Paul Mattick


Arbeitslosigkeit, Arbeitslosenfürsorge und Arbeitslosenbewegung in den Vereinigten Staaten

Arbeitslosenfürsorge


I

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem es unmöglich wurde, die Arbeitslosenfrage weiter als lokale und temporäre Angelegenheit zu betrachten, versuchte man, der mit ihr verbundenen Not im Rahmen der privaten und lokalen Wohlfahrtspflege zu steuern. „Die unterstützten Arbeitslosen sind Objekte der Charitas. Sie erhalten Hilfe, nicht weil sie ein Recht darauf haben, sondern weil die Gemeinde ein Herz hat.“[83] Die amerikanische Armengesetzgebung, eine Adaption der aus dem 16. Jahrhundert datierenden englischen, war im Gegensatz zur letzteren nicht national sondern lokal bestimmt. Die Besonderheiten der amerikanischen Entwicklung, wie die Pioniertätigkeit, die Mannigfaltigkeit der Existenzmöglichkeiten, die Rapidität der industriellen Entfaltung nach dem Bürgerkrieg und weitere Momente, minderten wohl das diese Entwicklung begleitende Elend nicht sehr; gestatteten jedoch die Beschränkung auf lokale Abwehrmaßnahmen und Hilfsmittel. Seit dem 17. Jahrhundert bediente sich die amerikanische Armenpflege verschiedener Formen. Die allgemeinste bestand in der Errichtung von Armen- und Arbeitshäusern. Hier wurden in den einzelnen Gemeinden alle Typen der Bedürftigen zusammengebracht: Arbeitsunfähige, Kranke, Geistesgestörte, Trinker, Strolche, Krüppel und Kinder. Wo es möglich war, verdingte man die arbeitsfähigen Kinder und Erwachsenen an Farmer und Unternehmer, die für die Verpflichtung zu ihrer Ernährung das Recht auf ihre unbegrenzte Ausbeutung eintauschten. Öffentliche Versteigerungen der Hilflosen an die Meistbietenden war eine weitere Form der „Armenpflege“ und zuletzt, doch nur in seltenen Fällen, bewilligte man auch denjenigen, deren mißliche Lage als vorübergehend angesehen werden konnte, „direkte Hilfe“ in der Form von Nahrungsmittelzuschüssen. Die nach Bezirken und Stadtgebieten organisierte und verwaltete Armenpflege war stets bestrebt, den Bedürftigen das Stigma der Schande aufzuprägen.[84] Diese Einstellung hatte „ihre Ursache zum Teil im Strafcharakter der englischen Armengesetzgebung, die die Basis der amerikanischen bildete, zum größeren Teil jedoch in dem in Amerika stark ausgeprägten Individualismus. Die Bevölkerung identifizierte Elend und Bedürftigkeit mit mangelnden persönlichen und moralischen Qualitäten. Deshalb müsse die zuteilwerdende Hilfe so gering wie möglich sein, und das Beschämende ihrer Situation müsse den Applikanten dauernd ins Bewußtsein gerückt werden.“[85] Diese Einstellung war selbst nur das Resultat der großen Exploitationsnotwendigkeiten beim Beginn der kapitalistischen Akkumulation. Der Hunger nach Profiten ist relativ größer am Anfang und am Ende kapitalistischen Entfaltung, die Möglichkeiten der Stillung dieses Hungers sind geringere, und so zwingen die erbärmlichen Verhältnisse der arbeitenden Klassen zur barbarischen Behandlung der nichtarbeitenden armen Bevölkerungsschichten, um das Arbeitsinteresse der ersteren wach zu halten.

Im Verlaufe der kapitalistischen Entfaltung vollzog sich in der Praxis der Armenpflege eine langsame Modifizierung und ihre Adoptierung an die veränderten Verhältnisse, die jedoch die fast dem Mittelalter entstammenden Armengesetze prinzipiell nicht verletzten. Die Armen- und Arbeitshäuser als wichtigste Institution der Armenpflege verloren an Bedeutung und wurden in vielen Staaten zu Altersheimen und Strafanstalten umgewandelt. Man bemühte sich bald um die Typenaussonderung unter den Bedürftigen und verlegte sich mehr und mehr auf die Ausbildung der „direkten Hilfsmethoden“, d. h. der Unterstützung außerhalb der Armenhäuser und Anstalten. Die einzelnen Staaten der Union revidierten die vorhandenen Armengesetze in längeren oder kürzeren Intervallen, es entwickelte sich in der Durchführung der Gesetze eine gewisse Uniformierung in den industriellen und eine andere in den agrarischen Staaten. Die Handhabung der Wohlfahrtspflege wurde in stets wachsendem Maße aus den Händen der Friedensrichter und Vormünder[86] in die geschulter Wohlfahrtspflege gelegt. Die lokalen Wohlfahrtsinstanzen wurden stets mehr ihres Absolutismus entkleidet und unterstanden bald der Inspektionskontrolle der sich bildenden und sich ausbauenden staatlichen Wohlfahrtsabteilungen, was praktisch zuerst nicht viel bedeutete, aber doch den Beginn der späteren staatlichen Zentralisierung des gesamten Wohlfahrtswesens bildete, die mit dem Federal Emergency Relief Act von 1933 vorläufig zum Abschluß kam. Wie langsam sich auch immer die Reformierung des Wohlfahrtswesens vollzog, so lag sie doch unverkennbar in der Richtung zur Bildung „eines allgemeinen staatlichen Sozialversicherungssystems, um den Bedürfnissen der modernen Welt gewachsen zu sein.“[87] Beim Einbruch der Krise, 1929, und schon zuvor „offenbarte sich die Unzulänglichkeit der lokalen Armenpflege überall. Die sogenannten, durch die Depression erzwungenen, ‚Not’-maßnahmen zur Linderung des Massenelends müssen in nicht so ferner Zukunft durch permanente, die alten Wohlfahrtseinrichtungen bei weitem überragende, neue Wohlfahrtsorganisationen ersetzt werden.“[88]

Wie sehr die Reformierung der überholten und unzureichenden Armenpflege hinter den tatsächlichen Notwendigkeiten zurückgeblieben war, wurde durch den chaotischen Zustand der Wohlfahrtsmaßnahmen in den ersten Depressionsjahren deutlich. Die Vernachlässigung illustrierte sich auch in der Tatsache, daß noch nach drei Krisenjahren kein einziger ernsthafter Versuch unternommen worden war, die Wohlfahrtsinstitutionen den Anforderungen der großen Arbeitslosigkeit anzupassen. Wie zuvor die verelendete Minorität, so waren nun auch die arbeitslosen Massen ausschließlich auf die unzulänglichen lokalen und privaten Wohlfahrtseinrichtungen angewiesen. Die unter dem Begriff der Charitas geleistete Arbeitslosenhilfe besaß die mannigfaltigsten Formen, je nach den Besonderheiten der Situationen in den verschiedenen Teilen des Landes. Im allgemeinen geschah jedoch zuerst nichts weiter, als daß die vorhandenen Institutionen öffentlicher und privater Natur ausgebaut wurden, ihre bessere Koordination und oft auch völlige Verschmelzung. Die sich dauernd steigernden finanziellen Anforderungen wurden durch vermehrte Sammlungen, größere und wiederholte Stiftungen, private und öffentliche Anleihen und durch höhere lokale und staatliche Besteuerung zu befriedigen versucht. Noch lange wurde dieser Ausbau des Wohlfahrtswesens als vorübergehende Notmaßnahme angesehen, die mit dem erwarteten Geschäftsaufschwung wieder rückgängig gemacht werden sollte. Zur selben Zeit, als die wachsende Arbeitslosigkeit nach einer grundsätzlichen Umwälzung der ganzen Wohlfahrtspflege verlangte, versuchte man diesen eventuellen Wandel doch solange wie möglich zu verzögern, da man glaubte, daß je länger die Depression dauere, sie damit auch ihrem Ende näher wäre.

Ein wirkliches Bild der Arbeitslosenhilfe in den ersten Krisenjahren und auch noch der von heute, kann nur durch die detaillierte Darstellung der verschiedenen Regelungen und Maßnahmen in den einzelnen Staaten, Bezirken und Städten gegeben werden. In diesem allgemeinen Überblick, der sich mit dem Aufzeigen einzelner wesentlicher Methoden begnügt, die hier und dort, jedoch nicht überall zur Anwendung kamen, kann nicht mehr gegeben werden, als eine grobe Charakterisierung des amerikanischen Wohlfahrtswesens. Selbst in den einzelnen Wohlfahrtsdistrikten herrschte noch das Bestreben nach ‚individueller Behandlung’ der Unterstützungsfälle, so daß selbst hier keine einheitliche Handhabung der Wohlfahrt vorhanden war, sondern, soweit dies praktisch überhaupt durchführbar war, die verschiedenen Fälle verschiedene Würdigung fanden. Im Grossen und Ganzen hat jedoch der Andrang der Hilfesuchenden und der Mangel an genügenden Wohlfahrtspflegern bald die schablonenmäßige Abfertigung erzwungen.

Die vereinigten oder kooperierenden Wohlfahrtsinstitutionen der Bezirks- oder Stadtverwaltungen beschränkten ihre Tätigkeit zum größten Teil auf die Austeilung von Lebensmitteln an bedürftige Familien. Ledige Arbeitslose erhielten in den ersten Krisenjahren nur in sehr wenigen Fällen Unterstützung. Sie hatten sich mit den Obdachlosenasylen und öffentlichen Massenspeisungen zu begnügen, die von den kommunalen, privaten oder religiösen Agenturen eingerichtet oder vermehrt wurden. Nicht überall war die Vernachlässigung der ledigen Arbeitslosen möglich. In den großen Städten waren die Obdachlosenasyle bald überfüllt. Alte Gefängnisse, verlassene Schulen, außer Dienst gesetzte öffentliche Gebäude, zu Asylen improvisiert, reichten nicht aus, die immer wachsende Zahl zu fassen. Trotz der striktesten Regeln, wie der dauernden polizeilichen Überwachung, der frühzeitigen Eintragungen, die der sich auf die Abendstunden verlegenden Betteltätigkeit Abbruch taten, und einem den Selbstrespekt allgemein verletzenden Anstaltsritus, war der Strom der Unterkunftssuchenden nicht zu dämmen. Ende 1932 ging man in vielen Städten dazu über, die ledigen Arbeitslosen auch außerhalb der Asyle zu verpflegen. Man unterschied nun „sichere“ und „unsichere“ Typen von ledigen Arbeitslosen. Die sicheren waren jene, die imstande waren, sich selbständig Wohngelegenheiten zu erhalten. Man beschäftigte sie mit öffentlichen Arbeiten, ein Tagelohn galt gewöhnlich als wöchentliche Unterstützung, über die sie eigenmächtig verfügen durften.

Mehr als die bedürftigen Familien waren die ledigen Arbeitslosen auf die Charitas der religiösen und privaten Wohltätigkeitsgesellschaften angewiesen. Diese standen und stehen noch in den engsten Beziehungen zu den kommunalen Wohlfahrtsverwaltungen. In vielen Orten wurden überhaupt für lange Zeit alle öffentlichen Unterstützungsaktionen durch die religiösen und privaten Gesellschaften geleistet. Hauptsächlich waren es die „Missionen“, denen man die Administration eines großen Teils der Armenpflege anvertraute. Hier gab und gibt es drei wesentliche Typen: die permanenten, die temporären und die Wandermissionen. Die ersteren besitzen Grundstücke, Quartiere und Asyle. Sie werden von Kirchengesellschaften oder Privatvereinen kontrolliert und von Geschäftsleuten, die zugleich Mitglieder der respektiven Kirchengesellschaften sind, verwaltet. Diese Missionen verteilen Lebensmittel, abgelegte Kleider und gewähren ohne oder gegen geringes Entgelt Obdach. Oft wird die Hilfeleistung von der religiösen Einstellung des Bewerbers abhängig gemacht, in anderen Fällen nicht, stets ist sie jedoch von der Willkür der Geber bestimmt. Die Wandermissionen sind ausschließlich auf eigenmächtige Geldsammlungen angewiesen, die in Straßen, Häusern und auf Versammlungen unternommen werden. Die Sammler leben selbst von den Einnahmen und verwenden nur die eventuellen Überschüsse zur Armenpflege. Diese Missionen ziehen wie Zirkusse von Ort zu Ort, von Straße zu Straße, je nach den Erwartungen die an den Ortwechsel geknüpft werden. Die temporären Missionen tauchen in Krisenzeiten auf und verschwinden wieder bei besserem Geschäftsgang. Sie erlauben einer Anzahl von Menschen durch Sammeltätigkeit, hauptsächlich in den proletarischen Bezirken, ihr Leben auf erbärmliche Art zu fristen. Ihre Versammlungsräume dienen oft zugleich als Unterkunftsort für Obdachlose.

Zu Beginn des großen Aufschwungs der Arbeitslosigkeit und dem Ausbau der Wohlfahrtspflege war alle Unterstützung eine bargeldlose.[89] Meldete sich eine Familie an zuständiger Stelle, so wurde ihr nach genauer Untersuchung ihres Falles, was oft zwei bis drei Wochen und länger in Anspruch nahm, die erste Hilfe zuteil. Sie bestand in Lebensmittelanweisungen, die entweder von den Filialen großer Lebensmittelfirmen oder selbstgewählter unabhängiger Händler in Naturalien in begrenzter Auswahl eingetauscht wurden. An anderen Orten wurden Lebensmittel durch die Unterstützungsagenturen direkt in die Wohnungen der Empfänger geliefert. Wohnungsmiete wurde nur in den seltensten Fällen bezahlt. In vielen Städten überhaupt nicht, in anderen, wie z. B. in den größeren des Staates Wisconsin sehr oft, oder doch in dringenden Notfällen. In den großen Industriegebieten wie New York, Chicago, Philadelphia, St. Louis, gelang es nur nach vielen Vorstellungen und oft erbitterten Kämpfen gelegentlich die Wohnungsmiete zu erhalten. Licht und Kochgas wurden ebenfalls lange verweigert, in vielen Orten auch Wasser. Befanden sich Säuglinge in den Familien, so wurden Gas, Wasser, Licht und auch Milch bewilligt. Leuten mit Grundeigentum, Automobilen und entbehrlichem Privateigentum aller Art, wurde das Recht zum Unterstützungsbezug verweigert. Der Besitz von einlösbaren Versicherungspolicen schloß ebenfalls vom Bezug aus. Die mit der verfrühten Einlösung der Versicherungspolicen verbundene finanzielle Schädigung ihrer Besitzer fand keine Berücksichtigung. Der Wohlfahrtsempfänger mußte buchstäblich völlig mittellos sein und ebenfalls außerstande, Mittel zu erwerben. Falsche Angaben der Arbeitslosen zur Erschließung des Unterstützungsbezugs wurden gerichtlich geahndet und mit Gefängnis oft bis zu einem Jahre bestraft. Womöglich wurde die Rückerstattung unberechtigt bezogener Unterstützung erzwungen.[90] Empfing ein Arbeitslosenhaushalt nach dem Bestehen aller Untersuchungen endlich Unterstützung, so mußte er für lange Zeit unaufhörlich gegen Kürzungen, Verzögerung und Abschneidung ankämpfen.

Diese und andere Schwierigkeiten wurden systematisch gefördert. Sie entsprachen der Absicht, den Unterstützungsbezug zu erschweren und die Hilfesuchenden abzuschrecken.[91] Man spekulierte, daß die fast allgemein ausgeübte rigorose Behandlung nur von Leuten hingenommen würde, die wirklich nur die Wahl zwischen der Wohlfahrt und dem Tode hatten. Von Zeit zu Zeit strich man alle Unterstützten von den Bezieherlisten und zwang sie unter erschwerten Bedingungen zur Neuanmeldung, z. B. der Nachweiserbringung ernsthafter Arbeitssuche durch Bescheinigungen von Unternehmern. In machen Orten hatten Arbeitslose wöchentlich eine vorgeschriebene Anzahl von Unternehmern zu besuchen und erst deren abschlägiger Bescheid erlaubte den Unterstützungsbezug.[92] In einzelnen Städten verwandte man bald bestimmte Unterstützungsmaßtäbe, Relief Budgets,[93] was eine gewisse Ordnung in das zuvor herrschende Chaos brachte und eine Reihe unnötiger Reibungen zwischen Reliefagenten und deren Klienten vermied. Im Rahmen dieser Budgets betrug der monatliche Unterstützungssatz während der Jahre 1932—33 für eine fünfköpfige Familie z. B. in Chicago 28,79 Dollar, während das vom Chicagoer Council of Social Agencies errechnete notwendige Existenzminimum für dieselbe Familie zur gleichen Zeit, ohne Einschluß der Wohnungsmiete, 105 Dollar monatlich betrug. Der Unterschied zwischen beiden Zahlen illustriert die Unzulänglichkeit der Unterstützungssätze, wobei noch beachtet werden muß, daß die Chicagoer Sätze mit zu den höchsten in Amerika zählen und daß in vielen Städten und Staaten kaum die Hälfte dieser Sätze geboten wird. In vielen Städten und Bezirken zwang man die Arbeitslosen, einem angeblichen Druck der „öffentlichen Meinung“ nachkommend, für die erhaltene Unterstützung öffentliche Arbeiten zu leisten.[94] Doch verlor sich bald das Interesse an der Seelenruhe der Steuerzahler, da diese Art „produktiver Arbeitslosenhilfe“ durch den damit verbundenen Kostenaufwand für Material und Werkzeuge kostspieliger wurde, als das „vom Herzen der Gemeinde“ kommende Geschenk der Unterstützung ohne Gegenleistung. Die Beschäftigung der Arbeitslosen stieß weiterhin auch auf den Widerstand der städtischen Arbeiter und Angestellten, die in dieser Prozedur die eigene Verdrängung von den Arbeitsplätzen sahen. Nach längeren oder kürzeren Abenteuern dieser Art wurde bald wieder fast allgemein die Beschäftigung von Arbeitslosen aus lokalen Mitteln aufgehoben.[95] In einzelnen Staaten, z. B. in Wisconsin, Indiana und Illinois versuchten die Wohlfahrtsbehörden eine Gartenbauwirtschaft ins Leben zu rufen, von der man sich eine Verminderung der Wohlfahrtskosten versprach. Ackerland, Saat, Pflanzen, Werkzeuge und oft auch bestimmte Geldsummen wurden den Arbeitslosen zur Verfügung gestellt. Einzelne Industrielle liehen Traktoren an die Gartenbauer. Im Jahre 1932 hatte der Staat Indiana 4570 solcher Einzelgärten. Doch wurde Gedanke und Praxis dieser teilweisen Selbstversorgung der Arbeitslosen bald wieder aufgegeben. Der Prozeß war zu unbedeutend und relativ zu kostspielig.

II

Die sich zwischen 1929 und 1933 dauernd vertiefende Depression, der stetige Rückgang der Produktion, das damit verbundene Fallen der Einkommen und Löhne und die dauernd wachsende Arbeitslosigkeit erzeugten zugleich eine politische Krise, die nur durch eine schroffe Wendung der Sozialpolitik und bewußte Eingriffe in den ökonomischen Mechanismus überbrückt werden konnte. Freiwillig oder unfreiwillig mußte, wie allen anderen gesellschaftlichen Problemen auch dem der Arbeitslosigkeit gegenüber, grundsätzlich neu verfahren werden. Ende 1932 mehrten sich die Befürchtungen und Prophezeiungen der Politiker und Ökonomen, daß, wenn nicht bald eine zufriedenstellende Lösung der Arbeitslosenfrage gefunden sein würde, große soziale Erschütterungen, Rebellionen und Aufstände der Hungernden unausbleiblich sein würden. Der Radikalisierungsprozeß der arbeitenden Massen machte große Fortschritte, Hungermärsche, Demonstrationen, spontane Arbeitslosenaktionen, sogar Plünderungen mehrten sich. Arbeitslosenorganisationen entstanden spontan oder wurden durch die existierenden politischen Organisationen gebildet. Die Unruhe der Arbeitslosen erhielt große Wucht und Gefährlichkeit, da sie in einer Atmosphäre allgemeiner Unsicherheit und sozialer Erregung wirkte. An sich selbst war die Arbeitslosenbewegung zu schwach, um nicht mit den alltäglich verwandten Mitteln niedergehalten werden zu können, aber in Verbindung mit der gesamtgesellschaftlichen Krisenstimmung bildete sie den Kern eventueller revolutionärer Bewegungen. Die langsame Erschöpfung der Unterstützungsquellen zwang zur dauernden Verschlechterung der Lage der Arbeitslosen. Eine Serie steuerlicher Maßnahmen wurde ergriffen, verworfen und wieder aufgegriffen. Die Banken verweigerten Anleihen auf künftige Steuereingänge, die Mittel der Reconstruction Finance Corporation waren begrenzt, politische Interessenunterschiede benutzten die Arbeitslosen- und Unerstützungsfrage zum Mittel der Verfechtung der verschiedensten Sonderinteressen, und in diesem allgemeinen Chaos verschlechterte sich die Lage der Arbeitslosen stets mehr. Die Unterstützungsmethoden wurden desperater und reichten bis zu Versuchen zur Einführung sogenannter „konzentrierter Nahrung“. In Chicago propagierte man die Möglichkeit einer wohlausgeglichenen Kost für täglich 9 Cent pro Person, in Toledo für 6 Cent und in Niles (Ohio) sogar für drei Cent. Der vor dem direkten Verhungern schützende letzte Mindestsatz betrug zu jener Zeit pro Person täglich 22 Cent, und dieser Satz konnte nirgendwo bezahlt werden. In den Städten war ein Achtel der Bevölkerung dauernd von Hunger und Exmittierung[96] bedroht. Nach Schätzungen des Gouverneurs von Pennsylvania waren in Philadelphia im Sommer 1932 rund 250 000 Menschen dem Verhungern nahe. Von 800 000 untersuchten Schulkindern waren 216 000 stark unterernährt. Die Verhältnisse in Philadelphia waren die Verhältnisse in Amerika schlechthin. Die Arbeitslosigkeit und der niedrige Lebensstandard trieben die Krankheitsrate hinauf. „Bei 5520 unterstützten Familien in Milwaukee z. B. war die Hospitalbedürftigkeit um 35% größer, als bei derselben Zahl beschäftigter Arbeiterfamilien.“[97] Aus den Wohnungen geworfene Arbeitslose bauten sich am Rande der Städte sogenannte „Hoover-Dörfer“ aus Kisten, Blech und den Abfällen der Schuttabladeplätze. In den Kohlenrevieren von Ohio, Pennsylvania, West-Virginia und Illinois lebten tausende von Bergarbeiterfamilien unter den denkbar elendsten Bedingungen in improvisierten Zeltlagern. Ruhr und Pellagra waren weitverbreitete Seuchen. Erdhöhlen als Wohngelegenheiten hörten auf, Seltenheiten zu sein. Arbeitslose Familien zogen zu Tausenden vom Norden nach dem warmen Süden, um dem Wohnungsproblem zu entrinnen und in der Hoffnung dort Lebensmöglichkeiten, wenn auch der primitivsten Art, zu finden. Verarmte Gemeinden trieben die Wohnungslosen aus den Ortschaften, die dann die Landstraßen bevölkerten. Unsagbares Elend verband sich mit diesen Wanderungen.[98]

Erzwang die Vermehrung der Arbeitslosigkeit in den Jahren 1930-32 den Übergang von der privaten und kommunalen zur staatlichen Wohlfahrtspflege, so die um sich greifende weitere Verelendung und die Erschöpfung auch der staatlichen Mittel die Einbeziehung der Federal-Regierung in das Hilfsprogramm. Die Autorisierung der Reconstruction Finance Corporation durch die Federal-Regierung, den Staaten und Kommunen Darlehen[99] für Unterstützungszwecke zu gewähren, war der erste wesentliche Schritt federaler Wohlfahrtspolitik. Im Mai 1933 entstand als ein Resultat des vom Senator R. F. Wagner vorgeschlagenen Federal Relief Act von 1933 die Federal Emergency Relief Administration unter der Leitung H. L. Hopkins. Die Federal Emergency Relief Administration (FERA) überließ den einzelnen Staaten die Administration der Wohlfahrt und gab bestimmte Summen und Vorschläge zu deren Verwendung als Zuschüsse zu den einzelstaatlichen Wohlfahrtsmitteln. In einzelnen Staaten z. B. in Oklahoma und N.-Dakota waren die Wohlfahrtsadministrationen jedoch so schlecht, daß die FERA gezwungen war, eigene Behörden zu schaffen. In Massachusetts zwangen politische Komplikationen zur Bildung federaler Verteilungsorganisationen neben den bestehenden staatlichen.

Zu Beginn ihrer Tätigkeit stellte die FERA jedem Staat für von ihm selbst aufgebrachte drei Unterstützungsdollar einen weiteren Zuschußdollar zur Verfügung.  Im Oktober 1933 mußte dieses Verfahren wieder aufgegeben werden. Die Staaten waren außerstande, ihren Verpflichtungen nachzukommen.[100] 12 Staaten waren gezwungen, mehr als 90% ihres Unterstützungsfonds von der FERA zu beziehen. Andere Staaten, wie South Carolina. Arkansas und Mississippi bezogen über 99% ihrer Wohlfahrtsgelder von der FERA. Die restlichen Staaten akzeptierten zwischen 90% und 30% FERA-Gelder für ihre Unterstützungszwecke. 60,6% aller Wohlfahrtssummen wurden im Jahre 1933 von der Federal-Regierung aufgebracht.[101] Mitte 1934 hatte die FERA bereits 74,3% der Gesamtkosten zu decken. Die fünf hochindustriellen Staaten mit der höchsten Summe von Wohlfahrtsempfängern erhielten 42% der gesamten FERA-Spenden.[102] Der Anteil der FERA an den Gesamtunterstützungskosten wuchs beständig weiter. Im April 1936 berichtete das Schatzamt in Washington, daß zwei Drittel aller Staaten Federal-Zuschüße erhielten, die deren Steuerbeträge an die Federal-Regierung bei weitem übertrafen.[103] Von den 1935 eingegangenen Steuergeldern in Höhe von 3 299 435 000 Dollar flossen 2512082158 wieder an die einzelnen Staaten zurück. Die Verteilung der Wohlfahrtszuschüsse an die einzelnen Staaten ohne Berücksichtigung ihres proportionalen Steueranteils an die Federal-Regierung gab Raum zu vielen politischen Reibungen, die in den Wahlkämpfen eine große Rolle spielten. Man warf der die Regierung kontrollierenden Demokratischen Partei vor, die FERA-Gelder in einer die Partei begünstigenden Weise zu verteilen.

Nach den Berechnungen eines Senatskomitees beliefen sich die Totalkosten für Unterstützungszwecke in den Jahren 1933-34 auf 2272102631 Dollar. Von diesen waren 1 549935555 durch die Federal-Regierung, 299370375 durch die Staaten und 422796701 durch die Kommunen aufgebracht worden. Diese Summe schließt die direkte und die Arbeitshilfe und alle damit verbundenen Kosten in sich ein. Die jährlichen Gesamtkosten für Unterstützungszwecke in den Jahren 1935 und 1936 beliefen sich auf je rund drei Milliarden Dollar. So groß diese Summen auch sind, so reichten sie doch nicht zu mehr, als der vorübergehenden Erleichterung der Situation der Arbeitslosen.[104]

Nach einem Bericht D. R. Richbergs erhielten im Monatsdurchschnitt im Jahre 1934, 14 250 000 Personen Unterstützung, oder 11% der amerikanischen Bevölkerung.[105] War die Zahl der Arbeitslosen unter den Fremdgeborenen und Negern größer als unter den eingeborenen Weißen, so auch deren Anteil an der Summe der Wohlfahrtsempfänger.[106] Nach einer im Jahre 1934 unternommenen Berechnung der Monatsschrift „Fortune“, die auf der Arbeitslosenziffer und der Annahme, daß jeder Arbeitslose durchschnittlich 2 ½ Personen zu versorgen hat, basierte, hätte die Ziffer der Unterstützungsbedürftigen 27 000 000, oder 21% der Bevölkerung betragen müssen.[107] „Durch die Erschöpfung der kommunalen und staatlichen Mittel und durch den Wunsch der lokalen Wohlfahrtsbehörden, die gesamten Unterstützungslasten auf die Federal-Regierung abzuwälzen, entstand eine Situation, in der tausende von Personen, deren Elend andere Gründe als die Arbeitslosigkeit hatte, von der Emergency Relief Administration unterstützt wurden.“[108] Und trotzdem bestand eine breite Kluft zwischen den, den Arbeitslosenziffern entsprechenden, möglichen Unterstützungsfällen und deren aktueller Zahl: Nach Schätzungen des State Departments of Labor and Industry in Michigan mußte die Hälfte der Arbeitslosen ohne Unterstützung auszukommen verstehen.[109] „Während der Jahre 1931 und 1932 erwarteten tausendevon Arbeitslosen[110] eine schnelle Geschäftsverbesserung und lebten von ihren Ersparnissen, oder von temporären Gelegenheitsarbeiten. Erst als zum Beginn des Jahres 1934 das State-Federal Work Relief Programm zur vollen Entfaltung kam, registrierten die Arbeitsnachweise Beschäftigungssuchende, die den vorhandenen Kalkulationen der Arbeitslosigkeit entsprachen.“[111] „Die Zahl der Wohlfahrtsempfänger ist eine variable. Eine große Anzahl von Arbeitern schwebt beständig zwischen dem Zwang zum Unterstützungsbezug und der Möglichkeit der Selbsterhaltung. Mit jeder Krisenvertiefung fallen sie in die Reihen der Wohlfahrtsempfänger, mit jedem Geschäftsaufschwung verlassen sie diese wieder.  Der Umschlag im Wohlfahrtswesen entspricht dem des Arbeitsmarktes. Die unterstützten Arbeitslosen rekrutieren sich wesentlich aus den Reihen der un- oder angelernten Arbeiter.“[112] Ihre Reserven sind kleiner, ihre Not war stets größer als die der anderen Arbeitsgruppen und damit auch der Zwang, sofort um Unterstützung zu ersuchen. Trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit in den Jahren 1934 und 1935 stieg die Zahl der Unterstützungsempfänger, bis sie die Summe von rund 20 000 000 erreichte. Langsam vollzog sich die Anpassung der Arbeitslosenzahlen an die der Unterstützten, als Ausdruck der Erschöpfung der Reserven und der Vergrößerung des allgemeinen Elends.

Es wurde oft in Amerika betont und nachzuweisen versucht, daß der unterstützungsempfangende Teil der Bevölkerung aus entweder körperlich oder moralisch niedrig stehenden Gruppen stamme, oder aus Arbeiterkreisen mit den geringsten Fähigkeiten und der größten Instabilität. Darauf stützte sich die nach Reduzierungen der Unterstützungsbelastungen drängende Propaganda, die sich in dem einfachen Satz ausdrückte, daß der Grossteil der Arbeitslosen gar nicht arbeiten wolle. Sprechen schon die Größe der Arbeitslosenzahl und ihre plötzliche Vermehrung deutlich genug gegen diese Einstellung, so auch alle diesbezüglichen unternommenen Experimente, wie der Zulauf bei Ausschreibungen öffentlicher Arbeiten[113] und ebenfalls Untersuchungen über die Beschäftigungszeiten der unterstützten Arbeitslosen.[114] Wohl ist hierbei feststellbar, daß der unterstützte Teil der arbeitenden Bevölkerung etwas kürzere Arbeitslängen aufzuweisen hat als der nichtunterstutzte, aber es muß dabei in Betracht gezogen werden, daß dieser Unterschied zum großen Teil auf berufliche Unterschiede zurückzuführen ist.

III

Die reformistische Einstellung der Regierung zu den Wohlfahrtsfragen, die Länge der Depression und ihre psychologischen Resultate, zusammen mit der unabänderlichen Tatsache, daß zwanzig Millionen Menschen freiwillig oder unfreiwillig von öffentlichen Geldern leben mußten, wodurch die alte konservative Einstellung zur Armenpflege zum rohesten Zynismus degradiert wurde, schufen bald eine neue Wohlfahrtsphilosophie. „Ein stets wachsender Teil der Bevölkerung erkennt die moralische Verpflichtung zur Unterstützung der Arbeitslosen. Die Unterstützungsbezieher selbst sehen in ihrer Situation nichts Beschämendes mehr. Die Arbeitslosenhilfe wird nun als eine der wichtigsten Funktionen aller Regierungen aufgefaßt. Dieselbe Situation, die diese neue Wohlfahrtsphilosophie erzeugte, schuf auch die ihr entsprechenden neuen Verwaltungstypen.“[115] Die FERA als die beste Verkörperung dieses neuen Administrationstypus, bemühte sich, ihrer Tätigkeit (soweit dies im Rahmen des heutigen Wirtschaftssystems möglich war) den Charakter einer über momentane Notwendigkeiten hinausgehenden, planmäßigen, gesellschaftlich gesehenen Wohlfahrtspflege zu geben. Wohl vom Zwange der Gegebenheiten ausgehend, versuchte sie doch die weitere Zukunft in ihre Absichten einzukalkulieren. Ihre Arbeit reichte weit über die sofortige Linderung des Arbeitslosenelends hinaus und spielte in alle anderen neuen sozialpolitischen Aktivitäten mit hinein. Dem Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung schenkte sie ihre besondere Aufmerksamkeit, aber auch andere, selbständige Institutionen entstanden durch ihre Anregung oder wurden auf Grund der mit ihr verbundenen Reformbestrebungen ausgebaut.

Zur selben Zeit, als man begann in öffentlichen Arbeiten ein Mittel zur Linderung sozialer Schwierigkeiten zu sehen, verstärkten sich auch die Forderungen nach einer besseren Durchorganisierung des Arbeitsmarktes und man erwartete dementsprechende Maßnahmen von den staatlichen Administrationen und der Federal Regierung. Schon 1915, obwohl von Regierung und Kongreß nicht unterstützt, bemühte sich das Department of Labor, die ersten Fundamente für ein Nationalsystem von Arbeitsnachweisen zu schaffen. Mit dem Eintritt Amerikas in den Weltkrieg und der Notwendigkeit der zentralen Kontrolle und Organisation des gesamten gesellschaftlichen Lebens im Interesse einer koordinierten Kriegswirtschaft wurde die U. S. Employment Service geschaffen.[116] Doch nach dem Kriege, als das Angebot von Arbeitskräften die Nachfrage wieder überstieg, wurden die öffentlichen und freien Arbeitsvermittlungsagenturen nach und nach wieder abgebaut oder mehr und mehr vernachlässigt. Es gibt drei Arten von Arbeitsnachweisen: die als Geschäft betriebenen Privatagenturen, die von Unternehmen oder solchen Verbänden für ihre eigenen Zwecke unentgeltlichen Nachweise und die öffentlichen, die entweder von Kommunen, den Staaten oder der Federal-Regierung unterhalten werden. Der Grossteil der Arbeitseinsteilungen wird jedoch nicht von den Nachweisen getätigt, sondern durch persönliche Bewerbung bei den einzelnen Unternehmern und durch Anzeigen in den verschiedenen Zeitungen und Fachschriften. Die Funktion der Nachweise beschränkt sich zum größten Teil auf Arbeitsvermittlung für ungelernte Arbeiter. Da jeder neue Arbeiter, der kompliziertere Arbeit zu verrichten hat, eine gewisse Zeit benötigt, um sich dem neuen Arbeitsplatz anzupassen, erzeugt er Ausgaben, die durch die Verringerung der Arbeiterfluktuation verhindert oder vermindert werden können. Die Unternehmer haben so selbst ein Interesse daran, die richtigen und besten Arbeitskräfte zu bekommen und sie sich solange wie möglich zu erhalten. Experimente mit vielen Arbeitern zur richtigen Auslese sind kostspielig und müssen nach Möglichkeit vermieden werden. Die bisherige Unfähigkeit der vorhandenen Nachweise, den diesbezüglichen Wünschen der Unternehmer genügend zu entsprechen, sowie das massenhafte freiwillige Angebot von Arbeitskräften, erzeugte die relative Interesselosigkeit gegenüber den Fragen der Arbeitsvermittlung. Die kleineren Unternehmer allerdings, unfähig oder ungewillt sich eigene Arbeitsaufnahmebüros zu schaffen, schufen sich in den Städten Zentralarbeitsnachweise, die sie mit den notwendigen Arbeitskräften versorgten. Diese privaten Arbeitsnachweise hatten vor den öffentlichen den Vorzug, daß sie zugleich als Waffe gegen die Organisationsbestrebungen der Arbeiter verwandt werden konnten. Sie waren Institute der „schwarzen Listen, „ die den Betrieben unerwünschte Elemente fernhielten.“[117]

Die privaten Nachweise, von wenigen Ausnahmen abgesehen, verlangen von den Bewerbern relativ hohe Kommissionen für vermittelte Arbeitsgelegenheiten, was für viele Arbeiter die Inanspruchnahme ihrer Dienste ausschließt. Die Korruption der privaten Agenten ist so groß, daß man sie im Volksmund allgemein als „Haifische“ bezeichnet, ihr Wirkungsfeld als „Sklavenmarkt.“ Die Korruption und geringe Wirkungsfähigkeit der privaten Agenturen, die ausschließlich den Einzelinteressen der verschiedenen Unternehmen angepaßten Arbeitgebernachweise, der Zwang zur Befriedigung der saisonsmäßigen Arbeitsnachfrage (hauptsächlich der der Landwirtschaft), was ein landweites Netzwerk von Arbeitsvermittlungsstellen erfordert, alles das brachte stets neue Forderungen nach dem Ausbau staatlicher und  nationaler Arbeitsbörsen[118] mit sich, die aber erst dann Gehör fanden, als die Masse der Arbeitslosen den Arbeitsbeschaffungsfragen durch bessere Organisation des Arbeitsmarktes schon jede praktische Bedeutung genommen hatte. Die Förderung der Arbeitsnachweise schuf nunmehr nur eine bessere Voraussetzung für die Arbeitsvermittlung der unbestimmten Zukunft. „Die Depressionsjahre, besonders jene die zur FERA führte, gaben unserer Gesellschaft etwas, was sie zuvor nie besessen hatte; eine allumfassende Inventur über die vorhandenen Arbeitskräfte aller Art. Die Arbeitsnachweise sind nun imstande, in wenigen Stunden im staatlichen und nationalen Umfang Nachfrage und Angebot von Arbeitskräften zu ermitteln. In den letzten Monaten hat die Federal-Regierung diese Statistiken höchst wertvoll gefunden, speziell zur Beurteilung der Bewerbungen um Erlaubnis zur Arbeitszeitverlängerung.“[119] Für Zwecke der von einer Zentralstelle aus geleiteten bewußten Eingriffe in die gesellschaftlichen Bewegungsgesetze ist der Ausbau der staatlichen Arbeitsnachweise von großem Wert, wenn die ursprüngliche Aufgabe dieser Nachweise, Beschäftigung in der Industrie zu vermitteln, vorläufig auch nicht mehr wesentlich erfüllt werden kann. Weiterhin haben sie neben ihren heutigen statistischen Funktionen auch die Möglichkeit, die „Fundamente zu bilden, auf denen die Gesellschaft eventuell ihr Arbeitslosenversicherungssystem errichten wird. Ohne Zweifel werden die Steuerzahler erst dann der Arbeitslosenversicherung zustimmen, wenn die Garantie gegeben ist, daß die Arbeitslosen tatsächlich keine Beschäftigung finden können, für welche Feststellung die Nachweise die gegebene Behörde sind.“[120]

Die Arbeitsentwöhnung großer Massen, die Unmöglichkeit der Arbeitsgewöhnung der Jugendlichen, erregten in den Kreisen der heutigen Sozialpolitik die größte Besorgnis. „Dem Stigma, das dem Nichtstun anhaftete, verdankte Amerika seine Entfaltung. Die Schande, die dem Nichtstun anhaftete, muß wieder Teil des gesellschaftlichen Bewußtseins werden.“[121] Arbeit nicht Charitas, war deshalb die Parole unter der im November 1933 die Civil Works Administration (C. W. A.) ins Leben gerufen wurde. Ihr Arbeitsbeschaffungsprogramm versorgte auf dem Höhepunkt ihrer Entfaltung rund vier Millionen Menschen mit Beschäftigung. Im April 1934 kam die C. W. A. jedoch bereits wieder zu ihrem Abschluß. Auf ihr Konto kamen 469 neue Flughäfen und Verbesserungen an 529 bestehenden. Sie baute 500 000 Meilen neuer Straßen und hatte ein weitreichendes Bildungsprogramm für Erwachsene aufgestellt, das 50 000 Lehrer vorübergehend beschäftigte. Sie zahlte wöchentlich Löhne in Höhe von 62 Millionen Dollar.[122]

Als Unterorganisation der FERA wurde im Dezember 1933 die Home Owners Loan Association gebildet, die sich zur Aufgabe stellte, zahlungsunfähigen Leuten Darlehen zur Erhaltung ihrer Heimstätten zu geben. Weiterhin wurde die Federal Surplus Relief Corporation (F. S. R. C.) geschaffen, die von Farmern und Unternehmern Warenüberschüsse der verschiedensten Art erhielt oder kaufte und sie an die einzelnen Staaten zum Gebrauch für Wohlfahrtszwecke weiterleitete. Die Kosten der F.S.R.C. beliefen sich im Herbst 1934 auf 6-11 Millionen Dollar monatlich. Im Zusammenhang mit der A. A. A. (Agricultural Adjustment Administration) bezog die F. S. R. C. neben Nahrungsmitteln auch Baumwolle, die, begleitet von den bitteren Protesten vieler Fabrikanten, von Arbeitslosen zu Matratzen verarbeitet, bedürftigen Familien im Rahmen der Wohlfahrt überwiesen wurden. In den von der Trockenheit heimgesuchten Farmgebieten kaufte die F.S.R.C. Schlachtvieh, verarbeitete es zu Konserven zur Verteilung unter die Arbeitslosen. Eine Reihe ähnlicher Maßnahmen wurden getroffen, doch so weit verzweigt die Tätigkeit der F.S.R.C. auch war, so blieb ihre Arbeit durch die dauernden Konflikte mit den verschiedenen Privatinteressen doch so begrenzt, daß sie nicht mehr als eine Episode im neuen Wohlfahrtswesen bildete. Wir hatten bereits auf das Elend der wandernden Arbeitslosen hingewiesen. „Von allen tragischen Erscheinungen Amerikas ist wahrscheinlich das Leben der arbeitslosen, pfenniglosen und wohnungslosen Wanderer das zumeist erschütterndste…“[123] Die Angaben über die Anzahl der Landstraßenbewohner schwankten zwischen einundeinehalbe und vier Millionen. Zur Linderung ihrer Not schuf die FERA im Juli 1933 das Federal Transiet Programm, dessen Kosten ausschließlich von der Federal-Regierung getragen wurden. Der letzte Grund für diese Einrichtung war der Versuch, der ungeheuren Gefahr, das dieses Landstraßenwesen für Gesellschaft und Eigentum darstellte, zu begegnen.[124] Bis zum Mai 1935 hatte die Federal Transiet Administration 312 Arbeitslager eingerichtet und in den Städten 283 neue Asyle geschaffen. Ihre Ausgaben beliefen sich zu Anfang des Jahres 1935 monatlich auf rund 5 Millionen Dollar. Im April desselben Jahres wurden in ihren Instituten 306364 Personen untergebracht. Die Arbeitslager verminderten das Landstraßenwesen um etwas, beseitigten es jedoch nicht. Die Arbeitslager (Camps) verlangten von ihren Insassen wöchentlich 30 Stunden Arbeit. Als Gegenleistung erhielten sie neben Nahrung und Unterkunft einen Wochenlohn von einem Dollar. Jeder Mann kostete die Regierung durchschnittlich täglich 70 Cent. Die Camp-Aufseher waren militärischen oder semimilitärischen Organisationen entnommen. „Genaue Beobachtungen ergaben, daß 65% der Campinsassen Personen mit guter Lebens- und Arbeitsführung waren, die erst durch die Krise ihren normalen Lebensverhältnissen entrissen wurden.“[125] In manchen Südstaaten, z. B. Georgia und Florida, erlaubten Gesetze die Verfolgung der „Landstreicherei.“ Die Wanderer wurden aufgegriffen und in die berüchtigten „chain-gangs“ gesteckt. So kam man hier auf dem Wege der Gerichtsbarkeit zu billigen, für den Straßenbau verwandten, Arbeitskräften. Allerdings suchten die Landstraßenbewohner eine etwas andere Art von Beschäftigung. „Es handelt sich bei ihnen um keine Gesellschaftsschädlinge, die sich nicht anzupassen verstehen, sondern um normale Durchschnittsmenschen. Nicht sie müssen dem heutigen System eingefügt werden, sondern das kranke System muß vielmehr den Bedürfnissen dieser Menschen angepaßt werden.“[126]

Ungefähr 17% der Campbewohner waren Jugendliche, deren besondere Not später zur Bildung der National Youth Administration veranlaßte, der 50 Millionen Dollar zur Unterstützung von Bestrebungen übertragen wurden, die eine bessere Beschäftigungsmöglichkeit für Jugendliche in den Privatindustrien herbeiführen sollten; weiterhin für die Besserung der allgemeinen und beruflichen Ausbildung der Jugendlichen.

Die Kosten der Arbeitshilfe sind jedoch bei weitem höhere, als die der direkten Wohlfahrtspflege. So konnte, durch die Beschränkung der Mittel, stets nur eine Minorität der Arbeitslosen der Arbeitshilfe eingefügt werden. In all den Jahren der Beschäftigung von Arbeitslosen aus öffentlichen Mitteln konnten nicht mehr als fünf Millionen Menschen und hier jeder einzelne nur vorübergehend berücksichtigt werden. Obwohl man die Einbeziehung der Familienhäupter zur Arbeitshilfe bevorzugte, da sich damit eine Verminderung der Unterstützungskosten verband, hatte man doch zugleich das größte Interesse daran, die jüngeren Arbeitslosen dem zersetzenden Einfluß der Kombination von Nichtstun und Elend zu entziehen. Die Einrichtung des Civilian Conservation Corps (CCC) im April 1933 war die unzureichende Lösung dieser Aufgabe. Innerhalb von drei Jahren passierten rund einundeinhalbe Millionen junger Arbeiter die Lager der CCC. Die dauernde Stärke der CCC betrug in jedem Jahre rund 300 000 Mann, grenzte im Jahre 1936 zeitweise jedoch nahezu an 400 000. Das für die CCC-Arbeiter erforderte Alter lag zwischen 18 und 25 Jahren, doch waren Ausnahmen zugelassen und für Veteranen der Armee bestand überhaupt keine Altersgrenze. Akzeptiert wurden, auch hier mit Ausnahmen, unverheiratete Männer, deren Familienangehörige Wohlfahrtsempfänger waren. Die Entlohnung bestand außer Kleidung, Nahrung und Unterkunft in monatlich 30 Dollar, von denen 70% an die Angehörigen der CCC-Arbeiter abgeführt wurden, die damit zugleich von der Wohlfahrt gelöst wurden. Die Arbeit der CCC bestand in der Schaffung und Erhaltung von staatlichen Parks, der Verbesserung von Farmland, im Kampf gegen die Unfruchtbarkeit des Bodens, Maßnahmen und Bauten zur Verhütung von Waldbränden, Aufforstung, Dammbauten und ähnlichen in Amerika unglaublich vernachlässigten oder durch Raubbau zerstörten gesellschaftlich notwendigen Arbeiten und Werten.[127] Administration und Disziplin in der CCC unterstand Reserveoffizieren der amerikanischen Armee. Die CCC-Form der Wohlfahrtshilfe gilt als die kostspieligste. Jedes Corps-Mitglied kostete die Regierung monatlich rund 100 Dollar.[128] Damit waren die Unterstützungskosten via der CCC viermal teurer als alle anderen. Und doch war die CCC das einzige Unternehmen der Roosevelt Administration, das fast allgemeinen Beifall fand. Die konservative Opposition, die fast gegen das gesamte Regierungsprogramm opponierte und es mit dem einen Wort „Verschwendung“ charakterisierte, blieb der CCC gegenüber völlig kritiklos. Als Ende 1935 bekannt wurde, daß die Regierung plane, aus der CCC eine permanente Einrichtung zu machen, gab es auch dann nur wenig widersprechende Stimmen. Die Worte Roosevelts: „die CCC verdiene die Bewunderung der ganzen Nation“ schien tatsächlich die allgemeine Einstellung auszudrücken. Erblickte man in der CCC zuerst nicht mehr als eines der vielen Wohlfahrtsexperimente, so gewöhnte man sich bald daran, in ihr eine Art militärischer Vorschule oder Reservearmee zu sehen. In den sich um die CCC drehenden Debatten im Kongreß wie in der Öffentlichkeit wurde oft auf die militärischen Möglichkeiten dieser Institution hingewiesen. Die Disziplin und die Ideologienzüchtung in den Lagern scheinen diese Ansicht zu unterstützen. Inwieweit die CCC ihre Förderung dieser Einstellung verdankt, ist jedoch belanglos, Tatsache ist, daß sie ohne Zweifel in kürzester Zeit zu einer militärischen Formation umgewandelt werden kann.

Neben der Arbeitshilfe „um der Arbeit willen“, wie sie in der Civil Works Administration zum Ausdruck kam, um „die Arbeitslosen in Übung zu halten, sie für den erwarteten wirtschaftlichen Umschwung arbeitsfähig zu erhalten“,[129] wurde mit der Schaffung der Public Works Administration (P.W.A) unter Sekretär H.J. Ickes, 1933, versucht, den seit langem propagierten Weg großer öffentlicher Arbeiten als Teillösung der Arbeitslosenfrage zu beschreiten. Im August 1933 beschäftigte die P.W.A. 4698 Personen, ein Jahr später bereits 675 000. Die Vertreter eines großzügigen Programms öffentlicher Arbeiten „sahen darin nicht nur die Arbeitsbeschaffung zur Linderung der Arbeitslosennot, sondern auch ein die ganze Gesellschaft beeinflussendes Stimulans, von dem ein neuer wirtschaftlicher Aufschwung durch große Neuanlagen von Kapital erwartet wurde.“[130] So betonte H. J. Ickes in seinen Berichten auch, daß die Zahl der Personen in Unternehmen, die Materialien für die P.W.A. lieferten, zweimal so groß war wie die, welche von der P.W.A. selbst beschäftigt wurden. Durch die große Anzahl ihrer Projekte hätte die P.W.A. viel zur Besserung der allgemeinen, wirtschaftlichen Situation beigetragen.[131]

IV

Fast in allen bisherigen Krisen wurden öffentliche Arbeiten zur Linderung des Arbeitslosenelends propagiert. 1915 lieferten 65 amerikanische Städte der Association for Labor Legislation Berichte über unternommene öffentliche Arbeiten. Diesbezügliche Pläne wurden weitgehendst diskutiert und einzelnen Staaten entsprechende Gesetzentwürfe vorgelegt. Der Staat Idaho nahm im Jahre 1915 ein Gesetz an, das das „Recht auf Arbeit“ garantieren und praktisch jedem Arbeitslosen im Jahre 60 Tage Beschäftigung an öffentlichen Unternehmen sichern sollte. Unter den Präsidentschaften Wilsons, Hardings und Hoovers wurden stets lebhafter Programme für öffentliche Arbeiten „zur Linderung der Arbeitslosigkeit“ wie zur „Stabilisierung der Prosperität“ vertreten, und mit dem Einbruch der Krise 1929 durchzuführen versucht. Blieben neben den üblichen öffentlichen Arbeiten der Städte und Staaten die zusätzlichen zur Krisenmilderung auch weiterhin völlig unbedeutend, so erhielten die, durch die Federal Regierung unternommenen, einen zwanzigprozentigen Auftrieb. Dieser Zusatz war „der desperaten Situation gegenüber jedoch nicht mehr als ein Tropfen Wasser auf einem heißen Stein.“[132] Das drei Billionen Dollar Programm der Roosevelt Administration im Rahmen der „New Deal“-Politik war der erste großzügige Versuch eines Eingriffes in die Krisengesetzlichkeit durch die Förderung von öffentlichen Arbeiten. Die Propaganda für öffentliche Arbeiten behauptet zuerst, daß dies die beste Form der Arbeitslosenhilfe sein, da „sie Leuten Beschäftigung gäbe, die sonst nichts tun würden und die anderweitig ruhende Industrie erneut in Bewegung setze. Sie verwandle die durch den Stillstand der Wirtschaft verursachte Verschwendung in gesellschaftliche Werte, was ohne Zweifel gute Nationalökonomie wäre.“[133] Diese Auffassung geht allerdings von einem Standpunkt aus, der innerhalb der heutigen Gesellschaft keine Geltung hat. Sie sieht nur die materielle und technische Seite des Problems, nicht ihre ökonomische. Die Güterproduktion, zu der nichts als Produktionsmittel und Arbeitskraft gehören, d. h. die materielle Form der heutigen und aller Produktion, unterliegt im jetzigen Wirtschaftssystem dessen Verwertungsgesetzen und so muß auch das Problem der öffentlichen Arbeiten, will man irrigen Schlußfolgerungen aus dem Wege gehen, vom Standpunkt der Kapitalverwertung aus behandelt werden.

Öffentliche Arbeiten sind eine dauernde Notwendigkeit der heutigen Gesellschaft. Wie viele andere Momente drücken auch sie aus, daß trotz aller Privatinteressen und wirtschaftlichen Atomisierung der Charakter der heutigen Produktionsweise - wenn auch außermenschlich geregelt - doch ein gesellschaftlicher ist. Wie der Staat, trotz aller Gegensätze der Kapitalisten untereinander, doch die Interessen aller Kapitalisten vertritt, so hat auch die durch den Staat betriebene Produktion, genau so wie seine destruktiven Maßnahmen, den Interessen des kapitalistischen Systems zu entsprechen. Daß dabei nicht alle Sonderinteressen aller Kapitalisten und Gesellschaftsschichten gleichmäßig gefördert oder gefährdet werden, hängt mit den verschiedenen ökonomischen Machtstellungen der diversen Gesellschaftsschichten und der Größe der einzelnen Kapitale zusammen. Die Wahrnehmung der verschiedenen Interessen, ohne gleichzeitige Gefährdung der Gesamtinteressen, bilden den Inhalt aller kapitalistischen Politik. Die Bejahung oder Ablehnung öffentlicher Arbeiten durch die einzelnen kapitalistischen Interessengruppen mag ihre Verlangsamung oder Beschleunigung zum Teil erklären, niemals jedoch Existenz oder Nichtexistenz derselben. In rückständigen Ländern muß z. B., im Rahmen des imperialistischen Weltmilieus, der Anteil und Einfluß des Staates auf die Wirtschaft ein größerer sein, als in industriell hochentwickelten Ländern. Der „normale Weg“ der Kapitalisierung der Wirtschaft und ihrer Akkumulation würde, unter imperialistischen Umständen, eventuell die nationale Selbständigkeit und auch die Sicherheit der in ihr liegenden Privatinteressen in Frage stellen. Der Staat muß eingreifen, um eine vorhandene Schwäche zu überbrücken. Der große Anteil des Staates an der Gesamtwirtschaft solcher Länder ist ein Ausdruck relativer Zurückgebliebenheit. Die laissez faire Periode kapitalistischer Entwicklung muß übersprungen werden. Ein Mangel an genügend akkumuliertem Kapital in Händen von Privatpersonen oder Privatgesellschaften, zusammen mit der Größe des notwendigen Kapitals, um den heutigen Kapitalisierungsprozeß von der letzten Stufe des kapitalistischen technischen Fortschritts aus zu starten, zwingt, will man nicht oder kann man nicht das Feld ausländischem Kapital überlassen, zur Inanspruchnahme und Konzentration aller nationalen Mittel, was durch den Staat erfolgreich geleistet werden kann. Diese staatlich orientierte Entwicklung der kapitalistischen Entfaltung in kürzester Zeit, liegt ebensosehr im Interesse der vorhandenen Kapitalisten dieser Länder, wie sie deren Interessen gleichzeitig verletzt. Ein starker Kapitalismus hingegen, mit relativ gesicherter Position, braucht weniger staatlich bestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen und kann sich mehr dem Automatismus des Marktes überlassen. Der Monopolkapitalismus übernimmt auf dem Boden der Marktgesetzlichkeit (die er damit gleichzeitig beeinträchtigt und modifiziert) die Konzentrations- und Zentralisationsfunktionen und hält die ausschlaggebende, ökonomische Bestimmungsgewalt in seinen Händen. Die Übertragung eines Teils der gesellschaftlich-wirtschaftlichen Funktionen auf die Staatsorgane drückt hier nur die enge Verbindung und Verschmelzung zwischen Staat und Monopolkapitalismus aus. Der Staat hört stets mehr auf, Vollzugsorgan aller Kapitalisten zu sein, und wird immer mehr zum direkten Instrument des monopolistischen Kapitals, wenn dieser Prozeß auch vom steten Kampf der verdrängten kapitalistischen Interessen begleitet ist, der wohl im Kapitalismus nie zu einem endgültigen Abschluß kommen kann. Etwas anderes ist auch nicht möglich, da das Gewicht der Monopole in der Gesellschaft so groß ist, daß eine tiefe Verletzung ihrer Interessen praktisch die ganze Gesellschaft erschüttern muß. Selbst wenn der Staat eine von den Monopolen unabhängige Politik verfolgen wollte, objektiv wäre dies ausgeschlossen. Es sei denn, daß auf revolutionärem Wege ein kompletter Staatskapitalismus, oder das komplette Monopol verwirklicht werden würde, was in kapitalistisch hochentwickelten Ländern jedoch wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ohne diesen Problemen jedoch weitere Aufmerksamkeit schenken zu wollen, sei noch bemerkt, daß eine starke wirtschaftliche Beteiligung des Staates in entwickelten Ländern ebenfalls ein Ausdruck der Schwäche und des Verfalls des kapitalistischen Systems ist, wie sehr es dadurch temporär auch politisch gestärkt werden mag.

Trotz der Zunahme des staatlichen Einflusses im Monopolkapitalismus dürfen dessen Interessen nicht verletzt werden (daß sie trotzdem oft und eventuell stets mehr verletzt werden, ändert nichts an der Notwendigkeit der gegenteiligen Bestrebungen), da die Gefährdung der Monopole der Gesellschaft weit gefährlicher ist, als die Eingriffe des Staates der Sicherheit der Gesellschaft förderlich sein könnten. Die Regierung hat sich auf Maßnahmen zu beschränken, die, wie sehr sie auch die privaten Interessen verletzen mögen, die ausschlaggebenden Privatinteressen verschonen müssen. Die Lasten der Krise werden, obwohl zum größten Teil der monopolistischen Stagnation zu verdanken, auf die Gesamtgesellschaft abgewälzt. Dadurch wird die Position der Monopole verbessert, da diese Prozedur sie relativ am wenigsten betrifft. Wendet sich die Regierung, um die Krise zu mildern, an die ganze Gesellschaft, so bleiben die der Gesellschaft entnommenen Profite doch privatwirtschaftlich aufgeteilt. Das größere Kapital erhält den größten Anteil, wie wenig dieser ihren Ansprüchen auch entsprechen mag. In dem Unterschied, der zwischen dem auf das monopolistische Kapital entfallenden Anteil an den gesellschaftlichen Lasten und seinem Anteil an den gesellschaftlichen Profiten liegt, erklärt sich die Möglichkeit für die Regierung, ein großes Programm öffentlicher Arbeiten vorzunehmen, ohne auf eine effektvolle monopolistische Opposition zu stoßen. Aber deshalb kann der Staat bei seinen produktiven Unternehmen doch nicht vom natürlichen Standpunkt der materiellen Produktion ausgehen. Er muß vielmehr, wie jeder Einzelkapitalist für sich, vom Standpunkt der Profitabilität für die Gesellschaft ausgehen. Er muß dabei bleiben, die Gesellschaft zu schützen, d. h. die Profitaneignung zu sichern, wenn durch seine Maßnahmen auch gleichzeitig ein Teil der Kapitalisten zu Grunde gehen mag, während einem anderen Teil Extraprofite zugeschanzt werden. So sehr stillstehende Fabriken und unbeschäftigte Arbeiter auch als „Verschwendung“ angesehen werden können, so ist die unprofitable Beschäftigung von Arbeitern und Materialien, kapitalistisch gesehen, doch eine größere Verschwendung. Welche Art von Verschwendung praktiziert wird, hängt von den objektiven Möglichkeiten und den jeweiligen politischen Notwendigkeiten ab. Die staatlichen Gelder für öffentliche Arbeiten müssen zum ausschlaggebenden Teil durch die privatwirtschaftlich-betriebene Produktion aufgebracht werden. Ein zu großes Elend der letzteren schließt auch die Auswerfung staatlicher Gelder für öffentliche Arbeiten aus. Die Prosperität der Privatwirtschaft und die damit verbundene Einschränkung der Arbeitslosigkeit macht zusätzliche öffentliche Arbeiten unnötig. So können die diesbezüglichen staatlichen Bestrebungen nicht gegen die Privatinteressen gerichtet sein, ohne sich gleichzeitig selbst unmöglich zu machen. Ihre Grenzen sind in Prosperität und Krise durch die Grenzen des Privatkapitals gezogen. Die Idee, daß ein Programm zusätzlicher öffentlicher Arbeiten, in einer hochentwickelten privatwirtschaftlich-orientierten Ökonomie in einem Maße getätigt werden kann, daß diese Wirtschaft dadurch in ihrer Bewegung ausschlaggebend beeinflußt oder bestimmt wird, ist eine Illusion. Viel mehr bestimmt hier die Bewegung des Privatkapitals die Handlungen der Regierung, also auch deren Programm in bezug auf öffentliche Arbeiten. Wie alle bisherigen Versuche dieser Art, hat dann auch das Roosevelt Programm nur beweisen können, daß auf dem Felde der öffentlichen Arbeiten keine unbegrenzten Möglichkeiten gegeben sind. Wie schon „die unter der Hoover-Administration unternommenen Experimente mit öffentlichen Arbeiten als Fehlschlag erkannt wurden, so führte auch die Rooseveltsche vergrößerte Wiederholung nur zu derselben Erkenntnis, die dem Hoover-Programm schon das Ende bereitet hatte.“[134]

„Die Essenz der Depression“ ist für die Vertreter der Idee öffentlicher Arbeiten zur Krisenbekämpfung, „die Arbeitslosigkeit neben unbeschäftigtem Kapital. Die Erzeugung zusätzlicher Kaufkraft durch öffentliche Arbeiten würde mehr Produktionsmittel und mehr Arbeiter beschäftigen“[135] und damit die Krise mildern und eventuell beseitigen Die Essenz der Depression ist jedoch die mangelnde Kapitalverwertung; übermäßige Arbeitslosigkeit und übermäßig unbeschäftigtes Kapital sind erst ihre Resultate. Die krisenmildernde zusätzliche Kaufkraft durch vergrößerte industrielle Tätigkeit hängt von nichts anderem, als der Möglichkeit zusätzlicher größerer Profite ab. Die Kaufkraftvermehrung mag viele oder alle Kapitalisten interessieren, die Kaufkraft jedoch, welche die gesellschaftliche Bewegung bestimmt, ist nicht Kaufkraft schlechthin, sondern kapitalistische Kaufkraft. Je mehr allgemeine Kaufkraft, desto geringer die kapitalistische Kaufkraft, und desto größer Arbeitslosigkeit und Krise. Die Stärkung der kapitalistischen Kaufkraft setzt die relative oder absolute Verminderung der allgemeinen Kaufkraft voraus. Oder, umgekehrt, jede allgemein vergrößerte Kaufkraft innerhalb der heutigen Gesellschaft hängt von dem relativ viel schnellerem Wachsen der kapitalistischen Kaufkraft, d. h. der kapitalistischen Akkumulation ab.

Auf dem Wege der politischen Bestimmung, durch Kredit- und Geldpolitik, oder auch durch öffentliche Arbeiten mag in bestimmten Situationen eine vorübergehende Stabilisierung oder ein leichtes Anziehen der Wirtschaft ermöglicht werden, aber doch nur auf Kosten eines späteren Abgleitens in noch miserablere Zustände. Der Kranke kann sich, hat die Krankheit noch nicht zu sehr um sich gegriffen, für eine Zeit zwingen, gesund zu erscheinen, aber er beschleunigt damit nur den Verfallsprozeß. Nur wenn später aus anderen Gründen eine grundsätzliche Wendung zur Besserung einträte, dann würde dieser extra Aufwand an unechter Kraft ihm eventuell als erfolgreich erscheinen, obwohl er es nicht ist. Um zu einer wirklichen wirtschaftlichen Gesundung im Kapitalismus zu kommen, muß die Profitabilität der Wirtschaft und damit die kapitalistische Kaufkraft verbessert werden. Entsprechende Vergrößerungen des Mehrwerts sind die einzige Lösung  aller  kapitalistischen  Schwierigkeiten.  Alle  Maßnahmen müssen diesem Zwecke dienen, oder sie sind verfehlt. Wenn schon die Privatunternehmen, mit viel größeren Ausbeutungsmöglichkeiten als der Staat nicht imstande waren, den Kapitalverwertungsnotwendigkeiten entsprechend zu produzieren, so kann der Staat dies noch viel weniger.[136] Seine Wirtschaft ist verurteilt, Verlustwirtschaft zu sein. Die einfache Umwandlung öffentlicher Gelder in öffentliche Güter erzeugt keine Profite und keine zusätzliche, die kapitalistische Wirtschaft günstig beeinflussende Kaufkraft, sondern stellt nur einen Formwandel schon vorhandenere Kaufkraft, schon erzeugter Profite dar. Niemand nimmt deshalb auch wirklich an, daß in einer privatwirtschaftlich orientierten Ökonomie öffentliche Arbeiten an sich profitbildend sein könnten, was durch die verschiedenen Finanzierungsvorschläge ersichtlich wird. Entweder schlägt man vor, die Kosten aus eventuell in Prosperitätszeiten angehäuften Reserven, oder aus der Vorwegnahme der Profite künftiger Prosperitäten zu bestreiten. Beide Auffassungen gehen von der Annahme aus, daß die kapitalistische Wirtschaft mehr Kapital und mehr Profit erzeugen kann, als sie für ihre eigenen Zwecke und für ihre progressive Entwicklung benötigt. Man mag hier auf die großen angehäuften Reserven privater Natur hinweisen und auf die Möglichkeit der Ansammlung öffentlicher Reserven, aber dieser vorhandene oder mögliche Überfluß ist doch zugleich ein Ausdruck der Tatsache, daß, den notwendigen Akkumulationsansprüchen gegenüber die vorhandene Kapitalmasse zu klein war, und daß, vom Standpunkt des Totalkapitals, diese Reserven nicht hinreichen, die Wirtschaft progressiv vorwärtszutreiben. Andernfalls wären sie keine Reserven, da freiwillig kein Kapital unangewandt bleibt. Kapitalistische Reserven sind nicht einfach Reserven, die man beliebig verwenden kann, von denen sich’s in Krisenzeiten leben läßt, sondern sie sind selbst ein Ausdruck der Krisensituation und haben den Drang nach profitabler Anlage, nicht nach Anlage schlechthin, in sich. Daß die einzelnen Konzerne bewußt zur Kompensation für Krisenzeiten Reserven anhäufen, ist ein Moment, welches die Krise zugleich verschlimmert, wie sehr sie den individuellen Kapitalen auch angebracht erscheinen mögen.

Aus Reserven oder aus Vorschüssen auf die Zukunft bestritten, sollen öffentliche Arbeiten eine gesunde Ausgleichung der Wirtschaft herbeiführen. Sie sollen „die Wirtschaft und deren Fluktuationen kontrollieren, ähnlich wie die Versuche der Zentralbanken, die Geschäftsaktivität durch Kreditkontrolle zu leiten.“[137] Bei großer Prosperität sollen die öffentlichen Arbeiten eingeschränkt werden, um sie beim Einsetzen der Krise entsprechend vermehren zu können, so daß der Niedergang der Produktion aufgehalten wird. Abgesehen davon, daß die heutige Gesellschaft die zur Verwirklichung eines solchen Programms notwendige zentrale Planung nicht gestattet, würde hier auch nichts weiter geschehen sein, als daß die hektische Kapitalbewegung in etwas ruhigere Bahnen gelenkt wäre; jedoch nur die krassen Aufschwünge des Kapitals sind seine „echten Prosperitäten,“ die gleichzeitig Sturmvögel der Krise sind. Die Verweigerung von Krediten und die Vernachlässigung öffentlicher Arbeiten in Prosperitätszeiten kann letztere nur verkürzen und die Krisenwelle verlängern, ganz zu schweigen von der Unwahrscheinlichkeit der praktischen Durchführung solcher Pläne. Die Bewilligung von Krediten in Krisenzeiten erzeugt kein Verlangen nach ihnen und vermehrte öffentliche Arbeiten in solchen Zuständen mag einzelnen Industrien günstig sein, sind aber nichtsdestoweniger vom Standpunkt der Bedürfnisse des Totalkapitals einem neuen Aufschwung im Wege. Die Kontrollideen entsprechen denen der Teilsozialisierung und beide entbehren der Realisierungsmöglichkeiten. Je mehr „Ordnung“ in das heutige System gebracht wird, desto unordentlicher muß es werden. Daß es seine Vertreter zwingt, auf einzelnen oder mehreren sozialen Gebieten Ordnungsversuche zu unternehmen, vergrößert gleichzeitig das allgemeine Chaos im Sinne der alten Redensart, daß, während ein Loch zugestopft wird, zwei weitere sich öffnen. Die Befriedigung von Augenblicksnotwendigkeiten vermehrt zugleich die kommenden Schwierigkeiten.

Wird angenommen, daß öffentliche Arbeiten den Niedergang der Produktion aufhalten können und eventuell eine Serie kapitalistischer Neuanlagen mit sich bringen, so glaubt man dadurch auch die Preisbewegung beeinflussen zu können. Entweder will man den, sich in der Krise vollziehenden, scharfen Preissturz aufhalten, oder die gefallenen Preise auf erwünschte Höhen zurückentwickeln. Diese, den Preisen zugewandte Aufmerksamkeit, nimmt an, daß die durch die Marktvorgänge bestimmte Geschäftspsychologie ein bestimmender Faktor in der Wirtschaft ist. Trotz aller Marktvorgänge und der von ihr bestimmten Preisfluktuationen jedoch, hängen Krise und Prosperität zuletzt doch nur von den Vorgängen in der Produktion ab. Nicht der Preisfall erzeugt die Panik, sondern die Panik einen übermäßigen Preisfall. Die Stabilität der Preise ist ein Zeichen der relativen Stagnation und damit des Nahens der Krise. Ein Anziehen der Preise, von einem der Verwertung nicht entsprechenden zu einem ihr entsprechenden Niveau, wird nicht durch Marktvorgänge ermöglicht, sondern durch größere Produktivität, die erst den Markt formt und schafft. Die Marktvergrößerung hängt von der Vergrößerung des angewandten Kapitals ab, nicht von der Anwendung des schon vorhandenen Kapitals. Die Vergrößerung des angewandten Kapitals ist mit der Erhöhung der Produktivität verbunden, und damit mit der Senkung der Werte und dem Fallen ihres Marktausdrucks: der Preise. Dieser Fall kann durch die monopolistische Politik zum Teil aufgehalten werden, jedoch nicht auf die Dauer und nicht ohne dauernde Störung des kapitalistischen Mechanismus. Nicht die Stabilität der Preise oder deren Hinaufschraubung führt aus der Krise, sondern die Erhöhung der Produktivität der Arbeit, das Fallen der Werte und Preise.[138] Jede krisenlindernde kapitalistische „Preispolitik“ kann nur die Reduzierung der Produktionskosten zur Aufgabe haben und die dadurch ermöglichte Mehrwerterhöhung, trotz des sich gleichzeitig vollziehenden Preisfalls. Durch Preismanipulationen, auf Basis eines gleichbleibenden Produktionsvolumens und unveränderter Produktionsbedingungen, wird die gesellschaftliche Profitabilität nicht verbessert, sondern die Transferierung der vorhandenen Werte und Mehrwerte ändert sich nur. Um die Preise wirklich zu erhöhen, oder ihr Abgleiten aufzuhalten, müßte sich die Produktivität vermindern, aber das Kapital ist an die dauernde Steigerung der Produktivität gebunden. Ein gleichmäßiges Anziehen aller Preise würde nichts bedeuten, außer, daß größere Zahlen für dieselben Werte notiert werden. Ein Anziehen der Preise bei gleichbleibender oder steigender Produktivität erhält seinen Sinn dadurch, daß nicht alle Preise gleichmäßig steigen. Durch die Preisunterschiede wird die Neuverteilung vorhandener und produzierter Werte vermittelt. Gruppen der Gesellschaft werden begünstigt, andere benachteiligt. Die Einkommen der nichtmonopolistischen Schichten, der kleinen Kapitale, der Mittelklasse und der Arbeiterschaft vermindern sich, die der schon begünstigten Gesellschaftsschichten werden dementsprechend verbessert. Insofern als mit inflatorischen Mitteln die Expropriierung kleinerer Kapitale, die Verschlechterung der Lage der Mittelklasse und die Senkung der Arbeiterlöhne erreicht werden kann, beschleunigt sie den sich dauernd aber zuvor langsamer vollziehenden, gleichen Prozeß der Kapitalkonzentrationen. Nur daß die Konzentration des Kapitals nun nicht mehr mit seinem allgemeinen Wachstum verbunden ist, sondern daß sie sich bei verlangsamten allgemeinen Wachstum, oder während des Stillstands vollzieht, öffentliche Arbeiten, durch inflatorische Mittel ermöglicht, unterstützen den künstlichen Preisanstieg, der zu einer Neuverteilung des gesellschaftlichen Reichtums führt. Doch müssen die Kosten der öffentlichen Arbeiten geringer sein, als die durch die inflatorische Politik erzielten Gewinne für die bevorzugten Gesellschaftsschichten. Dadurch erst lassen sie sich ertragen und werden zum Mittel des Ausgleichs, wohl nicht der Wirtschaft, sondern der gesellschaftlich politischen Aktivität.

V

Mit dem Einsetzen der Krise wurden in Amerika die Neukonstruktionen stets mehr eingeschränkt. 1933 wurden nur noch ein Drittel der Höhe der Neuanlagen vor der Depression getätigt. Sie auf ihre frühere Höhe zurückzuschrauben, sollte Aufgabe der öffentlichen Arbeiten sein. Vor der Depression betrug der Anteil der öffentlichen Arbeiten ein Drittel der Gesamtkonstruktionen, das sich während der Krise zur Hälfte aller Neuanlagen steigerte. Jedoch fiel die Totalkonstruktion schneller, als der Anteil der öffentlichen Arbeiten an ihnen wuchs.[139] Vor der Depression betrug der Anteil der Federal-Regierung an den Gesamtspenden für öffentliche Arbeiten nicht mehr als zehn Prozent. Die Städte, Counties und Staaten ermöglichten die anderen 90%. Während der Depression verschob sich dieses Bild.[140] Der Anteil der Städte und Counties verminderte sich, jener der Federal Regierung wuchs. Der erstere fiel schneller als der der Federal Regierung zunahm, so daß die Totalsumme aller öffentlichen Arbeiten fiel. Die großen Projekte der Federal Regierung 1934 wurden zum großen Teil durch das fast völlige Verschwinden der öffentlichen Arbeiten der Städte und Counties ausgeglichen. Alles was erreicht wurde, war, daß die öffentlichen Arbeiten langsamer zurückgingen, als die Totalkonstruktion fiel. Die Auftriebsversuche der Roosevelt Administration blieben ohne Erfolg; es war ausgeschlossen, das Totalvolumen von Neuanlagen durch die Förderung von öffentlichen Arbeiten auf seine Vorkrisenhöhe zurückzuschrauben.

Die Kosten der durch die Roosevelt Administration unternommenen öffentlichen Arbeiten sollten durch die Vorwegnahme der, von den Gesamtmaßnahmen des „New Deals“ erwarteten, kommenden Prosperitätsprofite gedeckt werden, ähnlich wie die Kriegsverschuldung in der Nachkriegsprosperität zum Teil abgetragen werden konnte. Das für die öffentlichen Arbeiten, wie für die anderen Regierungsmaßnahmen notwendige Kapital wurde durch das Inflationsprogramm der Regierung, der vierzigprozentigen Dollarentwertung durch Reduzierung des Goldinhalts,[141] der Krediterweiterung und Notenausgabe aufgebracht. Die Regierungsschuldverschreibungen an die Banken hatten in ihrem Verlauf nichts weiter als das Regierungsdefizit zur Deckung. Die Fortsetzung dieser Politik jedoch müßte den Kreditmechanismus und die Kreditbewegung für kommerzielle Zwecks stets mehr beeinträchtigen und würde sie nicht rechtzeitig abgebrochen, eventuell zur unkontrollierten Geldinflation führen. Waren die öffentlichen Arbeiten im Rahmen des mit dem Mittel der Finanzinflation ermöglichten „New Deal“ Programms außerstande, eine Belebung der Wirtschaft mit sich zu bringen, so führte das durch die Inflation unterstützte Anziehen der Wirtschaft aus eigenen Kräften, durch die Krisenvorgänge, die Kapitalentwertungen, Erhöhung der Produktivität und Exploitation, etc., zu einem neuen kapitalistischen Optimismus, der sich von dem wachsenden Regierungsdefizit, das von der so schwer errungenen neuen Profitabilität zu zehren beabsichtigte, bedroht fühlte. Die Hilflosigkeit und Apathie des Kapitals im Tiefstand der Krise, welche die Bereitschaft zu Konzessionen und Kompromissen erzeugt hatte, und die Experimente der Regierung als notwendigen Ausweg aus einer scheinbar ausweglosen Situation über sich ergehen ließ, und dies umso widerspruchloser, als die Regierungsmaßnahmen tatsächlich den in der Krise notwendigen Bereinigungsprozeß durch die den Monopolen günstige „Code“-Politik unterstützten, welche der zerrüttenden Konkurrenz viele Härten nahmen, diese Hilflosigkeit wich nun der großen Besorgnis, daß eine Fortsetzung der Regierungspolitik auf der bisherigen Basis, die neuerzielten Gewinne wieder vergeuden würde. Mit dem erneuten Anziehen der Profitabilität galt es nun, die Regierung zurückzupfeifen und ihren Agenturen klar zu machen, daß die anziehenden Profite durchaus keine Extravaganzen erlauben, sondern so weit wie möglich zur weiteren Verbesserung der Lage des Kapitals verwandt werden müssen. Jedoch, noch ehe die Attacken gegen das sozialpolitische Regierungsprogramm einsetzten, Angriffe, die weniger bekämpften als sie angaben, die sich nur gegen Unnötigkeiten nicht gegen Notwendigkeiten wandten, und die der Regierung zum Teil sogar helfen sollten, ihr Gleichgewicht wieder zu finden, das sie durch die Eigenbewegung der von ihr ausgelösten Aktivitäten zum Teil verloren hatte, noch vor den Warnungen und der Erklärung der Verfassungswidrigkeit der wesentlichen Momente des Roosevelt-Programms, (in bezug auf öffentliche Arbeiten z. B. der als unkonstitutionell erklärten Rural Settlement Administration),[142] hatte die Regierung schon selbst das Programm öffentlicher Arbeiten fallen gelassen. „Ende des Frühlings 1934 wurden die Vorschläge zu einem dritten großen Programm öffentlicher Arbeiten von der Administration nicht mehr unterstützt. Das Verlangen der Regierung beschränkte sich nun ausschließlich auf Gelder für Unterstützungszwecke, was deutlich machte, daß die Unwahrscheinlichkeit einer Wirtschaftsbelebung durch öffentliche Arbeiten erneut begriffen worden war.“[143]

„Obwohl das Programm öffentlicher Arbeiten zum größten Teil ein Fehlschlag war, konnte die Administration dies aus Prestigegründen doch nicht zugeben. In ihrem neuen Arbeitsbeschaffungsprogramm schuf sie eine Art von Kombination direkter Unterstützung und Arbeitshilfe, die mit öffentlichen Arbeiten nichts zu tun hatte.“[144] Das frühzeitige Ende des den öffentlichen Arbeiten zugewandten Enthusiasmus, der sich allerdings, um die Grundeigentumsinteressen und die der Elektrizitätsindustrie nicht zu verletzten, durch die Vernachlässigung der beiden großen Forderungen nach einer gesunden Wohnungspolitik und verbilligter Elektrifizierung schon selbst eine Reihe von Beeinträchtigungen auferlegt hatte, wurde auch noch durch das verspätete Einsetzen der öffentlichen Projekte mitbestimmt. Da mit den Arbeiten erst begonnen wurde, als die Depression sich schon zu lichten begann, wurde ihre Aktivität als Konkurrenz gegen die private Konstruktionsindustrie angesehen und mit großer Schärfe bekämpft. Alle aus den verschiedenen Motiven heraus gemachten Einwände gegen die Fortsetzung der öffentlichen Arbeiten verbanden sich unter der gemeinsamen Forderung nach Ausbalancierung des Regierungsbudgets und der Verminderung des Defizits.[145] Doch wie gesagt, schon lange bevor diese Propaganda, durch den Wahlkampf verstärkt, ihre oft zur Unsinnigkeit werdenden Spitzen erhielt, hatte die Administration schon die entscheidenden Schritte zur Umkehr gemacht.

Der Federal Relief Appropriation Act von 1935, der der Regierung 4880 000 000 Dollar zur Verfügung stellte, führte zur Bildung der Works Progress Administration (W.P.A.), die nun die größere Aufmerksamkeit und den Grossteil der Gelder erhielt. Die Abkehr von der P.W.A. und die Bevorzugung der W.P.A. waren das Eingeständnis der Abkehr vom Programm der öffentlichen Arbeiten und die Rückkehr zur direkten, mit Arbeit verbundenen Arbeitslosenhilfe. Von nun an wurde alles vermieden, was den privaten Interessen hinderlich und was den Arbeitsmarkt für die private Industrie irgendwie beeinträchtigen konnte. Zur Reduzierung des Defizits wurden die weitgreifendsten Ersparnisse vorgenommen.

Prinzipiell erklärte Roosevelt, „daß die Regierung keine Minute zögern würde, eine Anzahl von Projekten fallen zu lassen, sobald die Arbeitslosen von der privaten Industrie benötigt würden.“[146]

Die W.P.A. erlaubte die Fortsetzung der Arbeitsbeschaffungspolitik der H. L. Hopinks unterstehenden FERA. Die Aktivität der früheren C.W.A., die Arbeit um ihrer selbst willen, wurde im vergrößerten Maße weitergeführt.[147] „60% dieser erfundenen Arbeiten sind unnötig teuer. Man behauptet zwar, daß diese Beschäftigung die Arbeiter vor der Erniedrigung der Wohlfahrt bewahrt, um jedoch bei der W.P.A. beschäftigt zu werden, muß man ja bereits Wohlfahrtsempfänger sein. Das Programm der W.P.A. ist grausam und stupide. Entweder sollte das verfügbare Geld den Arbeitslosen ohne Gegenleistung übergeben werden, oder man sollte wirklich notwendige Arbeiten unternehmen.“[148] Fast alle gegen die W.P.A. gerichteten Argumente beriefen sich auf die unnötige Kostspieligkeit dieser Unterstützungsform, die bis zu 60% höherstehend als die der direkten Wohlfahrtshilfe errechnet wurde. Während des Jahres 1935 und Anfang 1936 nahmen die Proteste gegen die W.P.A. ständig zu. Es gab fast keine Unternehmerkonferenz, die sich nicht dagegen aussprach.[149]

1936 wurden der Regierung für das im Juli 1937 endende Rechnungsjahr kaum noch 1500 000 000 Dollar zu Unterstützungszwecken zur Verfügung gestellt. Diese Summe wurde fast vollständig der W.P.A. überwiesen. Die Vernachlässigung der P.W.A. zwang zum Abbau ihrer Aktivitäten. Aber auch die der W.P.A. zugebilligten Summen erlaubten nicht ihre Fortsetzung im alten Stil. Im Mai 1936 erklärte H. L Hopkins vor dem House Appropriation Committee, daß die zur Verfügung stehenden Gelder die Arbeit der W.P.A. auf keinen Fall für weitere 12 Monate garantieren würden, es sei denn, daß die Zahl der an ihr Beteiligten bis auf 2 Millionen reduziert und eine Reihe von Projekten fallen gelassen würden. Das gesamte Hilfsprogramm der Regierung von 1933 an hatte an dem Arbeitslosenproblem nicht viel geändert, außer daß die Arbeitslosen während dieser Zeit vor dem direkten Verhungern geschützt wurden. Trotz des Geschäftsaufschwunges existierten 1936 in Amerika 12 Millionen Arbeitslose und befanden sich 20 Millionen Unterstützungsbedürftige in den Wohlfahrtslisten. Dem Drucke der kapitalistischen Interessen nachgebend war die Regierung bereit, ihre bisherige Aktivität abzuändern. Sie konnte den Rückzug jedoch nicht in der abrupten Weise antreten, mit der sie ihr Hilfsprogramm in die Wege geleitet hatte. War die FERA, ihrem Namen entsprechend auch nur als temporäre Institution gedacht gewesen, so hatten die dreijährigen vergeblichen Versuche, die Arbeitslosigkeit zu vermindern, die Frage auf die Tagesordnung gesetzt, entweder ein permanentes Arbeitslosenprogramm zu entwickeln, was allerdings weitgehende Veränderungen des politischen Systems in Amerika erfordern würde, oder aber das bisherige Hilfsprogramm zum Abschluß zu bringen. In dieser Hinsicht war die Schaffung der W.P.A. eine Rückzugsmaßnahme von dem ursprünglichen, großen, allumfassenden Hilfsprogramm der Regierung. Seit Beginn 1936 beschränkte sich die Teilnahme der Regierung am allgemeinen Wohlfahrtswesen ausschließlich auf die W.P.A. und überließ die von der W.P.A. nicht erfaßten Arbeitslosen erneut der staatlichen und lokalen Wohlfahrt. Diese Maßnahme entsprach den Forderungen der Gegner der Rooseveltschen Wohlfahrtspolitik nach der „Dezentralisierung“ der Arbeitslosenhilfe, wenn „dieser Ruf nach lokaler Administration der Wohlfahrt in Wirklichkeit auch nur das Verlangen nach lokaler Verwendung federaler Gelder ausdrückte“[150] Eine wirkliche Dezentralisierung anzustreben, wäre „jedoch absurd, denn es ist nicht möglich, daß die einzelnen Staaten erneut die Lasten der Arbeitslosigkeit übernehmen, die sich inzwischen verdreifacht haben. Auch die Roosevelt Administration wäre nicht imstande gewesen, die Wohlfahrtskosten auf dem Steuerwege aufzubringen. Sie mußte dazu den Dollar, die beste Valuta der Welt, vergewaltigen. Die Methoden der Federal Regierung zur Aufbringung der notwendigen Summen, stehen den einzelnen Staaten nicht zur Verfügung, darum sind letztere und lokale Behörden auch nicht imstande, die Arbeitslosen so leben zu lassen, wie es ihnen die Federal Regierung zubilligte.“[151] Unter diesen Bedingungen begannen sich denn auch Anfang und Mitte 1936 im amerikanischen Wohlfahrtswesen die Zustände von vor 1933 zu wiederholen. Drastische Reduzierungen der Wohlfahrtsempfänger,[152] Kürzungen der Unterstützungssätze, allgemeine Wohlfahrtskrisen der lokalen Behörden, Verweigerung der Bezahlung von Mieten und damit das Anschwellen der Exmittierungen, erneute Vertreibung der Arbeitslosen aus einzelnen Ortschaften, Schließung der staatlichen Grenzen gegen Arbeitssuchende: kurz das ganze Arbeitslosenelend tritt erneut in allen seinen Aspekten auf. Nach all den durch die Wohlfahrtspolitik der Federal Regierung geweckten Hoffnungen auf eine großzügige Sozialreform muß im Juni 1936 erneut gesagt werden, „daß den Wohlfahrtspflegern langsam die bittere Wahrheit klar wird, daß wir erneut in die Tage der alten Armenpflege zurückfallen. Daß die Arbeitsunfähigen und ein Teil der Arbeitslosen erneut der Gnade der kleinen lokalen Politiker überlassen werden, die sich nur zur unzureichenden Armenpflege der ihnen „wertvoll“ erscheinenden Bedürftigen bequemen, und die ihnen nicht „würdig“ erscheinenden ihrem eigenen Schicksal überlassen.“[153]

Neben dem mit der „Dezentralisierung“ verbundenen Abbau der Wohlfahrtsunterstützung, der Beschränkung der W. P. A. aus Ersparungsgründen, ging man in vielen, hauptsächlich landwirtschaftlichen Bezirken zum Abbau der Arbeitslosenhilfe mit der Motivierung über, daß man der Landwirtschaft die notwendigen Arbeitskräfte vermitteln müßte. Die Landwirtschaft zahlte oft Löhne, die noch unter den Unterstützungssätzen der Arbeitslosen und der W. P. A. Arbeiter lagen und ohne Zweifel verminderte diese Situation in manchen Bezirken das Angebot billiger Arbeitskräfte. Jedoch, „all das Gerede, daß die unterstützten Arbeiter nicht arbeiten wollen, ist Lüge. Wir können nachweisen, daß selbst in den Staaten, in denen die Löhne nicht höher als die Unterstützung waren, die Arbeiter Beschäftigung der Wohlfahrt vorzogen.“[154] Wie unwahrscheinlich es ist, daß die „Arbeitsscheu“ der Arbeitslosen einen Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitern verursachte, geht auch schon daraus hervor, daß man in California und Colorado die Grenzen gegen einwandernde landwirtschaftliche Arbeiter schloß. Diese Staaten mobilisierten sogar ihre Nationalgarde, um jeden mittellosen Reisenden an den Grenzen festzuhalten und zurückzuweisen. Hier zeigte sich zugleich erneut, wenn auch auf tragisch-komische Art, daß die Vereinigten Staaten durchaus nicht jene geschlossene Einheit darstellen, als sie der nationale Geist sehen will, sondern, daß die Verschiedenheit der ökonomischen Interessen und deren geographische Lagerung, der Union in ökonomischer und damit auch in großem Maße in politischer Hinsicht im kleineren Maße fast dieselbe Zerrissenheit aufzwingen, die Europa die Färbung verleihen. Die Schließung der Grenzen in Colorado und California gegen mittellose amerikanische Bürger durchbricht nicht nur die amerikanische Verfassung, sondern zugleich auch das Argument, daß die Wohlfahrtspflege einen Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitern mit sich gebracht habe. Die Grenzsperre wird mit dem Schutz der Arbeiterinteressen motiviert, indem man die Konkurrenz billiger Arbeit fernhalten will, obwohl die Billigkeit der Arbeiter in diesen Staaten sich kaum noch unterbieten läßt. Abgesehen von einzelnen Ausnahmen, die nur zu willig generalisiert werden, herrschte auch in der amerikanischen Landwirtschaft kein Arbeitermangel.

Der Abbau der Arbeitslosenhilfe während des Jahres 1936, dem eine ungeheure Agitation gegen die Regierungsreformen vorausging, war zugleich von einer verschärften Propaganda gegen die Arbeitslosen selbst begleitet. Die zu erwartenden Protestbewegungen der Arbeitslosen sollten durch die agitatorische Verschärfung des Gegensatzes zwischen den Arbeitslosen und dem Rest der Bevölkerung in ihrer Entfaltung gehemmt werden. Die Schärfe der Attacken gegen die „unterstützte Faulheit“ sollte einerseits die Regierung zur Vorsicht zwingen, und andererseits als politische Waffe gegen die Administration und deren Sozialpolitik dienen. Der rein propagandistische Charakter diese Attacken wird besonders ersichtlich durch ihre Bezugnahme auf die unterstützten Ausländer, und der sich stets wiederholenden Forderungen nach Ausschließung aller Nichtbürger vom Unterstützungsbezug, die im Mai 1936 tatsächlich zu einem Gesetz führten, das alle illegal eingewanderten Nichtbürger von jeglicher Form federaler Arbeitslosenhilfe ausschließt.

Die schon 1924 eingeschränkte Emigration wurde durch Notverordnung auf Grund der Arbeitslosigkeit 1931 noch weitere beschnitten. Nach Angaben Edward Corsis, Commissioner of Immigration, wurden Arbeitslose schon immer deportiert, jedoch in den Krisenjahren nach tausenden. Viele verließen das Land aus freien Stücken. 1930 wanderten 241 700 Personen ein und 50 661 aus. 1933 hingegen wanderten 23 068 Personen ein und 127660 aus. Der Zensus und das Department of Labor bezeichnen die Zahl aller Nichtbürger in Amerika mit 4 700 000, von denen ungefähr 200 000 illegal eingewandert sind. Die Deportation aller nichteingebürgerten Arbeitslosen würde an der Krise und dem Mangel an Arbeitsgelegenheit nicht viel verändern. Die Kostenverminderung der Unterstützung wäre nicht groß genug,[155] um die mit der Deportation verbundenen Kosten zu decken; ganz abgesehen davon, daß in einem solchen Falle das verminderte Arbeitsangebot beim eventuellen Aufschwung der Wirtschaft die Löhne hinauftreiben und so den eventuellen temporären Gewinn in einen künftigen Verlust verwandeln würde. Abgesehen davon, daß eine solche Massendeportation praktisch gar nicht durchzuführen ist, entspricht sie auch nicht den Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft. Die Agitation für solche Maßnahmen[156] ist nur ein Moment der allgemeinen Propaganda gegen die Kosten der Arbeitslosigkeit, die praktisch weniger anstreben als sie behaupten. Die Existenz einer großen Masse von Nichtbürgern ist auch vom Gesichtspunkt der politischen Stabilität für Amerika eine willkommene Situation. Das Argument gegen die Fremden wird auch hier zum Blitzableiter sozialer Unruhe. „Die Zentralisierung der Kontrolle über die sozialen und industriellen Kräfte ist ein fast unvermeidbares Resultat der ökonomischen Entwicklung unserer Zeit. Die ganze delikate Struktur der modernen Industrie verbindet sich stets enger mit den Regierungsfunktionen und dieser Prozeß bleibt auch für die Zukunft bestehen. Diese Tendenz ist nicht das Resultat irgendwelcher Theorien, sondern die unvermeidliche Konsequenz der stets zunehmenden aktuellen Verschmelzung des gesellschaftlichen und politischen Lebens.“[157] Ist diese Zentralisierung der ökonomisch-politischen Bestimmungsgewalt unter den Bedingungen der heutigen Produktionsweise unabwendbar, so verbindet sich damit zugleich die Anhäufung der gesellschaftlichen Reibungen und Schwierigkeiten. Wie sehr diese Zentralisierung einerseits eine bessere Regulierung des gesellschaftlichen Wechselspiels ermöglicht, so sehr verwirrt sie andererseits gerade durch die ordnenden Maßnahmen das Gesellschaftsgetriebe so sehr, daß man ohne Zweifel sagen kann, daß mit der größeren Ordnung die Anarchie vergrößert wird. Jede Ersparung wird zugleich zur Verschwendung, jede Maßnahme zum Ausgleich klassenmäßiger Gegensätze führt zur Verschärfung dieser Gegensätze. Die vorhandenen Disharmonien lassen sich nicht beseitigen, sondern nur verlagern. Und diese Verlagerung reproduziert die Gegensätze in erweitertem Maße. So vertreten die für die weitere Zentralisation eintretenden Mächte, wie jene die sich dagegen sträuben, vom Standpunkt der Sicherung des heutigen Wirtschaftssystems ohne Zweifel gleichzeitig richtige Auffassungen, wie sehr sie auch einander entgegenarbeiten. Jedoch sind beide außerstande, die „außer-menschlich“ bestimmte Zwangsrichtung der Produktivkräfte im Kapitalismus wirklich entscheidend zu beeinflussen. Die Zentralisierungstheorien sind nur die Reflexe schon vollzogener Tatsachen und damit Eigentum der durch diese Tatsachen Begünstigten. Die Proteste gegen die Zentralisierung sinken zum bloßen Ausdruck der Konkurrenzschwäche herab. Wie alle anderen Momente des heutigen gesellschaftlichen Lebens, ist auch die Arbeitslosenpolitik nur zum geringsten Teil an bestimmte Theorien gebunden; womit auch die Frage nach zentraler Behandlung des Arbeitslosenproblems oder das Beharren auf lokalen Maßnahmen nicht eine Sache erdachter freiwilliger Entscheidungen ist. Die Arbeitslosenpolitik mag durch die verschiedenen, ihr geltenden Einstellungen, diverse Wege beschreiten; alle laufen jedoch zuletzt in einen einzigen zusammen. Die Marschlängen mögen dabei variieren, das Ziel bleibt stets dasselbe. Wie sehr auch die heutige Administration in ihrer Arbeitslosenpolitik zum Ausdruck brachte, daß sie an die Möglichkeit großzügiger Sozialreformen glaubt, die Verwirklichung derselben hängt nicht von dieser Annahme ab, sondern von einem neuen progressiven Fortschritt der kapitalistischen Gesellschaft. Und umgekehrt, wie sehr die „anti-sozialen“ Kräfte auch gegen Sozialreformen eifern mögen, in ihrem eigenen Interesse müssen sie zuletzt doch das Maß von Zugeständnissen an die ökonomisch leidenden Klassen zulassen, welches die Gesellschaft vor Erschütterungen bewahrt. Im Kampf für und gegen die Sozialreform setzen sich Notwendigkeiten durch, die auch den Forderungen der beiden um sie streitenden Parteien die Grenzen stecken. Der bittere Streit um die Versorgung der Arbeitslosen in Amerika hat wenig mit dieser Versorgung selbst zu tun. „Ein politisches Ausschlagen nach rechts oder links mag wohl das Tempo, jedoch nicht die Richtung der Tendenz zur stets stärkeren Regierungsteilnahme am Wohlfahrtswesen bestimmen.“[158] „Wir müssen einfach für die armen Leute sorgen, es ist Unsinn, zu glauben, daß die private Charitas dies tun könnte.“[159] Unabhängig von allen Erwägungen über die Wege zur Lösung des Arbeitslosenelends müssen die Arbeitslosen ernährt werden.

Vom gesellschaftlichen Standpunkt ist es völlig gleichgültig, auf welchen Wegen die Arbeitslosenkosten aufgebracht werden, wenn dies für die einzelnen Gesellschaftsschichten auch nicht so einerlei ist. Ob man durch Warensteuern die große Masse zum Bezahlen der Kosten zwingt, oder durch Unternehmerbesteuerung letztere zu Lohnkürzungen veranlaßt; ob man die notwendigen Gelder auf inflatorischem Wege aus der Bevölkerung zieht, oder auf deflatorischem Wege dasselbe erreicht, zuletzt muß aller gesellschaftlicher Verzehr doch von den Arbeitern produziert werden, zuletzt darf der Mehrwert dabei nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Die Proteste der schwächeren Kapitale, deren Profitabilität durch die Belastung für Sozialabgaben vermindert wird, ändern, selbst wenn erfolgreich, nichts daran, daß die Kapitalkonzentration, ganz unabhängig von der Arbeitslosenfrage, ihre Position stets unhaltbarer macht. Jedenfalls, auf welchen Wegen auch immer, die Arbeitslosen müssen ernährt werden. Die Gesellschaft muß für sie zahlen, da Millionen Menschen angesichts von Nahrung nicht freiwillig verhungern. Die durch die Verweigerung von Arbeitslosenunterstützung unausbleiblichen Gesellschaftsstörungen, die unvermeidlichen Selbsthilfeaktionen der Hungernden und das Wachsen der Kriminalität würden zuletzt nicht viel billiger zu stehen kommen, als die mehr geregelte Arbeitslosenhilfe. Die langsame Vernichtung der Arbeitslosen durch die schleichende Verelendung selbst, wird angesichts des Massencharakters der Pauperisierung und der Länge des Absterbeprozesses stets bedeutungsloser. Ist die Regierung gezwungen, die Interessen des monopolistischen Kapitals an erster Stelle zu vertreten, so wird auch ihr Wohlfahrtsprogramm dieser Situation entsprechen. Mit der Kontrolle über die gesellschaftlichen Wohlfahrtsmaßnahmen fügt sie den durch die Kapitalkonzentration schon bevorzugten Gesellschaftsschichten eine weitere Waffe zur Sicherung ihrer Privilegien hinzu. Die Einzelinteressen des Kapitals kämpfen alle für die Verminderung ihres Anteils an den unproduktiven gesellschaftlichen Kosten, aber die Kosten müssen — und so gegen alle Einzelinteressen — aufgebracht werden. Der Eingriff der Regierung, die Zentralisation des gesamten Unterstützungswesens wird umso notwendiger, als es den Einzelkapitalisten schwerer wird, ihre Anteile aufzubringen. Je mehr also die Zentralisation fortschreitet, desto heftiger muß der Kampf dagegen entbrennen. Der Sieg allerdings liegt hier notgedrungen auf Seiten der stärksten Kapitalschichten, der sich als Sieg der Regierung und der Zentralisierung maskiert.

„Es gab viele Leute, welche die Absicht des Präsidenten, den armen Leuten zu helfen, heftig kritisierten. Jedoch nur wenige hatten den Mut, die andere Alternative zu vertreten, die Armen verhungern zu lassen.“[160] Weder die Bereitwilligkeit noch die Unwilligkeit, die Massen vor dem Verhungern zu schützen, erzeugt jedoch Profite oder Brot. Jedes Arbeitslosenhilfsprogramm muß zuletzt ein Programm zur Wiederherstellung ausreichender Profitabilität sein, damit die Bereitwilligkeit zur Unterstützung auch in Taten umgesetzt werden und fortbestehen kann. Das Bestreben nach hinreichender Wiederherstellung der Profitabilität kann nie das Arbeitslosenelend aus dem Auge verlieren, da jede Gesellschaft durch Hunger gestürzt werden kann. So ist es Aufgabe der Regierung, zwei sich widerstrebende Tendenzen so zu balancieren, daß keine die andere aufhebt. Ihre Politik wird damit zugleich berechenbarer und unberechenbarer, da die Monopolisierung und Kapitalkonzentration einerseits eine bessere organisatorische Planung erlaubt, andererseits jedoch die gesellschaftliche Beunruhigung vermehrt, durch den Verzweiflungscharakter, den die Gegenmaßnahmen der dabei vernachlässigten und dadurch untergehenden kapitalistischen Schichten annehmen. Solange das nichtmonopolistische Kapital noch verhältnismäßig stark ist, müssen ihm Konzessionen gemacht werden, die für kürzere oder längere Perioden die tatsächliche Entwicklungstendenz verschleiern. Die Tatsache, daß auch die nichtkapitalistischen Schichten der Gesellschaft in diese Auseinandersetzungen eingreifen, zwingt den Regierungen eine Zick-Zack-Politik auf, und ermöglicht damit eine Reihe politischer Manöver, was oft nicht erlaubt, von der notwendigen wirtschaftlichen Tendenz direkt auf die politische zu schließen. Keine Regierung formt ihre Politik selbst.

Die Wandlungsmöglichkeiten in den politischen Machtpositionen der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen durchkreuzen oft unvermeidliche ökonomische Tendenzen, die sich dann auf Umwegen durchzusetzen haben. Die Schritte der Regierungen lassen sich im Voraus nur insoweit mit größerer Klarheit erkennen, als sie direkt an die ökonomischen Bewegungsgesetze der Gesellschaft gebunden sind. Da jede Regierung solange wie möglich versuchen wird, zuerst ihre eigene Existenz zu sichern, wird sie stets zu großen taktischen Schwankungen bereit sein, wenn diese Flexibilität auch durch ihre Gegenspieler sehr begrenzt ist. Wird durch die bereits erreichte Kapitalkonzentration in Amerika, der Einfluß der Regierung auf das gesamtgesellschaftliche Leben auch wachsen, so sind durch die, dieser Politik entegegengesetzten Kräfte, Unterbrechungen dieses Prozesses auch weiterhin noch möglich. Es ist nicht anzunehmen, daß das in den letzten Jahren angestrebte Nachholen der in Amerika vernachlässigten Sozialreformen durch die sich dagegen sträubenden, kapitalistischen Interessen auf die Dauer verhindert werden kann. Unwahrscheinlich wird diese verspätete Sozialreform erst durch den Zustand der Gesamtgesellschaft, im Rahmen der heutigen Weltsituation. Die amerikanische Sozialpolitik wird sich so nicht durch große Zugeständnisse an die arbeitenden Klassen auszeichnen, sondern durch ihre Nivellierung des Elends und die Verbilligung der Wohlfahrtskosten mit Mitteln der Organisation. Man wird das Elend besser verteilen, da es sich nicht mehr bannen läßt. Dazu ist die Zentralisierung notwendig. Aber auch den Aufteilungsbestrebungen, in bezug auf die fortschreitende Pauperisierung, sind durch die kapitalistischen Verwertungsgesetze absolute Grenzen gezogen, so daß selbst diese Form moderner Sozialpolitik wenig an der Niedergangsbewegung des heutigen Wirtschaftssystems mildern kann. Zuletzt muß doch wieder die brutale Gewalt entscheiden.

Neben den, als Notmaßnahmen geltenden Wohlfahrtsexperimenten hat die Roosevelt Administration sich gleichzeitig um permanente sozialpolitische Maßnahmen bemüht, die sich in dem 1935 angenommenen Social Security Act (auf den wir noch zu sprechen kommen) vorläufig zusammenfaßten. Die sich gegen die Roosevelt Administration richtenden Kräfte haben das temporäre, wie das permanente Regierungsprogramm mit dem Argument zu bekämpfen versucht, daß es verfassungswidrig sei. Ihre Opposition wurde durch die ablehnende Stellung des Supreme Courts zu einzelnen Phasen des Regierungsprogrammes weitgehendst unterstützt. „Der Grundgedanke, der die Verfassung der Vereinigten Staaten als Ganzes, wie auch in ihren Teilen durchdringt, besteht... in der Überzeugung, daß Privateigentum als solches die Regierungsgewalt begründet und über ihr steht, daß die Rechte dieses Privateigentums infolgedessen dem Eingriffe politischer Majoritäten entzogen sein sollen.“[161] Die heute hinter der Regierung stehende, politische Majorität wird durch das Supreme Court in Schach zu halten versucht. Diese Majorität vertritt jedoch, ohne sich dessen bewußt zu sein oder dies ändern zu können, die engsten monopolistischen Interessen. Das Supreme Court tritt mit der „Waffe“ der Verfassung gegen das stärkste Privateigentum auf, und so sehr es einerseits der monopolistischen Regierung Schranken auferlegt, so sehr hilft es zugleich die Regierung politisch zu sichern. Die Privateigentumsinteressen sind stärker als jede Verfassung. Die amerikanische Verfassung erlaubt den veränderten Verhältnissen entsprechende Modifikationen. Das Privateigentum bleibt auch dann Privateigentum, wenn es monopolistisch auftritt, und als solches mit Hilfe der Regierung schwächere Kapital behindert. Die Verfassungsänderung zur Durchführung und Sicherung der sozialpolitischen Maßnahmen der Roosevelt Administration ist oft von Regierungsstelle wie von Seiten der Sozialreform vertreten worden, und wird erneut vertreten werden. Das Stemmen gegen Verfassungsänderungen entspringt nicht dem konservativen Festhalten an einem bestimmten politischen System, sondern drückt den Kampf einer kapitalistischen Schicht gegen eine andere aus, der die Verfassung in Wirklichkeit gar nicht berührt. Beide Gruppen sind bereit, irgend eine Verfassung ihren Interessen entsprechend zurechtzubiegen. Die arbeitslosen Massen werden ebenfalls weder verfassungsmäßig noch verfassungswidrig bereit sein, ihre Existenz aufzugeben; ein Umstand, der über alle Verfassungsfragen hinaus zu sozialen Maßnahmen zwingt und zu entsprechenden Gesetzgebungen, die auch der größte Konservatismus nicht verhindern kann, noch möchte. Allerdings wird diese Sozialgesetzgebung verurteilt sein, viele der humanistischen Sozialreformer arg zu enttäuschen. Sie wird praktisch ganz anders aussehen und gehandhabt werden, als sie sich bisher auf dem Papier darstellte.

VI

Neben den verschiedenen Notmaßnahmen der Regierung existierten noch Eigenbestrebungen der Industrie, um der Arbeitslosigkeit manche Härten zu nehmen, z. B. durch Versuche zur Beschäftigungsstabilisierung, der Verwendung von Reserven zur Entlassungsverminderung, Arbeitsstreckung und Arbeitsaufteilung und ebenfalls durch Vergütungen an ihre Arbeitslosen. An Umfang und Länge der Krise gemessen, waren alle diese Bestrebungen jedoch fast ohne jede Bedeutung. Die Unzulänglichkeit der Resultate der Unternehmer-Initiative in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und des damit verbundenen Elends, verstärkten nur die immer lauter erhobenen Forderungen nach einer großzügigen Sozialreform, die auch ein System gesetzlicher Arbeitslosenversicherung enthalten sollte. Bis zum Juli 1934 waren die wenigen in Amerika existierenden Arbeitslosenversicherungssysteme privater Natur, die entweder von Unternehmern, Gewerkschaften oder durch die Kombination von beiden gepflegt wurden. „Soweit soziale Unterstützungen in Frage stehen, sind die Vereinigten Staaten weit hinter allen größeren Industriestaaten zurückgeblieben. Der amerikanische Fabrikarbeiter gehört zu den am wenigsten sozial unterstützten, sozial geschützten Arbeitern der Welt.“[162] „Die Regierungsstruktur und ebenfalls die öffentliche Meinung waren in Amerika durchaus gegen die Idee einer Arbeitslosenversicherung eingestellt.“[163] Nach ein paar Krisenjahren änderte sich jedoch die öffentliche Meinung, und „eine Art von Arbeitslosenversicherung wird nun überall als wünschenswert angesehen.“[164]

Die gegen die Arbeitslosenversicherung vorgebrachten Argumente stützten sich wesentlich auf zwei Momente: Zuerst auf die Annahme, daß sich gegen Arbeitslosigkeit nicht versichern ließe, da die Arbeitslosigkeit nicht berechenbar wäre. Eine plötzliche Krisenvertiefung würde alle vorherigen Kalkulationen aufheben, das Versicherungsrisiko wäre zu groß. Als Antwort darauf wurde die Berechenbarkeit zu beweisen versucht, vornehmlich durch die bisherigen Krisenerfahrungen und durch eine empfohlene Berücksichtigung längerer Wirtschaftswellen, was, soweit die Kalkulationen des Versicherungswesens in Frage kämen, der Wirtschaftskurve die Schroffheit der Übergänge nehmen würde. Weiterhin wurde auf die Möglichkeit der Ratenabänderung in bezug auf Beiträge und Vergütungen hingewiesen, um der Arbeitslosenfluktuation Genüge zu tun. Das zweite sich gegen die Arbeitslosenversicherung richtende Argument, berief sich auf die dadurch verursachte Beeinträchtigung des Arbeitsmarktes, der Verringerung der Flexibilität der Löhne und der allgemeinen Verteuerung der Arbeitskraft, die aus der Versicherung resultieren würde. „Nichts kann leichter imitiert werden, als Arbeitsbereitschaft, die keinen Abnehmer findet. Viele Arbeiter werden mit dieser Imitation versuchen, der Monotonität und Arbeitsqual vieler Berufe zeitweise zu entrinnen. Ein während der Arbeitslosigkeit gesichertes Einkommen wird dies vielen Arbeitern unwiderstehlich machen. Die Schwierigkeiten, die mit der Nachprüfung der Arbeitswilligkeit verknüpft sind, verhindern die Entwicklung der Arbeitslosenversicherung.“[165] In den aus Unternehmerkreisen kommenden Arbeitslosenversicherungsvorschlägen wurden denn auch immer Maßnahmen gefordert, welche die Erhaltung der ökonomischen Unsicherheit der Arbeiter und ihre Abhängigkeit von den Unternehmern garantieren sollten. Als Antwort auf diese Argumente wurde fast immer auf die Tatsache hingewiesen, daß in Ländern mit Arbeitslosenversicherung der Arbeitsmarkt durchaus nicht beeinträchtigt wurde, und auch die Flexibilität der Löhne bestehen blieb. Da der Grossteil der Agitatoren für Arbeitslosenversicherung gleichzeitig den verschiedensten Unterkonsumtionstheorien anhängt, halten sie die Stützung der Lohnhöhe durch Arbeitslosenversicherung für ein krisenmilderndes Mittel, das nicht gegen, sondern für ihre Projekte spricht, wenn sie auch gleichzeitig selbst für Arbeitslosenvergütungen eintreten, die gering genug sind, um den Arbeitsanreiz nicht zu vermindern.

Die existierenden Arbeitslosenunterstützungs-Versicherungssysteme waren außerstande, Wesentliches in der Diskussion für und gegen ein gesetzlich gesichertes Arbeitslosenversicherungssystem auszusagen. Die von Unternehmern und Gewerkschaften unterstützten Arbeitslosen waren eine so verschwindende Minorität, daß ihre Erwähnung fast unnötig erscheint.[166] Seit 1916 wurden 26 Abkommen zwischen Unternehmern und Gewerkschaften getroffen, die in Zeiten von Entlassungen, Unterstützung für die Betroffenen vorsahen. 1934 existierten nur noch 5 dieser Abkommen, die auch bis zur Unwesentlichkeit modifiziert waren. Die Mehrzahl der Gewerkschaften, die an ihre arbeitslosen Mitglieder Unterstützungen zahlten, hatten die Unterstützungssummen so reduziert, daß sie die Aufgabe, die Arbeitslosen über Wasser zu halten, nicht mehr erfüllen konnten. Viele Gewerkschaften hatten ganz aufgehört Unterstützungen zu zahlen. Unternehmer, die ihre Arbeitslosen berücksichtigten, gab es in den Vereinigten Staaten nur 23, die bis 1934 auf 16 reduziert waren. Die Summen für Unterstützungszwecke wurden entweder durch die Unternehmer gedeckt, oder durch einen Fond, zu dem Unternehmer und Gewerkschaften beitrugen, oder durch die Gewerkschaften auf dem Wege der Mitgliedsbeiträge allein. Die Vergütungen, die von den einzelnen Systemen gewährt wurden, waren der Dauer der Unterstützungszeit, der Höhe der Unterstützungssätze und den Bedingungen des Unterstützungsempfanges nach sehr verschieden. Alle Systeme waren unzureichend und ihre Mittel schnell erschöpft, so daß jede, diesen Bestrebungen gewidmete Spezialstudie nur imstande ist, vom Bankerott dieser Bewegung zu berichten. Soweit die von den Unternehmern   selbst gebildeten   Unterstützungssysteme  in   Frage kommen, so „besteht wenig Hoffnung, daß sie die Probleme der Arbeitslosigkeit lösen können. Die Konkurrenz, der die Unternehmer unterstehen, ist so groß und intensiv, daß es sie ungeneigt macht, die Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen.“[167] Was die Gewerkschaften anbetrifft, so „ist die Arbeitslosigkeit soweit von der Kontrollierungsmöglichkeit der Arbeiter entfernt, daß keine einzelne Gruppe imstande ist, eine Lösung zu finden. Kommt eine große Depression, dann haben die Arbeiterorganisationen genug zu tun, sich selbst am Leben zu halten.“[168] Weiterhin sind die amerikanischen Gewerkschaften schon an sich, „durch ihre freiwillige Beschränkung der Mitgliederzahlen und der hohen Eintrittsgebühren unfähig und außerstande, Träger eines Arbeitslosenversicherungssystems zu sein.“[169]

Der Staat Massachusetts schlug als erster im Jahre 1916 ein Arbeitslosenversicherungsgesetz vor. Seitdem sind immer wieder ähnliche Vorschläge den Legislaturen einer Anzahl von Staaten unterbreitet worden. Aber erst 1932 hat der Staat Wisconsin als Einziger ein Arbeitslosenversicherungsgesetz angenommen, das im Juli 1933 in Kraft treten sollte, wenn nicht in der Zwischenzeit eine bestimmte Anzahl von Unternehmern in ihren Betrieben eigenmächtig Versicherungssysteme eingerichtet hätten, die als angemessen gelten könnten. Die Wartefrist wurde um ein Jahr verlängert, aber auch dann hatte nur eine unzureichende Minderheit der Unternehmer eigene Versicherungssysteme geschaffen, so daß im Juli 1934 das Zwangsarbeitslosenversicherungsgesetz in Kraft trat. Die bereits außerhalb des Gesetzes existierenden Versicherungssysteme durften in ihrer besonderen Form bestehen bleiben. Alle anderen Unternehmer hatten sich dem allgemeinen Gesetz entsprechend einzustellen. Das Gesetz erfaßt alle Arbeitgeber, die mehr als 10 Arbeiter beschäftigen. Von der Unterstützung und Versicherung ausgeschlossen sind Landarbeiter, Hausangestellte, Regierungs- und Administrationsbeamte, Eisenbahnarbeiter, Wohlfahrtsbeamte, Arbeitsunfähige und Arbeitsunwillige. Jeder Unternehmer hat zu einem Arbeitslosen Reserve Fond beizutragen. Die Arbeiter haben nichts zu zahlen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Reserve Fond eines Unternehmens 55 Dollar pro Arbeiter nicht erreicht hat, beträgt der Fond Beitrag des Unternehmers 2% seiner Lohnsummen. Übersteigt der Reservefond pro Arbeiter 55 Dollar und hat er 75 Dollar noch nicht erreicht, wird die Rate auf 1 % ermäßigt. Hat der Fond pro Arbeiter 75 Dollar erreicht, so brauchen keine Beiträge mehr eingezahlt werden, bis der Fond erneut sinkt, womit der Einzahlungsprozeß sich wiederholt. Weiterhin muß der Arbeitgeber 2/10 von 1 % seiner Lohnsummen für die Administration des Versicherungswesens aufbringen; ein Prozentsatz, der wenn möglich, vermindert werden soll. Arbeitgeber, die ihren Arbeitern jährlich mindestens 42 Wochen Beschäftigung mit Löhnen nicht geringer als 2/3 der Vollzeitlohnsätze garantieren, sind vom Aufbau eines Reserve Fonds entbunden, jedoch müssen sie den oben genannten Beitrag zum Administrations-Fond zahlen. Mit dem Auszahlen von Unterstützungen kann erst nach einem Jahr des Aufbaus des Reserve Fonds begonnen werden. Zwei Wochen Wartezeit sind für den Unterstützungsbezug vorgesehen. Der Unterstützungssatz beträgt 10 Dollar, oder 50% der Wochenlöhne, darf jedoch nicht unter 5 Dollar fallen. Für Teilarbeitslosigkeit besteht die Entschädigung in der Auszahlung der Differenz zwischen den erhaltenen Löhnen und den Arbeitslosenunterstützungssätzen. Für Schulen, oder Berufsschulen besuchende Arbeitslose wird ein extra Dollar an Unterstützung gezahlt. Unterstützungsberechtigte Arbeiter müssen zumindest 4 Wochen bei einem zum Reserve Fond beitragenden Unternehmer beschäftigt gewesen sein. Das Unterstützungsmaximum ist mit jährlich 10 Wochen erreicht. Unterstützungsberechtigt sind nur Arbeiter, die zumindest zwei Jahre vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit in Wisconsin beschäftigt waren, und in diesen zwei Jahren zumindest 40 Wochen arbeiteten. Keine Unterstützung wird bezahlt, erfolgt die Entlassung des Arbeiters auf eigenen Wunsch hin, oder war sie durch schlechtes Betragen erfolgt. Auch im Falle eines Streiks, oder bei Zerstörung des Arbeitsplatzes durch höhere Gewalt besteht kein Anrecht auf Unterstützung. Arbeiter, die in den zwölf Monaten vor der Arbeitslosigkeit mehr als 1 500 Dollar verdienten, sind nicht unterstützungsberechtigt. Alle Beiträge zum Reserve Fond werden an eine dem Staat unterstehende Industrie Kommission geleitet, die sie an den Schatzmeister des Staates überführt. Während des ersten Aufbaujahres des Reserve Fonds sollen die erhaltenen Summen in leicht verkäuflichen Obligationen der Vereinigten Staaten investiert werden. Alle später einkommenden Summen, müssen zu nicht weniger als 20% und zu nicht mehr als 40% in den Federal Reserve Banken deponiert werden. Für Nichtbefolgung des Gesetzes und falsche Angaben in bezug auf das Gesetz sind Geld- und Gefängnisstrafen vorgesehen.

Auf dem Wisconsin Plan basierten eine Reihe von Gesetzesvorschlägen, die in anderen Staaten während der Jahre 1930-32 gemacht wurden. Im Januar 1933 wurde der Legislatur des Staates Ohio ein Gesetzentwurf für Arbeitslosenversicherung vorgelegt, der sich von dem Wisconsin Plan wesentlich unterschied. Zuerst darin, daß er sich gegen den Betriebsfond (plant reserve) wandte und für einen im staatlichen Rahmen zusammengeworfenen Reserve Fond (state-pool) eintrat. In allen Diskussionen um die Arbeitslosenversicherung stand danach die Frage „plant reserve“ oder „state-pool“ an erster Stelle. In Wisconsin, New York, Massachusetts und anderen Staaten wurde der Betriebsreservefond vorgeschlagen, in Ohio, Maryland, Illinois und anderen Staaten der im staatlichen Rahmen zusammengeworfene Reserve Fond. Unter dem „plant reserve“ System kann der Arbeitslose eines bestimmten Konzerns nur aus den Beiträgen desselben Unterstützung erhalten. Fällt in diesen individuellen Betrieben der Reservefond, so müssen auch die Unterstützungen entsprechend reduziert werden, bis der Fond seine vorgeschriebene Höhe wieder erreicht hat. Unter dem „state-pool“ System fallen alle Beträge der Unternehmer in eine gemeinsame Kasse, von der die Arbeitslosen, ohne Rücksicht wer sie beschäftigt hatte, gespeist werden. Das „plant reserve“ System wird damit begründet, daß es die Unternehmer veranlassen soll, ihre Geschäftsaktivität zu stabilisieren, so wenig wie möglich Entlassungen vorzunehmen, und man hofft damit, eine bessere Arbeitsregulierung zu erreichen. Diese hervorgehobenen Stabilisierungsmomente „sind jedoch sehr übertrieben. Eine zwei- oder dreiprozentige Lohnsteuer bedeutet im allgemeinen kaum einen ½ prozentigen Zusatz zum Totalwert der Produktion und so keinen starken Zwang zur Stabilisierung. Sie kann also nur wenig oder gar keinen Einfluß auf die Krisenbekämpfung haben. Die Krise steht ja auch außerhalb der Kontrolle der individuellen Konzerne.“[170] „Betriebsreserven für Arbeitslosenunterstützung sind nicht viel besser als alle anderen Betriebswohlfahrtseinrichtungen. Sie binden die Arbeiter an die Unternehmer, die Unterstützungsfähigkeit ist an das Wohlergehen des Betriebes gebunden, die Organisierung der Arbeiter wird erschwert. Während weiterhin prosperierende Gesellschaften mit geringer Arbeitslosigkeit große Reserven akkumulieren können, würden die weniger erfolgreichen Unternehmer mit relativ großer Arbeitslosigkeit nicht imstande sein Reserven anzuhäufen. Hier würde der ganze Plan undurchführbar werden.“[171] Tatsächlich ist ein Betriebs Reserve Fond wohl kaum als Arbeitslosenversicherung anzusprechen, sondern höchstens als ein Sparprogramm, da ja jeder wirkliche Versicherungsplan bestrebt sein müßte, das Risiko soweit wie möglich aufzuteilen. Aus diesem Grunde strebt ein großer Teil der Arbeitslosenversicherungsenthusiasten den „state-pool“ und ein anderer den Nationalen Fond an. Und dies umsomehr, als ja auch im „state-pool“ System „die Stimulans zur Beschränkung der Arbeitslosigkeit durch Unternehmerinitiative gefördert werden kann, z. B. durch verschiedene Abgaben der einzelnen Unternehmer im Verhältnis zu ihrer Arbeitslosigkeit, oder durch die Zurückerstattung von Geldern an Unternehmer, die ihre Beschäftigungsfähigkeit erfolgreich stabilisierten.“[172]

Der zweite Unterschied zwischen dem Ohio und Wisconsin Plan bestand darin, daß die Gelder für den Reserve Fond von Unternehmern und Arbeitern aufgebracht werden sollten. Vorgesehen wurde im Ohio Plan, daß die Unternehmer zwei Prozent der Lohnsummen, die Arbeiter ein Prozent abzuführen hätten. Die Wartezeit war auf drei Wochen vorgesehen, die Unterstützungen sollten 50% der Wochenlöhne ohne Überschreitung von 15 Dollar betragen und 16 Wochen lang gezahlt werden. Der Arbeiter mußte mindestens 26 Wochen im Jahre vor dem Unterstützungsantrag beschäftigt gewesen sein und zum Reservefond entsprechend beigetragen haben. Die Administration sollte von einer, vom Gouverneur des Staates zu ernennenden, dreiköpfigen Arbeitslosenversicherungskommission geleitet werden, die dem Senat zu berichten hätte. Wie beim Wisconsin Plan waren auch die schon dort genannten Berufe vom Unterstützungsbezug ausgeschlossen. Der Gesetzentwurf wurde allerdings nicht akzeptiert, aber der Ohio Plan spielte in allen kommenden Gesetzentwürfen in einer Reihe von Staaten eine große Rolle.[173] Die Frage der Kontributionen zum Arbeitslosenreservefond hat ebenfalls die Diskussion um das Arbeitslosenversicherungswesen sehr bewegt. Sollten, wie in Ohio die Arbeiter dazu beitragen, oder sollten, wie in Wisconsin, die Unternehmer allein besteuert werden. Die Beteiligung der Arbeiter wurde sowohl vom konservativen Unternehmerstandpunkt aus gefordert, wie auch von den mehr liberalen Elementen der Sozialpolitik. Wurde von den Ersteren die weitere Belastung der Industrie zurückgewiesen, so glaubten die liberalen Elemente damit eine Art Arbeiterkontrolle über den Reserve Fond garantiert zu sehen und ebenfalls eine Stärkung des proletarischen „Selbstbewußtseins“, das nichts geschenkt haben wollte. Auch die Einstellung, daß die Unternehmer allein zahlen sollten, wurde von konservativen und radikalen Auffassungen zugleich vertreten. Von der ersteren, als Ausdruck des in Amerika so gepflegten Werkvereinswesens, als Ersatz der fehlenden Sozialgesetzgebung, und von den radikalen Elementen unter der Parole, daß die Reichen zahlen müssen, wobei allerdings nicht so sehr an die von den Unternehmern zu erhebende Lohnsteuer gedacht wurde, die ja durch Preiserhöhung oder Lohnkürzung von diesen wieder auf die Arbeiter abgewälzt werden kann, sondern an Vermögens- und Einkommenssteuern, die die Reichen treffen soll. Ohne Zweifel spielt die Art der Konstributionen im Rahmen des allgemeinen Kampfes um die Verteilung des Mehrwerts eine Rolle für die einzelnen in diesem Kampfe verwickelten Kontrahenten.[174] Vom gesellschaftlichen Standpunkt jedoch ist diese Frage ohne jede wirkliche Bedeutung, da die Verteilung des Mehrwerts, auf welchen Wegen und Umwegen auch immer, doch so vonstatten zu gehen hat, daß die Gesellschaft fortbestehen kann. In den, mit dem Verteilungsprozeß verbundenen Manipulationen setzt sich zuletzt notwendig doch immer die Politik durch, die der Erhaltung und Steigerung der Profitabilität der herrschenden Kapitale entspricht und damit die Tatsache, daß die Lasten der Arbeitslosigkeit von den Arbeitern getragen werden, ganz gleich ob nun die Unternehmer oder die Arbeiter, oder beide gemeinsam die Arbeitslosengelder aufbringen. Die Mehrwertverteilung ist erst der zweite Akt des gesellschaftlichen Lebensprozesses, ihm geht die Mehrwertproduktion voraus, und diese bestimmt die Grenzen der einzelnen politischen und wirtschaftlichen Manöver in bezug auf die Verteilung der Kosten der Sozialpolitik. Selbst die den Arbeitern freundlich gegenüberstehenden Sozialreformer sind sich klar darüber, daß was immer auch geschähe, eine zu große Belastung des Kapitals zur Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse unangebracht sei, „daß das tiefste Mißtrauen solchen Plänen gegenüber ausgesprochen werden müsse, welche die Arbeitslosenversicherung als eine Art Kapitalexpropriation betrachten wollen. Eine solche Tendenz würde nur in den Faschismus münden. Das Arbeitslosenversicherungswesen sollte durch solche Ideen nicht mißkreditiert werden.“ [175]

Im Juni 1934 berief Präsident Roosevelt ein Committee on Economic Security ins Leben, dessen Aufgabe sein sollte, für die ökonomische Sicherheit der Individuen entsprechend günstige Gesetzvorschläge zu machen. Im Januar 1935 wurden die Vorschläge des Komitees veröffentlicht und sie dienten als Basis der sogenannten Wagner-Lewis Bill, eine Gesetzvorlage, die wiederum den Boden für den späteren Rooseveltschen Social Security Act von 1935 abgab. Neben Altersversicherungsgesetzen, anderen in bezug auf Kinderarbeit und Erziehung, Blinden-, Krankenhilfe und Unfallwesen, enthielt der Social Security Act auch ein Arbeitslosenversicherungsprogramm, das in den einzelnen Staaten die Einführung von staatlichen Arbeitslosenversicherungssystemen in Zusammenarbeit mit der Federal Regierung ermöglichen sollte.

Die Kalkulationen des Social Security Act basierten auf der Annahme eines Arbeitslosenumfanges, wie er in der Periode von 1922-1929 vorherrschte. Alle Versicherungsgelder müssen durch Lohnsteuer aufgebracht werden. Die Regierung lehnt die Verwendung anderer Einkünfte für Zwecke der Arbeitslosenhilfe prinzipiell ab. Das Gesetz soll sich selbst erhalten. Reichen die Gelder nicht aus, um die Arbeitslosen zu befriedigen, so kann keine Unterstützung gezahlt werden. Niemand hat im Rahmen des Federal Gesetzes in irgendeinem Staate ein gesetzlich garantiertes unbedingtes Anrecht auf Unterstützung. Der den Staaten vorgeschlagene Maßstab für die Unterstützung sieht nach vierwöchentlicher Wartezeit ein Maximum von 15 Unterstützungswochen vor. Wie schon in den erwähnten staatlichen Projekten sind auch in dem Federal Gesetz eine Reihe von Berufen vom Unterstützungsbezug ausgeschlossen. Da Unterstützungen nur nach Einzahlung und Akkumulation der Lohnsteuer erfolgen können, sind alle heute existierenden Arbeitslosen von ihrem Bezug ausgeschlossen, und bleiben es fernerhin auch, sollten sie in der Zwischenzeit, bis zum Beginn der Auszahlungen, nicht Beschäftigung gefunden haben. Wohl erhebt die Federal Regierung ab 1. Januar 1936 von allen Staaten die Lohnsteuer und baut einen nationalen Reservefond auf, jedoch bleiben jedem der einzelnen 48 Staaten die Details und die Formen der staatlichen Gesetzgebung überlassen. Die Federal Regierung unternimmt nur die Besteuerung und gibt die Gelder dann an die einzelnen Staaten, den Beiträgen und Anforderungen dieser Staaten entsprechend, zurück. Neben der durch die Federal Regierung erhobenen Besteuerung kann jeder einzelne Staat noch zusätzliche Steuern für die Versicherung erheben. Die Federal Regierung verlangt die Lohnsteuer von den Unternehmern, die Arbeiter haben nichts dazu beizutragen, aber es steht den einzelnen Staaten frei, Gesetze zu erlassen, die auch Kontributionen der Arbeiter vorsehen. Die Größe der Unterstützungssummen, die Länge der Wartezeit, die Leistungslänge, etc., all das ist den einzelnen Staaten selbst überlassen. Im allgemeinen soll jedoch der Unterstützungssatz 50% des Lohnes betragen, wobei das Maximum von 15 Dollar nicht überschritten werden darf. Im Rahmen des Social Security Acts braucht kein Staat vor 1938 mit der Auszahlung von Arbeitslosenunterstützung zu beginnen, und niemand der bis dahin arbeitslos ist, hat ein Anrecht darauf. Die Höhe der Arbeitslosenversicherungssteuer im Rahmen des Social Security Acts beträgt ein Prozent der Lohnsummen der Unternehmer. Die Steigerung bis auf drei Prozent in den Jahren nach 1937 ist vorgesehen.

Der Social Security Act hat eine Konjunktur in Arbeitslosenversicherungsgesetzen mit sich gebracht. In den ersten Monaten des Jahres 1936 beschäftigten sich eine Reihe von Staaten mit diesbezüglichen Gesetzvorlagen, von denen bisher jedoch nur wenige verwirklicht wurden. Im Großen und Ganzen hielt man sich dabei an die Vorlagen Wisconsins und Ohios mit mehr oder weniger wichtigen Modifikationen. Schon existierende Arbeitslosenversicherungsgesetze mußten abgeändert werden, um sie dem Social Security Act anzupassen. Mitte 1936, beim Abschluß dieser Arbeit, sind die Fortschritte in den einzelnen Staaten in bezug auf die Arbeitslosenversicherungsgesetzgebung noch so gering, daß sich von der Wirkung des Social Security Acts auf die staatliche Gesetzgebung noch kein Bild machen läßt. Die Befürchtung „daß, da der Social Security Act keinen Standard für die Arbeitslosenversicherung vorschreibt, es nicht ausgeschlossen ist, daß in den 48 Staaten, ebensoviele verschiedene Gesetze angenommen werden können,“[176] scheint nicht unberechtigt zu sein. Schon in den, vor dem Social Security Act angenommenen Versicherungsgesetzen, waren in sechs Staaten der Union große Unterschiede vorhanden. Die fast überall geplante, doppelte Besteuerung durch Federal Regierung und durch die Staaten, erzeugt viele Widersprüche, Reibungen und eine allgemeine Konfusion „welche die ganze Bewegung für Arbeitslosenversicherung unter Umständen beeinträchtigen wird.“[177]Fortgeschrittene industrielle Staaten mögen relativ befriedigende Gesetze erlassen, andere Staaten durchaus unzureichende und vielleicht, trotz der federalen Besteuerung überhaupt keine. Unter diesen Bedingungen, wie sie durch den Social Security Act gegeben sind, „kann es ein halbes Jahrhundert dauern, ehe alle Staaten ein Arbeitslosenversicherungsgesetz adoptiert haben.“[178] Neben der allgemeinen Unsicherheit und abwartenden Haltung der einzelnen Staaten wird die Unwahrscheinlichkeit der Verwirklichung zureichender Arbeitslosenversicherung noch vergrößert, durch die eventuelle Erklärung der Verfassungswidrigkeit des gesamten Social Security Programms.

Vom organisatorischen Standpunkt aus wird gegen das Social Security Gesetz eingeworfen, daß die damit verbundene doppelte Buchführung durch die verbleibenden oder zu schaffenden staatlichen Gesetzmaßnahmen, eine unnötige Kostenverteuerung bedeute. Als unzureichend am Social Security Act wird hervorgehoben, daß er die Kontrolle des Federal Governments über die einzelnen Staaten nicht genügend sichere, und so nicht im notwendigen Maße den Stabilisierungsnotwendigkeiten der Wirtschaft in bezug auf die Arbeiterbeschäftigung diene. Wie in den einzelnen „plant system“ Staaten würden hier im nationalen Rahmen manche Staaten Überflüsse anhäufen und andere außerstande sein, wirkliche Reserven aufzubauen. Notwendig wäre ein wirklich allumfassendes nationales Versicherungssystem. Das ganze Social Security Programm und besonders seine der Arbeitslosenversicherung gewidmeten Teile, werden von einem Teil der Industrie als untragbare Belastung angesehen. Von den Arbeitern ebenfalls in der Erkenntnis, das die Lasten auf ihre Schultern abgewälzt werden können. Für die Unternehmer wirft sich die Frage auf „inwieweit man die Löhne reduzieren kann, ohne nach den schon stattgefundenen Lohnbeschneidungen die Arbeitermoral zu zerstören. Oder aber, wie man die Produktion steigern kann, ohne zusätzliche Arbeiterbeschäftigung; oder auch, wie die heutige Produktion mit weniger Arbeitern aufrecht erhalten werden kann.“[179]

F. C. Jones, Präsident der National Electric Manufactures Association äußerte auf der Jahreskonferenz seiner Organisation 1936: „daß die Social Security Legislation wahrscheinlich eine großzügige Nachfrage ;nach Arbeiterersparungsmaschinen mit sich bringen würde; eine (Nachfrage, die unter Umständen die größte sein würde, die Amerika je gesehen hat, und die vielleicht die ganze Industrie revolutionieren würde.“[180] Abgesehen davon, daß dies nicht der Fall sein muß, wird diese Art „pessimistischen Optimismus“ durchaus nicht durch die Sozialgesetzgebung verursacht oder ermöglicht. Wäre eine industrielle Revolution in diesem eingebildeten Maße möglich, so würde sie auch ohne Social Security Act stattfinden. Das Gesetzt ist, umgekehrt, ein Ausdruck der Tatsache, daß die industrielle ins Stocken geraten ist. Mag das Gesetz auch einzelnen oder vielen Kapitalen Anlaß zur weiteren Rationalisierung sein, so ist es doch mehr als fraglich, ob sich die allgemeine Profitrate dabei genügend hochtreiben läßt, daß die ungeheure Menge kapitalistischer Neuanlagen möglich wird, die nötig sind, um der heutigen Stagnation zu entkommen. Mag die weitere technische Entfaltung einzelner Kapitale auch gefördert werden, das Gesamtbild wird stets die große Arbeitslosenarmee enthalten und damit zu Maßnahmen zwingen, um den hier ruhenden gesellschaftlichen Gefahren auszuweichen. Die Frage der Arbeitslosenversicherung ist hier nur eine Frage auf der Suche nach den praktisch besten Wegen, um dem Arbeitslosenproblem zu begegnen. Jedoch was auch fernerhin in bezug auf die Arbeitslosenversicherung in Amerika unternommen werden wird, was bisher erreicht wurde, kann kaum als ernsthafter Anfang dieser Bestrebungen gelten. Die ganze Frage ist noch im Stadium des Experiments, „da das ganze Versicherungswesen ist noch am Entstehen ist. Was wir jetzt tun können, ist, überhaupt erst mit der Bildung der Reserven zu beginnen. Die nächsten fünf Jahre werden uns lehren, was getan und was unterlassen werden muß.“[181] Wenn nicht alles trügt, so werden die Experimente der nächsten Zukunft nur zu weiteren Experimenten führen, denn es wird im Rahmen des heutigen kapitalistischen Zustandes immer unwahrscheinlicher, daß das Kapital sich genügend erholen und damit auf die relative Verelendung des Proletariats beschränken kann. Wie die Dinge liegen, sieht es vielmehr so aus, daß die Weiterexistenz des Kapitals an die dauernde und absolute Verelendung der Arbeiterschaft gebunden ist, womit auch die Zeit der Sozialreform, die diesen Namen verdiente, vorüber ist.


Anmerkungen

[83] Chicago Daily Tribune, 9. November 1932.

[84] Das allgemeine Niederlassungsgesetz von 1718 in Pennsylvania, z. B., enthält neben Angaben über Besteuerung für Zwecke der Armenpflege auch solche über die Erschwerung des Unterstützungsbezugs. Alle Wohlfahrtsempfänger und deren Kinder hatten stets sichtbar auf dem rechten Ärmel ein großes „P“ (pauper) zu tragen. (Vgl. Poor Relief Administration in Pennsylvania, State Department of Weifare, Harrisburg 1934, S. 170.) — Der für Unterstützungsbezieher heute bestehende Zwang zur Leistung des Offenbarungseides und die allgemeine Behandlung der Unterstützungssuchenden durch die Wohlfahrtsinstitutionen und deren Agenten hat noch immer die Abschreckung und Stigmatisierung der Hilfesuchenden zum letzten Prinzip.

[85] W. Haber, Unemployment and Relief in Michigan. Lansing 1935. S. 27.

[86] Zur Charakterisierung der Armenpfleger (Directors of the poor): „… Von 612 befragten Wohlfahrtsvorständen gab die Hälfte zu, daß sie ihre Aufgabe ausschließlich darin sähen, so wenig wie möglich an Unterstützung zu zahlen, um die Steuern niedrig zu halten. Ein Drittel der befragten Gruppe drückte den Wunsch aus, den Armen soweit wie möglich helfen zu wollen. .. . Einzelne gaben ohne weiteres zu, daß ihnen ihre Arbeit verhaßt wäre. ...“

„… Selbst heute, wo stets größere qualitative Anforderungen an fast alle Berufe gestellt werden, erlaubt man doch Personen, ohne die notwendigen Qualifikationen, die Posten von Wohlfahrtsbeamten zu bekleiden; eine Position, die diese Leute zum Meister über die Armen macht und ihnen buchstäblich Macht gibt, über deren Leben oder Tod zu entscheiden. Friseure und Schönheitsoperateure müssen staatliche Prüfungen bestehen, ehe sie praktizieren dürfen, nicht so das Personal der Wohlfahrtspflege, sie unterstehen keiner Art von Befähigungsprüfung. ...“

„… Die Erkenntnis der Unfähigkeit des Personals der Wohlfahrtspflege veranlaßte im April 1933 die Reconstruction Finance Corporation dem Staate Pennsylvania finanzielle Hilfe für Wohlfahrtszwecke zu verweigern. . . .“

„... Des Wohlfahrtspflegers Pflichten sind nicht leicht. Hilft er den Armen, wird er verflucht, hilft er ihnen nicht, wird er ebenfalls verflucht. Da die große Majorität der Armenpfleger durch die Bevölkerung gewählt wird, bleibt ihre Position stets eine unsichere. Ausreichende Armenpflege erhöht die Steuern, was stets unpopulär ist.“ Poor Relief in Pennsylvania, Harrisburg 1934. S. 61 f.

[87] Poor Relief in Pennsylvania.S. 174.

[88] E. Abbott, “Abolish the Pauper Laws”. Social Science Review, Chicago. Vol. VIII. No. 1. March 1934; pp. 1-16.

[89] „... Die Unterstützung in Bargeld hat ohne Zweifel viele Vorteile. Sie erlaubt den Haushalten eine gewisse Flexibilität und erleichtert auch die Arbeit der Unterstützungsagenturen. Der mögliche Nachteil ist in dem Moment zu sehen, daß sie die Wohlfahrt attraktiver macht.“ (W. Haber, Unemployment and Relief in Michigan. S. 77) Ende 1935 und zu Beginn des Jahres 1936 ging man in einzelnen Staaten und vielen Städten zur Bargeldunterstützung über. Dieser Wandel wurde von der Taktik der Wohlfahrtsagenturen bei ihren Versuchen zur Reduzierung der Unterstützungen bestimmt. Man vertrat die Ansicht, daß eine Beschneidung der Unterstützungssätze auf weniger Widerstand stoßen würde, wenn man damit gleichzeitig die Verbesserung des Übergangs zur bargeldlichen Unterstützung verbinden würde. So berichtet die Chicago Daily News vom 11. Mai 1935: „Die Bargeldunterstützung wurde in einer Konferenz von Staatswohlfahrtsbeamten als ein Mittel zur Kompensation einer notwendigen Unterstützungsreduzierung angesehen. . . . Mrs. C P. Paige, von der Cook County Relief Administration berichtete, daß in St. Louis eine notwendige zwanzigprozentige Beschneidung der Unterstützungssätze auf keinen Widerstand stieß, da die zu gleicher Zeit eingeführte bargeldliche Unterstützung von den Klienten so geschätzt wurde, daß keinerlei Beschwerden eingingen.“

[90] „… Während meiner einjährigen Tätigkeit als Direktor der Wohlfahrt gelang es 4545 Personen unberechtigt Unterstützung zu erhalten. Das war weniger als 1/10 von 1% der Totalsumme der Unterstützungsbezieher. Im April 1935 veranlaßte Ich die gerichtliche Verfolgung dieser Personen. Noch vor Beginn des Jahres 1936 wurde die Summe von 100 000 Dollar an uns zurückbezahlt. Unsere Aktion ersparte uns nicht nur Geld, sondern hielt auch viele Personen von der Bewerbung um Unterstützung zurück.“ R. L. Johnson, Director of the Pennsylvania State Emergency Relief Administration, in der Saturday Evenlng Post vom 21. März 1936.

[91] „... Viele Bezirke versuchten die Unterstützunsbewerber prompt zu bedienen, in anderen wurden die Applikanten absichtlich vernachlässigt, um sie zu entmutigen. Oft bediente man sich auch der verschiedensten Bedrohungen, um die Bewerber abzuschrecken. In einzelnen Distrikten erlaubte man Zuhörer zu den Examinationen der Unterstützungsbewerber, da man sich davon Ersparungen versprach, da der Zwang zur öffentlichen Entblößung der individuellen Sorgen viele Leute von der Bewerbung um Unterstützung abhielt.“ (Poor Relief in Pennsylvania. S. 83 f.)

[92] „... Wenn einem Unterstützungsempfänger eine Beschäftigung angeboten wird mit einem Lohn, der der Unterstützungssumme gleich ist, oder diese übersteigt und der Unterstützungsempfänger lehnt die Beschäftigung ab, so ist ihm jede Unterstützung sofort zu entziehen.“ Bulletin No. 1976 der Illinois Emergency Relief Commission. 21. Sept. 1934. „... Sobald ein Unternehmer uns benachrichtigte, daß eine von ihm angebotene Beschäftigung von einem Unterstützungsempfänger abgelehnt wurde, riefen wir den betreffenden Arbeitslosen ins Wohlfahrtsamt und stellte es sich heraus, daß der ihm offerierte Lohn ein zureichender war, und die Fähigkeit des Arbeitslosen der angebotenen Beschäftigung entsprach, so mußte er diese akzeptieren oder er wurde vom Wohlfahrtsbezug ausgeschlossen.“ R. L. Johnson in der Saturday Evening Post vom 21. III. 1936.

[93] 93 Z. B. das Relief Budget der Stadt Chicago vom Jahre 1933 (Die Summen drücken den Geldwert gelieferter Naturalien aus)

Familienzahl Wöchentlich Monatlich
1 $ 1,95 $ 8,44
2 3,40 14,75
3 4,65 20,13
4 5,65 24,16
5 6,65 28,79
6 7,65 33,12
7 8,65 37,45
8 9,75 42,22
9 10,85 46,98
10 11,95 51,74

„1933 betrug im Durchschnitt der Unterstützungssatz per Familie 21 Dollar. Pro Person 4,60 monatlich, oder ungefähr 15 Cent pro Tag und Person.“ P. H. Douglas, Controlling Depressions. New York 1935. S. 89.

[94] Ende 1932 verlangte die Stadt Boston, z. B. für eine Unterstützung In Höhe von $ 4.00 als Gegenleistung einen Tag Arbeit. Für 14 Dollar mußten 4 Tage gearbeitet werden. Die Arbeiten bestanden im Bau und der Pflege von Gartenanlagen, Golfplätzen, Flughäfen und ähnlichen Projekten. Als eine Stimme von tausenden forderte die Chicagoer Tribune vom 6. Februar 1932 den Arbeitszwang für Unterstützungsempfänger.

[95] „… Es war jedoch für die Stadtgemeinden bei weitem billiger, ihre öffentlichen Arbeiten durch Privatunternehmer durchführen zu lassen. Es ist auch klar, daß der Selbstrespekt (das propagierte Motiv für den Arbeitszwang) der Arbeitslosen nicht gehoben wird, wenn man sie mit Schaufel und Schubkarren tun läßt, was zehnmal so schnell und bei weitem billiger durch Bagger und Lastauto geleistet werden kann.“ R. L. Johnson, Saturday Evening Post, 21. III. 1936.

[96] Die Exmittierungen Arbeitsloser begleitete das Elend aller Krisenjahre seit 1929. Selbst noch 1934 berichtete Richter Bonelli des Mietsgerichts in Chicago, daß in diesem Jahre in dieser Stadt 38 255, und 1935, mehr als 43 000 Familien zwangsweise aus ihren Wohnungen entfernt wurden.

[97] New York Times vom 9. August 1935.

[98] In einer Untersuchung für den Gouverneur Sterling berichtete Maury Maverick, Steuereinnehmer von Bexar County (Texas): ..... Im Staate Texas befinden sich 50 000 bis 75 000 heimatlose Menschen. Nach meinen Feststellungen sind 90% dieser Leute anständige Bürger, die ehrlich nach Arbeit suchen. Diese Menschen leben in ‚Jungles’, in Eisenbahnwaggons, unter Brücken und im Weichbild der Städte. Ihre Lebensweise ist eine unglaublich niedrige. Sie sind verelendet, schmutzig, nass, kalt, krank, sterbend. 25% von ihnen sind Frauen, 15% Kinder zwischen 11 und 19 Jahren, aber auch viele noch jüngere.“ Maverick schildert das Leben dieser Leute wie folgt: „Ich fand Vater, Mutter mit sechsmonatealtem Säugling im ‚Jungle’. Eine einzige Decke zum Schutz gegen die Kälte. Auf nassem Grunde bei frostiger Temperatur auf dem Erdboden schlafend. - In einem anderen ‚Jungle’ drei Männer und zwei Frauen bei frostiger Temperatur auf der Erde schlafend. Alle unterernährt und krank. Im Jungle von Houston 94 Personen. Ein Kranker auf der Erde, unfähig wiederaufzustehen. Ein Feuer ist um ihn errichtet um ihn zu wärmen. Ein Mann an Lungenentzündung sterbend. — 60 Männer in einem einzigen ungeheizten stinkenden Raum. Ihre Nahrung müssen sie sich erbetteln. — Großeltern mit drei Enkelkindern. Alle Kinder krank. Notdürftig mit Lumpen bedeckt, — usw.“ Maverick kommt zu dem Schluß: „Verhältnisse wie diese gab es in Amerika nie zuvor.“

[99] Im Juli 1934 wurde die Bestimmung erlassen, daß die Darlehen nicht zurückzuzahlen seien.

[100] Nur 7 Staaten: Delaware, New Jersey, Conecticut, Massachusetts, Vermont, Maine, Wyoming, waren 1933 imstande, dieser Prozedur entsprechend zu operieren.

[101] Anteil an den Reliefkosten 1933:

Federal: 60,6
Staaten: 14,2
Kommunen: 25,2
Total: 100

[102] „Ein Drittel aller unterstützungsbedürftigen Personen lebten in Pennsylvania, New York, Ohio und Illinois, was, angesichts der industriellen Konzentration in diesen Staaten, nicht überraschend ist. Hier waren ungefähr genau soviel Leute Wohlfahrtsempfänger, wie im ganzen übrigen Amerika.“ A. Williams, Assistant Administrator of Relief in der New York Times vom 17. II. 1935.

[103] Der Staat Arizona erhielt 1935 sogar 13 mal soviel an Federal Zuschüssen, als er an Steuern an die Federal Regierung abführte.

[104] „Angenommen, daß jeder Dollar, der in den Jahren 1935 und 1936 ausgezahlten Wohlfahrtsgelder, als direkte Unterstützung an die Arbeitslosen abgeführt worden wäre, so würde dies bedeutet haben, daß 3,5 Millionen Familien jährlich $ 850, also die Hälfte des Existenzminimums bezogen haben würden. Der verbleibende Rest der Familien von 8 Millionen Arbeitslosen wäre dann ausschließlich auf die staatliche und kommunale Wohlfahrt angewiesen gewesen.“ The Nation vom 12. II. 1936.

[105] Zitiert bei H. L. Ickes in The New Democracy. New York 1934. S. 98.

[106] „On the Dole“, Fortune, New York, Oktober 1934.

[107] Nach dem FERA-Zensus vom Oktober 1933 waren 10,3% der Gesamtbevölkerung Wohlfahrtsempfänger, gegenüber 17,8% aller Neger in den Vereinigten Staaten,

[108] W. Haber, Unemployable Persons on the Emergency Relief Rolls in Michigan. Lansing, 1935. S. 4. - Seit Ende 1935 ist die FERA bestrebt, die Nichtarbeitsfähigen an die lokale und staatliche Armenpflege zurückzuleiten.

[109] a. a. O. S. 5.

[110] „... ungefähr nur die Hälfte der Arbeitslosen erhält Unterstützung.“ (H. Grattan in Harpers Monthly, Juni 1935. S. 81).

„Von 1931 bis 1933 waren die Arbeitslosenziffern in Pennsylvania einem Eisberg ähnlich. Die registrierten Arbeitslosen zeigten nur die vielfache Masse unter der Oberfläche an.“ Pennsylvania in the Depression. S. 8.

[111] a. a. O. S. 18.

[112] A. Williams in der New York Times vom 17. II. 1935.

[113] In unternommenen Untersuchungen stellte die FERA fest, daß (z. B.) In Washington von 16 000 Arbeitslosen nur 220 angebotene Beschäftigungen zurückwiesen. Von diesen 220 konnten wiederum nur 4 keine ausreichenden Gründe für die Arbeitsablehnung angeben.

Ein anderer Bericht aus dem Allegheny County erzählt: „Die Tatsachen demonstrieren deutlich, daß Arbeitsabneigung äußerst selten auf Arbeitslose zutrifft. Hier konnten nur 32 Fälle ermittelt werden, wo Beschäftigung ohne ausreichende Gründe zurückgewiesen wurde.“

[114] Eine Untersuchung in Dayton ergab folgendes Bild der Arbeitslänge bei unterstützten und nichtunterstützten Arbeitern.

Längste Beschäftigungszeit
bei einem Unternehmer
Häufigkeit in % bei Wohlfahrtsempfänger Häufigkeit in % bei Nichtunterstützten
6 Monate und mehr 91 96
1 1/2 Jahre und mehr 81 89
4 1/2 Jahre und mehr 50 67
9 1/2 Jahre und mehr 19 33
14 1/2 Jahre und mehr 8 16

[115] W. Haber, Unemployment and Relief in Michigan. S. 1.

[116] „Vom Januar 1918 bis zum Juni 1919, also in den 18 Monaten während und kurz nach dem Kriege, hatte die U.S. Employment Service 850 Arbeitsnachweise in Betrieb. Sie registrierten eine Nachfrage nach 12 Millionen und ein Angebot von 7 Millionen Arbeitern.“

H. W. Laidler, Unemployment and its Remedies, S. 27.

[117] H. J. Montgomery, früherer Präsident des Illinois Employment Board, erklärte, „daß die freien Arbeitsnachweise Illinois wundervoll sein könnten, wenn sie nicht das Vertrauen der Arbeitergeber bitter enttäuscht hätten, da sie zu Abladeplätzen politisch orientierter Arbeiter geworden wären.“

Chicago Sunday Tribune 17. November 1935.

[118] „Da die privaten Arbeitsvermittlungsagenturen außerstande sind die quantitativen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zu befriedigen, da sie wichtige Arbeitsfelder völlig unberührt lassen, und da sie nur parteiisch zu operieren vermögen und außerstande sind, im nationalen Umfang zu wirken, kommen wir zu dem Schluss, daß die Entwicklung eines nationalen Arbeitsvermittlungssystems die Bedürfnisse der Industrie und Gesellschaft am besten befriedigen würde.“ S. M. Harrison, Public Employment Offices. Russel Sage Foundation. New York 1924. S. 102.

[119] Pennsylvania Labor and Industry in the Depression. S. 24

[120] a. a. O. S. 36.

[121] E. E. Calkins, “The Will to Recovery”. Current History. New York. August 1935. S. 454.

[122] Vgl. D. R. Richbergs Report an den Präsidenten.

[123] F. Gendral, “The Homeless go to Camp”. Current History. August 1935. S. 488.

[124] Die Southern Pacific Railroad berichtete, daß sie im Jahre 1933 gezwungen war, 717 560 Personen gewaltsam von ihrem Privateigentum zu vertreiben. Im Jahre 1928 dagegen nur 79 215 Personen.

[125] F. Gendral, The Homeless go to Camp. S. 492.

Fortune (October 1934. S. 57) berichtete, daß von einer Totalsumme von 214 000 Transiets, 3000 unverheiratete Frauen waren. 40% aller Transiets waren Familien.

[126] F. Gendral, The Homeless go to Camp. S. 493.

[127] R. Fechner, Direktor der CCC, gibt in seinem Tätigkeitsbericht für die Zeit vom April 1933 bis zum April 1935 an, daß nach Schätzungen des Innenministeriums, des Kriegsministeriums und des landwirtschaftlichen Ministeriums sich die durch die CCC geschaffenen Werte auf 425 Millionen Dollar beliefen.

[128] Lohn: $ 30.00; Unterhaltungskosten einschließlich Materialaufwand und Verwaltungskosten $ 70.00. Im Juli 1934 verschlang die CCC 35 Millionen Dollar. Entfernte jedoch zu gleicher Zeit 1 050 000 Personen von den Wohlfahrtslisten.

[129] Jobs for All. The New Republic. 10. Juli 1935. S. 240.

[130] Encyclopaedia of Social Sciences. Vol. XV. S. 161.

[131] Vgl. H. J. Ickes, The New Democracy. New York 1934. S. 101.

„... Von den der P.W.A. überlassenen Summen in Höhe von 3 700 000 Dollar wurden bis zum August 1934 folgende Projekte gespeist: öffentliche Unternehmen durch die Federal Regierung: $ 1527 630 517, für Verwaltung und Spezialzwecke: $ 1167 725 660, für extra-federale Projekte: $ 975 615 921. Arten der öffentlichen Arbeiten unter anderem: Straßenbau, Kraftstationen, Wasserwerke, Be- und Entwässerungsanlagen, öffentliche Gebäude, Schiffdocks, Deiche, Kanäle, Untergrundbauten, Kriegsschiffe, Hilfe für die Elsenbahnen, Flughäfen, Jagdschutz, gegen Pflanzenpest, Erholungsstätten, etc.

[132] H. W. Laidler, Unemployment and its Remedies. S. 35.

[133] P. H. Douglas, Controlling Depressions. S. 123.

[134] V D. Kazakevich, Inflation and Public Works. (The Economics of Inflation) New York 1935. S. 346.

[135] P. H. Douglas, Controlling Depressions. S. 137.

[136] „Will man, wie es oft in Krisenzeiten der Fall Ist, für Millionen Arbeitslose Beschäftigung finden, so ist es der Regierung doch nicht möglich, die entsprechenden Maßnahmen schnell genug zu treffen. Weiterhin erfordern öffentliche Arbeiten zunächst bestimmte Typen von Arbeitern. Die Arbeitslosen rekrutieren sich jedoch aus allen Industrien. Die Anlernungskosten für diese Arbeitslosen sind nicht nur ein Hindernis, sondern, würden sie ausgeworfen, so würden dadurch auch schwerwiegende schädliche Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt erfolgen. Ausgedehnte Arbeiten zwingen weiterhin zum Ankauf von Arbeitsmitteln, die wieder wertlos würden, sobald veränderte Verhältnisse zur Reduzierung der öffentlichen Arbeiten zwingen.“ L. Wollman, Planning and Control of Public Works. S. 172.

[137] L. Wollman, Planning and Public Works. New York 1930. S. 173.

[138] Vgl. H. G. Moulton, Income and Economic Progress. Washington 1935.

[139] Entwicklung der Neukonstruktionen von 1919-1930. (S. Kuznets, Durable Goods and Capital Formation. National Bureau of Economic Research. New York. November 1934)

1919: 61,1 1924: 92,5 1929: 100,0
1920: 70,9 1925: 97,6 1930: 82,9
1921: 64,1 1926: 99,7 1931: 62,0
1922: 76,7 1927: 103,4 1932: 38,0
1923: 92,6 1928: 110,7 1933: 36,5

[140] Prozentuale Aufteilung des geschätzten Totalvolumens öffentlicher Arbeiten. (V.D. Kazevich, Inflation and Public Works. S. 369)

Jahr Städte Counties Staaten Federal Total
1925 47 29 15 9 100
1926 50 26 16 9 100
1927 49 29 14 8 100
1928 47 27 17 9 100
1929 48 20 21 11 100
1930 45 22 21 12 100
1931 44 11 27 18 100
1932 38 7 27 28 100

[141] Die Goldreserven des Federal Reserve Systems betrugen vor der Entwertung 200 Millionen Ouncen. Bei einem Preis von $ 20,67 per ounce betrug der Geldbestand 4,2 Milliarden Dollar. Die Dollarentwertung auf 59 cents bedeutete, daß jede ounce Gold nun $ 35,00 kostete. So betrug der „Wert“ des Goldbestandes nun 7,0 Milliarden Dollar. Der „Profit“ dieser Transaktion betrug rund 2,8 Milliarden Dollar.

[142] Im Mai 1936 erklärte das Columbia Court of Appeals das 278 Millionen Dollar Resettlement Experiment, geleitet von Prof. R. G. Tugwoll, als eine Überschreitung der legislativen Rechte des Präsidenten und des Kongresses für unkonstitutionell.

[143] D. Kazakevich, Inflation and Public Works. S. 362.

[144] J. Mitchell, “Jobs for All”. The New Republic. 10. Juli 1935.

[145] Kosten der Roosevelt Administration nach Angaben des Senators H. F. Byrd:

Finanzjahr Einkommen Ausgaben Defizit
1933 $ 2 079 696 742 $ 5 142 953 627 $ 3 063 256 885
1934 3 115 554 050 7 105 050 085 3 989 496 035
1935 3 800 467 202 7 375 825 166 3 575 357 964
1936 (geschätzt) 3 949 043 634 9 915 709 874 5 966 666 240
1937 (geschätzt) 5 596 917 650 8 272 554 370 2 675 636 720

[146] Zitiert bei Mitchell, Jobs for All. The New Republic. 10. Juli 1935.

[147] Landstraßenbau, Straßenreparaturen, Renovierung öffentlicher Gebäude, Parkanlagen, Erholungsstätten aller Art, Bewässerung, Abflussanlagen, Forschungs- und Museumsarbeiten, Erwachsenenschulung, Theater-, Kunst- und Musikprojekte, usw. Bis zum April 1936 hatte die W.P.A. 2 586 134 Personen Beschäftigung vermittelt. Beworben hatten sich bis zum 1. Januar 1936, 6 385 740 Personen.

„35% der sich im Jahre 1935 Bewerbenden lebten in ländlichen Bezirken. Ein nur etwas geringerer Prozentsatz als der des proportionellen Verhältnisses zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung im allgemeinen, der 1930 39% betrug.

82% der Bewerber waren eingeborene Weiße, 15% Neger und 3% anderen Rassen angehörend. Damit waren die beiden letzteren Gruppen mehr vertreten als die erste, da das allgemeine prozentuale Verhältnis der Neger zur Gesamtbevölkerung nur 12%, das der anderen Rassen 2% beträgt.

Ungefähr 1 400 000 der Bewerber waren Frauen. Während dem Zensus von 1930 entsprechend, die Zahl der beschäftigten Frauen von der Gesamtzahl der Beschäftigten 22% betrug, war das Verhältnis in bezug auf die W.P.A. 28%.

Von der Gesamtsumme der sich um die W.P.A. bemühenden Arbeiter besaßen 16% keine vorhergehende Arbeitserfahrung. Doch handelte es sich hier ausschließlich um Jugendliche, die ihr arbeitsfähiges Alter während der Depression erreichten und um Hausfrauen, die die Not zur Suche nach Beschäftigung zwang.

Zweidrittel der unerfahrenen Arbeiter standen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Nur 27% der Bewerber um W.P.A. Stellungen waren über 45 Jahre alt.

95% mit früherer Arbeitserfahrung hatten zumindest 6 Monate in ihren Berufen gearbeitet. Zweidrittel von ihnen zumindest 5 Jahre. Mehr als die Hälfte aller Bewerber waren zuvor bei einem Unternehmer mehr als 5 Jahre beschäftigt gewesen.

Ein Anziehen des Geschäfts in den vier Hauptindustrien: Baufach, Stahl und Eisen, Automobilindustrie und der Lebensmittelbranche reflektierte sofort in der Reduzierung der Arbeitslosen, die aus diesen Industrien kamen und sich nun um Beschäftigung bei der W.P.A. bewarben.“ Corrington Gill, W.P.A. Assistant Administrator in der New York Times vom 24. November 1935.

[148] H. S. Johnson, W.P.A. Administrator in New York in einem Bericht an H. L. Hopkins. Zitiert in der Chicago Daily News vom 10. IV. 1936.

[149] Nach Angaben H. L. Hopkins betrug das monatliche Einkommen der W.P.A. Arbeiter im Durchschnitt für Amerika 50.03 Dollar. Die einzelnen Distrikte zeigten die größten Variationen in den Lohnraten für W.P.A. Arbeiter. So betrug der Durchschnitt im Nordosten Amerikas $ 58.10, während in South Carolina nur $ 26.78.

In Verbindung mit den Materialkosten stellte sich die Arbeitslosenhilfe im Rahmen der W.P.A. an vielen Orten oft dreimal so teuer, wie die direkte Arbeitslosenunterstützung im Rahmen der Wohlfahrt. Allerdings muß hierbei berücksichtigt werden, daß der niedrige Wohlfahrtsunterstützungssatz nicht auf die Dauer eingehalten werden kann, ohne zu großen sozialen Auseinandersetzungen zu führen. Die Trennung der Arbeitslosen in W.P.A. Arbeiter und Wohlfahrtsempfänger, d. h. die Schaffung einer privilegierten Schicht der Arbeitslosen verminderte den Druck der Arbeitslosen auf die Gesellschaft. Man bezahlte für die gesellschaftliche Ruhe und von diesem Gesichtspunkt aus ist es fraglich, ob die Arbeitsbeschaffungspolitik tatsächlich die teurere war.

Als Maßstab für die Lohnsätze an den W.P.A. Projekten gilt die jeweilige Lohnhöhe in den entsprechenden Privatunternehmen, (prevailing wage rate) doch wurde dieser Maßstab erst, aus von der Wahl bestimmten propagandistischen Gründen, im Mai 1936 gesetzlich festgelegt. Dadurch erhöht sich nicht der Lohnsatz der W.P.A. Arbeiter, nur die von ihnen geleistete Stundenzahl mag sich vermindern, womit zugleich die Senkung der Materialkosten verbunden ist und die Gesamtkosten der Arbeitshilfe vermindert werden. Der W.P.A. Arbeiter arbeitet soviel Stunden in der Woche, bis auf Grund der herrschenden Lohnrate sein festgesetztes Einkommensmaximum erreicht ist. Die gesetzliche Festlegung der prevailing wage rate soll die in der privaten Industrie vorherrschenden Lohntarife sichern helfen.

[150] H. L. Hopkins in einem Interview durch die New York Times. 7. VI. 1936.

[151] Relief and the States. Editorial in der Chicago Daily Tribune. 13. III. 1936.

[152] Im Juni 1936 reduzierte man z. B. in Newark und New Jersey die Zahl der Wohlfahrtsempfänger bis fast um die Hälfte. In Hoboken reduzierte man die Unterstützungsempfänger in ein paar Wochen von 2000 auf 90. In Camden von 4530 auf 2856. Die Zeitungen berichteten eine Reihe ähnlicher Maßnahmen in den verschiedensten Teilen und Orten des Landes.

[153] Edith Abbott, University of Chicago, in einer Konferenz für Wohlfahrtspfleger. Zitiert in der Chicago Daily News. 6. VI. 1936.

[154] H. L. Hopkins in der New York Times. 7. VI. 1936.

[155] Der Prozentsatz unterstützter Fremder ist gering. Selbst in Städten mit großer Nichtbürgerzahl wie New York beträgt er kaum 10% aller Unterstützten.

[156] „Meine Erfahrung als Wohlfahrtsdirektor in Pennsylvania bestätigte meine Auffassung, daß wir ernsthaft versuchen sollten, die nicht einzubürgernden Fremden aus dem Lande zu weisen.“ R. L Johnson in der Saturday Evening Post. 28. III. 1936.

„Es sollte selbstverständlich sein, die vorhandenen Arbeitsgelegenheiten auf die Bürger zu beschränken, … und die Fremden auszuweisen.“ R. G. Carroll, Saturday Evening Post. 11. IV. 1936.

[157] C E. Merriam, Government and Society. In Recent Social Trends. Vol. II. pp.

1502-1540.

[158] Dr. S. A. Queen auf einer Roten Kreuz Konferenz am 12. Mai 1936. (Chicago Daily Tribune. 13. V. 1936)

[159] H. L. Hopkins, New York Times. 1. III. 1936.

[160] H. L. Ickes, The New Democracy. New York 1934. S. 99.

[161] J. Gumperz, „Zur Soziologie des amerikanischen Parteiensystems“. Zeitschrift für Sozialforschung. Heft 3. 1932. S. 289.

[162] Kuczynski, Der Fabrikarbeiter in der amerikanischen Wirtschaft. Leipzig, 1930. S. 142.

[163] Encyclopaedia of Social Sciences. New York, 1935. Vol. XV; S. 165.

[164] Pennsylvania Labor and Industry in the Depression, Harrisburg, 1934. S. 14.

[165] H. R. Seager, Principles of Economics. New York, 1923. pp. 652-653.

[166] Ungefähr 160 000 Arbeiter waren von den verschiedenen Arbeitslosenunterstützungssystemen in Amerika erfaßt. Vgl. Operation of Unemployment Insurance Systems in the United States. Department of Labor. Washington, D. C. 1934.

[167] W. B. Catlin, The Labor Problem. New York, 1926. S. 72.

[168] W. B. Catlin, The Labor Problem. S. 440.

[169] F. Wunderlich, “Insurance or Relief”. Social Research. May 1935; S. 168.

[170] P. H. Douglas auf der National Conference for Labor Legislation. Washington, D. C Februar 14-15, 1934. (Bulletin 583 des United States Bureau of Labor Statistics.)

[171] A. Epstein auf derselben Konferenz,

[172] P. H. Douglas auf derselben Konferenz.

[173] Eine Reihe anderer Vorschläge wurden noch in den verschiedensten Staaten und von verschiedenen Institutionen gemacht, die aber Vorschläge verblieben. Erwähnt sollten hier werden, die „Standard“ Bill der American Association for Labor Legislation und die Bill der American Association for Social Security, die beide für den „Statepool“ eintraten und auch sonst nur in unwesentlichen Momenten von der Ohio Bill abwichen.

[174] Vgl. G. Colm, “Methods of Financing Unemployment Compensation”. Social Research. May 1935. S. 148-167.

[175] F. Wunderlich, “Insurance or Relief”. S. 175.

[176] “How much Social Security”. The New Republic. July, 3, 1935.

[177] a. a. O. s. 210.

[178] Labor fights for Social Security. New York 1936. S. 14.

[179] F. P. Stockbridge, Social Security. Saturday Evening Post. 14. IM. 1936.

[180] Chicago Daily Tribune. 8. Oktober 1935.

[181] Madame Perkins, Secretary of Labor, in der erwähnten National Conference for Labor Legislation.


Zuletzt aktualisiert am 3.3.2009