einen Beruf machen in der Hoffnung auf eine Staatslaufbahn, diejenigen, die ihr Schiffchen in den Hafen der Volkstümlichkeit steuern, um sich einen Namen zu machen und sich vor den Gefahren schützen, diejenigen, die da die Ziege mitsamt den Kohl essen, diese Elemente flößen mir nicht das geringste Vertrauen ein. Ich stelle sie auf dieselbe Stufe wie die Pfaffen, die im Namen der Heiligkeit ihre Geschäftchen machen.
LUDWIG: Mach doch mal halbwegs, du gehst wirklich zu weit! Du weißt wohl nicht, daß unter denen, die du beleidigst, es Genossen gibt, die für die Sache gelitten und Beweise für ihre Ehrlichkeit geliefert haben ...
KARL: Komm mir nur nicht mit ihren „Beweisen“. Du scheinst wohl nicht zu wissen, daß alle Huren einmal Jungfern gewesen sind? Wie viele von den sozialdemokratischen und kommunistischen Ministern in allen Ländern – und nicht zuletzt bei uns – sind nicht früher einmal revolutionär gewesen und haben sich dabei Gefahren ausgesetzt. Willst du sie vielleicht deshalb auch heute noch achten, selbst wenn sie die berüchtigsten Bluthunde geworden sind, wie beispielsweise Noske oder Sinowjew? Diese „Brüder“, von denen du mir sprichst, sind recht bald ihren Ideen untreu geworden und haben ihre Vergangenheit entbehrt. Und ich will es dir noch genauer sagen: gerade auf Grund ihrer Vergangenheit, die sie verneint haben, stoßen wir sie heute von uns ab.
LUDWIG: Jetzt weiß ich überhaupt nicht, wie ich dich nehmen soll. Ich gebe zu, daß du recht hast in dem, was du über den Reichstag und Landtag sagst. Du wirst mir aber recht geben, daß es eine andere Sache ist mit den Stadtverordnetenwahlen. In der Stadtverordnetenversammlung können die Arbeiter leichter die Mehrheit erlangen, und da kann man auch leichter für das Wohl des Volkes wirken.
KARL: Du hast doch aber selber zugegeben, daß den Stadtverordneten die Hände ebenso gebunden sind, wie den Abgeordneten; es sind doch immer wieder die Besitzenden, die das Heft in den Händen haben. Man hat doch wahrlich genug Beispiele dafür gehabt. Du kennst doch die Geschichte von dem Leutnant und den 10 Mann, die das Parlament nach dem Ausspruch eines bekannten Krautjunkers auseinanderjagen können. Und du hast doch so viele Fälle erlebt, wo bei den Wahlen nach dem Zusammenbruch die Sozialdemokraten und Kommunisten die Mehrheit gehabt haben. Wo die Sozialdemokraten allein die Mehrheit hatten, da schrieben sie in ihren Blättern gegen die unzufriedenen Kommunisten und Syndikalisten, die kein Einsehen mit den realen Verhältnissen haben. Und wo die Kommunisten mit an der Macht waren, da waren die Massen auch nicht besser daran. Den Arbeitern aber sagten sie, es könne erst dann anders werden, wenn sie die ganze Macht haben würden. Wie es aber dann aussieht, das sieht man am besten in Rußland. Du brauchst ja nur die Streikstatistiken durchzulesen, die von der Sowjetregierung, die ja nur aus Kommunisten besteht, herausgegeben werden, und du wirst sofort sehen, daß dort die Arbeiter genau wie in andern kapitalistischen Staaten für ihr Brot und ihren Hering kämpfen müssen, während die Herren Räte und Volkskommissare in den Sowjets ihr sicheres Auskommen haben und die Kapitalisten weiter ihr Wohlleben führen. Ja, ja diese Herren, die vor der Besitzergreifung der Macht durch ihre Partei den Hintern in die Hölle streckten, sitzen jetzt im trocknen; sie sind in guten Stellungen und haben auch ihre Verwandten untergebracht, so daß sie ohne viel Anstrengungen eines gutes Leben führen können ... das nennen sie dann des „Volkes Glück“.
LUDWIG: Das sind nur Verleumdungen!
KARL: Selbst wenn meine Behauptungen ein wenig verleumderisch wären, so habe ich doch vieles mit meinen eigenen Augen gesehen. Durch den Parlamentarismus wird der Sozialismus nur mißkreditiert. Der Sozialismus, der die Hoffnung und der Trost der werktätigen Massen sein sollte, wird zum Gegenstand der Verwünschungen, sobald seine Vertreter zur Macht gelangen. Willst du immer noch behaupten, daß dies der Propaganda dient?
LUDWIG: Immerhin, wenn ihr nicht zufrieden seid mit jenen, die an der Macht sitzen, so setzet doch andere an ihre Stelle; das ist immer die Schuld der Wähler sie sind ihre eigenen Herren und können diejenigen wählen, die ihnen passen.
KARL: Du wiederholst dasselbe! Das ist ja genau so, als ob ich zur Mauer sprechen würde! Freilich ist es die Schuld der Wähler und jener, die nicht wählen – denn sie müßten die Stadtparlamente, den Landtag und den Reichstag überflüssig machen mit allen Auserwählten, die sich darin befinden. Anstatt dies zu tun, setzen die Wähler immer noch ihr Vertrauen in die Gewählten. Du aber, der du nun weißt, daß diese Abgeordneten (selbst angenommen, es sind keine Schufte oder werden auch keine) nichts fürs Volk tun können – außer ihm Sand in die Augen zu streuen zur Beruhigung der Besitzenden. Du solltest alle deine Kräfte daransetzen, um dieses einfältige Vertrauen in die Wahlen zu zerstören. Die Hauptursachen des Elends und aller sozialen Übel sind: erstens das Privateigentum (welches es dem Menschen unmöglich macht, zu arbeiten, wenn er sich nicht den Bedingungen unterwirft, die ihm vom Besitzer des Bodens und der Produktionsmittel aufgezwungen werden); zweitens die Regierungen, welche die Ausbeuter beschützen und für ihren eigenen Nutzen selbst auch ausbeuten. Die Reichen werden an diesen beiden Grundfesten nicht rütteln lassen, ohne sie aufs erbitterste zu verteidigen. Das Volk zu betrügen und irrezuführen, das haben sie noch immer verstanden, und wenn das noch nicht ausreichte, dann nahmen sie ihre Zuflucht zu den Gefängnissen, zur bewaffneten Macht, zu Maschinengewehren. Der Nutzen des Volkes wird durch ganz andere Kittel als die Wahlen erreicht! Die soziale Revolution ist notwendig, eine tiefgehende wirtschaftliche Revolution, welche die heutigen Schändlichkeiten mit der Wurzel ausrottet. Alles muss der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Damit jedem Brot, Wohnung und Kleidung sichergestellt werden. Die Landarbeiter müssen die Gutsherren enteignen und den Boden für ihren eigenen und aller Nutzen bebauen; ebenso müssen die Arbeiter das Unternehmertum ausschalten und die Produktion für den Bedarf der Gesamtheit weiterführen. Dann aber darf man sich keine Regierung aufhalsen, niemandem die Obrigkeit anvertrauen. Wir müssen unsere Angelegenheiten selbst erledigen! In erster Linie werden sich in jeder Gemeinde oder in jedem Orte die Arbeitsgenossen derselben Industrie verständigen, und eine Verständigung wird auch herbeigeführt werden zwischen allen, die gemeinsame Interessen haben, die zu einer sofortigen Lösung drängen. Eine Gemeinde wird sich mit der anderen verständigen, ein Bezirk mit dem anderen, ein Landesteil mit dem anderen und so alle miteinander. Die Arbeiter einer Industrie treten aus den verschiedenen Orten miteinander in Verbindung und werden zu einem guten allgemeinen Einverständnis kommen, da das Interesse aller davon abhängt. Dann wird man sich nicht wie Hund und Katze gegenseitig betrachten, die Kriege und die Konkurrenz werden ein Ende nehmen; die Maschinen werden nicht mehr zum Profit des Unternehmers laufen, zahlreiche der unsrigen arbeitslos und brotlos machen, sondern die Arbeit erleichtern, die angenehmer und produktiver gestalten, und das im Interesse der Gemeinschaft. Man wird den Boden nicht brachliegen lassen, und der bebaute Boden wird zehnmal besser ausgenutzt werden, als es heute der Fall ist. Alle bekannten Mittel werden angewendet werden, um die Produkte des Bodens und der Industrie zu verbessern, damit die Menschen alle ihre Bedürfnisse in größtem Maße befriedigen können.
LUDWIG: All das ist ja sehr schön, aber schwer zu verwirklichen. Auch ich halte euer Ideal für unübertrefflich, wie aber soll es in die Praxis umgesetzt werden? Ich weiß, daß in der Revolution allein das Heil liegt; man kann die Sache wenden wie man will, man kommt nicht darum herum. Und da wir eben jetzt die Revolution nicht vollführen können, müssen wir uns an das Mögliche halten, und in Ermangelung eines besseren benutzen wir die Wahlagitation. In den Wahlzeiten kommt immer Bewegung in die Masse, und das ist immer für die Propaganda von Nutzen.
KARL: Du wagst es also noch, das als Propaganda zu betrachten! Hast du denn nicht gesehen, welch eigenartige Propaganda durch eure Wahlen hervorgerufen wird? Ihr habt das sozialistische Programm in die Ecke gestellt und euch den demokratischen Hanswursten beigesellt, die einen so großen Lärm nur deshalb machen, um zur Macht zu kommen. Ihr habt Zwietracht gesät und innere Streitigkeiten im Lager der Sozialisten hervorgerufen. Ihr habt die Propaganda für die Prinzipien eingetauscht mit der Propaganda zugunsten des Kuller oder des Kunze. Ihr sprecht nicht mehr von der Revolution, oder wenn ihr davon noch sprecht, dann denkt ihr nicht mehr daran, sie zu machen; und das ist natürlich, denn der Weg, der zu den Ministersesseln führt, ist nicht jener der sozialen Erneuerung. Ihr habt eine große Anzahl von Genossen verdorben, die ohne die Versuchung, 20 oder 30 Mark pro Tag zu verdienen, vielleicht ehrlich geblieben wären. Ihr habt Illusionen erzeugt, die, solange sie andauern, die Revolution außer Sichtweite bringen und die Arbeiterschaft ohnmächtig machen, sie entmutigen und ihr den Glauben und das Vertrauen auf die Zukunft rauben. Ihr habt den Sozialismus den Massen gegenüber diskreditiert, und die Massen betrachten euch als eine Regierungspartei, man verdächtigt und verachtet euch! Das ist das Schicksal, welches das Volk allen bereitet, die im Besitz der Macht sind oder sie zu erlangen versuchen.
LUDWIG: Nun aber sage mir doch endlich, was sollen wir tun? Was tut ihr denn? Warum macht ihr es nicht besser als wir, anstatt uns zu bekämpfen?
KARL: Ich habe dir ja gar nicht gesagt, daß wir alles getan haben und alles tun, was man tun sollte. Ihr aber tragt einen großen Teil der Verantwortlichkeit durch euren Marsch auf dem Platze, denn eure Tatenlosigkeit und eure Irreführung haben seit einer Reihe von Jahren unsere Aktion paralysiert, Ihr seid es gewesen, die uns gezwungen haben, unsere kostbaren Kräfte anzuwenden, um eure Bestrebungen zu bekämpfen. Wenn man euch freies Feld gelassen hätte, dann hättet ihr vom Sozialismus nur noch das Schild übrig gelassen. Nun aber hoffen wir, daß endlich Schluß damit gemacht wird. Einerseits haben wir nicht wenig gelernt und aus den gemachten Erfahrungen unsere Lehre gezogen, so daß wir nicht mehr in die Fehler der Vergangenheit fallen. Andernteils haben auch schon unter euch die klassenbewußten Genossen die Nase voll bekommen von euren Wahlen. Der ganze Wahlschwindel hat nun so lange Jahre gedauert, und eure Gewählten haben sich so unfähig gezeigt, um nicht stärker auszudrücken, daß jetzt alle, die der Sache wahrhaft ergeben und revolutionären Willens sind, die Augen öffnen.
LUDWIG: Nun gut, macht also die Revolution! Und dessen kannst du sicher sein, wenn ihr den revolutionären Kampf führt, dann werden wir auf eurer Seite der Barrikaden sein; Glaubst du denn, wir sind Feiglinge?
KARL: Ja, das ist eine bequeme Theorie, nicht wahr? „Macht die Revolution, und wenn ihr erst dabei seid, dann werden wir auch kommen“. Wenn ihr aber Revolutionäre seid, warum arbeitet ihr nicht mit uns an der Vorbereitung der neuen wirtschaftlichen Verhältnisse?
LUDWIG: Hör mal zu: Ich für mein Teil versichere dir, wenn ich ein praktisches Mittel sähe, der Revolution dienstbar zu sein, dann würde ich unverzüglich die Wahlen und die Kandidaten zum Teufel jagen. Um frei von der Leber wegzusprechen, muß ich dir sagen, daß auch ich schon die Hucke voll habe, und ich muß dir gestehen, was du mir da heute gesagt hast, hat auf mich einen tiefen Eindruck gemacht. Wahrhaftiger Gott, ich könnte nicht sagen, daß du unrecht hast.
KARL: Du weißt nicht, was man machen soll? Sieh zu, habe ich unrecht gehabt, als ich dir sagte, daß durch die Gewohnheit des Wahlkampfes selbst das Gefühl für die revolutionäre Propaganda verlorengegangen ist? Es genügt aber, zu wissen, was man will, und einen energischen Willen zu haben, und dann hat man schon tausenderlei Dinge zu tun. Vor allen Dingen muß man die sozialistischen Ideen verbreiten und anstatt Dummheiten zu erzählen und aufzuschneiden, anstatt falsche Hoffnungen bei den Wählern und Nichtwählern zu erwecken, entzünden wir in ihnen den Geist der Rebellion und die Verachtung des Parlamentarismus. Widmen wir uns nur eifrig der Tätigkeit, die Arbeiterschaft von den Wahlurnen wegzubringen, so daß die Reichen und die Regierenden die Wahlen unter sich allein machen, mitten in der allgemeinen Gleichgültigkeit und der öffentlichen Verachtung des werktätigen Volkes, und wenn wir erst da angelangt sind, wenn der Glaube an dem Wahlzettel verschwunden ist, dann wird die Notwendigkeit direkter Aktionen von allen eingesehen werden, und der Wille zu ihrem Durchbruch wird überall erwachen. Gehen wir hinein in die Wahlversammlungen der Parteien, aber um die Lügen der Kandidaten zu entlarven und um schonungslos und ohne Umschweife die sozialistischen Prinzipien darzulegen, d.h. die Notwendigkeit, an Stelle der Politik die Verbindung der Interessen der Arbeiter zusetzen, und die Kapitalisten zu enteignen. Gehen wir hinein in alle Arbeiterorganisationen, bilden wir unsere eigenen Ortsgruppen, die wir in unserem Geiste aufbauen, und erklären wir allen, was getan werden muß, um zur Befreiung zu gelangen. Dabei ist von großer Wichtigkeit, daß man niemals als Ziel aus dem Auge verliert , für welches man propagiert. Nehmen wir aktiven Anteil an Streiks, rufen wir selbst allgemeine Streiks hervor und ringen wir vor allen Dingen im Wirtschaftskampf die famose Schlichtungsordnung der Demokratie nieder, die uns das Streikrecht geraubt hat. Das hat mit Politik nichts zu tun! Unser Ziel muß stets darauf gerichtet sein, den Abgrund zwischen den Lohnsklaven und den Unternehmern immer tiefer und weiter zu graben und die Dinge so energisch wie nur möglich nach vorwärts zu treiben. Machen wir es den Hungernden und Frierenden verständlich, daß ihre Leiden unbegründet sind angesichts der vollgepfropften Lager an Waren aller Art, die ihnen gehören ... Wenn plötzliche Unruhen ausbrechen, wie das oft geschieht, dann müssen wir uns die Aufgabe stellen, der Bewegung einen bewussten Inhalt zu geben, wir müssen dem Volke helfen und bei ihm bleiben. Wenn wir uns erst auf dem praktischen Wege befinden, dann werden auch die Ideen zur rechten Zeit einstellen und die Gelegenheiten, zu zeigen, was Sozialismus ist, werden immer häufiger auftreten. Da ist z.B. die Mieterbewegung: Machen wir unseren Einfluß darin geltend, damit die Mieten herabgesetzt und die Häuser von der Mietsbevölkerung schließlich übernommen werden; machen wir den Landarbeitern klar, daß sie die Ernte in die Scheunen der Allgemeinheit einbringen müssen, und helfen wir ihnen dabei, soweit wir es können; und wenn die herrschenden Mächte es verhindern durch ihre bewaffnete Macht, dann stellen wir uns auf die Seite der armen Landbevölkerung. Zeigen wir den Soldaten und der Polizei, was für ein Bluthandwerk sie ausüben, erklären wir ihnen, daß sie die Verteidiger der Kapitalisten sind. Und wenn die Bevölkerung von den Gemeinden und Behörden etwas fordert, dann organisieren wir die wirtschaftliche Kampfbewegung der Werktätigen, so daß die Herrschenden gezwungen sind, nachzugeben. Bei Arbeitslosigkeit und Streiks müssen Gelder und Lebensmittel gesammelt und verteilt werden. Dann wird es sich zeigen, daß auch die Stadtverordneten ebenso unnütz sind wie die Reichstagsabgeordneten, und daß jeder Augenblick verloren ist, der zur Wahl dieser Abgeordneten verwendet wurde, sobald das Volk zum Eigenhandeln herangezogen wird ... Bleiben wir immer bei den Massen, suchen wir ihnen verständlich zu machen, was ihr Interesse ist, und gewöhnen wir sie daran, den Herrschenden die Freiheit zu entreißen, die sie ihnen niemals aus freien Stücken zugestehen. Damit jeder sein Möglichstes tut müssen wir immer als Ausgangspunkt die augenblickliche Not des Volkes nehmen und seinen Wünschen neue Zielrichtungen setzen. Durch diese Tätigkeit werden wir unsere Reihen immer stärker füllen können und diejenigen zu uns heranziehen, die unsere Ideen nach und nach verstehen lernen und sich schließlich mit Eifer für dieselben einsetzen. All diesen müssen wir die Hände reichen, und uns mit ihnen zu einer entscheidenden allgemeinen Aktion vorbereiten. Zu einer Aktion, deren Ziel die Beseitigung der kapitalistischen Ausbeutung und der politischen Unterdrückung ist.
LUDWIG: Das ist eher was, so gefällst du mir. Zum Teufel mit den Wahlen, gehen wir ans Werk. Reich mir die Hand, es lebe die Herrschaftslosigkeit und die soziale Revolution!
KARL: Für dieses Ziel marschieren wir gemeinsam vorwärts!
Zuletzt aktualisiert am 17.10.2004